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Im Schutze der Dunkelheit

von Foxy

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Es war dunkel vor dem Fenster, als sie erwachte. Kein Licht drang durch die Vorhänge, nur ein leichter Schimmer fiel durch die offene Wohnzimmertür herein. Wo war sie? Der Geruch. Sie kannte den Geruch der Decke, die über ihren Schultern lag. Sie bewegte sich vorsichtig und lockerte die verkrampften Muskeln in ihrem Nacken. Die Ledercouch, auf der sie lag, knarrte leise und plötzlich wusste Scully wieder, wo sie sich befand. Mulders Wohnung, der Tee, sie war einfach zu müde gewesen, um ihm weiter zuhören zu können. Irgendwann musste sie eingeschlafen sein und er hatte sie nicht geweckt. Hatte sie zugedeckt und war gegangen. Wohin? Ins Bett? Wieviel Uhr war es eigentlich? Scully hob den Kopf ein wenig an und spähte in die Richtung, in der sie Mulders Videorecorder vermutete. Die grünen Leuchtziffern schnitten klar durch die Dunkelheit. 1:27 Uhr. Scully schloss wieder die Augen und kuschelte sich zurück in die weiche Decke. Sie schnüffelte daran und lächelte in sich hinein. Die Wolle roch nach Mulder, seinem Aftershave und nach mehr. Die Couch war wirklich bequem; sie konnte Mulder verstehen, weshalb er so oft hier schlief, doch sie wusste genauso gut, dass er in seinem Schlafzimmer mittlerweile ein Wasserbett stehen hatte, das wahrscheinlich noch um einiges gemütlicher sein musste. Mit einem Mal begann Scullys Herz schneller zu schlagen. Als sie das letzte Mal auf diesem Bett gelegen hatte - mit „Mulder“ –hatte sie sich insgeheim gewünscht, der Mann neben ihr, der so ausgesehen hatte wie Mulder, wäre auch ihr Mulder gewesen. Deutlich erinnerte sie sich an die Enttäuschung, die sie gespürt hatte und die sie sich nicht hatte eingestehen wollen. Doch heute, beinahe ein Jahr danach...

Scully schlug die Decke zurück und schwang die Beine über den Couchrand. Eine Weile saß sie nur da, den Kopf in die Hände gestützt und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Alles in ihr schrie danach, hinüber in das angrenzende Zimmer zu gehen und sich zu Mulder unter die Laken zu schmiegen. Doch der logische, rationale Teil protestierte vehement. Sie konnte nicht einfach in Mulders Schlafzimmer gehen und sich zu ihm unter die Bettdecke legen. Es würde alles verändern, möglicherweise alles zerstören, was sie sich aufgebaut hatten. Scully seufzte leise und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Plötzlich fielen ihr die Worte ein, die sie vor wenigen Stunden zu Mulder gesagt hatte. Sie hatte ihm gesagt, dass Daniel der Mann gewesen war, mit dem sie einmal den Rest ihres Lebens hatte verbringen wollen und schlagartig wurde ihr bewusst, wer dieser Mann wirklich war.

Unsicher erhob sie sich und hielt sich einen Moment an der Lehne der Couch fest, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie kannte Mulders Appartement beinahe so gut wie ihr eigenes, doch in diesem Moment war sie zu verwirrt, um einen klaren Gedanken fassen zu können.

Langsam tastete sie sich am Couchtisch entlang auf den hellen Schimmer zu, der vom Flur herein fiel. Die Tür zu Mulders Schlafzimmer stand offen und Licht fiel über den beigen Teppich, sodass Scully keine Mühe hatte, ihren Weg zu finden. Im Rahmen der Tür blieb sie zögernd stehen und betrachtete das friedliche Szenario, das sich ihr bot. Durch die nur halb geschlossenen Rollos fielen helle Streifen Licht auf das Bett. Vielleicht hatte er es extra für sie getan, damit sie sich in der Dunkelheit wenigstens ein bisschen zurechtfinden konnte. Mulder lag auf dem Bauch, die Decke war ihm zu den Hüften hinuntergerutscht und Scully konnte sehen, dass er in seinen Shorts und einem T-Shirt schlief. Sie musste lächeln. So sehr sie sich auch bemühte, ihr fiel keine Situation ein, in der sie Mulder so friedlich hatte schlafen sehen, ohne diverse Krankenhausschläuche, die in und aus seinem Körper verliefen. Wahrscheinlich hatte es diese Situation noch nie gegeben. Seine Miene war so friedlich und es schien, als würde er lächeln.

