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Emily Returns (3/4)

von Jessica Hildbold

Kapitel 1

Die fehlenden Verbindungen



Dana Scully lag eines späten Abends wach in ihrem Bett. Sie war nicht in der Lage zu schlafen, als sich ihre Gedanken um ihre älteste Tochter Anna drehten. Sie konnte jetzt definitiv sagen, dass Anna ihre Tochter war, weil die Blutergebnisse vor einer Woche zurückgekommen waren. Dennoch war es nicht das, worüber sich Scully Sorgen machte. Anna war siebzehn Jahre alt, fast achtzehn. Sie war allein gewesen seit sie zwölf war. Scully und ihr Ex-FBI-Kollege, jetzt Ehemann, Fox Mulder, hatten erst kürzlich von Annas Existenz erfahren. Und es war nur Beharrlichkeit und dringendes Bitten gewesen, womit sie Anna hatten überzeugen können, einige Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Sie hatte versprochen nur für zwei Wochen zu bleiben. Scully vermutete, dass es hauptsächlich Emily zuliebe war, ihrer Schwester und die Tochter von Mulder und ihr. Anna hatte Emily vor drei Jahren aufgezogen, bevor sie zu Mulder und Scully zurückgekommen war. Sie waren sich sehr nahe. Aber diese zwei Wochen kamen und gingen und Anna blieb. Sie näherten sich langsam dem Ende der dritten Woche. Sie konnte und wollte sich jetzt in den nächsten Tagen aufmachen. Scully hatte sich daran gewöhnt, Anna um sich herum zu haben und wollte nicht ihre Tochter verlieren. Mit Anna gab es nie eine Garantie, wann sie zurückkommen würde, um sie zu besuchen oder ob überhaupt.



Als sie mit Mulder über ihre Ängste diskutierte, schien er nicht genauso zu fühlen. Mulder war sicher, dass Anna immer wieder zurückkommen würde. Und er glaubte, dass sie nicht das Recht hatten, um darauf zu bestehen, dass sie permanent bei ihnen bleibt. Das einzige recht, das sie hatten, war ein zu Hause anzubieten, wann immer sie es wollte und brauchte. Mulder und Anna waren sich wenigstens die letzten paar Wochen ziemlich nahe gekommen, wenn man ihre Beziehung zu Anna dagegen verglich. Das Gleiche schien mit Mulder und Emily auch zu geschehen. Sie waren sich sehr nahe; wie zwei Erbsen in einer Schote. Anfangs war Scully extrem eifersüchtig gewesen, aber allmählich akzeptierte sie es. Es half, dass Emily Scully immer näher kam, besonders in der Zeit, als Anna hier gewesen war. Trotzdem war es bei Emily leicht zu verstehen, warum sie ihrer Mutter auswich. Emily hatte geglaubt, dass ihre Mutter sie verlassen hatte, als sie krank und im Krankenhaus gewesen war. Es war nicht wahr, aber es dauerte seine Zeit bis Emily dies verstand. Anna befand sich in keiner Situation wie dieser. Scully hatte Anna nicht getroffen, bevor Emily zurückkehrte, aber dennoch schien Anna Scully zu meiden. Anna war niemals grob oder offen wie Emily es gewesen war, aber sie schien vor jeglicher Nähe mit Scully abzuschrecken.



Scully musste sich weiter einreden, dass es nicht so war, als ob Anna und Mulder die ganze Zeit zusammen waren. Mulder wusste bis jetzt sehr wenig über Anna. Und Anna zeigte selten irgendwelche Emotionen, außer einfache bei Mulder. Dennoch konnte Mulder Anna berühren, ohne dass Anna zusammenzuckte oder sich schüttelte, wie sie es tat, wenn Scully sie anfasste. Mulder konnte außerdem lange Gespräche mit ihr führen. Anna schien nicht wirklich zu wissen, in welcher Verbindung sie zu Scully stand.



