World of X

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The World in Winter

von Queequeg2

Chapter 1

Samstag, der 15.01.2000; 7.00Uhr

Dana Scully stand am Straßenrand vor ihrem Haus und wartete auf ihren Partner Fox Mulder, der sie pünktlich um sieben mit dem Auto abholen wollte. Es war ein dunkler, kalter Samstagmorgen und die Temperaturen lagen weit unter null Grad. Vor kurzem hatte es angefangen zu schneien und die Bürgersteige wurden allmählich weiß. Die Straßenlaternen leisteten ihren Dienst, da um diese Uhrzeit immer noch nicht die Sonne aufgegangen war.
Scully hatte eine dicke blaue Winterjacke an, dazu Bluejeans, einen Rollkragenpullover und flache, dick gefütterte Winterschuhe. Ihre Hände, welche in Handschuhen verborgen waren, hielt sie fest an ihren Körper gedrückt, da die eisige Kälte sie langsam übermannte. Aber endlich sah sie ein silbermetallicfarbenes Auto anrollen, dessen Scheinwerfer sie blendeten. Der Ford hielt neben ihr an und sie stieg so schnell es ging ein.
Im Auto saß ihr Partner Fox Mulder. Er hatte ebenfalls Jeans und ein kariertes Hemd an. Dieses war aber nur durch den Kragen unter dem schwarzen Pullover zu erkennen. Die Heizung im Auto lief auf Hochtouren und Scully wurde schnell wieder warm.

„Morgen, Mulder!“

Scully legte dabei ihren Sicherheitsgurt an und warf ihrem Partner ein Lächeln zu.

„Morgen, gut geschlafen?“

Mulder fuhr an und reihte sich zurück in den Verkehr ein, der an diesem Morgen eher gering war.

„Danke, die Nacht war zwar etwas kurz, aber was tut man nicht alles für seine Mutter!“

Scully schaute durch die Windschutzscheibe und sah den Schneeflocken zu, die an ihr schmolzen.
Am Anfang dieser Woche hatte Scullys Mutter im Büro angerufen um Dana zu fragen, ob sie am Wochenende Zeit hätte mit ihr den Dachboden aufzuräumen. Mulder hatte das Gespräch entgegengenommen und da er der geborene Gentleman war, konnte er nicht anders als seine Hilfe anzubieten. Er mochte Maggie Scully sehr; er sah in ihr die perfekte Mutter. Eine Mutter, die er nach der Entführung seiner Schwester nie wieder hatte. Mrs. Scully war stark, nicht nur in ihrem Glauben, sondern auch emotional. Sie hatte ihren Mann vor ein paar Jahren verloren und ihre zweite Tochter Melissa, die anstelle von Dana getötet wurde.
Sie war da, wenn es Scully nicht gut ging. Maggie war immer für ihre Kinder da, egal welches Opfer es kostete. Dana Scully war, genau wie ihre Mutter, stark; zwar war ihr Glauben in den vergangenen sieben Jahren oftmals ins Wanken geraten, aber verloren hatte sie ihn nie.

Mulder hatte einfach zugestimmt mitzuhelfen, ohne vorher Scully gefragt zu haben, ob es ihr denn auch recht wäre, denn schließlich sahen sie sich sowieso schon jeden Tag. Aber er dachte eigentlich nicht, dass sie wirklich etwas dagegen haben könnte. Dana war bei einer Autopsie gewesen und Mulder hatte ihr später von dem Anruf ihrer Mutter und seiner Hilfe erzählt.
Sie war wirklich nicht böse, eher im Gegenteil. Sie war gerne bei ihrer Mutter, doch sie wusste auch, was alles auf dem Speicher stand. Es wäre eine zu große Mühe gewesen die ganzen Sachen alleine herunter zu tragen. Da waren doch zwei starke Hände zusätzlich ganz angenehm. Aber nicht nur aus diesem Grund war sie glücklich, dass Mulder half. Sie war gerne mit ihrem Partner zusammen, besonders, wenn es dabei nicht um einen Fall ging. Zu selten konnte sie Mulder in einer solchen Situation sehen und wenn sie es tat, dann genoss sie diese Augenblicke. Mulder war seit sieben Jahren ihr Partner beim FBI. Ihre Partnerschaft war mit den Jahren zu einer tiefen Freundschaft geworden, aber beide wussten, es dürfte nicht mehr werden, denn schließlich arbeiteten sie zusammen. Für beide war dennoch klar, dass, wenn es einen anderen Menschen in ihrem Leben geben sollte, es nur der andere sein könnte.

