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Samstagsdiebe

von Lila

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Scully war irgendwie angetan, auch wenn die Unfähigkeit Kinder zu bekommen sie müde gemacht hatte. Es schien ihr eine willkommene Abwechslung von Mulder ausgeführt zu werden. Noch in dieser Nacht hatte er sich seine Lederjacke übergeworfen und ihrem trostlosen, auf der Couch sitzenden Erscheinungsbild die Hand gereicht.



„Na komm“, flüsterte er, und ihr überraschter Blick wich einem interessierten.



„Zeit, mal etwas anderes zu sehen!“



Draußen war es kalt und verregnet, aber was sollte es. Sie verschränkte die Arme und ließ sich von Mulder mit seinem Arm um ihrer Schulter führen. Es wunderte sie nicht, dass niemand etwas sagte. Was sollte auch noch gesagt werden?



Auch an dem Tresen einer schummrigen Bar nutzte sie die Chance nur für kraft- und geistlose Worte, während sie versonnen auf das halbvolle Bierglas vor sich stierte. Mulder saß reglos neben ihr und schaute sie konzentriert an.



„Dieses Lied war mal mein Lieblingslied.“



„Dieses?“



„Ja“



Mulder versuchte angestrengt zu zuhören, doch konnte nur Wortfetzen heraushören. Im Prinzip handelte es davon, dass man irgendetwas selbst herausfinden sollte. Was das wohl war?



„Ich wusste ja gar nicht, dass du auf Morrissey stehst“, ein Kommentar, den Scully mit einem mäßig amüsierten Blick bedachte.



„Das wäre zuviel des Guten.“



Pause. Stumm saßen sie da und genossen, dass gerade mal nichts war. Eine Zwischenwelt, in der man nur so rumschwebte.



„Und jetzt?“, fragte Scully. „Was kommt jetzt?“



Mulder war auf eine solche Frage nicht vorbereitet.



Der Barmann näherte sich ihnen und wischte unter ihren Gläsern, nahm die leeren Gläser bei Seite und wischte schon wieder. Schließlich entfernte er sich.



„Ich zeig dir mal was!“, schlug Mulder vor, nein, er überrannte Scully mehr, indem er einen Bierdeckel hervorzog und ihn anpries als hätte er einen wertvollen Lottoschein in der Hand, willens ihr das Bestmöglichste an Unterhaltung zu bieten, das sie im Moment überhaupt nur kriegen konnte.



Mit einem Lächeln ließ sie es über sich ergehen, bis Mulder gegen Ende der Vorstellung mehr schlecht als recht zwei Hälften dieses prima Bierdeckels in den Händen hielt.



„Ich versteh das nicht“, murmelte er verärgert, „Also irgendwie sollte das ja anders laufen“, und schmiss die zwei Hälften bei Seite.



Scully lachte etwas über Mulders erbärmlichen Versuch und ergriff sein Knie.



„Na komm, es ist spät.“



Sie stand auf, und während sie ihren Mantel überzog, winkte sie Ryan aus dem Büro zu, der sein Feierabendbier mit ein paar Kollegen am anderen Ende der Kneipe zu sich nahm. Sie hatten mal so etwas wie ein Date, aber es war kaum der Rede wert. Schließlich legte Mulder seine Hand auf ihren Rücken und geleitete sie hinaus.





Draußen roch es inzwischen nur noch nach Regen, und obwohl es sehr spät war, tat sich noch sehr viel im Nachtleben von Washington D.C.



„Mulder, ich danke dir, es wäre mir schwer gefallen heute allein zu sein.“



Vor ihrer Haustür angekommen, blieben sie stehen.



„Hast du schon darüber nachgedacht, was ich dir gesagt habe?“, fragte Mulder letztendlich und meinte damit die kleinen Avancen, die er ihr in den letzten Wochen gemacht hatte. Es war tatsächlich sein Ernst gewesen. Und seit Scully sich einmal bei dem wenig professionellen Wunsch erwischt gehabt hatte, Mulder einmal näher sein, hatte sie Angst vor sich selbst. Als wäre dieser Gedanke eine Neurose, die man nicht mehr los wurde. Und sie wurde ihn auch nicht mehr los, diesen Gedanken. Und er war schon weitaus länger da gewesen als Mulders Avancen.



„Ja weißt du..“, versuchte sie sich zu winden.



Dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände und begann sie zu küssen.



Sie konnte nicht verstehen, wie man gleichzeitig so überrascht und doch erwartungsvoll sein konnte. Im Prinzip hatte sie diesen Kuss ja schon seit Jahren erwartet.



„Komm mit rauf“, überraschte sie schließlich sich selbst.