Scully seufzte und rollte sich auf die Seite. Sie schloss ihre Augen und versuchte etwas zu schlafen. Sie konnte sich morgen mehr Sorgen über Anna machen.



Mulder, der neben Scully lag, konnte auch nicht mehr schlafen. Er wusste, dass sie sich Sorgen machte, wegen Anna und wann sie sie verlassen würde. Mulder wünschte, er könnte ihr irgendwie helfen. Aber er würde Anna niemals zwingen, bei ihnen zu bleiben. Mulders Versuche, Anna zum Sprechen zu bringen, hatten auch nicht geklappt, aber er war nicht überrascht. Seine Tochter war ihm sehr ähnlich, wenn es um das Zurückhalten ihrer Gedanken ging und dass nur die richtige Person in der Lage war sie hervorzubringen. Scully war Mulders “richtige Person“. Sie war es von dem Moment an gewesen, als sie in sein Büro kam. Mulder wusste, dass Anna diese “richtige Person“ ebenfalls finden musste und geduldig versuchen würde, immer für sie da zu sein.



Mulder seufzte und versuchte seine Gedanken zu vertreiben. Er brauchte auch ein wenig Schlaf.



Mulder und Scully waren nicht die Einzigen, die diese Nacht Probleme mit dem Schlaf hatten. Anna starrte gedankenverloren an die Decke. Sie wusste, es könnte sich bloß noch um Stunden handeln, bevor sie gehen würde oder sie würde für weitere drei Wochen hier bleiben. Es brach ihr das Herz zu wissen, dass Mulder, Scully und Emily keine lange Vorwarnung haben würde, wenn sie gehen müsste. Zur selben Zeit wusste Anna, dass sie die Mission erfüllen musste. Vielleicht wäre es für eine Tochter unangemessen. Aber diese Leute waren nicht ihre Eltern. Nicht wirklich. Sie hatte nie welche gehabt. Anna hatte ihre Großväter gehabt und die waren immer genug gewesen. Sie sehnte sich nie nach ihren Eltern und jetzt wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte, sie zu haben, besonders ihre Mutter.



Anna nahm an, dass sie sie wirklich liebte auf irgendeine Art und Weise. Warum würde sie sich nach allem schuldig fühlen, wenn sie sie verließe oder wenn sie es nicht täte? Aber sie war sich nicht sicher, ob es Liebe war, die ein Kind für seine Eltern hat. Emily war einfach zu lieben gewesen. Sie war Annas kleine Schwester. Diese Liebe war automatisch da gewesen, als sie das erste Mal Emily umarmte. Annas Freund, Josh, beharrte da drauf, dass Anna Mulder und Scully wirklich liebte. Er behauptete, dass sie nicht viel Zeit miteinander verbringen würden, wenn sie mit ihren Leben weitermachen würden und sich nicht liebten. Anna erinnerte sich überzeugt. Ihre Großväter hatten immer beibehalten sie auf dem neuesten Stand zu bringen, was das Leben ihrer Kinder anging und als sie fort waren und Anna verlassen war, schien es nur natürlich, dass sie diese Tradition beibehielt.



Anna seufzte und schloss ihre Augen. Die Zeit war gekommen, in der sie dieses Haus, Emily und Mulder und Scully verlassen müsste. Es ging schnell. Anna wusste, sie würde zurückkommen, wenigstens das eine Mal, aber sie wusste nicht, wann oder für wie lange. Anna wusste nicht, ob sie sogar danach wieder zurückkommen würde. Vielleicht war das der schwierigste Teil.





Emily war die einzige Person, die am nächsten Morgen beim Frühstück sprach. Sie schien nicht zu bemerken, wie müde ihre Eltern und ihre Schwester waren oder wie verloren in ihren Gedanken sie waren. Sie erzählte nur über Schularbeiten. Anna beneidete Emilys Naivität und wünschte sich sehr die sorgevollen, flüchtigen Blicke zwischen Scully und Mulder ignorieren zu können.



Ring!