Sie kamen eine Stunde später am Haus von Scullys Mutter an. Der Schnee vermehrte sich immer stärker und ein leichter Wind wehte. Nachdem sie Mulders Wagen in der Einfahrt zum Haus geparkt hatten, gingen sie zur Eingangstür und klingelten.

„Guten Morgen Dana, guten Morgen Fox! Kommt bloß schnell rein; hier ist es schön warm und das Frühstück ist auch schon fertig!“

Mrs. Scully umarmte zuerst Dana und dann Fox. Mit so einer herzlichen Begrüßung hatte Fox gar nicht gerechnet. Er genoss es die Arme um Maggie zu legen und sie einmal fest zu drücken. Wann hatte ihn zum letzten Mal seine Mutter so umarmt? Scully schaute ihre Mutter etwas überrascht an, als sie die liebe Umarmung sah, die sie ihrem Partner entgegen brachte. Dana wusste, dass Mulder bei seiner Mutter einen Stein im Brett hatte. Maggie Scully war schließlich auch die Einzige, die ihn Fox nennen durfte, mal abgesehen von Teena Mulder und Diana Fowley. Bei dem letzten Namen lief ihr ein kalter Schauer den Rücken runter. Dieser wurde ihr doch gleich wieder genommen, als sie die leckeren Brötchen und den Kaffee roch.

„Oh Mum, du hättest nicht noch extra Brötchen backen müssen! Wir hätten uns auch mit einem einfachen Kaffee zufriedengestellt.“

Dana sah vom schön gedeckten Frühstückstisch zurück zu ihrer Mutter, dann zu Mulder, der einfach nur sprachlos dastand.

„Dana, du weißt doch, dass ich das gerne mache. Schließlich kommen meine Kinder nicht alle Tage. Außerdem soll man vor der Arbeit immer ausreichend essen. Und wenn ich dich so ansehe, könntest du wirklich mal wieder etwas vertragen; du hast doch bestimmt schon wieder zwei Kilo abgenommen, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen habe! Und ich glaube, dass Fox auch nichts gegen ein leckeres Frühstück einzuwenden hat.“

Mrs. Scully sah zuerst zu Dana, dann lächelte sie Mulder an.

„Oh, ganz gewiss nicht, wann bekomme ich schon mal so etwas Leckeres?! Ich begnüge mich sonst immer mit einer Portion Müsli. Ihre Mutter hat recht, Scully! Sie sollten wirklich mal wieder gesund frühstücken, sonst fallen Sie noch vom Fleische!“

Er sah amüsiert zu Dana und ließ ihr seinen gekonnten Hundeblick zukommen. Bei seinem Anblick fing Scully an zu lachen und setzte sich an den Tisch.

„Jetzt tut mal nicht so, als sei ich nur noch Haut und Knochen! Aber du hast recht, Mum; gegen ein anständiges Frühstück habe auch ich nichts einzuwenden.“

Dana sah beide vergnügt an, als sie gerade dabei war ein warmes Brötchen aufzuschneiden.

Sie aßen in aller Ruhe und Maggie erzählte, was denn alles so zu machen sei. Als sie fertig mit Frühstücken waren, war es bereits halb zehn und so gingen sie gleich an die Arbeit.
Auf dem Speicher befanden sich massenweise alte Kartons, sowie Kästen und Truhen. Ein alter hölzerner Kleiderschrank stand mitten im Raum. Die Decke des Dachbodens war mit Holz verkleidet und auf dem Fußboden lagen ein paar verschiedene Läufer. Mulder versuchte als erstes den Kleiderschrank mit Scullys Hilfe aus dem Weg zu räumen. Zusammen hievten sie ihn an die Wand. Er war sehr schwer und Scully würde nachher mal hineinschauen, was da drin alles so zu finden sein würde. Doch erst einmal musste die Arbeit, für die sie ja hergekommen waren, erledigt werden. Scullys Mutter packte alle Kuscheltiere, die sie so auf dem Dachboden fand, in einen großen Plastiksack. Diesen könnte sie später dem Pfarrer geben, der ihn mit zum Waisenhaus nehmen würde. Des weiteren packte sie alte Kindersachen in Kartons. Mulder und Scully brachten derweilen alte Gardinenstangen, Kissen und Holzlatten nach draußen in die Garage, damit dieser Kram später nur noch in die Einfahrt gestellt werden müßte und der Sperrmüllwagen ihn mitnahm.
Draußen schneite es immer mehr und nachmittags war es schon so viel, dass sie eine Schneeballschlacht hätten machen können. Der Wind hatte stark zugenommen, darum hielten sie sich nicht länger als nötig in der Garage auf. Gegen sieben waren sie mit dem Aufräumen des Speichers fertig. Alle drei waren ziemlich erschöpft und Mulder ging mit Maggie nach unten um das Abendbrot fertig zu machen. Scully wollte noch kurz auf dem Boden bleiben, da sie sich vorgenommen hatte, den alten Kleiderschrank näher zu inspizieren.

