World of X

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Sleeping Beauty

von Jenna Tooms

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Taschentuch-Warnung !!!





Es gibt eine Maschine, die für sie atmet. Einatmen, ausatmen. Wenn es aufhört, dann hört sie auch auf, und ich sitze neben ihrem Bett und beobachte, wo die Maschine in der Wand verbunden ist, und frage mich, was passiert, wenn das Stromkabel nicht richtig drin ist.



Einatmen, ausatmen.



Ich bringe Bücher und lese ihr stundenlang vor. Ich bringe einen CD-Player mit und ich lasse ihre Lieblingsmusik laufen. Mozart, Satic, Bach auf Gitarre, Oldies, Keltische Musik, Bob

Marley. Ich bringe Blumen mit und lasse sie über ihr Gesicht, ihre Hände, ihre Lippen gleiten.

Ihre Lippen versuche ich mit einem Lippenbalsam vor dem Austrocknen zu bewahren; ich trage ihn mit der Fingerspitze meines kleinen Fingers auf. Ich creme ihre Hände und Füße ein, ihre Ellenbogen und Knie. Ich halte ihre Hand und schaue sie in ihrem merkwürdig unendlichen Schlaf an.



Einatmen, ausatmen.



Es gibt noch andere Geräusche in diesem kleinen Raum. Der Herzmonitor, der langsam und regelmäßig piept, der Tropf. Ihre Mutter kommt und redet mit ihr, erzählt ihr Neuigkeiten von der Familie. Bill will meistens nicht reinkommen, wenn ich da bin. Wenn er kommt, dann strecke ich meine Beine und gehe runter in die Cafeteria, um eine Tasse Kaffee zu trinken und etwas zu essen, dass einem Essen ähnelt.

Schritte kommen konstant den Flur runter: ein Doktor wirft einen Blick auf ihr Krankenblatt, eine Krankenschwester kontrolliert die Schläuche und Röhren, und ein Assistenzarzt will sie baden. Manchmal lassen sie es mich machen, und ich streiche vorsichtig mit einem Schwamm über ihr sanftes Gesicht, als ob ich ein Baby baden würde. Ich rede mit ihr, wenn ich sie bade: “Ist es nicht schön sauber Zehen zu haben? Ist Dein Bauch kitzlig? Ist das Wasser nicht schön warm?“

Die Krankenschwester denkt ich bin liebenswürdig. So hingebungsvoll. So geduldig. Was auch immer.



Einatmen, ausatmen.



Ich vermisse sie. Ich vermisse ihre Stimme, ihr Lächeln, ihre Witze, den Duft ihrer Haare und die Wärme ihrer Haut unter meinen Lippen. Ich vermisse es wie sie ihre Hand durch meine Haare schickte. Ich vermisse es wie wir miteinander spielten, wie sie neue Stellen fand um mich zu küssen, wie sie meinen Namen schrie und in meiner Umarmung zitterte. Ich vermisse es wie sie mich heranzog und umarmte, als meine Alpträume uns beide weckten, und streichelte und hielt mich solange bis ich aufhörte zu zittern.

Manchmal denke ich es wäre einfacher zu ertragen, wenn sie tatsächlich gegangen wäre. Wenn sie nicht da wäre, dann wäre es nicht so schlimm. Wenn sie tot wäre ... Gott.

Ich kann nicht, ich kann nicht. Ich will nicht ohne sie leben, aber ich weiß sie will nicht auf diese Weise leben. Ich habe die Papiere unterschrieben. Die Tage vergehen und bald kommen sie und erzählen mir, dass sie den Stecker rausziehen müssen, es ist ihr Wille, bitte machen Sie es nicht schwer, Mr. Mulder. Ich kann es nicht tun.



Einatmen, ausatmen.



