World of X

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Leaving Man Moments

von Eve

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Ich weiß, du bist bei mir,

Ganz egal, wo ich bin.



***



„Scully, ich hoffe, dass du weißt, wie schwer es mir fällt, darum zu bitten. Es ist mir wichtig, dass du es verstehst!“



Ich stehe verzweifelt vor ihr und kann mich sehen durch ihren tränenverschleierten Blick. Groß und bedrohend. Unnahbar und fremd. Welten voneinander entfernt. Ich sehe, wie das Vertraute zwischen uns immer weiter im Nebel der Unendlichkeit verschwindet. Ohne, dass auch nur einer von uns sie aufhalten könnte. Oder wollte?



Mir stellt sich die Frage, wie ich ihr die Sache verständlich machen kann. Greifbarer.



Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust und senkt ihren Kopf. Nur um auf den Boden zu sehen oder ihre Tränen vor mir zu verbergen, die ich ohnehin bemerkt hatte? Ich weiß es nicht.



Mein Herz schreit nach ihrem. Dana! Meine Liebe! Kannst du mich nicht hören? Ich gehe nicht! Niemals! Ich bleibe bei dir!



Doch ich höre nur Schweigen als Antwort.



Sie dreht mir den Rücken zu, sieht mich nicht an. Wende dich nicht ab von mir! Geh nicht!



Langsam geht sie zum Sofa und setzt sich. Ich sehe, wie ihre Hände zittern. Mein Geist und meine Seele eilen zu ihr, sind schon bei ihr. Beschwören sie, beruhigen sie.



Im Einklang betören sie sie: Es ist nicht wahr. Nichts. Das von mir Gesagte stimmt nicht! Glaube. Glaube daran. Du hast mein Herz. Für jetzt und in alle Ewigkeit. Hier. Ich reiche es dir.



Doch in Wirklichkeit tut sich gar nichts. Mein Geist und meine Seele sind zusammen mit meinem Herzen in meinem regungslosen Körper gefangen. Der Körper, der ihr gegenüber steht. Der innerlich vor Verzweiflung Krampfanfälle hat, nach außen aber nur die Hände zu Fäusten ballt.



Sie sitzt einfach nur so da.



Scully, hast du meine Worte nicht gehört?



Du hättest sie auch nicht hören können, denn sie wurden nie ausgesprochen.



Meine Gedanken kreisen, rennen, eilen, überschlagen und jagen sich. Bauen Satzgebilde aus Wörtern, die mein weinendes Herz nicht verstehen will. Doch diese Buchstabengebilde kommen nie über meine Lippen.



Sie rührt sich immer noch nicht. Zeiten vergehen. Weltbilder stürzen ein, werden neu geformt, nur um wieder unterzugehen. Und ich glaube, ich höre in mir etwas zerbrechen. Ist es mein Herz, das gerade zerspringt? Komisch, ich spüre nichts.



Denn es ist kalt, eiskalt um mich herum. Still, leise, verharrend.



Ich werde beim Denken unterbrochen.



„Es muss wohl so sein, nicht wahr?“



Durch tausend Gänge und Korridore dringt ihre Stimme zu mir durch.



„Gott, wie habe ich genau diesen Tag gefürchtet.“



Sie schlägt ihre Hände vor ihr Gesicht. Ich höre ihr Schluchzen, doch bin unfähig, etwas dagegen zu tun. Denn ich bin starr. Ein Körper, der unfähig ist, seine Gefühle, die wie Naturgewalten in ihm toben, unter Kontrolle zu bringen. Und trotzdem so damit beschäftigt ist, dies zu versuchen, dass er keinen Gedanken daran verschwendet kann, auch noch in der Außenwelt zu agieren. Sie wischt ihre Tränen weg und steht auf.



Und ich erwache wie aus Trance.



„Scully, unsere Befürchtungen sind wahr geworden. Die Angst, die wir beide hatten. Das Wunder, das nicht hätte geschehen dürfen. ..“



Ich zucke hilflos mit den Achseln.



Wir sind beide verwundbar geworden, über die Zeit hinweg. Je näher wir uns gekommen sind, desto verletzlicher wurden wir. So kommt es mir gerade vor. Ich spüre, dass auch sie im Moment so denkt.



Sie kommt langsam auf mich zu. Klare, blaue Augen, die tief in mein Innerstes blicken.



Ich breite meine Arme aus, um diese kleine, zierliche Gestalt an mich zu drücken. Festhalten und einfach so verharren. Bis ans Ende der Welt.