„Danke, dass Sie uns geholfen haben, Fox! Ohne Sie wären wir noch längst nicht fertig.“

Mrs. Scully stand am Kühlschrank und holte ein paar Sachen heraus um ein schnelles, aber leckeres Abendessen zu machen.

„Das habe ich doch gerne getan, Mrs. Scully!“
Mulder schenkte ihr eines von seinen *keine-Ursache* Lächeln und fing an mit dem Geschirr, welches Maggie vorher herausgeholt hatte, den Tisch zu decken.

„Bitte, sagen Sie Mum zu mir und lassen Sie dieses dumme „Sie“ weg! Alle meine Kinder und deren Frauen bzw. Kinder nennen mich so und wenn Sie mich Mrs. Scully nennen, fühle ich mich immer um zehn Jahre älter.“

Mulder sah Mrs. Scully überrascht an. Zum zweiten Mal an diesem Tag überraschte sie ihn! Natürlich war er glücklich darüber, sie so nennen zu dürfen, aber er war ja keins von ihren Kindern und leider auch nicht ihr Schwiegersohn. Und diese Tatsache würde sich auch so bald nicht ändern. Was würde Scully wohl dazu sagen, wenn sie erfährt, dass er ihre Mutter „Mum“ nennen durfte und die beiden per „Du“ waren? Etwas, was sie noch nicht einmal nach sieben Jahren geschafft hatten! Aber eigentlich war ihm das in diesem Moment ganz egal; er selbst hatte keine intakte Familie mehr und hier fühlte er sich irgendwie heimisch und wohl.

„Aber nur, wenn Sie, ich meine Du, mich auch duzt!“

Maggie konnte nicht anders als zu lächeln und ihn noch ein weiteres Mal in die Arme zu schließen. Sie liebte diesen Jungen! Ihr war klar, wie viel er ihrer Tochter bedeutete und auch wie viel sie ihm bedeutete. Maggie hatte immer die Hoffnung, dass sie eines Tages doch noch zusammenfinden würden. Aus diesem Grund hatte sie auch Anfang der Woche im Büro angerufen, sie wollte, dass Mulder mitkam. Hätte sie es nicht gewollt, so hätte sie bei Dana zu Hause oder auf ihrem Handy angerufen. Sie dachte sich, um so öfter die beiden privat zusammen seien, um so eher würden sie ihre Liebe zueinander erkennen. Sie genoss es heute geradezu die Blicke der Beiden zu beobachten. Zu sehen, dass sie sich ohne viele Worte verstanden.

„Fox, geh schon mal hoch zu Dana und sag ihr, dass das Essen in einer viertel Stunde fertig ist! Es muss nur noch schnell in den Ofen.“

Mulder sah auf die Auflaufform, die vor Maggie stand und auf die sie gerade Käse streute. Er wunderte sich, wie sie so schnell einen Auflauf zaubern konnte. Aber so etwas kann man wohl, wenn man wie Mrs. Scully vier Kinder großgezogen hatte.