Ihre Haut ist so bleich und zart, wie Pergament. Sie hat immer auf ihr Aussehen geachtet, und ich achte für sie darauf, damit sie wenn - wenn, ... wenn - sie ihre Augen öffnen wird, sich selber erkennt. Manchmal - der Doktor sagt mir, dass ich mir das einbilde, aber ich schwöre, ich sehe es - bewegen sich ihre Augen unter ihren Lidern, und ich flüstere ihr zu, „Was träumst Du, Liebling? Ist es ein schöner Traum? Träumst Du gerade von mir? Ich hoffe, Du hast schöne Träume!“

Sie müssen mich wegziehen, wenn sie kommen um es zu machen, den Stecker ziehen und sie mir nehmen wollen.



Einatmen, ausatmen.



Gib nicht auf, Scully. Verlass mich jetzt nicht.

Ich liege eng neben ihr auf ihrem Bett und meine Hand gleitet sanft über ihre eingefallene Wange. Ich nehme sie vorsichtig in den Arm und küsse ihr blasses Haar. Ich flüstere: „Träum was schönes, Liebes,“ und ich singe ihr ein Schlaflied, meine Stimme ist kratzig.

Sie können mir nicht sagen was passiert ist oder warum. Es ist als ob sie sich abgeschaltet hätte. Sie war eines morgens müde und ihr Kopf tat weh und sie sagte, sie sieht etwas Schreckliches kommen, und gegen Mittag ist sie dann über ihrem Tisch zusammengebrochen,

zerfallen auf einer Akte, als ob ihre Knochen verteilt wären.

Sie hat ihren Kopf so sehr angeschlagen, dass eine Beule entstand. Die Jungs denken, dass es mit dem Chip zu tun hat, aber ich lass ihn nicht vom Doktor entfernen. Das würde sie vielleicht umbringen.

Wenn es das nicht schon getan hat.



Einatmen, ausatmen.



Sie können nicht helfen, weil sie nicht verstehen. Sie werden es mir vorsichtig beibringen, dass es ihr Leiden beenden wird, dass es keine Hoffnung mehr gibt, dass sie jemals aus dem Koma wieder aufwachen wird, dass mein Klammern sinnlos sei und es sie nur verletzen wird und jeden, der sie liebt.

Ich weiß es ist notwendig und ich weiß, dass es das ist, was sie wollte als sie ihr Patiententestament unterschrieben hatte, aber das stillt den Schmerz nicht, den mein Herz verspürt wenn ich daran denke. Ein Leben ohne Scully. Warum schickt man mich nicht gleich in die Hölle.

Ich will nicht ohne sie leben. Niemals.

Manchmal denke ich die restliche Welt würde still stehen, und wartet, dass Scully widerspricht.

Ich bin immer überrascht, wenn ich einen Blick in den Fernseher oder auf die Zeitung werfe und sehe, dass tatsächlich das Leben weitergeht und ich bin der Einzige in dieser Vorhölle.

Meine Tage sind dem ständigen Rhythmus der Maschine angepasst, dem einatmen-ausatmen, das ihr hilft zu atmen. Am Anfang klammerte ich mich an die Möglichkeit, dass es hier irgendwo ein Heilmittel für sie gab. Ich ging zu Skinner, zu Kersh, zu Diana, sogar zu Krycek.

„Können Sie mir nichts geben?“ Ich flehte jeden an, und alle hatten sie nichts. Meine Freunde

suchten und suchten, suchten Anschluss an obskuren Quellen und machten anrüchige Geschäfte. Ich hielt eine Waffe an den Kopf des Krebskandidaten und forderte von ihm, dass er seine Leute kontaktieren sollte, mir ein Heilmittel finden, irgendwelche Geschäfte machen, etwas machen, überhaupt was machen. Nichts. Keine Hilfe. Keine Hoffnung.



Einatmen, ausatmen.



Ich werde es an dem Tag tun, an dem sie sie beerdigen. Ich muss sie genug ehren, um an ihrer Beerdigung teilzunehmen, aber nichts wird danach mehr wert haben. Mein eigener Wille sagt, dass ich neben ihr beerdigt werden will.

