World of X

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Herz aus Stein

von Sarah Boehmer

Kapitel 2

Das alles darf nicht wahr sein! Wie konnte dies nur geschehen? Was wird mit Scully sein, wenn sie wieder aufwacht? Werde ich sie je wieder so frei und ungezwungen lachen sehen? Wird ihr Blick je wieder so unschuldig sein? Was hat dieses Schwein getan? Wie konnte ich es nur zulassen? Wieso musste man ihre Unschuld, ihre Seele rauben? Was macht es für einen Sinn? Ich werde wahnsinnig! Ich wünschte Larry wäre nicht tot, sodass ich ihn selbst töten könnte! Ich würde ihn so sehr quälen...ich wäre so grausam zu ihm! Oh, verdammt, wieso kann ich diese Scheiß-Zeit nicht einfach zurückdrehen? Während solche Gedanken durch meinen Kopf rasen, stehe ich auf und renne den Flur hinab! Ich bin noch lange nicht bereit Scully zu sehen. Nicht so, nicht in diesem Zustand! Ich bin jetzt ihr Fels in der Brandung, sie darf nicht sehen, wie ich wanke! Sie darf nicht bemerken, wie die Ereignisse mich verzweifeln lassen – mich meiner Kraft berauben! Ich schlage die Eingangstür zurück und trete ins Freie. Tief atme ich die kalte, frische Luft ein. Der Regen hat aufgehört, aber der Asphalt unter meinen Füßen ist noch nass und glitschig. Ich habe nicht darauf geachtet, wohin ich laufe. Jetzt sehe ich, dass ich im Krankenhauspark sein muss. Alles ist leergefegt, niemand ist hier draußen! Der Regen hat sie alle zurück in ihre Zimmer getrieben, in die warme Stube mit dem schützenden Dach. Es ist, als könnte ich den Regen noch riechen. Es ist ein spezieller, ein eigener Duft – frisch, rein, frei. Meine Lungen nehmen die Luft gierig auf, während meine Beine mich unaufhaltsam durch die kleinen Wege zwischen den Bäumen jagen. Ich laufe, laufe, laufe, bis mein Brustkorb zu zerbersten droht. Das dauert lange, da ich vom Joggen eine gute Kondition habe, allerdings machen mich die unvorteilhaften Kleider und mein geschwächter Körper schneller müde als sonst Schließlich halte ich den Druck auf meinen Lungen nicht länger aus und halte an. Ich stütze meine Hände auf die Knie und atme schnell ein und aus. Auch wenn ich mich fühle, als würde ich jeden Augenblick tot umfallen, geht es mir besser. Die Lethargie und Verzweiflung ist nicht mehr so übermächtig und erdrückend. Langsam kann ich wieder klar und objektiv denken. Ich fühle mich frisch und frei, gesund und lebendig! So kann ich Scully begegnen, so kann ich ihr Kraft geben! Als ich zurück zum Krankenhaus gehe, setzt der Regen wieder ein. Beruhigend spüre ich die Regentropfen, wie sie meine Kleider durchnässen Das Gefühl ist nicht unangenehm und ich beschleunige meine Schritte nicht Nein, ich werfe sogar meinen Kopf in den Nacken, um den Schauer auch auf meinem Gesicht zu spüren. Er ist erfrischend und kalt – es tut so gut. Alles wird wieder gut werden! Sicher wird es dauern, bestimmt wird es schwer, aber wir werden es schaffen! Zusammen werden wir die dunklen Dämonen besiegen, die tief in Scullys Gedanken und ihrer Seele sitzen! Als ich das Hospital betrete, sieht mich eine Schwester abschätzig an und mir fällt auf, wie furchtbar ich aussehen muss. Nasse Kleider, die an meinem Körper kleben, tropfendes Haar, dunkle Ringe unter den Augen, abgewrackt und müde. In diesem Moment muss ich lachen! Alles ist so absurd, hätte man mir vor drei Tagen gesagt, was geschehen würde, ich hätte es nicht geglaubt! Und nun stehe ich hier und sehe aus, wie ich mich die letzten Tage gefühlt habe und dabei geht es mir viel besser. Ich fühle mich wie neu geboren, voller Kraft, frisch, frei, lebendig! Ich habe mir meine Verzweiflung, meine Wut und meine Hoffnungslosigkeit aus dem Leib gerannt und jetzt geht es mir wieder gut. Ich bin wieder ich, nicht mehr nur ein Schatten meiner selbst, der teilnahmslos und mechanisch neben mir hergeht. Fox Mulder ist zurück und er wird es schaffen! Für Scully!