„O.k., bin gleich wieder zurück.“

Mulder rannte die Treppen nach oben und kletterte zum Schluss noch die Leiter auf den Speicher hoch. Er blieb ruckartig stehen, als er Dana vor dem Kleiderschrank sitzen sah. In der einen Hand hielt sie eine kleine Kinderdecke, in der anderen einen Strampler. Mulder ging ganz langsam zu ihr und kniete sich neben sie. Scully schaute auf und er konnte Tränen in ihren Augen sehen. Er zog sie still zu sich und nahm sie fest in die Arme. Er merkte, wie sie unter ihm zitterte und leise anfing zu weinen.
Nur schwer konnte er sich vorstellen, wie sie sich wohl fühlen musste. Er selber hatte noch nie Kinder gehabt, auch wenn es ihm bei Emilys Tod so vorgekommen war, als wäre es sein eigenes Kind gewesen, das gestorben war. Emily war Scullys Tochter gewesen. Man hatte eine von Danas Eizellen befruchtet und sie hatte erst davon erfahren, als Emily bereits vier Jahre alt gewesen war. Kurze Zeit später war Emily verstorben, an einer Krankheit zu der es keine Heilung gab. Das Schrecklichste war jedoch, dass Scully niemals mehr selbst Kinder haben konnte. Man hatte ihr alle Eizellen entnommen und dies war wohl die schlimmste Tatsache von allen.
Mulder wusste nicht, was er tun konnte und entschied sich nichts zu sagen; sie einfach nur festzuhalten um ihr Trost zu spenden. Nach etwa fünf Minuten löste sich Scully von ihm und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Danke! Ich hätte nicht gedacht, dass es mich immer noch so sehr mitnimmt. Aber als ich meine alten Kindersachen hier fand, die meine Mutter für meine Kinder aufbewahrt hatte, da ist es über mich gekommen.“

Scully sah Mulder immer noch mit einem traurigen Blick an und ihre Worte zerrten an seinem Herzen. Wie gerne würde er ihr helfen, aber wie könnte er helfen?

„Dana, es ist nicht schlimm, wenn Sie sich mal gehen lassen. Sie brauchen nicht immer die Starke zu spielen, auch wenn Sie es in Wirklichkeit tatsächlich sind! Auch Sie müssen ab und zu Ihren Gefühlen freien Lauf lassen, sonst gehen Sie daran zugrunde! Es ist weder anstößig zu weinen, noch braucht man sich dafür zu schämen. Ich bin immer für Sie da und meine Schulter zum Anlehnen steht Ihnen jederzeit offen.“

Nur zögerlich fing er an zu lächeln und bei seinen Worten zeigte sich auch bei ihr ein Blick der Dankbarkeit, unterstützt durch ein wundervolles Lächeln, das sie nur für ihren Partner hatte.

„Danke! Oh, ich rieche schon das Essen, lassen Sie uns lieber nach unten gehen, sonst ist meine Mutter am Ende noch böse, wenn das Essen anbrennt.“

Scully richtete sich auf und streckte Mulder eine Hand hin, an der er sich hochzog. Dana strahlte wieder und von ihrer vorherigen Traurigkeit war nichts mehr zu merken.
Beide liefen um die Wette nach unten, auf die Tour „Wer als erster am Tisch sitzt...“.
Sie kamen gleichzeitig unten an, doch Dana war die Schnellere, was die Küchentür betraf.

„Oh nein! Zuerst werden sich die Hände gewaschen!“

Mrs. Scully stand mit erhobenem Zeigefinger da, als ob sie mit ihren Enkelkindern redete, die etwas Verbotenes tun wollten. Schnell wuschen sich Scully und Mulder die Hände und setzten sich danach an den Tisch um das leckere Essen zu genießen.

„Ich glaube, ihr solltet heute nicht mehr zurück nach Hause fahren. Es hat den ganzen Tag geschneit und der Straßendienst ist stark überlastet. Außerdem sagten die im Radio, dass es schon zu zahlreichen Unfällen gekommen sei. Fox, du kannst gerne in dem Zimmer der Jungs schlafen. Da wirst du auch etwas für die Nacht zum Anziehen finden. Dana, du kannst in deinem alten Zimmer schlafen. Die Betten sind frisch bezogen und es ist besser hier zu übernachten, als die Nacht in irgendeinem Straßengraben zu verbringen. Ihr habt doch morgen frei, oder?“

Maggie sah fragend von einem zum anderen und erwartete eine Antwort. Dana schaute sie nur verdutzt an und Fox war, wie immer, der Erste, der antwortete.

„Mum, wir wollen dir keine Umstände machen, aber es wäre wohl wirklich besser hier zu übernachten und dann morgen in aller Ruhe zu fahren. Aber was meinen Sie, Scully?“

Danas Mund stand offen und sie sah ihre Tischnachbarn einen nach dem anderen verwirrt an. Hatte sie irgendetwas nicht mitbekommen? Warum duzten sich die beiden und warum nennt ihr Partner ihre Mutter Mum? War sie jetzt völlig durch den Wind?

