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Ich will

von Kris

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Ihre Silhouette hob sich in dieser Dunkelheit kaum von der Umgebung ab. Sie stand mit dem Rücken zur Tür, fast im Regen, vor ihrem kleinen Motelzimmer, in das Mulder sie beide eingemietet hatte. Der Regen weichte ihre Füße fast auf, aber sie spürte es nicht – wollte es einfach nicht spüren. Sie hatte ihre Arme um ihren Körper geschlungen, als müsste sie sich selbst Halt verschaffen. Mulder trat leise hinter sie und betrachtete sie. Er versuchte aus ihrer Haltung zu schließen, was in ihr vorging. Seitdem sie vor einer halben Stunde aus dem Zimmer geschlichen war, schien sie sich nicht bewegt zu haben. Das Gedankenkarussell in ihrem Kopf trete sich und schien nicht nach Ruhe zu sehnen, sondern sie nur noch mehr mit Gedanken zu quälen. Obwohl er Scully schon so lange kannte, konnte er sich keinen Reim auf ihr Verhalten machen. Er wünschte nicht hellsehen zu können, um ihre Gedanken erraten zu können, aber er konnte die Last, die sie mit sich trug förmlich spüren und wollte sie ihr nehmen. Manchmal waren auch ihm ihre Diskussionen zu viel und er versuchte sie zu vermeiden, aber was für Möglichkeiten hatte er, wenn sie sich selbst quälte. In letzter Zeit tat sie das einfach zu oft. Es war, als hätte er auch sie abgefärbt. Er hatte sich gern als Märtyrer aufgespielt und die Last der Welt auf seine Schultern genommen, bis er verstanden hatte, dass es niemanden interessiert, es hat gar niemand bemerkt. Er war so oft so dumm gewesen und so naiv. Er hat sich in allem, was jemals in seinem und den Leben seiner Lieben schief gegangen war, die Schuld gegeben und hat sich damit unheimlich erwachsen gefühlt, bis er gemerkt hat, dass er sich gerade dadurch äußerst kindisch verhielt.