Die Jungs und Mrs. Scully nutzen die Gelegenheit, um mir zu sagen, dass ich nach Hause kann, ein Bad nehmen und meine Klamotten wechseln. Ich schlafe und eile ins Krankenhaus. Ich bin auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Kersh, denke ich, nimmt an, dass ich nicht mehr zurückkomme, aber er weiß nicht warum. Als er bemerkte, dass es in ein paar Tagen nicht zuende sein würde, kam er ins Krankenhaus. Er fragte mich nach ihren Lieblingsblumen. Er schickte jeden Tag einen Blumenstrauß, und er ruft an, ob sich etwas verändert hat.

Skinner besucht sie alle paar Tage. Er sagt nicht viel. Er hält ihre Hand und beobachtet ihren Schlaf. Manchmal denke ich er betet. Er küsst ihre Stirn bevor er geht, und mich lächelt er nervös und hilflos an.

Diana kommt nicht. Das überrascht mich nicht.

Der Krebskandidat sagte zu mir, „Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Aber nicht einmal wir wissen, was falsch gegangen ist. Wir können nichts tun.“

Eines Nachts wachte ich auf und sah Krycek am Fußende ihres Betts stehen. Mein erster Gedanke war meine Waffe zu ziehen, aber ich habe es gelassen. Er hat nichts getan oder gesagt, er stand einfach da. Nach zehn Minuten oder so seufzte er und trocknete sein Gesicht mit seinem Handrücken, und er murmelte, „Es tut mir leid, Mann.“ Er drehte sich und ging so leise wie er gekommen war. Ich ließ ihn gehen.

Ich bin nicht der Einzige, der sie vermisst.



Der Stichtag ist gekommen. Der Doktor erklärt es mir mit einer sanften Stimme, und Mrs. Scully hält meine Hand. Es ist jetzt meine Entscheidung.

„Ja.“ Es ist schwer dieses kleine Wort auszusprechen. Aber ich weiß, dass ich es tun muss. Es ist das Beste. Es ist das, was sie wollte. Es ist das, was ihre Familie wollte.

Mein letztes Geschenk an Dich, Scully. Frieden.

Sie geben mir ein paar Minuten mit ihr allein. Ich küsse sie und streichle ihr Haar und ihre Wange, und ich weine ein wenig. Ich wünschte, ich hätte noch ein bisschen Zeit, um ihr ein Schlaflied zu singen. Ich lehne meine Stirn gegen ihre und wiederholte das Gelöbnis, das ich an unserem Hochzeitstag gegeben hab, dass ich sie liebe, sie ehre, sie pflegen, und mich um sie kümmern, und sie glücklich machen werde. Oh, wie ihre Augen an diesem Tag strahlten. Meine Stimme zitterte und meine Hände auch, aber sie war standhaft. Sie war stark. Sie war immer die Stärkere.

Und sie war so schön in diesem weißen Kleid.



Jeder kommt herein, um ihr Lebewohl zu sagen, und Mrs. Scully legt ihren Arm um mich. Ich flüstere, „Ich will, dass sie ihr Hochzeitskleid trägt,“ und sie nickt.

„Ich denke, das würde sie auch wollen, Fox.“

Der Doktor und eine von den Krankenschwestern drehen methodisch die Schalter. Sie nehmen die Schläuche und Röhren aus ihr raus. Als die Herzmaschine in eine schrillen Ton von sich gibt, schluchzt Mrs. Scully, lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter, und Scully’s Bruder und sie drehten ihr Gesicht weg.



Auf Wiedersehen, Scully.



Einatmen, ausatmen.



Ich liebe Dich, Scully.



Einatmen, ausatmen.



Wir sehen uns bald wieder.



Einatmen, ausatmen.



Einatmen, ausatmen.



Einatmen.



Ausatmen.



Einatmen.







--- Ende ---
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