„Hallo, Erde an Scully, hören Sie mich?“

Mulder grinste seine Partnerin an, denn er wusste genau, was in ihrem Hirn gerade herumspukte.

„Ähm, ja, von mir aus können wir gerne die Nacht hier bleiben. Ist wohl das Sicherste.“

Scully redete wie in Trance. Kurze Zeit später besann sie sich und fing an mit den Wörtern nur so herumzuwerfen.

„Habe ich hier irgendwas nicht ganz mitbekommen? Oder hab ich jetzt einen Bruder, von dessen Existenz ich vorher noch nichts wusste?“

Scully sah verwundert und etwas wütend zu ihrer Mutter herüber, denn sie konnte sich allmählich denken, was hier abgegangen war.

„Ich glaub nicht, dass du Fox als deinen Bruder ansehen möchtest, aber was das „Du“ angeht... wir fanden, es war schon längst an der Zeit.“

Ihre Mutter grinste zu Mulder und schaute ihre Tochter mit einem Blick an, der sagte „Sei doch nicht sauer, es war doch nur ein Schritt in die richtige Richtung“.
Scully hatte dem nichts weiter hinzuzufügen und fing an zu essen. Was sollte sie auch schon sagen? Es war die Entscheidung ihrer Mutter. Sie ärgerte sich bloß, dass scheinbar alle Leute mit Mulder per du waren, nur sie nicht. Aber das brauchte ja niemand zu erfahren.
Maggie fing kurze Zeit später mit einem Gespräch an, um das entstandene Schweigen zu brechen. Auch Dana beteiligte sich wieder an der Unterhaltung und eine viertel Stunde später wurde gelacht.
Um kurz nach zehn entschieden sie sich langsam ins Bett zu gehen, da der Tag ziemlich anstrengend gewesen war. Nach dem Waschen und Zähneputzen sagten sie sich noch „Gute Nacht“ und schlossen ihre Zimmertüren.

Mulder lag auf dem breiten Bett, das früher einmal Danas Bruder Charles gehört hatte. Die Nachtischlampe brannte und er hatte aus den Regalen, welche sich im Zimmer befanden, ein Fotoalbum herausgegriffen und wollte gerade anfangen zu blättern, als sich die Tür öffnete.
Scully kam leise in sein Zimmer und sah Mulder unschlüssig an.

„Hey Scully, was ist los? Können Sie nicht schlafen?“

Mulder lächelte und versuchte damit die Unsicherheit, die er an Scully feststellen konnte, zu lindern.

„Mir geht’s gut! Ich wollte nur fragen, ob Sie noch etwas brauchen. Aber wie ich sehe, ist das nicht der Fall, also gehe ich mal wieder.“

Scully wandte sich von Mulder ab und drückte die Türklinke herunter um das Zimmer wieder zu verlassen.

„Warten Sie, Scully! Ich kann auch noch nicht schlafen. Was halten Sie davon sich mit mir dieses Fotoalbum anzusehen? Ich habe es im Regal entdeckt. Kommen Sie schon, ich beiße auch nicht!“

Mulder hob seine Decke etwas hoch und versuchte Scully mit einem seiner besten Lächeln zu verzaubern. Dana hatte sich wieder umgedreht und ging zögernd auf das Bett zu, in dem Mulder lag. Sie sah, dass er eine alte Pyjamahose von Charles trug und dazu ein T-Shirt. Sie selbst hatte ebenfalls einen Pyjama an, aber mit dem dazu passenden Oberteil. Jetzt stand sie vor dem Bett und blickte Mulder fragend an. Dieser nickte nur und sie krabbelte mit unter die warme Bettdecke. Sie saßen mit ihren Rücken ans Kopfende gelehnt und Mulder schlug erneut das Album auf. Im gleichen Moment, wo sie ins Bett zu ihrem Partner schlüpfte, fragte sie sich: Was tue ich hier eigentlich? Er ist mein Partner und nicht mein Bruder! Aber warum eigentlich nicht; sie waren schon so lange Freunde und Freunde waren füreinander da und kuschelten sich gelegentlich auch aneinander! Das hatte gar nichts zu bedeuten.

