World of X

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Danke

von Emily

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Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Vor ein paar Tagen noch war die Welt in Ordnung. Doch heute ist es anders.



Ein kühler Wind weht und wirbelt die Blätter auf, die auf dem Boden liegen. Der Sommer ist nun endgültig zu Ende. Aber was ist schon endgültig?



Ich fühle mich schlecht. So, als hätte man mir mein Herz aus der Brust gerissen und würde nun mit ihm Baseball spielen.

Es ist schon lange her, dass ich gelacht habe. Es tut einfach zu weh. Wahrscheinlich habe ich auch gar keine Lachmuskeln mehr. Obwohl, das ist eine Übertreibung. Dennoch kommt es mir vor, als sei es ewig her, dass ich glücklich war. Obwohl, - auch das ist nicht ganz richtig. Denn ich bin noch immer glücklich. Ich weiß, dass ich in den letzten Monaten nur richtige Entscheidungen getroffen habe, die weder mich, noch meinen geliebten Menschen verletzt haben. Ja, ich glaube sogar, dass es vollkommenes Glück war, das uns wiederfahren ist.



Ich lege einen Strauß Blumen neben den Grabstein, eine Träne bahnt sich ihren Weg meine Wange hinunter. Der Schmerz jetzt alleine zu sein tut sehr weh. Alleine, in dieser grausamen Welt, wo Geld und Macht das einzige sind, was menschliches Erstreben befriedigt.



Es ist für mich unendlich schwer mich nicht gehen zu lassen. Einfach alles stehen und liegen lassen und einfach nur fliehen. Oder in Selbstmitleid schwelgen, sich betrinken oder gar Selbstmord begehen, damit wir im Himmel wieder vereint sind.

Aber das kann und darf ich nicht. Denn ein Teil von ihr, der mein Leben bedeutet, lebt weiter. Und dieser Teil ist vereint mit dem anderen Teil, der von mir stammt. Und genau diese zwei Teile verschmolzen zu einem, was jetzt den Namen Cloey trägt. Und genau diese Cloey ist unsere Tochter. Unser eigen Fleisch und Blut. Und sie ist es, die mir die Kraft gibt weiter zu leben. Sie ist jetzt der Sinn meines Lebens. Der einzige.



Erst jetzt weiß ich, was Leben bedeutet. Als ich vor 14 Monaten meiner einzig wahren Liebe meine Liebe gestand, als ich mich traute über meinen Schatten zu springen, denn ich wollte mich nicht länger verstecken und eine Fassade von unechten und unwahren Gefühlen aufbauen, da sagte sie einfach: „Ich habe mir gewünscht, dass du das eines Tages zu mir sagst. Ich habe es mir jahrelang gewünscht und in meinen Träumen habe ich mir ausgemalt, wie deine genauen Worte lauten mögen. –Aber das hier ist 1000x besser!“



Was dann folgte war ein berauschendes Fest der Gefühle. Es strömten Empfindungen auf uns ein, von denen ich noch nicht einmal ahnte, dass es sie gibt. Tagelang lagen wir nur auf ihrer Couch, erzählten uns Geschichten aus unseren Leben, malten uns unsere Zukunft aus, schauten Fernsehen oder liebten uns einfach nur stundenlang.

Ich bat sie meine Frau zu werden und sie sagte einfach nur ja.

Nach einigen Wochen wurde das Unmögliche möglich. Wir erfuhren, dass sie schwanger ist. Ich glaube, dass dieser Tag der schönste in meinem ganzen Leben war.

Die Ärzte konnten sich nicht erklären, wie das möglich sei und schoben es auf göttliche Fügung.



Nach und nach wurde dann mein Sonnenschein immer molliger und es stellte sich heraus, dass ihre Wohnung doch zu klein sein würde für drei Personen. Also machten wir uns auf die Suche nach einem Haus. Es sollte natürlich nicht irgendein Haus sein, nein, es sollte das perfekte Haus sein, das genau für uns geschaffen war.

Und es gab dieses Haus wirklich. Es stand am Rande eines Vorortes von Washington und es war bezaubernd. Es sah aus wie ein kleines Schloss mit riesigem Garten und einer Veranda, auf der man hätte Autorennen fahren können!

