World of X

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Reality

von XS

Chapter 9

Während Mulder in der Küche herumwerkelte, lehnte Scully sich erschöpft, aber erleichtert und glücklich zurück und schloss ihre Augen. Endlich war sie dieser Hölle entkommen. Sie konnte sich jetzt ausruhen und die Anspannung der letzten Stunden fiel von ihr ab. Sie war wieder zu Hause. Und alles war, wie es sein sollte. Alles war... normal. Normal. Ja, das war das richtige Wort. So einfach und trotzdem drückte es alles aus, was sie empfand. Sie seufzte einmal kurz auf und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie war zu Hause. Sie konnte es kaum fassen. Mulder kochte für sie. Ihr Grinsen wurde breiter. DAS konnte sie noch viel weniger fassen.

Erwartungsvoll sog sie die Luft ein, um vielleicht schon einmal den Duft der Köstlichkeit, die Mulder kreierte, einatmen zu können. Es roch... nach einem Nudelauflauf... Noch einmal sog Scully den Geruch ein und wieder roch sie den verlockenden Geruch eines gelungenen Nudelauflaufes. Aber sie war beunruhigt. Sie schlug die Augen auf und spürte, wie das Herz in ihrer Brust schneller zu schlagen begann.

*Hör auf damit, Dana!*, befahl sie sich.

Und sie versuchte es. Sie wusste nicht einmal, weshalb sie so beunruhigt war. Es war doch alles... normal?! Ja, alles war normal... Oder etwa nicht? Natürlich war es das. Also wieso machte sie sich verrückt? Ihr Herz beruhigte sich wieder ein wenig, aber nicht vollständig. Was hatte sie denn eigentlich beunruhigt? Sie wusste es ja eben nicht. Nur, dass dieses merkwürdige Gefühl, das etwas nicht stimmte eingesetzt hatte, als sie... als sie den Geruch des Essens wahrgenommen hatte. Vielleicht war sie ja nur hungrig...

*Das ist absurd!*

Wieso sollte sie ein so beunruhigendes Gefühl haben, nur weil sie hungrig war?

*Also gut*, dachte sie, *dann starten wir einen neuen Versuch.*

Wieder sog sie die Luft ein und roch... wieder den völlig normalen Geruch eines Nudelauflaufes. Sie kam sich lächerlich vor. Wieso beunruhigte sie der Geruch eines Nudelauflaufes? Sie war ja noch paranoider als Mulder...

*STOP!*, rief ihr Verstand.

Was? War sie jetzt etwa...

*Hör auf damit! Konzentrier' dich!*

Sie gehorchte, auch wenn sie nicht wusste wem. Sie konzentrierte sich ein letztes Mal auf den Geruch, schloss die Augen und roch... ----------

------ nicht das geringste. Erstaunt riss sie die Augen wieder auf. Wie war das möglich? Das musste doch eine Täuschung sein. Noch einmal konzentrierte sie sich, aber nichts änderte sich. Sie konnte nicht den geringsten Geruch ausmachen. Nicht einmal den normalen Geruch ihrer Wohnung. Und erst jetzt bemerkte sie, was vorher nicht normal gewesen war. Der Geruch des Nudelauflaufes hatte zwar genauso gerochen, wie sie es erwartet hatte, aber... er war nicht wirklich gewesen. Sie wusste genau, wie es riechen sollte, aber eigentlich war es nur ein künstlicher Geruch gewesen, den sie nur wahrgenommen hatte, da sie es erwartet hatte. Nachdem ihr diese Tatsache klar geworden war, begann ihr Herz wieder wilder zu schlagen.

*Was passiert nur mit mir? Werde ich verrückt?*

Vielleicht war ja auch ihre erste Theorie falsch gewesen... Vielleicht... Nein! Sie wollte keine weiteren verrückten Theorien aufstellen. Aber offensichtlich ließ sich das nicht vermeiden, denn ihr Blick fiel plötzlich auf eine Ecke des Wohnzimmers, in der eine Topfpflanze stand. Vermutlich wäre ihr das nie aufgefallen, aber jetzt, nachdem sie schon einige Zweifel hegte, da sah sie es plötzlich deutlich vor sich.

Die Pflanze hatte sie, wenn sie ihr Zeitgefühl nicht allzu sehr trog, vor zwei Wochen auf den Müll befördern müssen. Die ganze Pflanze war vertrocknet gewesen, da irgendein Pilz sie befallen hatte. Anschließend hatte sie immer verwirrt auf eben jene besagte Stelle gestarrt und erwartet, die Pflanze dort zu sehen.

