World of X

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Persönliche Worte

von Steffi Raatz

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Lieber Mulder,

ich weiß, ein Brief von mir ist eine merkwürdige Angelegenheit, wo Sie mich doch fast jeden Tag im Büro sehen, doch es gibt so viele unausgesprochene Dinge zwischen uns, die unsere Partnerschaft gefährden und die Freundschaft, die uns miteinander verbindet...


Scully ließ den Stift auf den Tisch sinken und dachte nach. Würde sie es denn fertig bringen, diesen Brief überhaupt noch zu schreiben? Sie wusste, sagen würde sie ihm folgende Dinge nie können, aber sah sie sich überhaupt noch in der Lage, sie niederzuschreiben und ihm dann zu geben? Ach, warum war es nur so schwer? Sie riss das Blatt Papier von ihrem Block und begann erneut zu schreiben.


Lieber Mulder,

Ihnen wird es merkwürdig vorkommen, dass ich Ihnen einen Brief schreibe, doch ich kann einige Dinge nicht länger zwischen uns stehen lassen.
Warum redet Sie nicht mit mir, werden Sie sich jetzt fragen, doch die Antwort ist ganz einfach. Ich weiß nicht, ob ich es schaffen würde einen der Sätze, die ich hier niederschreibe je an Sie persönlich zu richten...


Sie hielt einen Augenblick inne und besah sich noch einmal die Zeilen. Doch, das klang besser. Es hörte sich nicht nach einer Verzweiflungstat an. Doch wie wollte sie die Problematik jetzt klar zum Ausdruck bringen?


Wie soll ich nur anfangen. Sehen Sie Mulder, Sie sind mein Problem. Nicht so, wie Sie jetzt vermutlich denken. Nein, die Ursache liegt in mir. Doch wie erkläre ich Ihnen das plausibel? Es ist nicht einfach. Die Wahrscheinlichkeit, Sie nicht zu verletzten, Ihnen klar zu machen, was das Problem ist, ohne Sie in gewisser Weise erst zu kränken und dann alles wieder in Reine zu bringen, ist so schwindend gering, dass ich eigentlich schon wieder überlege, diesen Brief zu zerreißen und die Dinge unausgesprochen zu lassen. Sehen Sie, jetzt komme ich wieder mit Wahrscheinlichkeiten und Wissenschaft. Welch Ironie, dabei wollte ich doch nur ein paar persönliche Worte an Sie richten.
Was ich eigentlich sagen wollte, ich denke, ich weiß wovon ich rede, wenn ich sage, dass ich in Ihnen einen wundervollen Freund gefunden habe...


Kopfschüttelnd entfernte sie den letzten Satz und begann zu überlegen. Wie solle sie ihre Gefühle nur unmissverständlich darlegen? Ein wundervoller Freund war eine schöne Aussage, aber sie reiche nicht. Er war mehr als das. Viel mehr.


... Wenn ich mein Leben rückwirkend betrachte, dann denke ich an unsere erste Begegnung zurück, meine Skepsis, Ihr Misstrauen. Ich erinnere mich, dass ich nichts von dem glauben wollte, was Sie mir erzählten. Ich fürchtete die Wahrheit, die in Ihren Worten stecken könnte. Heute weiß ich, dass ich Ihnen hätte Glauben schenken sollen. In so vielen Dingen hatten Sie Recht. Doch Sie haben sich nie vor mir damit gebrüstet, dass meine ach so kühle, wissenschaftliche Fassade bröckelte. Sie gaben mir Halt, vertrauten mir, auch wenn ich eine andere Meinung vertrat als Sie. Ich denke, Sie hätten Ihr Leben für meines gegeben. Ich würde für Sie jederzeit mein Leben opfern.
Ohne Sie wäre ich vielleicht schon weiter auf der Karriereleiter, hätte vermutlich mehr Geld und eine Familie, doch Sie sind es, der mich aufgeweckt hat, der mir zeigte, was Leben bedeutet, was wichtig für mich ist. Durch Sie habe ich meinen Sinn im Leben gefunden, so verrückt das auch klingen mag. Sie sind mein Sinn...


