World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

One Hour

von Steffi Raatz

1/1

Seiner Finger glitten über das Foto. Sanft. Zärtlich.

Seine Augen schlossen sich langsam und ein schwermütiger Seufzer entglitt seiner Kehle. Tief und kehlig.

"Warum nur?", formten sich Worte voller Schmerz auf seinen Lippen. Traurig und ergreifend.

Seine Augen füllten sich mit Tränen. Langsam auf das Foto fallend.

"Warum nur hast du mir das angetan?"



Nur eine Stunde.

Eine einzige Stunde seines Lebens.

Mehr nicht.

Doch sie hatte sein Leben verändert.



Noch immer konnte er das Salz seiner Haut schmecken. Die Süße seiner Lippen. Den unvergleichlichen Geschmack seiner Küsse.

Mulder ließ die Hand mit dem Foto nach unten sinken und atmete tief durch. Die Erinnerungen waren noch so frisch, so unverbraucht.

Es hatte nicht geschehen sollen. Aber das sollte es ja nie.

Noch einmal glitten seine Finger über das verblichene Foto.

Er konnte das Salz seiner Tränen schmecken und warf das eingerahmte Foto voller Wut und Frustration an die gegenüberliegende Wand.

"Warum nur, du Bastard! Warum?", schrie er und brach zusammen.



Nur eine Stunde.

Eine verdammte Stunde.

Und sie hatte alles verändert.



Mulder begann zu weinen, seine Trauer und seine Wut auszuleben. Kauerte sich auf der Couch zusammen und schlug die Hände vor das Gesicht.

Er fühlte sich so schuldig. So unendlich schuldig.

Er hätte bei Scully sein sollen, bei ihrem Sohn, seinem Sohn und doch lag er hier und ertrank im Selbstmitleid.

"Warum? Was hast du dir dabei gedacht? Was haben wir uns dabei gedacht?" Seine Stimme zitterte.

Die Antwort kannte er.

Es war aus Liebe geschehen, aus Hass und aus wilder unbändiger Leidenschaft.

Beschimpfungen waren Küsse gefolgt, Schlägen leidenschaftliche Berührungen. Die Erinnerungen waren noch so warm, so jung, dass er glaubte Hände über seinen Köper streichen zu fühlten. Zärtlich und fordernd.

Er konnte noch immer die Erregung spüren, die seinen Körper erfasst hatte. Die ihn hatte glühen lassen und seinem Feind willig alle Tore geöffnet hatte.

Ein ergebner Bastard, der einen anderen in sich aufnahm.

Mulder versuchte nicht daran zu denken, wie viel Erfüllung er in den Armen des Feindes gefunden hatte.



Eine Stunde.

Eine einzige Stunde.

Zu kurz, um wirklich zu sein.



Sie hatten sich eine Stunde ununterbrochen geliebt.

Heiße muskulöse Körper, vereint in wilder Extase. Verschwitzt und glühend.



Mulder richtete sich langsam wieder von seiner Couch auf, ging hinüber zur gegenüberliegenden Wand und hob langsam den Bilderrahmen auf. Das Glas war zerbrochen, doch das Foto war unversehrt geblieben.

Einen Augenblick beobachtete er es still. Nachdenklich.

"Warum bist du gegangen?", flüsterte er matt und strich erneut über das abgebildete Gesicht, die markanten Züge.

"Warum hast du es zugelassen?"



Eine Stunde.

So lange hatte es gedauert.

Lang genug, um alles zu ändern.



Während er sich an einem Stück Glas schnitt, waren seine Gedanken weit fort.

Er sah das Blut auf das Foto tropfen. Rote Tränen. Tränen aus Schmerz und Verzweiflung.

Nichts würde mehr wie früher sein. Niemals würde sich die Welt normalisieren.

Er war tot. Hatte sich geopfert.



Eine Stunde.

So lange hatten sie sich nicht bekämpft.

Waren keine Feinde gewesen. Nur Liebende. Vereint in Leidenschaft.



Eine gottverdammte Stunde.

Eine Stunde. Nur Tage später.

Mulder hatte es nicht verstanden. Verstand es noch immer nicht.

Wieso hatte Skinner nicht erkannt, dass Alex keine Gefahr gewesen war. Nicht für ihn. Nicht für Scully.

Wieso hatte er seinen Tod provoziert?

"Warum hast du das getan?" Mulder sah die Tränen in das Fotopapier eindringen, es wellig werden lassen.

Er wusste warum. Sie hatten es beide gewusst.

Weil es keine andere Lösung gab.

Weil niemand sie akzeptiert hätte.

Weil er gefährlich war.

Für ihn. Für die Verschwörung. Für sich.



Eine Stunde.

In weniger als einer Stunde hatte er sein Leben gelassen. Hatte Skinner alles ausgelöscht.

Sie hatten einander angesehen.

Nur diesen Moment. Still. Schweigend.

Nicht Feind. Sondern Vertraute. Liebende.

In diesem einen kurzen Augenblick.

Dann brach sein Blick.



Mulder legte das Foto auf den Tisch und sah aus dem Fenster.

Der Schmerz saß tief. Erschütterte ihn.

Doch er hatte die Erinnerung.

Die Erinnerung an eine Stunde. Eine Stunde unglaublichen Glücks, welches er ohne ihn nie erfahren hätte.



Eine Stunde.

Die sein Leben vollkommen verändert hatte.



***

Ende
Rezensionen