Scully ging hinüber und wäre beinahe über Mulders Turnschuhe gestolpert, die mitten im Weg lagen. Sie fluchte lautlos und rieb sich die schmerzenden Zehen. Sie kniete sich am Kopfende des Bettes auf den weichen Teppich, da sie befürchtete, er könne aufwachen, wenn sie sich auf die Matratze setzen würde. Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel, als sie sanft mit der Rückseite von Zeige- und Mittelfinger über Mulders Wange strich und die kurzen Bartstoppeln kitzelten. Zärtlich zeichnete sie die Linie seines Kiefers nach und fuhr dann vorsichtig mit den Fingerkuppen über seine volle Unterlippe. Ihr Blick wurde von seinen Lippen gefesselt und sie ertappte sich bei dem unbändigen Wunsch, sich einfach hinunterzubeugen und sie mit den ihren zu berühren. Schon seit so langer Zeit wünschte sie sich diese Berührung, das weiche, samtene Gefühl seiner Lippen auf ihren und seine Hände, die über ihren Rücken strichen. Scully seufzte leise. Ein Geräusch, beinahe nicht mehr als ein Wispern; doch es genügte, um Mulder sich im Schlaf regen zu lassen und schließlich verschlafen zu blinzeln. Dana erschrak. Sie hatte nicht vorgehabt, ihn zu wecken und ihr Gehirn arbeitete fieberhaft auf der Suche nach einer Erklärung, warum sie hier an seinem Bett kniete und ihn anstarrte. Eine Sekunde lang spielte sie mit dem Gedanken, sich neben dem Bett auf den Boden zu drücken und zu hoffen, Mulder würde sie nicht bemerken. Doch das schien ihr zu kindisch und wenn er sie doch entdecken würde, würde es alles nur noch schlimmer machen. Mulder hob ein wenig den Kopf an und versuchte, den Schleier der Müdigkeit abzuschütteln. Als er bemerkte, dass Scully vor ihm auf dem Boden kniete, legte sich Besorgnis auf seine Züge und er wollte sich aufsetzen:



"Scully, was....? Geht es dir nicht gut?"



"Schhh... !" hauchte sie und legte ihm eine Hand auf den Rücken, um ihn dazu zu bringen, liegenzubleiben.



"Es geht mir gut!"

versicherte sie ihm, überlegte es sich dann aber anders und fügte hinzu:

"Alles in Ordnung."



Mulder erhob sich auf seine Unterarme und sah seine Partnerin überrascht an.

"Warum bist du dann hier?"



Das war eine gute Frage und selbst Dana wusste keine Antwort darauf.



"Ich habe mich so einsam gefühlt auf deiner Couch. Darf ich zu dir?"



Was, zur Hölle, erzähle ich hier? Bin ich denn von allen guten Geistern verlassen? Ich glaube, ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nicht so lächerlich gemacht. Mulder wird mir mit Sicherheit gleich seine Pistole unter die Nase halten und fragen, wo seine Partnerin ist.

Doch nichts geschah. Er sah sie einen Moment wortlos an und schlug dann die Bettdecke zur Seite, ein zauberhaftes Mulder-Lächeln auf seinen Lippen.

"Gerne!"



Wie in Trance beobachtete sich Scully dabei, wie sie aus ihrer Hose schlüpfte und die Strumpfhose folgen ließ. Ihren Blazer legte sie über das Fußende des Bettes und streckte sich schließlich neben Mulder auf der Matratze aus. Das Wasser bewegte sich und Scully gab einen unterdrückten Schrei von sich. Mulder musste grinsen.



"Vielleicht hätte ich dich warnen sollen."



"Nein, ich weiß, wie sich diese Matratze anfühlt."



Unverständnis machte sich auf seinem Gesicht breit.

"Ach ja? Woher?"



"Ach, ich hatte auch mal so ein Wasserbett!"

schwindelte sie und versuchte, sich ein wenig zu entspannen.



Mulder deckte sie beide zu und legte sich neben sie.



"Ist es so bequem für dich?"



"Ja!"



