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Déjà Vu

von Stefan Rackow

Kapitel 1

Kann die Gegenwart, das ‚Jetzt’ schon längst vergangen sein? Was ist dann das ‚Morgen’ ?



- Stefan Rackow





Der vermummte Mann schoss ohne Vorwarnung aus dem Wagen und traf den Agenten zuerst, der ihm am nächsten stand. Mit einem Aufschrei und schmerzverzerrtem Gesicht sank der hochgewachsene Mann zu Boden und blieb dort leblos liegen.

„Erwidert das Feuer!“, schrie der Einsatzleiter, „knallt diesen Drecksack ab! Er hat John getroffen! Verdammtes Schwein!“

„Aber Derik, wir wissen nicht, ob er nicht vielleicht eine Bombe bei sich trägt!“, schaltete sich eine junge Agentin ein, die verzweifelt über ihrem angeschossenen, schwer blutenden Partner hockte. „Nun ruft doch endlich einen Arzt!!“

„Agent Reyes, dieser Mann ist ein Mörder und gehört aus dem Verkehr gezogen. Dieser Kerl hat neben dem Mord noch drei unschuldige Passanten lebensgefährlich verletzt – einfach so, weil er seine Wut an jemandem auslassen musste. Der Kerl ist sowieso so gut wie tot!“ – Derik Walters nickte daraufhin einem Scharfschützen zu, welcher seine Waffe schulterte und begann, das in der Nähe stehende Auto anzuvisieren.

„Schießen Sie endlich, Mann!!“, brüllte Walters und ging hinter seinem Einsatzwagen in Deckung. „Verdammt noch mal, schießen Sie endlich!“



In diesem Moment öffnete sich die Fahrertür des Wagens und heraus trat ein großer, fast zwei Meter hoher Mann. In seiner rechten Hand hielt er eine Maschinenpistole, mit der linken öffnete er eine der Hintertüren des Fahrzeugs.

„Wenn Sie jetzt schießen“, schrie der Irre und richtete seine Maschinenpistole auf etwas, das sich auf dem Rücksitz befand, „...dann stirbt SIE zuerst!“

Entsetzt erkannten die Agenten, dass sich in dem Fluchtwagen außer dem Irren noch ein kleines Mädchen befand, welches ängstlich und völlig verstört aus dem Dunkel des hinteren Bereichs ins Freie lugte. Es weinte.

„Lassen Sie mich gehen! Sie sehen ja selbst, dass ich in ihr eine Art Lebensversicherung habe. Stimmt`s , Kleines?!“ –

Der Verbrecher setzte ein durch und durch fieses Grinsen auf und blickte zu Walters. „Sie haben die Wahl. Entweder Sie lassen mich gehen, dann geschieht der Kleinen nichts. Oder...“ – Er formte mit seinen Lippen den Laut „Boom“ – „... das Gör hier hat die längste Zeit die Sonne gesehen!“

Walters blickte zu Reyes, die immer noch über Doggett hockte und ihm Mut zusprach. „Ich dachte, der Fluchtwagen, den er gestohlen hat, war leer!“, flüsterte der Einsatzleiter ihr zu und griff zu seinem Megaphon.

„Behalten Sie die Nerven und handeln Sie nicht unüberlegt! Warum stellen Sie sich nicht einfach und lassen unschuldige Menschen aus dem Spiel?! Sie sind doch ein vernünftiger...“

„Halten Sie ihr vorlautes Maul! Sie wissen ganz genau, dass mir nach allem, was passiert ist, die Todesstrafe blüht! Kommen Sie mir also nicht auf die „Stell dich doch, dann wird alles gut!“ – Tour, denn GAR NICHTS wird gut!“ – Er zog das kleine Mädchen an sich heran und hielt ihr die Waffe an die Stirn.

„Wenn in zehn Minuten nicht Ihre ganze Mannschaft hier verschwunden ist“, begann er, „..., sehe ich mich dazu gezwungen, ein noch junges Leben vorzeitig zu beenden.“ – Er blickte auf seine Uhr: „Neun Minuten und 58 Sekunden, Neun Minuten und 56 Sekunden...“

Walters sah das kleine Mädchen an, wie es ängstlich und um sein Leben bangend neben dem Täter stand. Panik zeichnete sich in den Augen der Kleinen ab. Angst davor, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben. Das Morgen.



