World of X

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Coma

von Faye

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Er fühlte sich schwerelos und unbeschwert, es war ein gutes Gefühl, alles war friedlich. Doch als er die Augen öffnete, herrschte Dunkelheit, einsame Dunkelheit, beängstigende Dunkelheit. Er suchte das Licht, doch alles war fort, kein Licht, kein Laut, kein Leben. Er schien eine Ewigkeit so zu verweilen bis ihn der vertraute Klang einer Frauenstimme aus seiner Verzweiflung inmitten der Einsamkeit riss. Es war seine Mutter. „Fox, bleib’ bitte bei mir, ich habe doch nur noch dich.” Auch wenn er nicht sagen konnte woher die Stimme kam und er niemanden sehen konnte, spürte er, dass er nicht mehr alleine war. Seine Mutter war bei ihm, ganz nah. Er wollte sie trösten, doch als er zu sprechen versuchte, brachte er keinen Laut zustande. Seine Stimmbänder waren stumm.

Es herrschte wieder Stille. Das Schluchzen seiner Mutter war verstummt, die Dunkelheit hatte einen dichten Mantel um es gelegt. Er war wieder allein. Völlig allein. Er begriff es nicht, wollte schreien, doch es ging nicht.

Wie lange er schon in dieser misslichen Lage steckte, konnte Mulder nicht sagen, aber für ihn war klar, dass es bereits zu lang war. Immer wieder versuchte er einen Ton herauszubringen, doch so oft er es auch versuchte, jeder Versuch scheiterte. Aber er war nicht der Typ der aufgab, er versuchte es einfach weiter.

Mrs. Mulder hatte es nicht ausgehalten ihren Sohn so daliegen zu sehen, so gut wie tot. Sie dachte daran, was Scully ihr erzählt hatte und konnte es nicht ertragen. Irgend so ein Psychopath hatte auf ihren Sohn geschossen und ihn dabei lebensgefährlich am Kopf getroffen. Die Ärzte waren sich nicht sicher, ob er überleben würde.

Obwohl sie ihren Sohn nicht alleine lassen wollte, verließ sie das Krankenhaus. Wie konnte sie auch mit ihrer Angst und verlorenen Hoffnung eine Hilfe für ihn sein? Sie ging nur noch einmal zu Dr. Jacobson um zu erfahren wie schlimm es jetzt um Fox stand.

„Er wird es zwar höchstwahrscheinlich überleben, aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass er, falls er jemals aufwacht wieder der alte sein wird. Wir wissen nicht genau welche Nerven alle betroffen sind. Es könnte sein, dass er z. B. nicht mehr sprechen kann. Es tut mir leid, wenn ich das so sagen muss, nur will ich Ihnen keine falschen Hoffnungen machen.” Nein, das tat er ganz bestimmt nicht, seine Worte waren kein Trost, doch wenigstens versuchte er nicht sie zu schonen und ihr die Wahrheit zu verschweigen. Ein Mann, der einfach nur ehrlich war; er hätte Fox gefallen.





FBI Hauptgebäude Washington D.C.



„Nehmen Sie sich doch frei, Agent Scully. Vielleicht können Sie ihm helfen.” Scully blickte auf den Boden, sie konnte Skinner nicht in die Augen sehen, denn sie war nicht die Art von Frau, die zeigte wie zerbrechlich sie war und wenn es insbesondere um Mulders Leben ging war sie zerbrechlicher als zerbrechlich. Natürlich wollte sie nichts mehr als zu Mulder, um bei ihm zu sein, ihm Trost zu spenden, aber sie machte sich solche Vorwürfe, nicht schneller reagiert zu haben. Sie hätte Mulder all dies ersparen können, wenn sie nur eine Sekunde früher den Abzug gedrückt und den Kerl erledigt hätte. Und jetzt? Jetzt sollte sie Mulder helfen, sich von ihrem Fehler zu erholen... doch wie? Einfach dazusitzen und nichts zu tun würde sie nicht aushalten. Aber dann fiel ihr wieder ein wie es ihr damals ergangen war, Mulder war immer bei ihr gewesen. Sie glaubte sogar daran, dass sie nur durch ihn wieder zurück ins Leben gefunden hatte. Und was war, als Mulder verschwunden war und Albert Hosteen ihn gefunden hatte? Obwohl sie nichts von seiner Rettung gewusst hatte, wusste sie dass er noch lebte. Ihre Seelen waren über ihre Partnerschaft hinaus eine Verbindung eingegangen, doch wie stark war diese Verbindung. War sie stark genug, um Mulders Leben zu retten?

Sie blickte Skinner mit roten Augen an. „Danke. Es wird für uns beide vermutlich das Beste sein.”





Allington Hospital



„Wo bitte finde ich Fox Mulder?” Sie schämte sich, das fragen zu müssen, aber seit er operiert worden war, war sie nicht mehr hier gewesen.