Und als sie sich weiter umsah, bemerkte sie noch etwas. Die Kissen, die auf ihrem Sofa lagen. Sie hatte vor nicht allzu langer Zeit neue Kissen gekauft, die sie zufällig entdeckt hatte. Richtig hatte sie sich noch nicht daran gewöhnen können. Und jetzt lagen wieder die alten Kissen auf der Couch und beinahe entsetzt starrte Scully darauf.

Und jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. All diese Dinge waren Dinge, die ihr Unterbewusstsein noch nicht aufgenommen hatte. Deshalb hatte sie auch nichts bemerkt und hätte es vermutlich auch nie bemerkt, wenn sie nicht das Nichtvorhandensein des Geruchs wahrgenommen hätte.

Was passierte nur mit ihr? Verlor sie den Verstand oder war hier irgendein böses Spiel im Gange, in welches sie nicht eingeweiht worden war? Ihr Herz pochte jetzt noch schneller und sie konnte beinahe spüren, wie die Panik in ihr aufzusteigen drohte.

*Bleib‘ ruhig, Dana!*, befahl sie sich wieder, *So wirst du nie herausfinden, was hier los ist!*

Sie bezwang ihre Panik und versuchte ruhig zu atmen. Sie musste jetzt herausfinden, was los war. Sie hatte es satt, an der Nase herumgeführt zu werden und nicht zu wissen was los war. Sie stand auf und ging zur Küche hinüber. Mulder stand noch immer an der Anrichte und schien etwas zuzubereiten.

„Mulder?", fragte sie mit möglichst normaler Stimme.

Lächelnd drehte er sich um und sah sie erwartungsvoll an.

„Ja? Ist Ihnen nicht gut, Scully? Sie sehen ein bisschen blass um die Nase aus."

Besorgt sah Mulder sie an.

„Mulder...“, begann sie und sah ihn traurig an.

Tausende Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Was, wenn sie sich irrte? Würde sie dann eingeliefert werden? Sie? Dana Scully? Dana Scully, die so realitätsnah war, wie sonst niemand? Aber sie wusste doch genau, dass hier etwas nicht stimmte, oder? Oder wurde diese ganze Verwirrung durch den Schock hervorgerufen? Das konnte sie sich einfach nicht glauben. Aber sie wusste mit Sicherheit, dass sie es langsam angehen lassen müsste. Wenn sie jetzt auf Mulder losgehen und ihn anbrüllen würde, dann würde sie von der Panik überrollt werden. Und dann...

Daran wollte sie nicht denken.

„Mulder...“, begann sie abermals und zwang sich zur Ruhe. Ernst sah Mulder sie an. „Mulder... etwas stimmt nicht...“

Erstaunt musterte Mulder sie.

„Was meinen Sie?“, fragte er, legte seine Arme auf ihre Schultern und beugte sich zu ihr hinunter.

„Alles ist anders... Meine Wohnung, die Pflanzen,... der Geruch...“

Nervös fuhr sich Scully durchs Haar. Sie konnte ihm nicht erklären, was sie so in Panik versetzt hatte. Wenn sie es laut aussprach, dann würde es sich absolut lächerlich anhören, das wusste sie. Bereits jetzt, nur mit diesen wenigen Worten, kam sie sich töricht und dumm vor.

Mulder schüttelte traurig und besorgt den Kopf.

„Was haben die nur da drin mit Ihnen gemacht?“

„Die haben gar nichts mit mir gemacht“, fuhr Scully ihn an. Heftiger, als beabsichtigt.

„Es ist nur alles so... unwirklich.“

Mulder musterte sie ernst. Einige Sekunden vergingen und Scully wartete beunruhigt auf eine Reaktion. Dann schließlich setzte Mulder zu einer Antwort an.

„Ich fürchte, Sie haben sich bei dem Sturz eine Gehirnerschütterung zugezogen. Vielleicht ist es auch nur der Schock, der durch den Sturz hervorgerufen wurde. Deshalb sind Sie jetzt wohl etwas verwirrt...“

Scully konnte nicht glauben, was sie hörte. Mulder suchte nach einer wissenschaftlichen Erklärung? Es war hier etwas nicht in Ordnung. Alles schien auf dem Kopf zu stehen. Und alles war darauf aus, sie in den Wahnsinn zu treiben. Vielleicht war sie ja auch wahnsinnig. Wahnsinnig vor Angst und Verzweiflung. Sie wollte nur, dass das aufhört. Sie wollte... raus. Raus aus dieser Unordnung, aus diesem Chaos, das ihr Leben beherrschte. Und die Erkenntnis, dass sie dieses Chaos gefangen hielt und sie nicht entkommen ließ, rief die Panik, die sie, wie sie gedacht hatte, in eine Ecke verbannt hatte, wieder hervor.