„Mann, lassen Sie das Mädchen frei!“, schrie der Einsatzleiter und wollte noch etwas hinterher schicken, wurde in seinem Vorhaben aber durch eine ihn passierende Person gestört. Er schluckte.

„Reyes! Verdammt noch mal, was machen Sie da? Gehen Sie wieder in Deckung! Kümmern Sie sich um Agent Doggett, bis der Krankenwagen eintrifft...“

„Der Krankenwagen kommt zu spät, Derik“, hauchte Reyes und Derik ahnte, was nun folgen würde.

„John ist tot. Verblutet. In meinen Armen.“ – Die Agentin schluckte einmal tief. „Wenn er sein Leben lassen musste, dann möchte ich meines wenigstens gegen das eines Kindes eintauschen. Und versuchen Sie nicht, mich daran zu hindern!“

„Agent Reyes, nein! Tun Sie das nicht!“, versuchte Derik Walters die Agentin von ihrem Vorhaben abzubringen. Vergeblich. In diesem Moment schritt die Agentin schon geradewegs auf den Mörder zu.

Dieser richtete instinktiv die vormals auf das Kind gerichtete Waffe auf sie und rief mit zittriger Stimme: „Was soll die Scheiße?! Was ist das für ein billiger Trick? Sind Sie lebensmüde?“

„Nein, aber kompromissbereit“, erwiderte Reyes, versuchte sicher aufzutreten und deutete auf das Kind. „Wir wollen tauschen. Die da hinten bekommen das Mädchen und Sie nehmen dafür mich!“ Sie machte einen weiteren Schritt vorwärts.

„Bleib stehen, du Miststück!“, schrie der Wahnsinnige. „Noch einen Schritt und ich knall dich ab!“

„Hören Sie mir zu. Das ist kein Trick! Ich werde es Ihnen beweisen.“

Sie ließ etwas zu Boden fallen.



*



Derik Walters beobachtete das Geschehen mit angespannter Mine. Jetzt wandte er sich an einen neben ihm hockenden Agenten.

„Sagen Sie nicht, dass sie gerade ihre...“

„Doch“, antwortete dieser, „sie hat gerade ihre Waffe zu Boden fallen lassen.“

„Oh mein Gott.“



*



„Ich bin unbewaffnet. Ich kann Ihnen nichts mehr tun. Lassen Sie mich näher kommen.“

„Nein!“, warf der hochgewachsene Mann ihr entgegen. „ Du wirst gar nichts machen, wenn dir dein Leben lieb ist!“ – Er richtete die Waffe weiterhin auf Reyes. „Du – wirst – gar nichts – machen!“ , presste er zwischen den Zähnen hervor.

Reyes wagte noch einen Schritt.

„Stehen bleiben, du Miststück! Keinen Schritt...“

Ein weiterer Schritt.

„Du willst mich linken, richtig?! Ja, sicher, du denkst, ich gehe auf deinen Deal ein, weil du ja , wie es aussieht, keine Waffe mehr hast. Aber das glaube ich dir nicht, meine Hübsche! So dumm bist du nicht!“ – Er krümmte den Finger am Abzug.

Ein Schritt.

„Nein!“, rief Reyes. „Ich bin unbewaffnet! So glauben Sie mir doch. Sie können mich durchsuchen, hier: meine Taschen...“

Ein finaler Schritt.



Was folgte war ein Schuss.



*



Reyes erwachte schweißgebadet in ihrem Bett. Nachdem sie gemerkt hatte, dass sich alles anscheinend nur in ihrer Phantasie abgespielt hatte – sie bedachte ihren Wecker mit einem ironischen „Hättest du nicht etwas früher klingeln können?!“ - , setzte sie sich aufrecht in ihrem Doppelbett hin und fuhr sich mit der Hand durch die durchzausten Haare.

„Oh Mann“, grummelte sie, „ich fühle mich echt wie erschossen...“



Während sie sich einige Gedanken über den Grund dieses seltsamen Traumes machte, ging sie langsam zur Haustür, um die Morgenzeitung hereinzuholen. Sie warf einen schnellen Blick aus dem Fenster. Es schien ein schöner Tag zu werden. Der Himmel war blau und die Sonne konnte ungestört auf die Erde hernieder scheinen. Es war warm.



Reyes öffnete die Wohnungstür und blickte zu Boden. Die Zeitung war schon da. Das verwunderte sie auch gar nicht. Vielmehr blickte sie neugierig auf die Titelseite. Auf dieser lag nämlich ein kleiner unordentlicher Zettel, auf dem in undeutlich geschriebener Schrift irgendetwas geschrieben stand.