„Er liegt auf der Intensivstation. Folgen Sie mir!” Natürlich lag er auf der Intensivstation, da wo er auch schon gestern gelegen hatte und das wusste Scully nur zu gut, schließlich hatte sie ihn dorthin befördert, zumindest sah sie das so. Doch nicht nur aus diesem Grund, hatte sie den behandelnden Arzt fast jede Stunde angerufen. Nicht weil sie sich schuldig fühlte, sondern weil sie Angst hatte, nicht um sich, sondern um Mulder, ihren Partner, ihren Freund.

Sie öffnete die Tür zu Mulders Zimmer. Sie hatte einen Kittel an, jenen Kittel, den jeder tragen musste, wenn er jemanden auf der Intensivstation besuchte. Normalerweise machte es Scully nichts, einen Kittel zu tragen, schließlich trug sie bei jeder Autopsie einen, doch jetzt... jetzt besuchte sie keinen toten Körper, sondern Mulder. Dieser Kittel unterschied sich nur wenig von denen, die sie in der Leichenhalle trug und genauso wenig unterschied sich Mulder von den Leichen die dort lagen. Er war blass und bleich.

„Was soll ich sagen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal wieso ich hier bin, ich meine, wie kann ich Ihnen helfen?” Sie schluchzte und wusste einfach nicht was sie tun sollte. Sie wollte schon gehen, weil sie Mulder nicht so daliegen sehen konnte, so hilflos an die Maschinen gefesselt, doch sie gab sich einen Ruck... „Wissen Sie noch, als ich gesagt habe, dass ich mich für niemanden in Gefahr bringen würde außer für Sie. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert. Ich denke das Sie das wissen sollten. Was Sie aber auch wissen sollten ist, dass ich auch für Sie töten würde und auch schon getötet habe. Der Kerl der Ihnen das hier angetan hat, liegt in der Pathologie. Durch meine Hand dorthin befördert und ich bereue nichts, außer das ihn nicht eher in die Hölle geschickt habe. Ich hoffe Sie können mir meinen Fehler verzeihen.” Mit diesen Worten stand sie auf, drehte sich um ging zur Tür.

Ein leises Flüstern erfüllte den Raum: „Dana.”

War das nicht... sie drehte sich erfreut um, doch da war nichts, außer einem im Koma liegenden Mulder, der ganz bestimmt nicht ihren Namen über die Lippen gebracht hatte. Wie konnte sie auch annehmen, dass Mulder durch ihre Worte aufwachen würde und auch noch sprechen konnte? Sie wusste genau wie gering die Chancen waren, dass wenn er aufwachen, er dann direkt oder überhaupt sprechen und sich an alles erinnern würde. Sie ging.

„DANA!” schrie Mulder, der es endlich geschafft hatte zu sprechen.

Mulder wusste, dass Scully ihn gehört hatte.

„Kommen Sie zurück!” Doch Scully hatte die Intensivstation längst verlassen.

Wie seine Mutter, wollte auch Scully sich bei Dr. Jacobson informieren.

„Tut mir leid, über Mr. Mulders Zustand kann ich nur mit Angehörigen reden.”

„Hören Sie, ich bin selbst Ärztin und habe ihn auch schon des Öfteren behandelt.”

„Ja, aber...”

„Nun reden Sie schon, früher oder später werde ich es doch erfahren.”

„Nun gut, es besteht wenig Hoffnung, dass Mr. Mulder wieder aufwacht, aber ich denke das wussten Sie schon. Wir können nicht sagen, ob und wie viele Nerven betroffen sind, dass können wir erst, wenn er wieder aufwacht.”

„Also besteht noch Hoffnung, dass er wieder ganz der Alte wird?” Innerlich sprang ihr Herz vor Glück, obwohl sie genau wusste, dass das sehr unwahrscheinlich war. Dr. Jacobson spürte, dass es besser war, der Frage zuzustimmen, für ihn und für die Frau vor ihm.

„Nichts ist wirklich hoffnungslos. Es gibt eben immer einen Weg.” mit diesen Worten machte der Arzt sich auf zu einem Patienten.





Ein Tag später



„Ich muss hier raus! Sie macht sich solche Vorwürfe, dabei trägt sie doch gar keine Schuld! Ich muss zu ihr zurück.”

„Wer ist sie eigentlich, zu der du zurück willst?” Ein kleiner Junge stand auf einmal neben Mulder. Aber es schien nicht so, als würde er auf festem Boden stehen, eher als würde er schweben. Mulder war es bisher gar nicht recht aufgefallen, aber auch er selbst schien keinen Boden unter seinen Füssen zu haben.

„Wer bist du?” fragte Mulder erschrocken.

„Eigentlich hatte ich ja als erster eine Frage gestellt, aber na schön, ich bin Naël. Und wer ist sie nun?”

„Wer?” hakte Mulder nach, der immer noch geschockt von der Anwesenheit eines Anderen war.

„Na, die Frau von der du die letzten zwei Tage redest.”

„Woher weißt du das denn?”

„Was?” unschuldig blickte der Junge zu Mulder.

„Na, dass ich schon länger von ihr rede?”