Anna ließ ihre Gabel, die sie in der Hand hielt, fallen, als ihr Handy klingelte. Sie musste wirklich etwas tun wegen dieses Anrufs, dachte sie bei sich. Anna sah, wie Scully nach Mulders Hand griff, als sie ans Handy ging. „Ja? Bist du sicher? Okay. Gib mir vierundzwanzig Stunden. Ja, ich bin sicher. Tschüß.“



„Was ist los?“, fragte Scully, ihre Stimme leicht angespannt.



„Anna geht weg“, antwortete Emily unglücklich. Anna schaute sie an, unsicher, was sie sagen sollte. Mulder und Scully sahen sie fragend an.



„Wann? In ein paar Tagen?“, fragte Scully.



„Weniger als eine Stunde“, sagte Anna sachlich. Sie senkte ihr Gesicht, um keine Emotionen zu zeigen. Plötzlich fiel Mulder ein, wo er dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte. Es war der ruhige Ausdruck (oder fehlende Ausdruck), den Scully früher gemacht hatte, wenn sie an einem Fall arbeiteten, der sie plagte. Anna stand auf. Sie schaute zu Emily, die schmollte: „Munchkin, ich bin sogar fünf Tage länger geblieben, als ich gesagt hatte. Ich muss gehen“ Anna schaute zu Mulder, in der Hoffnung er würde sie verstehen. „Ich muss.“



Mulder nickte und lächelte sie ermutigend an. Er klärte seine Stimme: „Weißt du, wann du zurück sein wirst.“



„Nein,“, antwortete sie, „aber bald. Ich verspreche, es wird bald sein.“



Anna verließ den Raum und Emily kroch auf Scullys Schoß. „Können wir sie hier behalten?“



Scully packte Emily eng in ihre Arme: „Nein, Süße. Wir müssen sie gehen lassen.“



Die Drei saßen die nächsten zwanzig Minuten ruhig da. Anna kam zurück in den Raum, während sie ihren Rucksack und einen Seesack trug: „Es tut mir leid, dass ich euch in so einer Eile verlassen muss. Ich hatte wirklich eine schöne Zeit. Emily, ich werde es dich wissen lassen, wann ich zurückkommen kann.“



Mulder stand auf und umarmte sie: „Sei kein Fremder, okay? Du hast hier immer ein zu Hause.“



„Danke“, lachte Anna. Scully schob Emily vor, damit sie Anna umarmte. Anna umarmte sie eng und ihre Augen waren mit Tränen erfüllt. „Ich liebe dich, Munchkin“, flüsterte sie. Emily rannte zurück zu ihrer Mutter. Anna ging rüber und gab Scully eine ungeschickte und schnelle Umarmung. Sie drehte sich um und ging, bevor sie Scullys Gesicht sehen konnte.



„Emily, wohin geht Anna, wenn sie uns verlässt?“, fragte Scully.



„Um ein anderes Kind zu retten“, antwortete Emily. „Diesem muss es wirklich schlecht gehen.“



„Warum?“



„Weil Anna nach vierundzwanzig Stunden fragte. Sie tut das nur, wenn sie zu einem dieser Plätze mit den schlechten Leute zurückgeht.“



Scully schaute zu Mulder mit einem Entsetzen in ihren Augen. Mulder konnte nichts tun, außer zurückzugucken.





Sechsunddreißig Stunden später fand sich Anna außerhalb eines Zaunes wartend mit mehreren anderen Mitgliedern ihrer Gruppe wieder, auch ihr Freund Josh. Innerhalb des Zaunes lauerte etwas, das aussah wie ein normales Pflegeheim. Ein Van war draußen geparkt, wo zwei Männer Ausrüstung aus dem Haus trugen. Für einen Passanten würde es aussehen, als ziehe jemand aus. Nervosität und Angst hatten sich in ihrem Magen aufgebaut, aber es plagte sie nicht. Sie ereiferte solche Gefühle, während Zeiten wie diesen.