Dass sie sich jemals soviel Schwäche zugestehen konnte, alleine durch den zerbrechlichen Klang ihrer Stimme, war auch Mulder neu. Dieser private Bereich ihres Lebens war ihm bisher ja verborgen geblieben.



Sie strich seine Hand und wandte sich dann dem Türschloss zu. Er folgte ihr.



Zurück in ihrer Wohnung ließ sie sich, sobald die Tür geschlossen war und sie seinen Blick fand, in einen weiteren Kuss ziehen. Es war, als müsse es so kommen. Es war ihr so vertraut, dass sie sich hatte hinreißen lassen. Sie schliefen miteinander, ließen diesmal nichts aus, die ganzen schmutzigen Details! Der ganze harte Tobak, dass zwei Kollegen sich liebten! Was sollte es! Es gab Momente, in denen würde Scully alles aufgeben. Dies war so ein Moment. Sie ließ sich gehen. Sollte Mulder doch die Kontrolle übernehmen. Einer musste es ja tun.





Als sie am nächsten Tag aufwachte, hatte sie einen Kater. Allein die Augen zu öffnen tat weh, wenn das Sonnenlicht so grell wie nie zuvor war und man am vorigen Abend vergessen hatte, die Gardinen zu zuziehen. Der vorige Abend.



Sex mit Mulder, schoss es Scully durch den Kopf. Ohje, und was kam nun? Was kam nach dem Sex?



Der Radiowecker sprang an. Yummy yummy yummy, I got love in my tummy. Es hätte unpassender nicht sein können. Fast wütend auf so ein Lied, schlug Scully den Wecker aus.



„Was ist los?“, fragte Mulder verwirrt, als er neben ihr die Augen öffnete.



Wie ernüchternd solche Morgene doch sein konnten.



„Ich mach uns einen Kaffee“, sagte Scully dann unwirsch und verließ das Bett.





Und während der Kaffee in der Küche so vor sich hinbrodelte, stand Scully im Bademantel ans Fenster gelehnt und schaute durch den plötzlich aufgekommenen Nieselregen. Das Geräusch und der Geruch von Kaffee war meistens das, was sie in den Tag hinein holte. Vor allem in die Sonntage. Ihr Kopf war leer, sie hatte das Gefühl jetzt irgendeinen Gedanken fassen zu müssen, doch stattdessen ließ sie sich gehen und bemerkte gar nicht, wie ihr dabei ein kleines Lächeln entglitt.



Wenig später reichte sie Mulder eine Tasse Kaffee und strich sich dann nervös durch die Haare.



„Entschuldige, ich bin irgendwie nicht gut darin, mit jemanden aufzuwachen“, erklärte sie daraufhin, um die Stille zu füllen, die wie eine Frage im Raum herumstand. Was kam jetzt?



Mulder lachte auf. „Und ich bin nicht gut darin, Frühstück für zwei zu machen.“



„Und das soll heißen?“, fragte Scully überrascht.



„Dass ich es trotzdem mache“, erklärte er und ging in die Küche.



Noch ein wenig blieb Scully im Wohnzimmer stehen und klammerte sich an ihre Tasse.



Schließlich folgte sie Mulder.





An einem der folgenden Tage ging sie ins Fitnessstudio. Zweifellos hätte sie in einen Hometrainer investieren können, aber sie hieß es durchaus willkommen, nach der Arbeit noch mal einen Grund zu haben rauszugehen. Die warme Sommerluft während der Dämmerung oder der Geruch nach einem Nieselregen war nicht zu unterschätzen, wenn es darum ging, seine Gedanken gehen zu lassen. Die Frauen, die man jedoch von der Straße aus, hinter einem weiten Panoramafenster im zweiten Stock eines Gebäudes auf den Laufbändern joggen sah, fühlten sich dabei jedoch nicht annähernd so entspannt wie es von außen den Eindruck machte. Aber Scully hatte sich daran gewöhnt. Sie lief und lief und lief. Lief sie davon?



Sie hatte Mulder die Tage noch nicht gesehen. Süße Sehnsucht! Er war in New York gewesen, während sie es bevorzugt hatte die Büroarbeit zu tätigen. Aber wie waren sie bloß verblieben?, versuchte sie sich zu entsinnen und kam zu dem Schluss, dass sie wohl gar nicht verblieben waren. Es war zu früh. Darüber nachzudenken war müßig, wenn man einfach nur Spaß haben wollte. Schließlich waren sie ja erwachsen, da brauchte man ja nicht ständig immer alles so ernst nehmen.



Mulder musste inzwischen aus New York zurück sein. Scully drückte einen Knopf, das Laufband wurde langsamer, sie blieb stehen. Erschöpft wischte sie sich mit einem Handtuch das Gesicht ab. Was sie jetzt wirklich brauchen konnte, war eine Erfrischung!
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