„Uhh, Scully, Sie haben ja Eisfüße! Warten Sie, legen Sie sie unter meine Beine, dann werden sie bestimmt schnell wieder warm.“

Mulder hob ein wenig seine Beine an, damit Scully ihre Füße unter seine packen konnte. Dieses tat sie nur sehr zögerlich, da sie sich in ihrer Situation immer noch unbehaglich fühlte. Er schaute sie mit einem fürsorglichen Blick an und sie dankte ihm durch ein liebevolles Grinsen. Danach waren alle Zweifel bezüglich der Situation beseitigt.

„Mulder, hat Ihnen schon jemand gesagt, dass Sie gut als Wärmedecke dienen könnten?“

„Nein, bis jetzt noch nicht, aber für Sie spiele ich gerne die Decke.“

Ein weiteres Grinsen und die Anspannung war gewichen. Beide genossen nun die Tatsache so nah aneinandergekuschelt zu liegen und schauten sich die Fotos an.

„Sie waren ein süßes Kind, Scully! Hier, wo Sie mit Ihren Brüdern den Schneemann bauen, oder mit Ihrer Schwester Schlitten fahren! Sie haben ganz rote Wangen, was wunderbar zu ihren roten Haaren passt.“

„Oh danke, aber ich glaube, jedes Kind sieht in einem gewissen Alter süß aus. Aber Sie haben recht, es hat mir Spaß gemacht, die Welt im Winter zu sehen. Alles wirkt so anders, so still und zerbrechlich. Es gibt nur wenig Vögel, die zwitschern und an manchen Tagen herrscht eine so klare Luft, dass das Einatmen richtig weh tut. Aber es ist einfach herrlich. Ich liebte den Winter als Kind. Ich war damals viel draußen. Wenn ich so bedenke, ich würde gerne noch einmal in diese Zeit zurück können, nur für einen Tag.“

Scully schwärmte. Sie hatte ihre Augen geschlossen und erinnerte sich an diese ruhigen und glücklichen Tage ihrer Kindheit, als ihr Vater und ihre Schwester noch lebten und sie eine große Familie waren. Mulder betrachtete Dana und sah einmal mehr, wie schön seine Partnerin doch war. Sie war ein Traum; sein Traum! Diesen Traum würde er für nichts auf der Welt aufgeben wollen und erst recht nicht mit jemandem teilen.

„Scully, Sie sind wunderschön! Glauben Sie mir und nehmen Sie einfach mal dieses Kompliment an und streiten es nicht sofort wieder ab! Sie sind die schönste Frau, die ich kenne und damit meine ich nicht nur Ihr Äußeres. Wegen vorhin, es tut mir leid! Ich hätte Ihrer Mutter nie das „Du“ angeboten, wenn sie mich nicht gebeten hätte sie „Mum“ zu nennen.“

Scully sah ihren Partner gerührt an. Sie hörte seine Worte und diese bedeuteten ihr so viel; mehr als sie gedacht hätte. Er fand sie schön, sie Dana Scully!

„Mulder, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich war nur ein wenig überrascht, das ist alles. Ich kenne meine Mutter und ich weiß, dass sie Sie sehr gern hat. Es war nur eine Frage der Zeit. Es ist nur ein wenig komisch, schließlich arbeiten wir schon seit sieben Jahren zusammen und kennen uns besser, als irgendjemand anders. Aber wir sagen nicht „Du“ zueinander.“

Scully sah Mulder jetzt fragend und zugleich bittend an.

„Warum tun wir das nicht?“

Mulder schaute sie von der Seite an und suchte nach irgendeiner Antwort in ihren Augen. Nach kurzem Zögern fing sie an zu reden.

„Das fragen Sie mich? Schließlich waren Sie derjenige, der mir verboten hat, Sie Fox zu nennen! Ich hatte immer die Hoffnung, eines Tages würden Sie mich als eine gute Freundin ansehen und von allein drauf kommen, dass das „Sie“ nicht mehr passt. Allerdings habe ich bis jetzt vergeblich gewartet.“

Scully entriss sich Mulders Blicken und schaute auf die Bettdecke. Mit diesen Worten hatte sie alles in Mulders Hände gelegt. Sie war sich unsicher; hatte sie zuviel von ihren Gefühlen preisgegeben?