Nach einigen Wochen zogen wir ein.

Doch schon bald erfuhren wir, dass es einen hohen Preis hatte ein Kind zu bekommen. Denn Danas Krebs war wieder da.

Er sollte unser Glück zerstören.



Als Cloey auf die Welt kam, quittierte ich auch meinen Dienst beim FBI um unserer kleinen Familie nicht noch mehr Schmerz zuzufügen. Sie war das süßeste Baby, das man sich vorstellen kann. Sie hat Danas Gesichtszüge und ihre Stupsnase. Von mir hat sie Augen- und Haarfarbe.



Jedoch wurde unsere Idylle von der Nachricht verraten, dass der Krebs schnell wuchs und Dana sich in Behandlung begab, um das Unvermeidliche noch ein bisschen hinaus zu zögern.

Sie kam in eine Spezialklinik für Krebskranke und wurde mit einer Chemotherapie behandelt. Dana schämte sich so sehr dafür, dass sie sich unkontrollierbar übergab und es ihr einfach nur schlecht ging. Sie fing wieder an diese Mauer um sich zu bauen, die keine Gefühle durchließ. Jedes Mal, wenn Cloey und ich sie besuchten, spielte sie vor, dass es ihr gut ging und sie bald wieder nach Hause könne. Doch sah man ihr an, dass sie log. Ihre Haut war blass und ihre Augen verloren mit der Zeit den Glanz. Auch nahm sie stetig ab und sie wollte nicht mehr essen.

Sie hatte sich aufgegeben, als wir erfuhren, dass die Chemo nicht anschlug und ihr nur noch wenige Wochen bleiben würden.



Selbst Dana zweifelte daran, dass es einen Gott gäbe, der dies zulassen würde. Ich holte sie nach Hause, damit sie ihre letzten Tage nicht in diesem Krankenhaustrist verbringen musste.

Von Tag zu Tag wurde sie schwächer und konnte kaum noch unser Baby tragen. Sie bekam starke Schmerzmittel, damit sie nicht noch mehr litt.

Das war das erste Mal, dass ich meine Dana resignieren sah. Und es tat weh.

Sie verfluchte Cloey, die uns das antat, die unser Glück missbrauchte.

In der selben Nacht hörte ich, wie sie aufstand und in das Kinderzimmer gegenüber ging und Cloey mit in unser Bett trug.

Erschöpft hielt sie Cloey ganz nah bei sich und fing bitterlich an zu weinen. Immer wieder wiederholte sie, dass es ihr leid täte. Sie wollte ihr nicht wehtun. Unter schluchzen sagte sie, dass sie sie liebte.



Ich konnte nicht länger an mich halten und öffnete die Augen, was sich jedoch als Fehler herausstellte, denn auch ich konnte meine Kraftlosigkeit nicht länger verbergen. Als Dana das sah, erschrak sie, denn sie hatte in der letzten Zeit nicht bemerkt, dass das alles auch an meinen Kräften so sehr zehrte. Es tat weh zu wissen, dass Cloey schuld war. Aber es tat noch mehr weh zu wissen, dass man hilflos alles mit ansehen musste.

Ich legte meine Arme um Dana und zog sie nah an mich heran. Sie versteckte ihr Gesicht in meinem T-Shirt. Cloey lag zwischen uns und schlief. Bitterlich weinte Scully und auch ich konnte und wollte nicht mehr mich zusammenreißen zu müssen.



Stunden um Stunden lagen wir diese Nacht so da. Sie klammerte sich an mir fest. Ihre Tränen durchnässten mein T-Shirt, doch es war mir egal. Mir war im Leben noch nie etwas so egal wie das. Es war einfach nur herzzerreißend zu wissen, dass sie jeden Moment sterben könnte, dass ich alleine dastehen könnte, ohne sie. Ohne den Menschen, für den ich alles tun würde, für den ich ans Ende der Welt gehen würde, wenn sie mich darum bat. Den Menschen, den ich über alles liebte und es noch immer tue.



Die Zeit schien still zu stehen. Es war, als hätte sie nur für uns drei angehalten.