Die Agentin bückte sich und hob den Wisch auf. Aus der Nähe konnte sie nun besser erkennen, was das Gekritzel bedeuten sollte, jedoch wurde sie daraus nun auch nicht schlauer. Die Schrift besagte:



„Achte auf den Standpunkt. Denn morgen ist „heute“ schon „gestern“. Vergangenheit kann also auch gegenwärtig sein. Die Frage ist nur: Wo stehst du?“





Washington D. C. ,

Edgar Hoover Building,

7:02 Uhr,

am selben Tag





„Du hast was auf deiner Zeitung gefunden, Monica?“



John Doggett verzog das Gesicht ein wenig und blickte seine Partnerin an. Diese setzte sich an ihren Platz in dem kleinen Raum und holte etwas aus ihrer Tasche hervor.

„Das lag vor einer Stunde auf meiner frischen Morgenzeitung. Ein Kinderstreich oder sonst was. Jedenfalls habe ich zuerst einen ganz schönen Schrecken bekommen, da ich eine Morddrohung oder Schlimmeres vermutet hatte. Wann findet man auch schon mal so rätselhafte Verse auf seiner Zeitung, wenn man sie nichts ahnend nach einer ziemlich unruhigen Nacht hereinholen möchte...?!“ – Sie lächelte. „Ein Streich...“

„Wenn dem so ist,“- Doggett holte seinerseits ebenfalls einen kleinen Zettel hervor - , „dann haben uns die gleichen Bälger einen Streich gespielt, Monica. Das hier ist mein Exemplar. Dreimal darfst du raten, wo ich es gefunden habe.“



„Das glaub ich nicht“, sagte Reyes leicht verwirrt und begutachtete das Stück Papier ihres Partners, das jener auf den Schreibtisch gelegt hatte. Selbiges zierten die gleichen Worte. Die gleiche Schrift, ein genauso dreckiges Blatt Papier.

„Seltsam, nicht?“, fragte Doggett und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Und es kommt noch seltsamer, Monica.“

„So?“

„Du meintest, du hättest eine unruhige Nacht gehabt. In wieweit?“ – Doggett knetete an seiner Unterlippe.

„Ich hab geträumt, dass wir zwei bei einem Einsatz ums Leben kommen. Du wurdest angeschossen und ich...“, antwortete Reyes, konnte ihren Satz aber nicht zuende führen, da John dazwischen funkte.

„Das ist wirklich seltsam, Monica, denn wie es aussieht haben wir zwei nicht nur einen Albtraum gehabt – darauf bezog sich nämlich meine eigentliche Frage nur - , sondern...“ – Er machte eine Pause und schüttelte nicht verstehend den Kopf. Der Agent lachte etwas. – „... sondern wir scheinen irgendwie sogar ein und den selben Traum gehabt zu haben! Verrückt, absolut verrückt!“

„Das meinst du nicht ernst, John.“, sagte Reyes, die vermutete, dass Doggett ihr einen Bären aufbinden wollte. „Dass uns irgendjemand ein und dieselbe Nachricht zukommen ließ, kann ich ja noch so ungefähr nachvollziehen – obwohl ich keinerlei Beweggründe sehe, was dieser Jemand damit bezwecken möchte. Aber dass du auch noch denselben Albtraum hattest...! Nein, das sagst du nur, da du von mir gehört hast, dass ich eine unruhige Nacht hatte. Um mich...“

„Um dich zu beruhigen?“, fragte Doggett und massierte mit beiden Händen seine Stirn. „Vielleicht, Monica. Vielleicht. Aber egal was du denkst: Kersh will uns in seinem Büro sehen.“ – Er erhob sich aus seinem Schreibtischstuhl. „Ein Treffen mit Kersh ist allemal schlimmer als seltsame Nachrichten oder Albträume. Nachrichten kann man ignorieren, aus Albträumen kann man aufwachen – versuch das mal mit unserem Vorgesetzten, Monica!“

Reyes lächelte, als Doggett an ihr vorbei lief. Sie schien die Nachricht schon wieder vergessen zu haben.



*



Büro von Deputy Director Kersh

7:09 Uhr



Kersh wirkte kühl wie eh’ und je, als Doggett und Reyes das Büro des Deputy Directors betraten. Er war in eine Akte vertieft, welche er beiseite legte, als er die beiden Agenten bemerkte.