„Ich bin ein Trottel, stimmst? Ich habe mir oft gewünscht, dich einfach Dana nennen zu können. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass du mich nur aus diesem einen Grund Mulder nennst. Oft hatte ich gewollt, dass du mich Fox nennen würdest, aber du tatest es nicht. Ich hatte geglaubt, du wolltest es nicht; du wolltest es nicht, dass es persönlicher werden würde.“

Mulder musste sich leicht räuspern, da die Worte, die er sprach, seine Stimme zu ersticken drohten. Scully schaute ihn lächelnd an und ihrer beider Gesichter erhellten sich zu einem Strahlen, als sie die Zuneigung des jeweils Anderen in ihren Augen sahen. Sie hatte keine Erklärung dafür, aber sie verstanden sich ohne Worte.

„O.k., dann werde ich dich ab jetzt Fox nennen, wenn du damit einverstanden bist. Natürlich nur, wenn wir alleine sind.“

Nun lachten beide leicht und umarmten sich. Es war eine Umarmung, die beiden zeigte, wie sehr sie sich brauchten und einander vertrauten. Kurze Zeit später kehrte der Sandmann bei ihnen ein und zog sie in das Land der Träume. Beide lagen unter der gemeinsamen Decke. Scullys rechtes Bein etwas über Mulders Beine gelegt, ihre rechte Hand auf seiner Brust. Mulder hatte sich ganz nah an sie gekuschelt, sein rechter Arm lag unter ihrem Kopf, mit seiner linken Hand hielt er leicht Danas rechte fest.

Am nächsten Morgen ging Maggie duschen. Anschließend schaute sie in Danas Zimmer um sie zu wecken. Es war immerhin schon halb zehn. Als sie Dana weder in ihrem Zimmer vorfand, noch sonst irgendwo im Haus, schlich sie leise zur Tür von Charles altem Kinderzimmer, in dem Mulder schlafen sollte. Sie öffnete die Tür einen Spalt und was sie da sah, ließ ihr Herz höher springen. Ihre Tochter und Fox lagen zusammengekuschelt aneinandergeschmiegt unter einer Decke und schliefen tief und fest. Auf beiden Gesichtern sah sie ein kleines Lächeln. Sie sahen so glücklich aus! So langsam, wie sie die Tür geöffnet hatte, zog sie diese auch wieder zu. Sie ging herunter in die Küche um Kaffe aufzusetzen.

Zehn Minuten später erwachte auch Mulder und wusste zuerst gar nicht, wo er sich befand. Bis er die Person an seiner Seite liegen sah, deren Hand er immer noch festhielt. Er betrachtete diese schöne Frau mit ihren roten Haaren. Er hatte sie in sein Herz geschlossen und wollte sie nie wieder hergeben. Auch Scully bewegte sich und schaute zu Mulder hoch. Dana hatte nicht lange überlegen brauchen, wo sie sich befand, da der männliche Duft, den sie einatmete, nur von einem Menschen stammen konnte. Sofort war sie sich des letzten Abends bewusst. Sie fing an zu lächeln und er lächelte sie ebenfalls an.

„Morgen, gut geschlafen?“

„Wie ein Baby. Und Du?“

„Ich habe noch nie besser geschlafen! Und an dieses Aufwachen könnte ich mich gewöhnen!“

Mulder grinste und Scully fing an zu lachen.

„Dann gewöhne dich nicht allzu sehr daran, sonst musst du jeden Abend bei mir vorbei kommen!“

„Soll das ein Angebot sein, Dana?“

„Vielleicht.“

Scully löste sich sanft aus seinen Armen, stand auf und ging zum Fenster. Sie zog die Gardinen auf und betrachtete die weiße Landschaft, die sich ihr bot.

„Es muss die ganze Nacht geschneit haben, es ist herrlich und die Sonne scheint.“

Scully war entzückt und ihre Augen glänzten vor Freude. Einen kurzen Augenblick später stand Mulder hinter ihr. Er legte ihr fürsorglich eine Decke um die Schultern, da es im Zimmer noch reichlich kühl war. Seine Hände ruhten auf ihren Schultern und sie lehnte zurück, direkt an seinen wärmenden Körper. In diesem Augenblick war sie mehr als glücklich; sie war geborgen und fühlte sich wohl unter diesen starken Händen.