„Es tut mir leid. Es tut mir so leid.“, flüsterte sie kaum hörbar.



„Ich liebe dich mehr als alles andere. Und daran wird sich nichts ändern. Niemals.“



Irgendwann gab ich ihr einen Kuss. Es war der schönste und intensivste Kuss, den sie mir je erwiderte, mal abgesehen von unserem ersten. Doch was ich bis dahin nicht wusste, es sollte auch der letzte sein.





Ich wachte am nächsten Morgen mit einem Tritt in den Magen auf. Man soll gar nicht glauben, wie stark Cloey schon war. Noch immer lag mein Arm eng umschlungen um Dana und auch Cloey lag zwischen uns.



Normalerweise strahlt sie einen morgens immer an. Doch nicht heute. Sie lag einfach nur da und es schien, als wäre sie sauer auf die ganze Welt. Sauer und zu geschockt über etwas um weinen zu können.



Und dann sah ich Dana. Weiß, blass. Kreide weiß lag sie neben mir. Ich zog sie noch ein Stück näher zu mir und versteckte meinen Kopf in ihren Haaren. Ich sog ihren Geruch tief in mich, um zu verhindern, dass ich irgendwann vergessen könnte, wie sie riecht. Und dann weinte ich. Ich weinte einfach nur.



Und heute, einige Tage nach ihrer Beerdigung, geht die Welt weiter. Scheiße!

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie das irgendwann mal für mich tut. Aber sie tut es. Und sie wird es auch weiterhin tun.



Cloey wird bald ihre ersten Zähnchen bekommen und ich werde von ihrer Großmutter immer wieder ermahnt sie nicht zu sehr zu verwöhnen, denn sie will nicht, dass sie verzogen wird. Doch wie kann ein Kind von Dana verzogen sein?

Ich brauche Cloey. Sie ist das einzige, was ich noch habe. Und auch wenn sie seit Danas Tod bei mir schläft und ich jede Minute des Tages mit ihr verbringe, um nicht alleine zu sein, um mich abzulenken, sehe ich in ihr Dana. Ihr Lächeln, ihr Gesichtsausdruck, alles kommt von Dana.

Und ja, sie riecht sogar wie sie. Ein bisschen zumindest.



Ich werde ihr von dir erzählen. Immer und immer wieder. Und ich tue es sogar heute schon. Ich will, dass sie weiß, was für eine bezaubernde Mutter sie hatte.



Doch jetzt stehe ich hier an deinem Grab und es ist wie einer der Albträume, die ich früher immer hatte. Doch um nichts in der Welt hätte ich diesen Weg, den wir beide gegangen sind, rückgängig machen wollen. Selbst wenn wir beide heute noch immer Partner beim FBI wären, die sich ihre Liebe nicht eingestehen können, selbst wenn du dann noch am Leben sein würdest. Die Monate, die wir gemeinsam als Paar verbrachten, waren so intensiv und so unbeschreiblich schön. Du gabst mir das schönste Geschenk, das du mir je hättest machen können: Dich!



Und ich weiß, dass wir uns wiedersehen werden. Wenn es etwas gab, dass es wert war, dass du daran glaubst, an Gott, dann muss etwas wahres dran sein.

Um ehrlich zu sein, ich klammere nur an der Vorstellung an den Himmel, weil ich dich wiedersehen möchte, weil ich dir noch so viel sagen möchte, weil ich dir noch so viel von unserer Tochter erzählen möchte.



„Ich werde dich immer lieben. Danke für die schönste Zeit in meinem Leben“



Langsam drehe ich mich um und schiebe den Kinderwagen über den Weg, der mit Laub bedeckt ist.



Danke! Schießt es mir noch einmal durch den Sinn. Mit einer Hand streiche ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich drehe mich noch einmal um und blicke auf dein Grab, mit den frischen Blumen. Ich werde bald wieder hier sein. Morgen oder sogar schon in ein paar Stunden. Aber jetzt gleich wird Cloey aufwachen und Hunger haben. Vorher muss ich jedoch noch einkaufen: Milch und Babybrei.



Danke für alles.



Ende
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