Er legte seine Hände auf Danas Schultern und streichelte sie sanft. Er wollte sie näher an sich ziehen, um sie zu wärmen. „Woran denkst du?“ Er suchte mit seinem Blick die Umgebung ab, um zu sehen, was sie sah, was ihren Blick so fesselte, dass sie sich kaum rührte. „An morgen und übermorgen! Wie es weitergehen soll!“ Aus ihrer Stimme war jegliche Hoffnung geschwunden. Da war nichts mehr von dem Mut und von der Bereitwilligkeit die Reise mit ihm zu teilen, wie noch einige Stunden zuvor. „Ich verstehe nicht!“ Er suchte nach Worten, um das Bevorstehende abzuwenden und doch war sein Kopf ganz leer. „Was gibt’s denn da nicht zu verstehen, Mulder? Ich mache mir einfach Sorgen um uns und unsere Situation.“ Sie zog die Schultern etwas zusammen, als fröstelte sie. Er hatte gehofft, sie würde sich in seine Umarmung schmiegen, aber stattdessen schien sie sich nur kleiner zu machen, um sich noch mehr zu entziehen. „Aber ich dachte, wir hätten das geklärt. Ich dachte, du hättest dich entschieden mit mir zu kommen!“ Er klang mutloser, als er es geplant hatte. Sie schaffte es immer wieder anzurühren und dabei aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Er war weit mehr emotional, als er es zugeben wollte und auch wenn er immer wieder versuchte nicht so aufbrausend zu sein, um nicht all zu viel von seiner Gefühlswelt preiszugeben, gelang ihm das bei ihr kaum. „Ich habe mich für dich entschieden, das ist richtig, aber Mulder wie soll das weitergehen?“ Endlich drehte sie sich um und blickte ihn direkt an. „Naja, ich habe ein paar neue Informanten kennen gelernt und ich habe ein paar Dinge herausgefunden, die uns sehr nützlich sein werden und ich weiß jetzt, wie ich meine Prioritäten setzten muss, damit wir vielleicht Erfolg haben. Als erstes müssten wir nach Kanada fahren, um da ein paar Leute zu treffen. Die arbeiten dort für ein Forschungsinstitut, das sich mit dem Klonprogramm befasst und uns helfen würden dieses Projekt zu sabotieren. Damit wäre ein großer Punkt von der Liste und es würde nicht zu eine Infizierung der hiesigen Bevölkerung kommen und dann...“ Scully fiel ihm ins Wort, um ihn zu stoppen. „Und wie sollen wir erst einmal nach Kanada kommen und wie geht es dann weiter? Mulder, verdammt noch mal, wir haben jetzt überhaupt nichts mehr im Rücken, nicht unsere Stellung im FBI, bald kein Geld mehr und den Kontakt zu unseren Freunden mussten wir auch abbrechen, schlimmer noch: drei wichtige Freunde sind erst vor kurzem ums Leben gekommen, weil sie dich, in deiner ständigen Suche, bekräftigen wollten. Wir sitzen auf den landesweiten Fahndungsliste des FBI und nicht zu vergessen von diesen Supersoldaten.“ Ihr Blick war voller Wut, als würde sie ihn anklagen wollen. „Das wird sich dann alles zeigen, Dana. Du weißt doch, dass ich dich ungern in Gefahr bringe und ich werde alles daransetzen, dass wir unsere Arbeit so unbehelligt wie möglich durchführen können.“ Er führte seine Hand an ihre Wange, um ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, aber sie machte einen Schritt nach hinten, noch näher in den Regen. „Mulder, merkst du nicht, wie undurchdacht dass alles klingt. Du kennst das Ziel ohne die geringste Ahnung von dem Weg zu haben oder davon, wie wir diesen Weg bestreiten sollen. Wir haben kaum Geld dabei und du hast sicherlich auch keine Idee, wie wir an welches kommen sollen, geschweige denn davon in was für einer Gefahr wir ständig schweben, um etwas zu erreichen, von dem wir nicht wissen, was es genau ist. Dafür habe ich nicht diese ganzen Opfer gebracht!“ Ihr Gesicht nahm einen völlig anderen Ton an. Die Anklage stand noch deutlich in ihren Zügen geschrieben, doch mischte sich etwas Neues dazu, dass Mulder schnell als Wut definieren konnte.

„Dana, was meinst du. Denkst du, ich hätte keine Opfer gebracht? Aber irgendwer muss doch für das verbliebene kämpfen. Ich will mich keinesfalls als Held aufspielen, aber was bleibt uns denn anderes übrig?“ Er sprach die Worte so eindringlich, wie es ihm möglich war, aber er hatte nur das Gefühl gerade mit dieser Besänftigung in ein Wespennest gestochen zu haben. „Aber das tust du, genau das tust du. Du spielst dich als Held auf, ohne dass je jemand davon Notiz machen wird und ohne einen eigenen Plan. Mulder du hast keine Ahnung, was überhaupt noch möglich ist zu retten und all die Opfer die du gemacht hast, all das Leid, dass du durchlitten hast, hat dich nicht klüger gemacht, sondern nur noch unberechenbarer. Du denkst, du hättest nichts zu verlieren und dabei stehst du womöglich das letzte mal vor der Entscheidung etwas wichtiges in deinem Leben zu behalten oder alles zu verlieren für eine Sache, die wahrscheinlich schon verloren ist!“ Sie presste die Worte geradezu heraus und rang dabei mehr denn je um ihre Fassung. Konnte er denn nicht verstehen, dass es das bisschen Kraft nicht wert war durch das Land zu hetzten und sich für eine Sache zu opfern, die vielleicht nicht mehr aufzuhalten war?