Ihr Stift glitt über das Papier, schrieb ihre Gedanken nieder und schien doch nicht wirklich einzufangen, was sie fühlte. Ihre Gefühle waren so umfassend, so unbeschreiblich. Sie wusste nicht, wie sie Mulder diverse Dinge erklären sollte, ohne ihm oder sich selbst weh zu tun. Es war einfach an der Zeit für sie, die X-Akten zu schließen. Sie konnte es nicht ertragen eine Minute länger mit Ihm zu arbeiten. Nicht so. Es ging einfach nicht mehr.
Wenn sie zurück blickte auf die letzten 5 Jahre, dann sah sie zwar eine tiefgründige bedingungslose Freundschaft und noch viel tiefer gehendes, doch sie sah auch die Gefahr, die Schmerzen, das Leid und die Verzweiflung.
Lange genug hatte sie gelitten, Ihre Gefühle unterdrückt und hingenommen, dass alles war, wie es war, doch sie konnte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr.


... Darum fällt es mir auch nicht leicht, diesen Brief zu vollenden. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gern ich das Geschriebene wieder vernichten würde, doch ich muss Ihnen diese Zeilen schreiben. Ich muss... Sie werden noch verstehen weshalb.
Vor einiger Zeit war ich an einem Punkt anbelangt, die X-Akten hinter mir zu lassen. Sie wissen, ich wollte kündigen und fortgehen.
Sie haben mich damals davon abhalten wollen und hätte es die Biene nicht gegeben, dann wäre heute vermutlich alles anders.
Erinnern Sie sich noch an Ihren Ausflug ins Bermuda Dreieck? Ich habe Ihre Worte vernommen als Sie im Krankenhaus lagen, habe sie in mich aufgesogen, wie ein Löschblatt, das Tinte in sich aufsaugt. Ich befürchtete, dass Sie das nicht ernst meinen könnten und blockte ab, aber ich hoffte so inständig, es möge wahr sein, dass Sie mich lieben, dass ich beschloss, die Akten noch nicht hinter mir zu lassen.
Dann folgte unser Undercover-Auftrag in Arcardia und ich musste einmal mehr feststellen, dass ich Ihrem Charme jederzeit erliegen würde, sollte es zu einer solchen Situation kommen.
Sie werden sich fragen, warum erzählt sie mir das? Warum versucht sie mir klar zu machen, was ich schon längst ahne?
Ja, Mulder, ich liebe Dich. Ich liebe Dich von ganzem Herzen, mehr als mein Verstand zulassen sollte. Und ich liebe Dich bedingungslos...


Sie ließ den Stift fallen und starrte an die Wand.
Nach so langer Zeit hatte sie endlich sich selbst gegenüber eingestanden was sie empfand. Ihr Herz schlug schnell und hart gegen ihre Rippen.
Konnte sie Mulder diesen Brief überhaupt geben? Würde sie sich damit nicht bloß stellen? Aber was sollte sie machen. So wie bisher konnte es einfach nicht weitergehen.
Es kostete sie viel Kraft, den Stift wieder auf das Papier zu senken und weiter zuschreiben, wo doch alles, was sie jetzt schrieb, ihr Leben verändern würde.


... und genau das ist das Problem. Ich kann es nicht länger ertragen.
Ja, was ertrag ich nicht länger..?! Wie soll ich es Dir nur schonend beibringen? Ich ertrage Deine Nähe nicht mehr. Nicht mehr so wie bisher. Ich will die Akten hinter mir lassen, will ein neues Leben beginnen. Ein Leben ohne Angst, ohne Verfolgung, ohne Verschwörungen. Einfach ein normales Leben.
Ich möchte Dich bitten, mir meine Entscheidung nicht auszureden. Bitte mache mir keine Versprechungen, die Du nicht halten kannst, um mich am Gehen zu hindern. Ich weiß, ich könnte vermutlich nicht widerstehen.
Wenn Du diesen Brief liest, werde ich vermutlich bereits meine Kündigung abgeben. Verzeih mir, dass ich Dir das alles nicht persönlich sagen konnte, dass ich mich davor gedrückt habe, mit Dir auf Konfrontationskurs zu gehen. Ich weiß, ich hätte den Kürzeren gezogen.