„Es ist genauso, wie er sagte“, flüsterte Jen. Sie war diejenige, die diesen Platz gefunden hatte. „Sie transportieren Einen mit nur zwei Wächtern. Ich verstehe dennoch nicht, warum eine solche Priorität nur diesem Einen gegeben wird.“



„Ich verstehe es“, antwortete Anna. „Dieser Eine wird zu seiner Tochter gebracht.“ Anna sah sich auf dem ganzen Platz um, bis ihre Augen irgendwo hängen blieben. „Leute, wir wurden reingelegt. Es gibt mehr als zwei Wächter. Seht.“ Sie zeigte zu einer entfernten Seite des Zaunes.



„Wir sollten die Mission abbrechen“, sagte Scotty.



„Nein, ich kann mir das nicht antun. Geht und wartet unten am Häuserblock mit dem Auto“, sagte Anna ihnen.



„Bist du sicher?“, fragte Scotty.



„Gebt mir fünfzehn Minuten. Wenn ich dann nicht da sein sollte, geht.“



„Anna, du kannst dir das nicht antun“, stritt Josh. „Lass mich dir helfen. Ich kann sie ablenken. Wir alle können das. Wenn wir um den Zaun herumlaufen, dann werden sie uns verfolgen müssen. Sie werden nur einen Wächter zurücklassen, um den Transporter zu bewachen und du kannst auf ihn aufpassen.“



„Richtig“, stimmte Anna zu, nachdem alle nickten. „Auf mein Kommando. Eins...Zwei...Drei!“



Die fünf anderen Mitglieder der Gruppe machten sich auf und rannten in mehrere verschiedene Richtungen. Wie Josh vorrausgesagt hatte, wurden sie von allen Wächtern bis auf einen gejagten. Anna sprang vor dem Van hervor und zog eine Nadel aus ihrer Jacke. Sie stach dem Wächter in den Arm und er fiel um und schlief ruhig. Sie überlegte, ob sie den Brutkasten aus dem Van nehmen sollte, aber es war zu riskant. Sie entschied sich stattdessen, den ganzen Van zu nehmen. Anna schaute sich noch einmal um, ob auch alles in Ordnung war und zog den Wächter auf die vordere Veranda. Sie sprang auf den Fahrersitz und fuhr mit dem Van los. Sie sah sich auf dem Hof um, um zu sehen, ob noch irgendjemand aus der Gruppe da war. Sie sah nur Josh, der ebenfalls schnell in den Van hüpfte. Anna fuhr durch den Zaun und machte sich die Straße runter, während sie noch einmal sicher ging, dass ihr auch niemand gefolgt war. Circa zwei Meilen weiter traf sie einen weiteren Van. Sie und Josh nahmen den Brutkasten aus dem ersten Van und suchten ihn nach Wanzen oder unscheinbaren Vorrichtungen ab. Als alles in Ordnung war, gingen sie in den zweiten Van und fuhren weg.



„Wie habt ihr das gemacht?“, fragte Anna Abby. Abby war ein anderes Mitglied der Gruppe, die sich als Kind zum Doktor ausbilden lassen hatte.



„Er ist gut.“, antwortete sie und überprüfte den Brutkasten. „Er ist kurz davor geboren zu werden.“



Anna legte ihre Hand auf den Behälter, der mit grünem Schleim gefüllt war. Der Fötus trat mit dem Füßchen, als ob er ihre Anwesenheit gespürt hätte. Anna lachte: „Nun müssen wir meinen Bruder nur noch durch den Geburtsprozess bringen. Und diesen wird er überleben. Ich kann es fühlen.“





Als sie ankamen, war der Fötus fertig für den Geburtsprozess.