„Ich will hier raus!“, rief sie mit schriller Stimme in den Raum, jedoch nicht an Mulder gewandt, „Hört ihr mich? Ich will hier raus! Lasst mich gehen! Ich will mein Leben zurück!“

Tränen rollten ihr über die Wangen. Nicht nur der Angst und Verzweiflung sondern auch der Wut. Der Wut darüber, dass sie nicht einfach tun konnte, was sie wollte. Sie wurde einfach eingesperrt in dieser verrückten Welt und konnte nicht das Geringste dagegen ausrichten.

Mulder war bei ihrem Ausbruch einen Schritt zurückgewichen und starrte sie geschockt an. In seinen Augen war zu lesen, wie sehr es ihn mitnahm, dass Scully scheinbar so verwirrt war und er ihr nicht helfen konnte. Aber da war auch die Unsicherheit, die er empfand. Er wollte ihr helfen, aber gleichzeitig wusste er nicht was er tun sollte. Er hatte Angst, dass, wenn er auf sie zu gehen würde, alles nur schlimmer machen würde. Erst, als Scully plötzlich inne hielt, den Kopf erschöpft und hoffnungslos auf ihre Brust sinken ließ, schluchzte und zitternd dastand, schien es, als hätte jemand in Mulders Innerem einen Schalter umgelegt. Er machte einen Schritt auf sie zu und versuchte, sie beruhigend in die Arme zu schließen. Doch Scully schien seine Bewegung gespürt zu haben. Gerade, als er ihren Arm streifte, stieß sie ihn mit aller Kraft von sich, so dass er beinahe das Gleichgewicht verlor.

„Sie existieren gar nicht! Sie sind gar nicht DA!“, schrie sie ihn an und wich einige Schritte zurück, als er wieder auf sie zukam.

„Ssscht! Scully, beruhigen Sie sich. Es ist alles in Ordnung...“ Mit ruhiger und sanfter Stimme redete er auf Scully ein, „Es wird alles wieder normal werden. Sie sind nur verwirrt.“

Doch bei all seinen psychologischen Kenntnissen, hätte Mulder nichts sagen können, was schlimmer gewesen wäre. Scully war jetzt rasend vor Wut. Wut gegen Mulder, der sie nicht verstand. Wut gegen diese ganze merkwürdige Realität. Wut gegen sich selber, da sie offensichtlich nicht in der Lage war, aus dieser Gefangenschaft zu entfliehen.

„Hören Sie auf damit!“, brüllte sie ihn an, diesmal so schrill vor Panik, dass sich ihre Stimme überschlug, „Lassen Sie mich gehen!“

Immer weiter wich sie zurück und orientierte sich dabei an der Anrichte, die sie mit aller Kraft umklammert hielt, so dass ihre Knöchel an den Händen weiß hervortraten. Mulder kam immer näher und versuchte immer noch auf sie einzureden, doch sie registrierte schon nicht mehr die Worte, die er sprach. Das einzige, was sie mir Schrecken wahrnahm, war die Tatsache, dass er immer näher kam. Mulder... nein, das war nicht Mulder. Es war wieder... ein Ding. Und dieses Ding kam immer näher auf sie zu. Reflexartig, ohne über ihr Handeln nachzudenken, griff sie nach dem Gegenstand, den sie mit einer Hand auf der Anrichte gestreift hatte und hielt ihn schützend vor sich.

„Kommen Sie nicht näher! Lassen Sie mich nur hier raus!“

Mit Schrecken sah Mulder, was Scully da vor sich hielt. Sie hatte das Messer ergriffen, das er zuvor benutzt hatte, um einen Salat vorzubereiten. Die silbern glänzende Klinge blitzte gefährlich im Licht, das durch die Fenster hereinschien. Er wusste, dass sie eine tödliche Waffe in der Hand hielt. Er selber hatte zuvor feststellen können, wie scharf das Messer war und die Erinnerung daran ließ ihn erschauern.