Kaum hatte sich Mulder auf der Toilette wieder etwas ansehnlicher gemacht und sich auf den Weg zu Scullys Zimmer gemacht, kam ihm auch schon deren Mutter entgegen. „Fox!“ Eiligen Schrittes ging sie auf ihn zu und er konnte in ihrem Gesicht die tiefe Sorge, welche auf ihrer Seele lastete, erkennen. „Hallo, Mrs. Scully.“ Mulder rang sich ein halbherziges Lächeln ab und bat: „Setzen Sie sich doch für einen Augenblick!“ Mit besorgter Miene setzte sie sich auf einen der weißen Plastikstühle und stellte die Frage, vor der Mulder am meisten graute. „Wie geht es Dana?“ Der Agent schluckte hart und wandte den Blick von ihr ab. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich so gegenüber saßen und Margareths Augen waren schon ein wenig geschult darin Mulders Gesten zu deuten, so machte sie sich auf das Schlimmste gefasst. „Scullys physische Verfassung ist den Umständen entsprechend sehr gut. Sie hat vom Unfall nur eine kleine Gehirnerschütterung davongetragen, glücklicherweise keine Organschäden und die Schrammen werden mit der Zeit heilen.“ „Gott sei Dank!“ Mrs. Scullys erleichtertes Aufatmen wurde zu einem leisen Seufzen, da sie unbewusst die Luft angehalten hatte. Mulder biss sich auf die Unterlippe und fragte sich, wie er den Rest am besten sagen sollte. Die Erleichterung wich von Maggies Gesicht, als sie seine Miene sah und tiefe Falten gruben sich in ihre Stirn. „Da ist noch etwas, Fox! Was ist los?“ Endlich sah er auf und meinte dann mit leiser Stimme: „Die Ärzte haben Spuren von Sperma gefunden... Alles deutet darauf hin, dass...“ Er stockte, doch mehr musste auch nicht gesagt werden. Maggies Augen weiteten sich und sie schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Kein Ton drang über ihre Lippen, so schockiert war sie. Nach einer kleinen Weile hatte sie sich wieder halbwegs gefasst und schüttelte mit einem solch tief sitzenden, mitfühlendem Schmerz den Kopf, dass es Mulder fast das Herz brach. „Es tut mir so leid... Ich wünschte die Zeit zurückdrehen zu können...“, versuchte er sie zu trösten, doch sie schüttelte nur den Kopf. „Das ist nur ein unnützer Traum Gott lastet uns nicht mehr auf, als wir ertragen können. Dana braucht jetzt unsere Hilfe, nicht unser Mitleid oder irreale Wünsche. Wir müssen jetzt stark sein!“ Mit leiser Stimme fügte sie noch hinzu: „Und Dana auch!“ Fox blickte mit Bewunderung auf die Frau vor sich. Maggie war die geborene Mutter, ein immerwährender Fels in der Brandung, den zwar vieles erschüttern, aber nichts umwerfen konnte. Sie war so anders als seine Mutter. Nach Samanthas Entführung fiel die Familie auseinander, es war niemand da, der sie zusammenhielt, Hoffnung gab und einen Halt bot. Vielleicht hatte er Sams Verschwinden gerade deswegen so lange nicht verkraftet. Wenn Scully auch nur einen Bruchteil von Maggies Stärke hatte, würde sie es schaffen. Gemeinsam hatten sie eine Chance Plötzlich schreckte Mrs. Scullys Stimme Mulder aus seinen Gedanken. „Fox, möchten Sie zuerst reingehen oder soll ich?“ Er überlegte einen kurzen Augenblick. Eigentlich wollte er so schnell wie möglich zu Scully, aber er wusste, dass er Maggie ihr Vorrecht als Mutter nicht streitig machen konnte Dana brauchte jetzt in erster Linie sie. „Sie können gerne vorgehen. Lassen Sie sich ruhig Zeit, ich werde mir einen Kaffee holen gehen, dass ich nicht umfalle.“ Bei diesen Worten setzte Mulder ein schiefes Lächeln auf und massierte seine Schläfe. Maggie griff fürsorglich nach seinem Arm und meinte: „Ich wette, Sie haben die letzten Tage kein Auge zugetan. Gehen Sie nach Hause, Fox, und schlafen Sie sich aus!“ „Nein ist schon gut!“, wehrte er ab. „Ich möchte lieber hier warten und nachher zu Scully.“ „Keine Widerrede!“, war die strenge Antwort. „Sie werden jetzt in Ihre Wohnung fahren und sich hinlegen Mit den dunklen Ringen unter den Augen und der schmutzigen Kleidung wird Dana Sie ja nicht wieder erkennen.“ Verlegen sah Mulder an sich herab und meinte schließlich. „Na gut! Ich werde nach Hause gehen. Sagen Sie Scully, dass ich bald komme.“ Maggie nickte und sah Mulder noch nach, bis seine immer kleiner werdende Silhouette hinter einer der milchigen Glastüren verschwand. Dann ging sie zu Dana hinein.



