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Vogel flieg

von Eve

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Flieg Vogel.

Flieg an einen anderen Ort.

Flieg dorthin,

wo es warm ist,

wo es schön ist,

wo es nur Lachen gibt,

wo es immer den Sonnenschein gibt.

Flieg Vogel.

Flieg an einen anderen Ort.





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Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Es kommt mir noch immer alles wie gestern vor. Als wäre das Ganze erst vor ein paar Sekunden passiert; doch das ist es nicht, das ist es ganz und gar nicht. Das Geschehene liegt schon mehr als 5 Jahre zurück. Damals... damals war alles anders. Ich hatte noch meinen Partner, aber war er nicht schon mehr als nur ein Partner? Fox Mulder, mein Freund, mein Vertrauter, ja, sogar mein Geliebter; aber er ist nicht mehr da. Er wurde entführt, von denen und die haben ihn nicht mehr zurückgebracht. Damals.

Und wie sich alles verändert hat! Ich habe zu der Zeit erfahren, dass ich schwanger war. Schwanger! Ich konnte es am Anfang nicht glauben, war nicht in der Lage es auch nur ansatzweise zu realisieren. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde ging ich zum FBI zurück. Was sollte ich daheim schon machen? Die erste Überraschung war; ich hatte einen neuen Partner. Special Agent John Doggett. Der erste Augenblick mit ihm und ich dachte ‘Gott! Was für ein Idiot’. Ich hätte ihn erwürgen können, so wie er über Mulder sprach.



Aber mit der Zeit änderte sich das. Es änderte sich sogar gewaltig. Ich hatte ihm bis dahin noch nichts von meiner Schwangerschaft erzählt, weil ich einfach Angst hatte, man würde das gegen mich verwenden.



Außerdem wurde unser Umgangston privater. Wir sprachen über alltägliche Dinge, was wir in unserer Freizeit machen, was wir lieben oder hassen. So habe ich ihm auch von meinem ungeborenen Baby erzählt. Er war im ersten Moment perplex und ich konnte mir ein Grinsen einfach nicht verkneifen. Seit diesem Gespräch behandelte er mich vorsichtiger, er fragte nach meinem Gesundheitszustand, nach dem Befinden des Babys und war auch sonst sehr zuvorkommend. Kurzum, ich lernte ihn lieben. Ich merkte es zuerst nicht, aber dann wurde es mir mehr und mehr bewusst. Wir verbrachten unsere freie Zeit miteinander, gingen essen, einkaufen, schauten uns gemeinsam Filme an.

Auch er hatte Gefühle für mich. Er berührte mich öfters, er nahm mich in die Arme, obwohl es keinen besonderen Anlass dafür gab. Es war wie eine wunderschöne Romanze, ja, wie in den Hollywoodfilmen. Kitschig, aber immer wieder schön. Als ich im 7. Monat war, hat er mich dann gefragt. Er hat mich wirklich gefragt, ob ich seine Frau werden möchte. Das einzige was ich machen konnte, war, mit Tränen in den Augen überglücklich mit dem Kopf zu nicken.



Unser Hochzeitstag war dann knapp 5 Wochen später. Es war ein wunderschöner Tag. Herrlicher Sonnenschein, fast keine Wolken am Himmel, und die Vögel flogen ihre Bahnen mit einem fröhlichen Gezwitscher.



Dann kam der Tag, an dem ich meine Tochter zur Welt bringen sollte.

Ich habe geheult wie ein Schlosshund vor Freude und Glück.

Leonie-Sofie Doggett. Mein kleiner Engel.



Das war jetzt genau vor 5 Jahren. Sie wird ganze 5 Jahre alt ’unsere’ Tochter. Sie ist unsere Tochter. Obwohl John nicht ihr leiblicher Vater ist, behandelt er sie trotzdem wie sein eigenes Kind. Und sie sieht ihm sogar ein bisschen ähnlich. Sie hat eigentlich braune Haare, aber sie schimmern rötlich. Die braunen Augen, die fast immer fröhlich blitzen und diese kleinen Grübchen, die entstehen, wenn sie lacht. Leonie ist einfach ein süßes Kind. Heute ist also ihr Geburtstag. Ich verziere noch ihre Torte mit Zuckergebäck und gehe dann ins Esszimmer damit. Dort werde ich schon ungeduldig erwartet. Wenig später ertönte fröhlich ausgelassen das Geburtstagslied: „Happy Birthday to you, ...“



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Schluchzen......... Weinen............. ein Kinderweinen!



Erschrocken springe ich auf und renne in die Richtung, von der das Geräusch kommt. Es ist in der Einfahrt. Dort sehe ich Leonie, wie sie auf dem Boden kniet und irgendetwas in den Händen hält.



Ich eile zu ihr und setze mich zu ihr hin. „Hey Mäuschen. Was ist denn los?“



„Mami, der Vogel; er ist krank. Er liegt auf dem Boden und rührt sich nicht. Was hat er? Warum fliegt er nicht wie die anderen Vögel?“



Die Kleine war völlig aufgelöst. Ihre Augen waren schon rot geschwollen von den ganzen Tränen, die sie schon vergossen hatte.