„Scully, bitte legen Sie das Messer weg. Das hat doch keinen Zweck. Ich bleibe hier stehen, wenn Sie das möchten. Sagen Sie mir, was Sie wollen. Nur legen Sie bitte das Messer zur Seite!“

Flehend sah er sie an. Er wollte nicht, dass sie sich womöglich noch selber etwas antat und sei es nur durch einen Unfall. In dem Zustand, in dem sie sich befand, konnte vieles passieren.

„Also gut“, begann Scully, mit etwas ruhigerer Stimme, „dann möchte ich jetzt zu meiner Mutter. Oder ich möchte wenigstens mit ihr sprechen.“

Scully wartete auf eine Reaktion. Ihre Mutter. Das wäre die einfachste Möglichkeit, herauszufinden, ob sie getäuscht wurde oder nicht. Sicher sie kannte Mulder ebenso gut, aber da waren manchmal diese Situation, in denen sie in dem einen Augenblick noch in seinen Augen lesen konnte, was er gerade dachte und sie bis in seine Seele hineinsehen konnte und plötzlich änderte sich das schlagartig und sie hatte nicht einmal die leiseste Ahnung, wovon er eigentlich sprach. Und diese kleine Unsicherheit, diese kleine unbekannte Variable, machte ihre Analyse zu unsicher. Sie brauchte mehr Sicherheit.

Bei ihren Worten war Mulder innerlich zusammengezuckt. Was sollte er ihr sagen? Sollte er versuchen einen Ausweg zu finden und sie das hören lassen, was sie wollte und dadurch ihr gesamtes Vertrauen missbrauchen? Das konnte er nicht tun.

„Scully...“, begann er zögernd und senkte seinen Blick. Er konnte ihr einfach nicht in die Augen sehen, „Sie müssen das doch wissen. Ihre Mutter... sie ist schon... seit beinahe einem Jahr tot...“

Leise hatte er die letzten Worte ausgesprochen, als wollte er sie nicht erschrecken. Erst jetzt sah er sie wieder an, um die möglicherweise unkontrollierbare Reaktion abzuwarten.

Scully hörte die Worte und sie verstand auch den Sinn, den sie ihr vermittelten, aber sie konnte es nicht glauben. Sie erstarrte einfach und eine tödliche Stille breitete sich in ihrer Wohnung aus.

*Nein, nein, nein, nein!*, hämmerte ihr Verstand, *Das ist nicht wahr! Sie lebt! Das ist nur eine weitere Lüge!*

Und obwohl sie sich absolut sicher war, beschlich sie die Angst. Was, wenn sie tatsächlich tot war? Hatte sie dann die ganze Zeit in einer Traumwelt gelebt, die sie sich geschaffen hatte, um dem Schmerz zu entkommen? War sie vielleicht tatsächlich verrückt? Nur mit dem Unterschied, dass sie jetzt nicht verrückt wurde sondern langsam ihren Verstand wieder zurückgewann.

*Denk so etwas nicht! Das ist eine Lüge! DIE versuchen dich zu täuschen! Und wenn du jetzt nachgibst, dann haben DIE gewonnen und dich aus dem Weg geschafft!*

Scully wollte glauben, was ihr die innere Stimme sagte, aber sie hatte Angst. Angst davor, eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Das Risiko oder den leichten Weg wählen? Nicht das die Tatsache, dass ihre Mutter tot sei, leicht zu ertragen gewesen wäre. Aber wenn sie aus diesem Irrenhaus heraus wollte, musste sie zu drastischeren Mitteln greifen.

Entschlossen sah sie Mulder an. Sie wusste jetzt, welchen Weg sie nehmen würde. Sie war immer eine Kämpfernatur gewesen und hatte mit Mulder zusammen nie den einfachsten Weg eingeschlagen. Sie hatten schließlich die Wahrheit erfahren wollen und die war mit Sicherheit nicht einfach zu erlangen. Und genau das wollte sie jetzt auch. Die Wahrheit!

„Ich weiß, dass sie noch am Leben ist und das können Sie mir auch nicht ausreden“, zischte sie in einem merkwürdig ruhigem Tonfall. „Und ich weiß jetzt, was ich zu tun habe, um all den Lügen zu entkommen...“

Mulder starrte sie erschrocken an. Sie hatte diesen entschlossenen Gesichtsausdruck und schien zu allem bereit. Aber er konnte sich nicht rühren. Er ahnte, was sie vorhatte, aber er war wie erstarrt. Erst, als Scully das Messer anhob und anstatt es länger gegen ihn zu richten, auf ihr Handgelenk zielte, wich die Starre, die in überfallen hatte.

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