„Dana, was hältst du davon, wenn wir noch etwas hier bleiben und das Wetter genießen? Die Straßen sind sowieso noch nicht von den Schneemassen befreit und heute ist Sonntag. Wir sind zwar keine Kinder, aber dennoch hätte ich mal wieder Lust Schlitten zu fahren. Also, was meinst du?“

Scully drehte sich zu Mulder um und musterte ihn. Er hatte ein wunderschönes Lächeln und seine Augen glänzten wie die eines Kindes, das vor Aufregung und Vorfreude ungeduldig dreinschaute. Sie war angenehm überrascht, wie gut es tat ihren Namen aus seinem Mund zu hören und erst recht das langersehnte du. Amüsiert nickte sie ihm zu, denn auch sie wollte diesen Tag genießen. Es war der erste Tag nach all den Jahren, wo sie sich nicht einsam fühlte. Scully genoss jeden Augenblick.
Nachdem sich beide geduscht, angezogen und gefrühstückt hatten, holten sie einen Schlitten aus der Garage, den sie gerade erst gestern vom Dachboden heruntergebracht hatten.

„Darf ich bitten?“

Mulder hatte das Band des Schlittens in der Hand und deutete Scully an sich hinzusetzen. Diese lächelte unweigerlich und ließ sich auf die Sitzfläche des Schlittens plumpsen. Kurz darauf setzte er sich auch schon in Bewegung und nach zehn Minuten Ziehen, die Mulder eher wie eine halbe Stunde vorkamen, da er die ganze Zeit bergauf ziehen musste, waren sie an einem kleinen Hang angekommen. Diesen Hang hatten Dana und ihre Geschwister auch schon in ihrer Kindheit zum Rodeln benutzt.
Scully machte Anstalten aufzustehen, doch Mulder schob sie mit einem Mal von hinten an und sie rodelte in voller Fahrt den Hang hinunter.
Mulder sah ihr zu, wie sie, während sie rutschte, vor Freude laut aufschrie. Nur selten hatte er Scully so ausgelassen gesehen. Einfach nur glücklich. Er wollte sie glücklich machen, ab diesem Tage und sein Leben lang. Die Liebe hatte ihn übermannt.
Der Tag verging schnell. Sie waren die ganze Zeit draußen gewesen und genossen diese wunderschöne Winterwelt. Die Tannen trugen ein schweres, weißes Kleid aus Schnee. Man hörte die Krähen, die verzweifelt nach Nahrung suchten, auf den Feldern, aber auch andere Vogelstimmen erreichten ihre Ohren. Da sie sich die ganze Zeit bewegten, wurde ihnen auch nicht kalt. Nachdem sie ungefähr dreißig mal den Hügel hoch und runter gefahren waren, fingen sie an einen großen Schneemann zu bauen. Scully lief kurz zur Garage zurück um einen alten Eimer und einen Kinderschal zu holen, der bei den Altkleidern dabei gewesen war. Mulder hatte in der Zwischenzeit die unterste, größte Kugel fertig gestellt und zusammen formten sie noch zwei weitere, etwas kleinere Kugeln. Die kleinste Kugel, die sie gemacht hatten, diente als Kopf und beide hoben ihn zusammen auf den unteren Schneekörper. Schnell steckte Scully ein paar Steine, die sie gefunden hatte, in die Schneekugel und ein Gesicht kam zum Vorschein. Noch den Eimer auf den Kopf und den Schal herum und sie konnten ihr gemeinsames Werk betrachten.
Während Scully den Schneemann gedankenverloren musterte, hatte Mulder einen Schneeball geformt und fing sogleich eine Schneeballschlacht an. Scully erwiderte das Feuer und die Schlacht war im Gang. Beide jedoch gewannen, da Mulder Scully festhielt, sie sich wandte und mit ihm zusammen in den Schnee fiel. Scully lag halb auf Mulder und ihre Blicke trafen sich. Sie schauten sich tief in die Augen und Mulders Mund suchte sich langsam einen Weg zu Scullys Lippen. Ihre Lippen trafen sich und sie genossen dieses sanfte Gefühl. Diese Zärtlichkeit war atemberaubend und nach einer kurzen Ewigkeit trennten sich ihre Lippen wieder.
In diesem Moment waren keine Worte nötig um das zu sagen, was beide fühlten. Sie wussten, dass sie in diesem Augenblick glücklich waren. Ob es so immer bleiben würde, wer weiß das schon! Aber hier und heute waren sie es und beide würden sich immer an eine glückliche Welt im Winter erinnern.


- The End -
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