„Agents, nehmen Sie Platz.“

Doggett und Reyes taten, wie ihnen angeraten wurde und setzten sich ohne etwas zu sagen auf die beiden Sessel, die vor dem Schreibtisch Kershs standen. Der Deputy Director wandte sich zuerst an Doggett.

„John, können Sie mir sagen, was das hier sein soll?“ – Er legte ein kleines Stück Papier auf den Tisch, welches alt und dreckig aussah. John zog die Stirn kraus.

„Wo haben Sie das gefunden, Sir?“, fragte er leicht misstrauisch.

„Heute morgen in meinem Wagen – auf dem Beifahrersitz!“ , erklärte Kersh und beugte sich ein wenig weiter vor. „Irgendjemand will uns – mich von etwas abbringen. So hat es jedenfalls den Anschein. Jemand, der nicht davor zurückschreckt, Staatseigentum mutwillig aufzubrechen!“

„Sir“, begann Reyes, „wollen Sie damit sagen, dass jemand ihren Wagen aufgebrochen hat, um diese Nachricht zu hinterlegen?“

„Agent Reyes, ich habe zwar nicht mit Ihnen gesprochen, aber im Grunde können Sie sich ihre Frage auch selbst beantworten!“ – Kersh blickte sie kalt an, so dass Reyes unfreiwillig zusammenzuckte.

„Ja, Sir“, murmelte sie.

Doggett, der sich in der Zwischenzeit näher mit dem Zettel beschäftigt hatte, ergriff das Wort.

„Mit Verlaub, Sir, aber mir scheint, hier treibt einer mit uns dumme Spielchen. Lass deine besten Pferde im Stall und sorge dich um ihr Wohlergehen – das hört sich nicht wie eine Drohung an, das ist ja schon eher eine Warnung.“

„Sie sollten Psychologe werden, John“, erwiderte Kersh hartherzig, „soweit bin ich auch schon gewesen. Die Frage ist und bleibt: Wer und Warum ?“



Reyes, die sich nun auch den Zettel genauer angesehen hatte, blickte verdutzt auf. „John, hast du zufällig den Zettel dabei?“, sagte sie zu ihrem Partner schielend. Dieser nickte, verstand aber nicht so recht, was das in diesem Moment bringen sollte. Er griff in seine Jackentasche. „Hier.“

Reyes nahm das vergilbte Stück Papier in die Hand und hielt es neben das von Kersh. Nach einer Weile weiteten sich ihre Augen. Der Deputy Director blickte ungläubig auf seine Agentin und presste zwischen den Zähnen hervor: „Agent Reyes, wenn Sie die Güte hätten, mir zu erklären, was genau Sie da gerade...!?“

Die Agentin legte die beiden Zettel auf den großen Schreibtisch und schlug die Beine übereinander.

„Agent Doggett und ich“, begann sie, ohne Kersh in die Augen zu blicken, „haben heute morgen einen vergleichbaren Zettel wie den ihrigen vor unserer Haustür gefunden. Völlig aus dem Nichts. Wir dachten uns im Grunde nichts dabei, weil die darauf befindlichen Verse nicht wirklich in einen logischen Sinnzusammenhang gebracht werden konnten. Aber...“ – Sie blickte Kersh in die Augen – „Ihr Zettel, Sir, lässt das ganze in einem anderen Licht erscheinen. Sicher, die Zeilen sind nicht sehr aussagekräftig, aber sie besagen klar und deutlich, dass sie jemanden vor Unheil bewahren sollen.“

„Ich verstehe nicht ganz, Agent Reyes...!“ – Kersh faltete die Hände.

„Worauf ich hinaus will: So mysteriös unsere Nachrichten, also die von Agent Doggett und mir, auch sein mögen, so klar sind wiederum die Worte auf ihrem Zettel!“ – Die Agentin blickte in nicht verstehen wollende Augen.

„Und?“

„Sir, was ich damit sagen will: alle Nachrichten sind von ein und derselben Person geschrieben worden! Die Merkmale im Schriftbild, die leicht unsichere Federführung – alles passt!“

Kersh sagte nichts, sondern blickte stattdessen zu Doggett, der es wiederum für angemessen hielt, keinen Kommentar abzugeben. Er nickte nur.

„Und wozu das alles?!“, fragte der Deputy Director. Er hasste es, wenn er im Unklaren gelassen wurde.