Ich habe das Gefühl, die weiße Decke über mir würde mich erdrücken. Natürlich ist es physikalisch völlig unmöglich, dass sie immer näher auf mich zukommt, weil sie schließlich von den Wänden getragen wird, aber trotzdem könnte ich wetten, dass sie in Kürze auf mir drauf liegen wird. Seltsam! Die Tür öffnet sich leise und ich wende meinen Kopf. Ich weiß, dass es meine Mutter ist, noch bevor ihr zierlicher Körper sich durch den Spalt geschoben hat. Als sie sieht, dass mein Blick auf ihr ruht, lächelt sie mich liebevoll an. Aber in ihren Augen ist noch etwas anderes...Mitleid! Das macht mich ein wenig wütend. Ich will kein Mitleid. Wozu denn? Was ist schon groß geschehen? Ich war in den Händen eines Irren, das war doch nun wirklich nicht das erste Mal. Ich sage nur Tooms oder dieser „Unruhe“-Fritze. Wieso diesmal ein Drama daraus machen? „Hallo, mein Schatz!“, begrüßt sie mich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Mein Körper zuckt erschrocken zusammen und ich hätte sie am liebsten von mir weggestoßen Wieder so ein Gefühl, dass ich nicht erklären kann. Anscheinend hat Mom bemerkt, dass mir ihr Kuss unangenehm war, denn sie sieht mich besorgt an. Ich lächle schnell ein braves Dana-Lächeln, um die Situation zu überspielen. „Hi Mom!“ „Wie geht es dir?“ Wieder dieser mitleidige Blick. Mein Gott, wieso tut sie, als sei die Welt untergegangen??? „Es geht mir gut. Die Ärzte haben mir Schmerzmittel gegeben.“ Ich kann in Moms Augen sehen, dass sie etwas auf dem Herzen hat. Irgendetwas quält sie, aber sie scheint nicht zu wissen, wie sie das Thema anschneiden soll. Eine leise Ahnung steigt in mir auf und mit ihr verbunden schmerzliche Erinnerungen. Doch ich dränge beides zurück. Ich verstaue sie so weit hinten in meinem Kopf, dass sie nicht mehr weh tun. Und ich denke krampfhaft an eine Blumenwiese. Das hilft mir immer, wenn ich mich ablenken will. Ein riesengroßes Sonnenblumenfeld mit einem strahlend blauen Himmel. Ich brauche ganz dringend irgendein Gesprächsthema, dass sie nicht auf die Idee kommt, mich mit irgendwelchen Fragen am Verdrängen zu hindern. „Haben die Ärzte gesagt, wann ich wieder entlassen werde? Ich möchte meine Arbeit so schnell wie möglich wieder aufnehmen. Darf gar nicht dran denken, wie das Büro wieder aussieht, wenn ich ein oder zwei Wochen nicht da bin!“, versuche ich die Spannung in der Luft mit einem Scherz aufzulockern. Mom sieht mich entsetzt an „Dana, du willst gleich wieder arbeiten?“ „Natürlich. Es geht mir gut und die paar Verletzungen werden bald wieder verheilt sein. Was sollte ich denn sonst machen? Zuhause herumsitzen und Tee trinken?“ Ihre Stirn liegt immer noch in Falten. „Ich dachte, du könntest eine Zeit lang bei mir wohnen. Abstand gewinnen.“ „Abstand wovon? Ich bitte dich, das ist nicht meine erste Entführung! Ich bin schon ein alter Hase darin.“ Wieder grinse ich sie an Keine Reaktion. Okay, langsam wird das ganze etwas problematisch. Mir ist wirklich nicht nach Witze reißen zumute, aber lieber spiele ich Mrs. Oberwitzig als diesen Blick zu ertragen. Ich will nicht, dass sich irgendwer um mich Sorgen macht. Ich will einfach nur meine Ruhe. Nur wegen dieser ... Sache sollen jetzt nicht alle denken, ich wäre hilfsbedürftig. „Ich könnte mich umhören. Es gibt Selbsthilfegruppen, die dir helfe, alles zu verarbeiten.“ Oh man! Das war ein Schlag in die Magengegend. Ich dachte, ich hätte klar genug signalisiert, dass ich weder über dieses Thema reden möchte, noch Hilfe brauche! Und dann fällt sie gleich mit der Tür ins Haus. Was ist das eigentlich für ein dämlicher Spruch? >Mit der Tür ins Haus fallen< Was für eine Tür? Was für ein Haus? Ist das Haus das Problem? Und die Tür der Satz, der das Thema anschneidet? Und das „fallen“ verweist dann auf die Plötzlichkeit? Wieso spricht der Mensch in Metaphern? Wieso sagen wir nicht einfach: >Und dann schneidet sie das Thema abrupt an
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