World of X

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Bittersüß

von Kinona

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In meinem Heimatland habe ich mir einmal von einer alten Frau die Zukunft vorhersagen lassen. In Russland hat das damals jeder früher oder später getan. Zumindest in dem Dorf, aus dem ich stamme. Sie war eine Zigeunerin und lebte in der Siedlung am Fluss. Ich ließ mir von ihr aus dem Kaffeesatz lesen. Damals... Es kommt mir vor als ob eine Ewigkeit vergangen wäre seitdem. Ich muss noch ein halbes Kind gewesen sein. Doch ich kann mich noch genau an ihren Blick erinnern. Immer noch bin ich mir nicht sicher, ob es Trauer oder Angst war, die darin lagen, während sie mich ansah und sprach: „Ich sehe Stolz. Stolz und Mut, der dich in deinem Leben weit bringen wird. Und ich sehe einen Mann. Du wirst ihm verfallen. Dein Weg führt dich vom vermeintlichen Paradies geradewegs in die Hölle. Dort wirst du deinen gefallenen Engel finden...“

Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet jetzt an diesen Satz denken muss...



Noch während ich meine Augen öffne und langsam erwache, stürmen die Erinnerungen auf mich ein. Erinnerungen an ihn. Ungebetene Erinnerungen, gegen die ich mich nicht wehren kann. Erneut schließe ich meine Augen, damit ich nicht sehen muss, dass er nicht neben mir liegt. Doch auch ohne die Leere neben mir zu sehen, spüre ich sie. Es ist jedes mal, wie ein Schlag ins Gesicht. Doch schon längst habe ich mich an diese Schmerzen gewöhnt. Es ist komisch: Der Mensch gewöhnt sich wirklich an alles. Oft haben sich Dichter über den bittersüßen Schmerz der Liebe ausgelassen. Sie haben alle gelogen: Nichts an diesem Schmerz ist süß! Und so sehr ich mir auch einrede, dass es besser ist, als gar nichts, dass man nehmen sollte, was man kriegen kann: Es ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich zwischen Schmerz und Einsamkeit immer wieder für den Schmerz entscheide...



Manche Leute glauben, die Einsamkeit sei etwas Heiliges. Seit Anbeginn der Zeit zogen sich Menschen zurück, um in der Einsamkeit zu sich selbst zu finden. Zu Gott zu finden. Auch ich bin diesen Weg gegangen. Als meine Eltern starben, suchte ich Trost im Glauben. Ganze vier Monate blieb ich im Kloster. Doch auf die Suche nach Gott oder nach mir selbst habe ich mich nie gemacht. Wahrscheinlich hatte ich viel zu große Angst vor dem, was ich finden könnte. Darum entschied ich mich für einen anderen Weg...



Noch immer fühle ich seine Berührungen auf meiner Haut, schmecke seine Küsse, spüre seinen Blick auf meinem Körper. Ich will nicht aufwachen! Ich will mich nicht der bitteren Wahrheit stellen, dass er wieder einmal einfach verschwunden ist. Mit einem Lächeln blicke ich in den Raum und lasse die Spuren der letzten Nacht auf mich wirken. Die Champagnerflasche auf dem Nachttisch, die achtlos weggeworfenen Kondomverpackungen auf dem Boden, das zerwühlte Bett, seinen Duft auf meiner Haut. Ich will es genießen, bevor mich die Realität wieder einholt. Was würde wohl das Konsortium dazu sagen, wenn sie wüssten, wie nahe Alex Krycek und ich uns tatsächlich sind?



Als junges Mädchen kam ich alleine hierher, in ein fremdes Land. In das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und ich überlebte! Sehr schnell lernte ich, dass hier andere Regeln gelten. Meine Moralvorstellungen verlor ich genauso schnell, wie meinen Akzent. Ich erfuhr, was es bedeutet, frei zu sein. Eine Freiheit, die jedem erlaubte zu sein, was er wollte, zu tun, was er für richtig hielt. Auch wenn das bedeutete, die Wahrheit vor der gesamten Menschheit zu verheimlichen...

Alles nur um ihm zu begegnen. Alex Krycek! Vielleicht verfiel ich ihm gerade, weil ich wusste, dass ich ihn nicht haben kann. Er tat etwas, was noch nie zuvor jemand getan hatte: Er wies mich ab! Er ignorierte mich. Und je mehr er mich verschmähte, desto mehr wollte ich ihn. Zu spät habe ich erkannte, welch verhängnisvolle Wirkung Arroganz bei Männern auf mich hat. Allem konnte ich widerstehen: Macht, Reichtum, Jugend, Schönheit, Kraft... Doch nicht Alex Kryceks Arroganz. Er war eine Herausforderung und ich nahm sie an. Manchmal kommt es mir so vor, als würde ich versuchen mich selber durch ihn zu bestrafen. Ich bin ihm verfallen. Und der Grad meiner Aufopferung für ihn, grenzt schon an Hörigkeit. Ich bin besessen. Besessen von dem Wunsch ihn zu lieben.