Beinahe, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie konnte die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, auf ihrer Haut fühlen und eine Gänsehaut überlief sie. Er musste ihr leichtes Schauern bemerkt haben, denn auf einmal spürte sie eine Hand auf ihrer Hüfte, die sie sanft aber bestimmt in seine Richtung drückte. Er schob einen Arm unter ihren Nacken und schlang den anderen um ihre Taille, als er sie näher zu sich heranzog. Als sich ihr Rücken an seine Brust presste, hielten beide unwillkürlich den Atem an. Es war, als würden sie eins werden. In letzter Zeit waren diese Berührungen und die Momente der Nähe weniger geworden und schließlich fast ganz verschwunden. Manchmal hatte sie sich gefragt, ob der Mann, der seit sieben Jahren an ihrer Seite arbeitete, sie noch immer so brauchte und liebte, wie er es ihr früher oft gezeigt hatte. Bis auf dieses eine Mal im Krankenhaus hatte er ihr nie wirklich gesagt, dass er sie liebte, aber sie hatte es gespürt und sie war sich sicher, dass auch er es gespürt haben musste. Doch irgendwann hatten sie sich beide zurückgezogen und die wenigen Berührungen waren fast selbstverständlich geworden, aber als sie so neben ihm lag und seinen Atem warm in ihrem Nacken spürte und seine Hand auf ihrem Bauch, kamen all diese Emotionen wieder zurück und zum ersten Mal seit langer Zeit spürte Dana wieder dieses Kribbeln, das früher einmal ihr ständiger Begleiter gewesen war.

Seine nackten Beine berührten ihre und plötzlich zog er hart die Luft durch die Nase ein:



"Jesus Scully! Deine Füße sind ja eiskalt!"

keuchte er.



"In deiner Wohnung ist es aber auch nicht besonders warm!"

gab sie zurück.



"Na, das können wir doch ändern!"

sagte er mit leiser, sanfter Stimme und ein weiteres Kribbeln jagte über Danas Haut.



Sie fühlte seine Füße warm an ihren, als er sie gegeneinander rieb.



"Scully, ich....!"

sagte er plötzlich leise und hielt mitten in der Bewegung inne.



Sie wusste, was er sagen wollte. Schnell drehte sie sich in seiner Umarmung herum und legte ihm zwei Finger auf die Lippen.



„Schhhh....!“

machte sie und schüttelte den Kopf.

„Ich möchte nicht reden. Nicht heute Nacht.“



Sie las Verwirrung und Unsicherheit in seinen braunen Augen. Dann schlich sich ein Schimmer hinein. Er nickte kaum merklich und sie ließ ihre Hand langsam sinken. Im selben Moment spürte sie seine Finger auf ihrem Rücken; zärtlich strich er über den weichen Stoff ihres Shirts, bis er den Saum des Kleidungsstücks erreichte und darunter glitt. Warm und weich lag seine Handfläche auf ihrem unteren Rücken und massierte sie leicht.

Ihr Blick hielt seinen fest, als sie ihren Kopf langsam senkte und in diesem Moment verließen sie beide alle Zweifel und Ängste und es gab nur noch zwei Menschen, die sich nach einer Ewigkeit eingestanden, was sie füreinander empfanden. Erst, als sich ihre Lippen berührten, schlossen sie beide die Augen und verloren sich in der Wärme des Mundes des Anderen. Ihre weichen, süßen Lippen lagen auf seinen, zuerst ohne sich zu bewegen. Dann spürte er ihre Zungenspitze und bereitwillig öffnete er seinen Mund ein wenig, um sie hineinzulassen. Begierig glitt ihre Zunge zwischen seine Lippen und liebkoste seine Mundhöhle auf eine Art, die ihm ein dunkles, brummendes Geräusch tief aus seiner Kehle entlockte. Das Vibrieren dieses Lautes strömte durch Scullys Körper und sie erwiderte es mit einem leichten Seufzen. Der Kuss wurde leidenschaftlicher und verlangender, bis Mulder Scully zu sich zog und sie auf ihm zu liegen kam. Seine Arme schlangen sich um sie, pressten sie eng an sich und die Handfläche, die noch immer auf ihrem Steiß ruhte, drückte sie ein wenig fester gegen seine Hüfte. Dana stöhnte sanft in den Kuss, als sie die Wärme seines Körpers durch die Kleidungsstücke hindurch spürte und ihre Hände begaben sich auf Wanderschaft zu seinem Gesicht. Zärtlich strich sie über seine Wangen. Zeichnete die Linie seiner Halsschlagader nach und fuhr mit der Spitze ihres Zeigefingers den Kragen seines weißen T-Shirts nach. Nur für den Bruchteil einer Sekunde löste er den Kuss und hob ihr Shirt über ihren Kopf. Ihre kupfer-roten Haare flossen durch seine Finger und schimmerten wie die Glut eines erlöschenden Feuers im Licht, das durch die wenigen Ritzen im Rollo drang.