„Ganz einfach, ich bin schon die ganze Zeit hier. Ich bin schon seit über 10000 Jahren hier. Eigentlich rede ich nur sehr selten mit den Leuten, die hier her kommen. Du bist mir aufgefallen, weil du was Besonderes bist.”

„Es waren schon andere Menschen hier? Und wieso bin ich anders als sie?”

„Hier kommen alle Menschen her, die zwischen dem Leben und dem Tod stehen, hier entscheidet sich ihr Schicksal. Aber, was dich betrifft, die anderen waren immer so, ich weiß nicht, auf sich fixiert. Sie fragten sich immer womit sie das verdient hätten und warum gerade sie. Und du? Du machst dir Sorgen um deine Mutter und diese Frau. Dana, nicht wahr?”

„Ja, aber...”

„Vielleicht war es auch nur Zufall, dass die anderen, die ich beobachtet habe alle irgendwie erbärmlich waren, wer weiß das schon? Trotzdem, du bist bestimmt kein Zufall, dir ist es bestimmt in die nächste Ebene zu kommen, die meisten anderen habe ich wieder auf die Erde geschickt, weil sie dafür nicht bereit waren.”

„Welche nächste Ebene?” Mulder war es irgendwie durch Naëls Worte schwindelig geworden... oder gab es dafür einen anderen Grund?

„Das, was ihr Lebenden als Himmel bezeichnen würdet, da kommen alle Toten und die es sich in dieser Ebene verdient haben hin.”

„Tot? Ich bin doch nicht tot, oder doch?”

„Noch nicht, erst wenn du die Grenze zwischen den beiden Welten überschreitest.”

„Das möchte ich aber gar nicht, ich will leben.” Normalerweise hätte Mulder sich jetzt hingesetzt, denn ihm war so schwindlig, dass er wohl in Ohnmacht fallen würde.

„Schlaf ruhig, wenn du aufwachst, hast du die nächste Ebene erreicht.”

Während Mulder das Bewusstsein verlor, murmelte er noch: ”Ich will sie aber nicht alleine lassen, ich will sie nicht verlieren.” Er wiederholte die Sätze noch ein paar mal, bis sie unverständlich wurden und er schließlich ganz bewusstlos war. Naël schaute Mulder an, er hatte schon lange keinen Kontakt mehr zu Menschen gehabt und konnte sich auch nicht vorstellen was an dieser Frau, Dana war doch gleich ihr Name, so Besonderes sein sollte, dass dieser halbtote Mann hier nicht in die nächste Ebene wollte. Sie duzten sich immerhin noch nicht einmal...

Mulder erlangte das Bewusstsein wieder, konnte aber die Augen erst nicht öffnen, doch er spürte, dass um ihn herum Licht war. War das etwa die nächste Ebene? Schließlich öffnete er seine Augenlider und musste überrascht feststellen, dass er sich in einem Krankenhausbett befand. Die Ärzte hatten ihn anscheinend in ein normales Zimmer verlegt, denn er wusste genau, dass er, als er versucht hatte mit Scully zu sprechen auf der Intensivstation gelegen haben musste, das hatte er durch Scully sehen können.

„Fox? Ähm... Mulder?” sie konnte es kaum fassen.

Mulder drehte seinen Kopf und blickte in die - vor Freude weinenden - Augen Scullys.

„Sie dürfen mich ruhig Fox nennen, Dana. Es gibt schließlich Schlimmeres als diesen Namen.” er sprach sehr leise, trotzdem weinte Dana nur noch mehr; sie hatte nicht damit gerechnet seine Stimme je wieder zu hören.

„Sie können sogar sprechen! Ich hole sofort einen Arzt und rufe Ihre Mutter an.”

Sie war schon drauf und dran überglücklich aus dem Zimmer zu stürzen.

„Warten Sie”, hauchte er und Dana wandte sich ihm wieder zu. „Ich möchte Ihnen erst noch etwas sagen.”

Dana trat zu ihm und nahm seine Hand in die ihre.

„Ich möchte Ihnen danken, denn ich weiß, ich habe es nur durch Sie geschafft zurückzukommen.” seine Stimme war heißer, doch diese wunderschönen Worte waren wie eine warme Decke um Scullys Herz, das ohne ihn sicher zerbrochen wäre. Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, dann machte sie sich langsam auf um einen Arzt und Fox’ Mutter zu benachrichtigen.





The End
Obwohl in dieser Story dargestellt werden soll, dass der eine ohne den anderen nicht leben kann, muss ich allerdings darauf hinweisen, dass das nicht falsch zu verstehen ist, denn wer den anderen braucht muss noch lange nicht in ihn verliebt sein. Zutreffen könnte es natürlich trotzdem. ;-)



PS: Man beachte, dass ich die Story 1998 geschrieben habe, da waren die Verhältnisse noch etwas anders. Auch die Tatsache, dass Mrs. Mulder noch am Leben ist, dürfte einige von euch verwirrt haben.



Weitere Fanifcs von mir, findet ihr entweder auf dieser Seite oder hier: http://home.arcor.de/tini243/ („Good old Eddie“; „May be or not“; „Reality“, „Sleeping Consciousness“ und „When I get older“)
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