Er und Anna gingen mit dem Rest der Gruppe zum hinteren Teil des Lagers. Es war fast ein Monat vergangen seit Anna das letzte Mal hier war. Obwohl sich nicht viel verändert hatte, fühlte sie sich an diesem Ort nicht zu Hause. Sie fühlte eine Anspannung zwischen ihr und den anderen Erwachsenen, besonders Scotty und Jen. Viele der Kinder schienen Abstand von ihr zu halten. Anna überlegte, ob es vielleicht damit zu tun hatte, dass sie drei Wochen mit ihrer biologischen Familie verbracht hatte. Niemand ging zu seiner Familie und kam dann zurück zum Lager. Vielleicht fürchteten sie, Anna würde sie verlassen. Wenigstens hatte Anna Josh, um vernünftig zu bleiben.



Josh war ihr bester Freund. Er war da gewesen, seit sie der Gruppe beigetreten war. Sie vertrugen sich wunderbar und schienen die Gedanken des Anderen lesen zu können. Sie waren deswegen fast immer in einem Team bei solchen Missionen. Josh war zwei Jahre älter als Anna, aber es schien niemals einen Unterschied zu machen. Josh hatte dicht gelocktes, braunes Haar und Mandelaugen. Er überragte sie um fast 25 cm. Sie war immer in ihn verknallt gewesen. Er schien in sie verknallt zu sein, aber das war auch schon alles, was sie dachte. Gerüchte über sie waren innerhalb der Gruppe im Umlauf. Sie wurden von der Gruppe aufgrund der Nähe zwischen ihnen für ein Ehepaar gehalten. Es hatte Anna früher nie gestört und es sollte sie jetzt auch nicht stören.



Josh war nicht die einzige Person, die Anna hatte, als sie zum Lager zurückkehrte. Sie hatte auch noch Jacob. Jacob war vier Jahre alt und eins der süßesten Kinder, die Anna je getroffen hatte. Er liebte es stundenlang mit Anna da zu sitzen, zu schaukeln und zu schmusen. Anna hatte ihn aus dem Projekt gerettet, als er sechs Monate alt war. Er war in der gleichen Verfassung gewesen wie Anna in diesem Alter. Jacob war genauso dafür bestimmt wie Anna daran teilnehmen zu sollen. Sie fühlte sich besonders schuldig wegen Jacob, besonders nachdem feststand, dass er nicht zu seinen biologischen Eltern zurückkehren konnte. Anna hatte es auf sich genommen Jacobs Ersatzmutter zu werden. Er hatte sie vermisst, als sie weggegangen war, auch wenn sie ihn mehrmals die Woche angerufen hatte, um sicher zu gehen, dass er okay war. Jacob verbrachte viel Zeit mit Josh, als Anna weg gewesen war. Aber jetzt, wo sie wieder da war, wollte er nicht mehr von ihrer Seite weichen.



Eines Tages, etwa zehn Tage nach ihrer Ankunft im Lager, war Anna in einem der Jungenzimmer, um zu gucken, ob Jacob schläft. Abby kam auf Zehenspitzen in den Raum und tippte Anna auf die Schulter. „Es wird Zeit.“



Anna zwang sich einwenig zu Lächeln und nickte mit ihrem Kopf. Bevor sie den Raum verließ, gab sie Jacob einen Kuss auf die Stirn. „Abby“, sagte Anna, während sie die Tür schloss, „dies kann nicht schief gehen. Ich möchte niemanden dort drin haben, außer dir und mir.“



„Was ist mit Josh? Ich weiß, dass er auch bei dir sein will“, sagte Abby. Sie war das einzige Mitglied der Gruppe, das wusste, wie sehr sie in Josh verliebt war. Und ohne Annas Wissen, wie sehr Josh in sie verliebt war.



„Okay, Josh auch, aber niemand anderes“, stimmte Anna zu. Abby nickte. Sie gingen runter in den Keller des Lagers und einen krankenhaus-ähnlichen Flur entlang. Anna und Abby wandten sich einem Raum zu, der voller Maschinen war. Josh stand neben dem Brutkasten, in dem der Fötus war. Abby begann sofort die Maschinen zu kontrollieren.