„Mami, du machst doch Menschen gesund. Kannst du auch einen kleinen Vogel gesund machen?“



Sie blickte mich mit ihren großen, nassen, verweinten Augen fragend an.



Bei diesem Blick und den verzweifelten Worten konnte ich nicht Nein sagen. Das ging einfach nicht.



„Oh Honey, das weiß ich nicht, aber wenn du willst, können wir es ja mal versuchen. Gib mal her, ich schaue ihn mir mal an.“



Er hatte sich den linken Flügel gebrochen. Die erfahrene Medizinerin in mir erkannte, dass es ein einfacher glatter Bruch war. Ich hatte zwar nicht die Veterinärmedizin studiert, aber ich kannte mich trotzdem etwas aus.



„Komm Schatz, wir bringen ihn erst mal rein.“



Drinnen angekommen gingen wir in die Küche, wo ich mit meinen Instrumenten aus meiner Arzttasche den kleinen Flügel verband.



„So, er braucht jetzt auf alle Fälle sehr viel Ruhe. Bring ihn am besten in dein Zimmer. Du hast ja noch den alten Käfig von deinem anderen Vogel. Gib ihm auch ein paar Körner und Wasser. Und dann komm wieder runter, weil dein Daddy gerade gekommen ist. Wir essen dann.“







~~~~~ ~~~~~ ~~~~~



Ich kann mich noch sehr genau an diesen Tag erinnern. Es ist jetzt genau zwei Wochen her, als sie den Vogel so gefunden hatte.



Und jetzt ist es schon Spätnachmittag. Die Sonne glüht in einem wunderschönen leuchtenden gelb-orange. Die Grillen zirpten und die Vögel zwitscherten.



Wir liefen gerade einen kleinen Berg hinauf von wo aus Leonie den Vogel freilassen wollte. John entschied, dass das wohl der geeignetste Platz dafür ist, jedenfalls besser, als in der Innenstadt von Washington DC.



Es wehte eine leichte Brise über die vielen grasgrünen Felder und Blumen blühten in allen nur erdenklichen Farbnuancen. Es war einfach ein wunderschöner Tag.



Wir sind oben angekommen und ich erinnere mich an damals. Damals war alles anders.



Dieser eine Tag, der mir die Flügel gebrochen hatte, als Mulder entführt wurde. Ich habe mich wahrscheinlich genauso gefühlt, wie der Vogel vor zwei Wochen.



Wenn einem das genommen wird, was man zum Überleben braucht. Was die Flügel für den Vogel bedeuten, ist Mulder für mich. Er hat mich mehr als sein eigenes Leben geliebt. Und ich habe ihm die selbe Liebe entgegen gebracht. Dann wurde er auf die brutalste und übelste Weise von mir fort gerissen. Mir wurden eben die Flügel gebrochen. So wie diesem armen Vogel. Auch die Tatsache, dass ich ein Kind erwartete, konnte mich nicht darüber hinwegtrösten.



Ich war am Boden zerstört, kraftlos und Nahe dem eigenen Tod.



Der Vogel war auch nahe daran zu sterben aber Leonie hat ihm das Leben zurückgegeben.



John trat auch in mein Leben. Er gab es mir wieder.



Er zeigte mir, wie freundlich ein Lächeln und wie herzlich ein Lachen sein konnte. Er zeigte mir, wie warm ein Sonnenstrahl ist und wie man die Schatten vergisst, die Plagen, den Kummer und den Schmerz.



Er lehrte mich, nicht über das zu weinen, was ich verloren habe, sondern über das zu lachen was ich gewonnen habe.



„Ein Schiff, das rückwärts fährt, wird nie den Sonnenaufgang sehen.“



Er verarztete meinen Flügel.



Jetzt bin auch ich geheilt, genau wie der Vogel. Aber so wie er, bin auch ich noch eingesperrt. Gefangen in einem Käfig.



„Hey, Darling. Über was denkst du so angestrengt nach?“ John legte seinen Arm um mich.



„Och, nichts weiter. Ich war nur so in Gedanken.“



„Mami, Papi, seid ihr bereit? Ich lasse ihn jetzt frei.“ Strahlend vor Freude öffnete Leonie die Käfigtür. Und der Vogel flog.



Und damit wurde auch ich frei. Ich konnte mein altes Leben hinter mir lassen und mein neues genießen.



Ich habe verstanden.







Und der Vogel ist an diesem Ort angekommen.





~~~Finito~~~
So, ich möchte hier noch mal anmerken, dass ich trotzdem noch jemanden danken will. Nämlich meiner Freundin Sandra, die den Text für mich abgeschrieben hat. Danke dir!



Besonders die Lachanfälle zwischendurch waren echt mal wieder fällig.



Tschüß

Eve
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