Es dauerte nicht lange und alles kam genauso, wie es kommen musste. Schließlich ist auch er nur ein Mann. Ein Mann zwar, der in meinen Augen die Welt bedeutet, doch dennoch ein Mann. Und die Kunst einen Mann zu verführen, habe ich schon früh erlernt. Man könnte sagen, ich habe sie perfektioniert. Nie werde ich den Augenblick vergessen. Die Gier in seinen Augen, vermischt mit Wut. Wut, weil ich es geschafft hatte, ihn zu verführen. Er war grob, rücksichtslos, leidenschaftlich. Mit Alex Krycek zu schlafen ist jedes mal wieder, als würde man einem Krieg führen. Seine Lust gegen meine Gefühle. Meine Sanftmut gegen seine Grobheit. Und ehrlich gesagt weiß ich bis heute noch nicht, wer von uns beiden die Schlacht gewinnt.

Die Grenze zwischen Gut und Böse ist fließend. Je mehr man sie zu analysieren versucht, desto mehr verschwimmt sie...



Noch nie habe ich jemanden so nah an mich herangelassen, wie ihn. Und dennoch scheint er Ewigkeiten weit weg zu sein. Selbst wenn er in meinen Armen liegt. Es ist ein Spiel ohne Regeln. Sie wären sinnlos. In unserer Welt werden Regeln gemacht, damit sie gebrochen werden. Von Zeit zu Zeit taucht er auf. Nicht meinetwegen: Er kommt um seine Lust zu befriedigen. Ich lasse es geschehen. Wenn es um Alex Krycek geht, habe ich keinen Stolz.

So wie gestern. Er lauerte mir auf, vor meiner Haustür. Es wurden nicht viele Worte gewechselt. Seine Blicke sagten mir alles. Noch im Fahrstuhl fiel er über mich her, wie ein ausgehungertes Tier. Das verrückte ist, dass ich mindestens genauso aushungert nach seinen Berührungen war. Es tat so gut, wieder mit ihm zusammen zu sein. Ich bin süchtig nach ihm, ohne ihn zu kennen. Doch tief in mir drinnen spüre ich, dass wir uns ähnlich sind.

Wir tun beide Dinge, die wir nicht immer für richtig erachten. Wir tun, was uns aufgetragen wird. Es ist nicht unsere Aufgabe nach dem Warum zu fragen. Dadurch bewahren wir uns die Option heimlich zu intervenieren, wenn wir es für nötig erachten. Wobei Alex und ich uns in dieser Hinsicht nicht immer einig sind. Wir sind die Ratten, die Verräter, die das sinkende Schiff als erste verlassen... Manchmal frage ich mich, ob er jemals auch nur versuchen würde, mich zu retten, so wie ich ihn schon diverse Male gerettet habe.

Er kommt und geht. Oft ist er für Wochen verschwunden. Doch kein Tag vergeht, an dem ich nicht an ihn denke. Je näher ich ihn an mich heranlasse, desto weiter schient er weg zu sein. Immer wieder reißt er meine Wunden auf. Erscheint genau dann, wenn ich denke, ich habe ihn überwunden. Es ist jedes mal wieder, als würde er mich verspotten. Als wolle er mir beweisen, dass ich nicht fähig bin, ihm zu widerstehen. Dennoch sehne ich mich nach dem Gift seiner Lippen. Ich könnte nicht einmal sagen, was schlimmer ist: ihm nahe zu sein und zu wissen, dass es ein uns niemals geben wird, oder von ihm getrennt zu sein. Ich leide! Es ist als würde ich versuchen all meine Sünden durch diese Qualen zu büssen. Seinetwegen bin ich verdammt bis in alle Ewigkeit. Verdammt dazu ihn zu lieben. Alex Krycek, mein gefallener Engel. Alles andere ist bedeutungslos. Mit ihm gemeinsam werde ich zur Hölle fahren...



In meinem Heimatland habe ich mir einmal von einer alten Frau die Zukunft vorhersagen lassen. In Russland hat das damals jeder früher oder später getan. Zumindest in dem Dorf aus dem ich stamme. Sie war eine Zigeunerin und lebte in der Siedlung am Fluss. Ich ließ mir von ihr aus dem Kaffeesatz lesen. Damals... Es kommt mir vor, als ob eine Ewigkeit vergangen wäre seitdem. Ich muss noch ein halbes Kind gewesen sein. Doch ich kann mich noch genau an ihren Blick erinnern. Immer noch bin ich mir nicht sicher ob es Trauer oder Angst war, die darin lagen während sie mich ansah und sprach: „Ich sehe Stolz. Stolz und Mut, der dich in deinem Leben weit bringen wird. Und ich sehe einen Mann. Du wirst ihm verfallen. Dein Weg führt dich vom vermeintlichen Paradies geradewegs in die Hölle. Dort wirst du deinen gefallenen Engel finden...“ Vom ersten Augenblick an, in dem Alex Krycek sah, wusste ich, wovon sie gesprochen hatte...
So, das war ein weiterer Teil meiner Nebencharaktere-FanFics. Zugegeben etwas krank, aber ich hoffe es hat euch dennoch gefallen.
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