„Was für eine Entscheidung, Dana? Muss ich mich zwischen dir und dem Kampf entscheiden? Willst du mir das sagen“ Er versuchte die Entfernung zwischen ihnen wieder wett zu machen und registrierte mit Erstaunen, dass sie nicht zurückwich. „Nein, ich will dass du dich zwischen einem Leben und dieser Suche entscheidest!“ Sie hob ihre Augenbrauche und durchbohrte ihn fast mit ihrem Blick. „Diese Suche ist mein Leben, Dana und das weißt du auch, aber genauso weißt du, dass du für mich das wichtigste bist. Ich liebe dich mehr als alles andere und genau deswegen kämpfe ich auch. Ich will, dass wir irgendwann mal in Ruhe leben können!“ Er trat noch einen Schritt auf sie zu und kämpfte gegen die strengen Falten auf seiner Stirn an, um sie wieder sanftmütiger anzusehen und sie so von seinen guten Absichten zu überzeugen. „Genau das ist es ja. Wie lange sollen wir so weitermachen, bis wir einmal leben können. Mulder, ich habe keine Zeit mehr und ich will auch keine Zeit mehr geben, um zu warten, bis wir leben können. Mulder, ich habe unseren Sohn weggegeben, um uns Zeit zu verschaffen und jetzt habe ich keine Kraft mehr. Ich will dich ja gar nicht zu einer Entscheidung nötigen, aber wir haben die Chance einfach alles hinter uns zu lassen, zu verschwinden und ein Leben zu leben.“ Die Wut wich einer Hoffnungslosigkeit, die Mulder schon lange nicht mehr in ihrem Gesicht gesehen hatte, aber gut kannte. Sie war bereit aufzugeben und ließ keine Stütze zu. Sie verbarrikadierte sich hinter einen Mauer aus Schmerz, ohne dabei zu verstecken wie verletzt sie war. „Also das ist es! Du gibst mir die Schuld dafür, dass du William weggegeben hast. Weißt du was, ich blute auch deswegen, aber das lässt sich nun nicht mehr ändern und damit er dennoch eine wohlbehütete Kindheit hat und auch eine Zukunft will ich kämpfen.“ Er griff ach ihrer Hand und spürte die Kälte, die von ihrer Haut ausging.

„Bitte Dana, ich will dich nicht verletzten und dennoch habe ich das Gefühl, dass ich das gerade die ganze Zeit tue. Sag mir, was ich tun kann, wie ich das hier richtig machen kann? Ich bin nicht unbedingt ein Beziehungsmensch, besser gesagt, ich war nie einer! Aber ich möchte dich gern glücklich machen und ich möchte mit dir zusammensein.“ Er drückte ihre Hand und versuchte sie zu wärmen. „Ich muss hier weg, weg von all dem. Wenigstens für eine Weile. Ich meine nicht etwas Impulsives oder dergleichen, sondern Ruhe, ohne die Angst vor Verfolgern, vielleicht Europa. Es muss nicht für lange sein. Ich gebe dir ja Recht, dass irgendwer, irgendwas tun muss, aber ich brauche eine Pause und zwar mit dir! Ich will wenigstens ein Mal behaupten können gelebt zu haben und gespürt zu haben, dass ich geliebt werde.“ Er hätte Tränen erwartet, aber sie war stark und das erste mal wirklich ehrlich mit ihm, ohne wieder auf ihn Rücksicht zu nehmen. „Es tut mir leid!“ Er zog sie in seine Arme und hielt sie fest. Ihr Rücken war schon ganz nass vom Regen und sie zitterte, aber sie hatte Recht, er hatte geglaubt, das richtige getan zu haben und das Beste für sie zu tun, indem er sie von dem Schmerz William weggegeben zu haben, abzulenken, aber in Wirklichkeit hatte er sie damit nur emotional abgestumpft. „Gehen wir rein und schlafen etwas, morgen haben wir eine Menge mit Reiseplanung zu tun!“ Er lächelte sie aufmunternd an und zog sie wieder in das kleine Apartment. Dana lächelte ebenfalls und schmiegte sich in seine Umarmung.


ENDE
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