Vergib mir,
in Liebe

Scully


Mit geschlossenen Augen strich sie ein letztes Mal über das Papier, ehe sie den Brief faltete und in einen Umschlag schob. In großen Lettern schrieb sie seinen Namen auf den Umschlag und stellte ihn auf seinen Schreibtisch.
Sie atmete tief ein und aus.
Es war soweit. Sie hatte sich entschieden.
Sie ergriff den zweiten Umschlag von ihrem Schreibtisch und ging auf die Tür zu. Noch einmal sah sie sich in dem Raum um, der ein Teil ihres Ich's geworden war. Würde sie ihn das nächste Mal betreten, würde sie nicht mehr dazu gehören. Tränen schimmerten in ihren Augen. Es fiel ihr nicht leicht, doch sie tat den entscheidenden Schritt und verließ den Raum...



Einige Zeit später...

"Hallo Mulder...", ihre Stimme klang dünn. Sie hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde, doch als sie nach ihrer Kündigung das Büro wieder betrat und ihren ehemaligen Partner mit ihrem Brief in der Hand vorfand, wollte ihre Stimme versagen.
"Ich habe Ihren Brief gelesen...", seine Stimme war angespannt und nervös.
"Versuchen Sie nicht, Argumente für mein Bleiben aufzubringen, ich habe bereits gekündigt", entgegnete sie und spürte das Zittern, das durch ihren Körper ging.
Mulder stand auf und näherte sich ihr. Sie wusste nicht so recht, ob sie ihm aus dem Weg gehen wollte, oder grade jetzt seine Umarmung, seine Nähe brauchte.
"Ich habe auch gekündigt...", brachte er mit einem schiefen Lächeln hervor und deutete auf den Briefumschlag auf Scullys Schreibtisch.
Sie war verwirrt. Hatte er die selben Gedanken gehabt wie sie?
Mit zitternden Händen riss sie den Umschlag auf und überflog die Zeilen. Im Gegensatz zu ihrem Brief, bestand Mulders nur aus vier Zeilen. Aber es waren die vier aussagekräftigsten Zeilen, die sie je gelesen hatte.


Liebe Scully,

wenn Sie diese Zeilen lesen, habe ich bereits meine Arbeit an den X-Akten niedergelegt. Ich werde unsere Partnerschaft auf beruflicher Ebene beenden, weil ich Dich brauche, Dana. Ich liebe Dich mehr als mein Leben und möchte keinen Augenblick länger auf Deine Liebe verzichten. Vergib mir, ich war die letzten Jahre ein großer Narr.

In Liebe,
Fox


Scully sah auf und blickte dem Mann in die Augen, dessen vier Zeilen ihr ganzes Weltbild über den Haufen geworfen hatten. Sie wollte etwas sagen, doch sie konnte nicht.
Mulder griff nach ihrer Hand und öffnete diese, so dass sie flach vor ihm lag. Dann holte er etwas aus seiner Hosentasche und legte es ihr in diese. Es war ein kleiner Schlüssel.
Verwirrt betrachtete sie den Schlüssel in ihrer Hand.
"Das ist der Schlüssel zu meinem Herzen, Dana. Willst du mich? Willst du mich tagein und tagaus ertragen?"
Tränen schimmerten in ihren Augen. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie alles hinter sich lassen wollen und nun fiel sie ihm um den Hals, hauchte ein zartes "Ja" und ließ ihren Gefühlen freien Lauf.




Ende
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