„Das weiß ich nicht, Sir“, erwiderte Reyes und verschränkte die Arme. „Aber mir scheint, dass wir in Zukunft...“



Und plötzlich war alles schwarz.



*



Dunkel.

Ein Licht.

Ein Gegenstand.

Ein Stein, ja, ein Stein!

Und eine Inschrift.

Leute, die weinen drum herum.

Und Musik.

Engelsgesang.

So angenehm, oh welch Wohlklang!



Und plötzlich war wieder alles schwarz...





*



7:15 Uhr



„Monica?“



Die Agentin öffnete mühsam ihre Augen und blickte in das besorgte Gesicht ihres Partners.

„Wo bin ich?“, fragte sie mit leicht zittriger Stimme und blickte verwirrt um sich.

„Ruhig, nichts überstürzen“, versuchte Doggett Reyes zu beruhigen. „Mit einem Mal warst du weg, nicht mehr ansprechbar. Völlig desorientiert.“

„Ich bin ... zusammengeklappt?“

„Ja“, antwortete Doggett. „Wenn du es so ausdrücken möchtest: ja, du bist zusammengeklappt. Kersh und ich haben es für das Beste gehalten, dich erst mal hierher zu bringen.“

Reyes schloss die Augen.

„Es war komisch, John. Ich fühlte mich, als ob ich gleichzeitig hier und an einem anderen Ort gewesen bin. Da war ein Licht am Ende des Tunnels. Ein Stein, weinende Menschen – das erschien alles so real! Als ob ich wirklich da gewesen wäre...!“

„Das hat sich nur in deiner Phantasie abgespielt, Monica. Nichts von dem, was du erzählt hast, ist real.“ – Er strich ihr vorsichtig durchs Haar – „Du bist real! Du und nichts anderes, Kein Stein, keine Trauernden...“

Mit einem Mal weiteten sich die Augen der Agentin. Verwirrt blickte sie Doggett an und fragte mit zitternder Stimme: „Sagtest du Trauernde?“

„Ja, muss mir so rausgerutscht sein. Beruhig dich...“, gab ihr der Agent zu verstehen. Doch seine Partnerin schüttelte den Kopf.

„Trauernde – der Stein – die Inschrift...“

„Monica, dir war nur etwas schwindelig. Kann am Wetter liegen. Scheint heute sehr schwül...“

„John“, sagte Reyes, „das war ein Begräbnis – mein Begräbnis! Ich – ich habe in diesen paar Minuten mein Begräbnis gesehen!“ – Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich versteh das alles nicht.“



Doggett stand etwas besorgt neben Reyes, blickte in ihr Gesicht, welches bleich war. Bleich, so bleich, wie ein Gesicht nur sein konnte. Die rechte Hand auf die Augen gelegt, so lag sie da auf der Liege im Krankenzimmer des Edgar Hoover Buildings. Der Agent hätte ihr zu gerne geholfen, ihr all die Sorgen, Ängste genommen, ja im Notfall sogar selbst genommen – nur, damit es ihr wieder gut ging.

Doch er konnte es nicht.

Noch nicht.

Er war machtlos.



Es wäre dumm gewesen, es ihr jetzt zu sagen, dachte Doggett und verließ langsam das Zimmer. Nicht jetzt, nach all den Vorkommnissen. Noch nicht...



Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich und begab sich wieder zum Büro des Deputy Directors. Auf dem Weg dorthin machte der Agent sich noch einmal einige Gedanken bezüglich des bisher Passierten.

Nachrichten, seltsame Träume – irgendwas ging hier vor und – soviel stand fest: Reyes war nicht die einzige Person, die sich so manches nicht erklären konnte. Doggett schüttelte den Kopf und betrat das Vorzimmer mit dem selben seltsamen Gefühl wie vorhin.

Einem Gefühl von Unsicherheit.

Ein Gefühl, welches ihn nachdenken ließ.

Ein Gefühl, welches die Frage aufwarf, ob er die ein oder andere Situation heute nicht schon einmal erlebt hatte... Nein, das musste er sich einbilden.

Obwohl er sich jede Sekunde einredete, dass jeder Tag ein neuer Tag war, verschwand das Gefühl dennoch nicht. Schon den ganzen Tag über!



Verwirrt, nachdenklich und leicht unsicher betrat der hochgewachsene Agent wieder Kershs Büro.



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