„Ist alles fertig?“, fragte Anna nach ein paar Minuten. Ihr Gesicht wurde ganz blass.



„Anna, bist du sicher, dass du das tun willst?“, fragte Josh.



„Ich habe das schon hundertdreiundsechzig Mal gemacht.“



„Yeah, aber-“



„Josh, es geht mir gut. Ich muss das tun.“



Josh drückte Anna in die Ecke. „Anna, ich weiß, du denkst, es geht dir gut, aber ich kann dir nicht sagen wie nervös du bist. Niemand kann dich beschuldigen. Wenn du deinen Bruder verlierst, hat es einen starken Einfluss auf dich.“



„Natürlich hat es einen starken Einfluss auf mich! Er starb in meinen Armen, nur weil ich etwas zusammenkniff bei dem Geburtsprozess.“



„Du kannst dir dafür nicht die Schuld geben. Du hast nichts falsch gemacht. Ich hab das Video von Williams Geburt gesehen und es war perfekt. Manchmal wollen diese Kinder einfach nicht und daran hat niemand Schuld. Du hast alles getan um ihn zu retten.“



„Aber es war anscheinend nicht genug. Ich muss in der Lage sein diese auf die Welt zu bringen.

„Ich kann es dir nicht besser erklären als so. Ich muss ihn retten und sicher gehen, dass er lebt. Dann muss ich ihn seiner Mutter geben. Ich muss ihn nach Hause bringen.“



Josh nickte und verstand.



„Wir sind fertig“, sagte Abby den beiden. Anna ging rüber und nahm den Beutel aus dem Brutkasten. Sie platzierte ihn in einer silbernen Badewanne, die mit gefrorenem Wasser gefüllt war. Der Beutel schrumpfte leicht in dem Wasser. Abby löste den Beutel von mehreren unterschiedlichen Maschinen. Josh gab Anna eine lange Nadel, die sie in ihrer Hand wog. „Die Temperatur fällt. Fast da.“, sagte Abby.



Anna schloss ihre Augen und sagte ein stilles Gebet, als Abby ihr Sprechen beendete. „Fallend, fallend. Jetzt.“



Anna öffnete ihre Augen und tauchte die Nadel vorsichtig in den Beutel, damit der Fötus nicht innerlich verletzt wird. Grüne Flüssigkeit sickerte raus und füllte die Badewanne. Langsam begann Anna den Beutel von dem Baby wegzureißen. Das Baby trat leicht mit seinem rechten Füßchen.



„Herzschlag?“, fragte sie.



„Gut“, antwortete Abby, „stabil und stark.“



„Gehirnwellen?“



„Normal.“



„Okay, bring die Lösung zu mir.“ Abby gab Anna eine Nadel, die mit einer grünen Lösung gefüllt war. Anna injizierte es dem Baby und hielt die Luft an. Der Raum war für fast dreißig Minuten mit einer gespannten Stille gefüllt, als alle Augen auf den kleinen Monitor neben der Badewanne starrten. Endlich begann der Monitor zu piepen, zur Erleichterung von Anna, Josh und Abby.



„Er reagiert perfekt.“, verkündete Abby.



„Okay, lasst uns das warme Wasser vorbereiten und gebt ihm die Chance das erste Mal wirkliche Luft einzuatmen.“ Anna zog das Baby fest an sich. Abby rückte eine andere Wanne, identisch mit der ersten, rüber zur ersten Wanne. Abby und Josh entfernten alle elektrischen Leitungen von dem Baby.



„Fertig?“, fragte Anna. Sie nickten. Anna holte das Baby langsam aus dem Wasser. Sie hielt seinen Kopf und Körper mit der rechten Hand, während sie ein steriles Tuch benutzte, um den Schleim von den Augen, der Nase und dem Mund des Babys zu wischen. „Los, Christopher, atme. Atme für deine große Schwester. Atme.“, flüsterte Anna. „Du hast zu Hause eine Mutter und einen Vater, die dich unbedingt treffen wollen. Atme.“



Das Baby trat mit seinem Beinchen und nahm einen großen Atemzug, als es Annas letzte Bitte zum Atmen hörte. Es begann zu schreien. Anna brach in Freudentränen aus. Sie legte das Baby schnell in die andere Wanne, um es fertig sauber zu waschen.