Dana tat es ihm gleich und als sie sich zusammen unter die Bettdecke schmiegten, heiße Haut auf heißer Haut, erschien es keinem der beiden falsch oder zerstörend, es war – Schicksal. Selbst, wenn sie beide nicht daran glauben wollten, es fühlte sich gut an und Dinge, die sich gut anfühlen, können nicht falsch sein. Nein, es fühlte sich nicht gut an, es fühlte sich unglaublich an!

Vor langer Zeit hatten sie damit begonnen, Geist und Seele des Anderen zu erkunden, auswendig zu lernen und nun taten sie dasselbe mit ihren Körpern. Sie sprachen kein Wort. Ließen ihre Hände und Lippen für sich sprechen und verloren sich in dem Gefühl, geliebt zu werden.



Als Dana zum zweiten Mal in dieser Nacht aufwachte, war es noch immer dunkel draußen. Doch dieses Mal fragte sie sich nicht, wo sie war. Sie konnte seinen starken Arm über ihrer Brust spüren und seinen Atem warm in ihrem Nacken. Seine Brust hob und senkte sich langsam und regelmäßig unter den tiefen Atemzügen. Kräftig schlug sein Herz gegen ihre Rippen und Dana musste unweigerlich lächeln. Ihre Gedanken glitten zurück zur letzten Nacht. Emotionen und Gefühle, die sie seit einer Ewigkeit nicht zugelassen hatte, lagen auf einmal so klar und deutlich vor ihr, dass sie sich fragte, ob das wirklich sie gewesen war, letzte Nacht.

Sanft schob sie seinen Arm zur Seite und rutschte unter dem Laken hervor. Vollkommen nackt sammelte sie ihre Sachen, die auf dem Boden verstreut lagen, ein und verschwand im angrenzenden Bad. Sie kleidete sich an, machte sich ein wenig frisch, um wieder einigermaßen klar denken zu können und betrachtete sich eine Weile im Spiegel. Hatte sie sich verändert? Irgendetwas sah anders aus. Die leicht geröteten Wangen, das Leuchten in ihren Augen.... vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, aber sie sah glücklich aus. Wieder musste sie lächeln. Dieses Gefühl hatte sie schon seit einer sehr langen Zeit nicht mehr gehabt und gepaart mit dem leichten, wohltuenden Ziehen zwischen ihren Beinen fühlte sie sich so lebendig, wie nie zuvor.

Scully verließ das kleine Badezimmer und blieb einen Moment im Zimmer stehen. Ihr Blick glitt über den schlafenden Mann, der vor ihr im Bett lag. Die Laken um seinen schlanken, muskulösen Körper gewickelt war er so unbeschreiblich schön, dass Dana ein bisschen das Gefühl von Stolz ergriff. Er gehörte zu ihr. Hatte ihr vor wenigen Stunden ins Ohr geflüstert, dass er sie liebte. Ihr Mulder. Ihr Partner. Ihr Freund und nun, ihr Liebhaber...

Sie wollte diese Nacht nicht ungeschehen machen, indem sie nun ging. Gott bewahre, um nichts in der Welt wollte sie das, was sie sich heute Nacht geschenkt hatten, wieder nehmen. Im Gegenteil. Aber sie brauchte ein bisschen Zeit, um sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, nun nicht länger ihre Gefühle verstecken zu müssen. Sie musste damit umgehen lernen und sie wusste, Mulder würde es verstehen. Sie würde ihn morgen früh anrufen.

Ihre Lippen formten ein lautloses: „Ich liebe dich!“, bevor sie ihren Blazer von seinem Bettpfosten nahm und die Wohnung im Schutze der Dunkelheit verließ.


The End
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