World of X

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Das dritte Stadium

von Shlaine Blaze

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Das erste Stadium ist wie normales Trinken, im zweiten fängt man an

ungeheuerliche, grausame Dinge zu sehen,aber wenn man es schafft,

nicht aufzugeben,kommt man in das dritte Stadium,in dem man Dinge sieht,

die man sehen möchte ,wundervolle, sonderbare Dinge.

(Oscar Wilde)



Die Tür ging auf und sie trat herein. Die Welt hielt den Atem an (na ja...ok, also es kam ihm zumindest so vor). Alles schien sich nur noch unwichtig am Rande abzuspielen. Als sie dort stand, versuchte er sich jede kleinste Kleinigkeit und jedes noch so unwichtige Detail ihrer Erscheinung einzuprägen.

Wahrscheinlich suchte sie jemanden, denn ihr Blick wanderte forschend durch den Raum. Ob sie sich wohl ihres umwerfenden Auftritts bewusst war?

Das Erste was er an ihr bemerkte, waren ihre Haare, rot und schimmernd, die sie mit einer unnachahmlich anmutigen Geste nach hinten schüttelte. Ihr schien die Sonne in den Rücken, ihre Haare glühten auf und ließen eine Korona warmen Lichtes um ihr Gesicht erscheinen.

Dazu standen in seltsamen Kontrast ihre großen, klarblauen Augen, die ihn unwillkürlich an Bergseen erinnerten (nicht dass er schon viele Bergseen gesehen hatte).

Er wusste nicht, wann er das letzte Mal so beeindruckt gewesen war.

*Hör auf!*

Sein Blick blieb an ihrem sinnlichen Mund haften.

*Du führst dich auf, als hättest du mindestens ein Jahrzehnt keine Frau mehr gesehen.*

Leider war die Art, wie ihre Zungenspitze hervorschnellte, um ihre vollen und hellrot glänzenden Lippen zu befeuchten, bei dem Versuch seine Aufmerksamkeit auf etwas Anderes zu lenken nicht gerade förderlich.

Ebenso hatte es ihm das Kleid angetan. Es war schlicht schwarz und betonte so ihren hellen, ebenmäßigen Porzellanteint. Rein gar nichts war daran auszusetzen, na ja...gut...der Saum hätte seiner Meinung nach ruhig weiter oben liegen können, da er fast bis zum Boden reichte und nichts von ihren Beinen sehen ließ.

Schimmernder Stoff, der ihre Hüften gekonnt zur Geltung brachte, wurde an ihrem Dekolleté zu einem Wasserfallausschnitt, was ihn prompt in helle Begeisterung ausbrechen ließ. Er schluckte.

*Was für eine Figur!*

Zugegeben, sie war nicht sehr groß, aber was machte das schon. So eine Frau weckte wahrscheinlich in jedem Mann den berühmt-berüchtigten Beschützerinstinkt.

Aber so wie er das sah, brauchte diese Frau wahrscheinlich nicht oft Hilfe. Ein energischer Zug um den Mund und der Ausdruck von Ruhe in ihren Augen zeugten von Willensstärke und Gelassenheit.

*Komm wieder runter, Junge!* versuchte er sich selbst zu beruhigen.

*Gleich behauptest du noch, du würdest an ihren Augen ablesen können, dass sie schon seit Jahren eine rein platonische Beziehung zu ihrem Arbeitskollegen hat und sich einfach nicht traut, mehr daraus zu machen, aus Angst verletzt zu werden.*

Leise lachte er in sich hinein.

*Deine Gedanken sind absurd!*

Und überhaupt, warum sprach er sich selbst in Gedanken mit „du“ an?

Als er plötzlich das Täschchen in ihren Händen bemerkte, blieb ihm sein Lachen im Hals stecken. Es war ebenfalls schwarz und mit auffälligen weiß- und grünglitzernden Strasssteinchen versehen.

*Oh verdammt!*

Ein angedeutetes Stöhnen, das den Barkeeper überrascht in seine Richtung blicken ließ, entfuhr ihm.

Das sollte sein Kontaktperson sein?

*Sie kommt mir irgendwie bekannt vor...*

Nur um ihm einen Mikrofilm zukommen zu lassen, schickten sie ihm....SIE?

Dieser Engel sollte also auf die Bühne seines Lebens treten, mit einem großartigen Debüt, nur um ihn gleich darauf wieder zu verlassen?

*Das ist nicht fair!*

Aber wann war das Leben schon fair zu ihm gewesen?

*Wenn man das überhaupt Leben nennen kann!*

Seine ganze Existenz bestand aus Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit. Ach...und natürlich

aus Arbeit.........hatte er das schon erwähnt?

Urplötzlich überkam ihn eine Wut und er hätte nicht übel Lust gehabt, den zwielichtig aussehenden, kettenrauchenden Mann, der weiter hinten am Tresen im Schatten stand, zu verprügeln. (weiß der Himmel, wieso ausgerechnet ihn...)

Da! Jetzt hatte sie ihn erkannt. Fast schämte er sich wegen seines kitschigen Erkennungsmerkmals, einer gelb-lachsfarbenen Rose im Knopfloch.

Mit entschlossenen Schritten kam sie auf in zu und...

ihm wurde schwarz vor Augen.

Als er sie wieder öffnete, sah er verschwommen eine Person über sich.

„Scully?“, war alles, was er krächzend herausbrachte.

Nachdem er ein paar Mal geblinzelt hatte, (seit wann wog jedes seiner Lider Tonnen?)

wurde seine Sicht wieder schärfer. Er versuchte sich aufzurichten, als er mit einem Schlag die höllischen Kopfschmerzen realisierte. Es fühlte sich an, als würde sein Schädel in einem Schraubstock eingeklemmt.

„Oh Goooott!!“

Der dumpfe Druck und das Hämmern, das von einem Presslufthammer zu kommen schien, wollten einfach nicht nachlassen.

„Mulder! Was haben sie sich bloß dabei gedacht?“

Scully klang sehr verärgert. Und sie war auch noch nicht fertig.

„Es macht mir wirklich keinen Spaß, sie mitten in der Nacht stockbetrunken aus einer Bar zu holen!!“

*Ah, die Bar!*

Mit jedem Stück Erinnerung, das zurückkam, wurde sein Grinsen etwas breiter. Er unterließ es aber sofort wieder, denn je breiter er grinste, desto schlimmer wurde auch sein Kopfweh. Nicht zu vergessen, dass Scully`s Gesicht unheilverkündend auf ihn herab schaute.

„Ich gehe jetzt zur Rezeption und regele unsere Abreise. In fünfeinhalb Stunden müssen wir im Flieger zurück nach D.C. sitzen und es ist mir egal, wie sie sich fühlen!“ schloss sie mit Nachdruck.

Damit ging sie aus dem Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Rücksichtsvoll leise, wie er bemerkte, aber immer noch laut genug. Sein Presslufthammer lief auf Hochtouren, seine Glieder waren schwer und zu schlechter letzt war ihm auch noch übel.

*Nie wieder* schwor er sich *ich werde niemals wieder Absinth trinken!!*

Obwohl es eine wirklich „außergewöhnliche“ Erfahrung gewesen war.



~ The End ~
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