Nachdem es sauber, getrocknet und angezogen war, setzte sich Anna in den Schaukelstuhl und fütterte es. Josh zog sich einen Stuhl zu ihr herüber und beobachtete wie sie dem Baby vorsang. Abby ging um den anderen Mitgliedern zu erzählen, was passiert war.



„Hab ich es richtig mitbekommen, dass du ihn Christopher genannt hast?“, fragte Josh, als Anna mit Singen fertig war.



Sie nickte. „Christopher Scully Mulder. Das ist sein Name, wenn seine Eltern ihn behalten wollen. Weil wir gerade von Eltern sprechen, hast du meinen Brief bekommen?“



„Ja, hab ich. Danke. Ich habe beide meiner Eltern besucht, dank deiner detektivischen Geschicklichkeit. Mein Vater, Michael, ist der Manager der örtlichen Light Company in Omaha. Er und seine Frau, Tammy, sind seit fünfzehn Jahren verheiratet. Sie haben zwei Kinder: Trevor, er ist zehn und Maya, die sieben ist. Ich habe mich letztens mit ihm im Supermarkt unterhalten. Er musste Milch und Eier kaufen und ich gab vor, eine Zeitung zu kaufen. Wir hatten eine hohle Plauderei, während wir warteten, aber es war unglaublich.

Meine Mutter, Irene, ist Malerin in Seattle. Sie ist geschieden und hat keine Kinder.

Ich ging und malte ihr ein Bild von einem Jungen, der in einem Feld steht. Ich hab es auch Michael geschickt, sodass sie immer irgendwie verbunden sind.“



„Ich schätze, in der Beziehung habe ich Glück. Meine Eltern waren immer dazu bestimmt zusammen zu gehören. Auch wenn ich nicht dazu bestimmt war zu ihnen zu gehören, habe ich immer gewusst, dass sie zusammen kommen würden.“



„Aber schau, was du alles an Regeln gebrochen hast, um das zu erfahren. Du wirst nie in der Lage sein aus dieser Klemme wieder rauszukommen, auch wenn du die Gruppe verlässt. Niemand anderes hatte Geschwister in dem Projekt, außer drei. Schau, wie viel Informationen du mit dir rumtragen musst, nur um zu überleben. Der Rest von uns könnte irgendwie weglaufen, aber sie würden dich immer wieder da mit hineinziehen. Es ist der Fluch deiner Familie, nehme ich an.“



„Aber Josh, würdest du jemals aufgeben und aufhören zu kämpfen?“



„Nein“, antwortete er ohne zu zögern.



„Ich auch nicht“, sie schaute runter zu Christopher, der friedlich schlief. „Er ist ein Grund warum.“



„Anna ich habe einen Besucher, der dich gerne sehen würde“, sagte Abby, als sie in den Raum kam. Jacob spähte hinter ihr hervor: „Josh, Scotty sucht dich. Irgendetwas wegen einer Computerdatei.“



„In Ordnung“, antwortete Josh. Er stand auf. „Wirst du mit den beiden Rackern zurechtkommen?“



„Ich denke, ich habe sie unter Kontrolle. Richtig, Jacob?“



„Jep“, antwortete Jacob. Er grinste breit, bevor er sich auf den Stuhl, der gegenüber von Anna stand, setzte. Josh schaute sie noch ein letztes Mal an und ging dann mit Abby. Jacob schaute zu Christopher: „Wer ist das?“



„Dies ist mein kleiner Bruder Christopher. Er wurde gerade heute geboren.“



„Werden sie ihn auch wegnehmen?“, fragte er besorgt.



„Wer würde ihn wegnehmen, Jacob?“
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