„Wie werden uns niemals trennen, Mulder. Das weißt du. Das hoffe ich.“



Dann nimmt sie die Umarmung an und drückt sich gegen mich. Und ich fühle, wie sich mein, wie ich geglaubt hatte, erstarrendes Lebensfeuer wieder regt. Es Funken sprüht und sich ausbreitet. Und die todbringende Gefühlskälte schmelzen lässt.



Ich streichle langsam über ihren Kopf. Küsse zärtlich ihre Stirn.



„Es ist für unser aller Sicherheit. Ich werde den Kontakt nicht abbrechen.“



Ihr Schluchzen an meiner Brust hat aufgehört. Sie ist ruhig.



Sie richtet ihre Augen wieder auf die meinen. Sucht meinen Blick.



„Aber wie...“



„Shh..“



Ich lege ihr einen Zeigefinger auf die Lippen, sodass sie verstummt.



„Frage nicht. Du wirst es wissen, wenn ich es bin.“



Sie holt tief Luft. „Ich könnte dir nie einen Wunsch abschlagen. Das weißt du. Aber ich bitte dich. Halte mich jetzt. Halte mich einfach noch ein wenig fest. Ganz fest.“



„Ich werde immer bei dir sein. Und du bist dort bei mir, ganz egal, wo ich bin.“



Ich halte sie. Versuche, meine Liebe in dieser Umarmung auszudrücken. Doch ich spüre, wie wir uns trennen. Auseinandergehen.



Meine Zelte sind abgebrochen. Nur noch sie und unser Sohn binden mich an das Hier. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Ich hoffe, Scully wird für mich ein Bild in Williams Herzen hinterlassen. Eine Erinnerung an eine nie gekommene Zeit in der Vergangenheit.



* Wir drei auf einer Kirmes. Lieblich, der zarte Duft der ersten Blütenknospen. Süße Zuckerwatte und verschmiertes Schokoeis. Wärme, Liebe, Zufriedenheit.



* Wir drei auf einer grünen Frühlingswiese liegend. Die warm strahlende Sonne über uns. Verschiedenfarbige, herrlich duftende Blumen, die uns einbetten in einen Traum. Hell, Freude, Lachen.



* Warme Sonnenstrahlen, klares Wasser. Und schwimmen ..schwimmen dorthin, wo die Sonne im Meer versinkt. „Papa, lass dich tauchen!“ Kichern, Träume, Wohlfühlen.



* Dann ein Wind, der in Erinnerungen an laue Sommerabende schwelgen lässt. Und riesige, bunte Blätterhaufen, in die man sich wie in eine Wolke fallen lassen kann. Nostalgie, Gedanken schweben, Ruhe.



* Frostige, weiße Weihnachten. Würziger Lebkuchen und warmer Kerzenschein vom Tannenbaum. Langsame Musik und Tanzen zu dritt. Glanz, Schönheit, Familie.

Schlittenfahren jeden Tag und das fröhliche Jauchzen: „Schneller, Papa, schneller!“



Während der Autofahrt zum Bahnhof denke ich darüber nach. Welches Vaterbild wird William haben? Wird es überhaupt eines geben oder verweilt irgendwann nur ein schwarzer Fragezeichenmann im Schatten seines Selbst? Wird er diese Schemenfigur mit Hass und Zorn überschütten? Vielleicht ist es ihm auch egal. Ich schließe meine vor Tränen brennenden Augen, ich hoffe, dass es nie soweit kommen wird. Ich tue mein Bestes, um dafür zu sorgen!



„Scully, es ist alles besprochen. Wir werden uns wieder sehen. Vertrau mir, wie du es schon immer getan hast.“



„Mulder, nichts wird mein Vertrauen zu dir erschüttern. Ich liebe dich!“



Sie drückt mich noch einmal. Hält meine Hand und lächelt mich an. Ich weiß, dass wir das auch durchstehen werden.



Ich küsse sie ein letztes Mal. Ein unschuldiger Kuss der Verliebten.



„Ich liebe dich. Denke daran.“



Das Pfeifen des Zuges ertönt. Der Aufruf für mich zu gehen.



Unsere Blicke treffen sich. Trauernd, zweifelnd, hoffend. Wir kommunizieren über unsere Augen, die Spiegel unserer Seelen. Mit all unserer Liebe füreinander. Ich sehe Vertrauen, Verlangen, Wünsche.



Abermals ertönt das Pfeifen des Zuges, der mich mitnimmt und von ihr weg.

Ich drücke nochmals kurz ihre Hand.



Und sie dreht sich um und geht in die Dunkelheit davon. Ich eile zum Zug, der bereit ist,

zum Abfahren.



Denke daran. Glaube daran. Vertraue.

Partnerin, Freundin, Geliebte.

Ich liebe dich.



**Finito**
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