World of X

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Haunted

von XFilerN

Kapitel 1

William war an diesem Tag genau sechs Monate alt geworden. Sie hatten für diesen Tag eine Einladung bekommen, den zweiten Geburtstag der Tochter eines Nachbarn zu feiern und diese Gelegenheit vor allem genutzt, um Williams Halbjahres Geburtstag zu feiern – wenn auch eher unbewusst.

Vanessa und George van de Kamp hatten viele Jahre versucht selbst ein Kind zu bekommen, jedoch vergeblich. Sie hatten sich vor fast zwei Jahren bei einer Adoptionsvermittlung angemeldet, doch erst vor wenigen Wochen waren ihre Gebete erhört worden, als eine junge Frau aus Washington DC ihren Sohn zur Adoption aufgab.

Die Gründe dafür waren sowohl Vanessa als auch George egal gewesen. Sie hatten William auf einem Foto gesehen und es hatte Klick gemacht. Wie bei Liebe auf den ersten Blick, hatten sie von diesem Augenblick an gewusst, dass William perfekt für sie sein würde.

Er sollte als ihr Kind aufwachsen.

Liebevoll streichelte Vanessa van de Kamp ihrem Sohn über das flaumige Haar. „Du bist ein so wunderschöner Junge, William. Es muss ihr das Herz gebrochen haben, dich herzugeben.“ Tatsächlich konnte sie dies nur vermuten. Sie hatte die Mutter nie getroffen, kannte nur den Namen; Dana Katherine Scully. Die einzigen beiden Anliegen der leiblichen Mutter waren gewesen, dass sie den Namen des Jungen nicht ändern würden und ihm niemals sagen würden, dass er adoptiert war. Die van de Kamps hatten keinen Grund gesehen, diese Wünsche zu missachten.

Es war spät in der Nacht, als das Babyfon auf Vanessas Nachtschränkchen aktiv wurde und leise Geräusche aus dem Kinderzimmer wiedergab. Es dauerte einige Minuten, bis Vanessa richtig wach wurde und realisierte, dass es William war, der leise vor sich hinquengelte. Es war kein Weinen, eher eine Art Wimmern und Vanessas erster Gedanke war, dass er schlecht träumte. Er hatte sich vielleicht noch nicht richtig an sein neues Zuhause gewöhnt. Ihr Blick glitt im Halbdunkel ins Bett neben sich, wo ihr Mann tief und fest schlief und dabei ganz leise schnarchte.

Lächelnd erhob sich Vanessa und zog sich einen Morgenmantel über, ehe sie das Schlafzimmer verließ und den dunklen Flur betrat. Als sie den Lichtschalter betätigte, wurde es Widererwarten nicht hell. Stattdessen flackerte die Glühbirne und warf im Sekundentakt bizarre Schatten an die umliegenden Wände.

William begann nun zu weinen und Vanessa schenkte der Lampe keine weitere Beachtung. George würde sie am nächsten Tag auswechseln müssen, dachte sie noch und betrat im selben Augenblick das Kinderzimmer. Den Türgriff noch in der Hand, sah sie im Dunkel eine Gestalt vor dem Kinderbettchen stehen, die sich zu William hinabbeugte.

„Wer sind Sie und was tun Sie da?!“, verlangte Vanessa zu erfahren, nicht ahnend, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie irgendwem eine Frage stellte.

Ein gellender Schrei riss George aus dem Schlaf und sofort rannte er ins Kinderzimmer, einer Ahnung folgend, dass seine Frau dort sein würde. Er konnte nur hoffen, dass es William gut ging. Er hatte viel über SIDS gelesen und fürchtete das Schlimmste.

Jedoch wurde seine Befürchtung von einem Anblick fort gewaschen, der all seine Ängste um ein hundertfaches multiplizierte und er fühlte, wie sein Herz einen Takt aussetzte und seine Knie nachgaben. Etwas starrte ihn aus dem dunklen Zimmer an, das ganz sicher nicht seine Frau war. Gelbe Augen funkelten ihn an und dann hörte er ein Wimmern, das ihm durch Mark und Bein ging. Er folgte der Stimme und sah hinauf zur Zimmerdecke.

„Oh Gott, Vanessa!“ Zuerst sackte er vor Schreck in sich zusammen, dann sprang er hoch, um seiner Frau die Hand zu reichen. Es war so unbegreiflich und surreal, dass er glaubte jeden Moment aus einem Alptraum erwachen zu müssen, doch er schlief nicht mehr.

Dass seine Frau an der Zimmerdecke hing und ihn mit vor Todesangst geweiteten Augen um Hilfe anflehte, war eine Tatsache, die er schnell realisierte. Er versuchte sie zu retten, vergessen war das Kind, das noch immer schreiend in seinem Bett lag oder die fremde Gestalt mit den unheimlichen gelben Augen. Er wollte Vanessa retten!

Er sprang immer wieder hoch, bekam sie jedoch nicht zu fassen und dann wurden, wie von selbst ihr Nachthemd und der Morgenmantel Blutrot eingefärbt, während sie verzweifelt, versuchte die Hand ihres Ehemanns zu erreichen.

Vanessas Blick glitt hinüber zu ihrem Sohn. „Rette William!“, schrie sie ihm entgegen und im selben Augenblick fing sie Feuer. George wirbelte herum und ging zum Kinderbettchen, in dem der schreiende Säugling lag. Die fremde Gestalt war verschwunden. Hastig nahm George das Baby aus dem Bettchen und hielt es schützend in den Armen. Noch ein letztes Mal sah er hinauf zur Decke, wo durch das flammende Inferno nichts von seiner Frau übriggeblieben war.

* * *

„John“, sagte Monica Reyes und sprach damit ihren Partner an, der gerade dabei war, einen Bericht über ihren letzten Fall zu schreiben. Sein Kopf hob sich nur träge und er sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Ich habe eben eine beunruhigende Nachricht erhalten.“ Mit zitternden Fingern legte sie den Hörer des Telefons zurück auf die Gabel.

In Gedanken immer noch bei dem Bericht, den er fertig machen musste, fragte er: „Von wem? Um was geht es?“ Sein Interesse war geweckt, wenn auch nur ein wenig. Die Arbeit in der Abteilung für vermisste Personen war nach der Arbeit an den X-Akten vergleichsweise langweilig, aber eher das, was der ehemalige New Yorker Polizist als ‚normal’ deklarierte.

„Wir müssen versuchen Dana zu erreichen.“ Reyes begann etwas in ihren Computer einzugeben, als könne sie auf diese Weise eben mal geschwind die beiden Ex-Agenten finden, die nicht gefunden werden wollten.

„Was ist passiert?“ Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf und einer war schauriger als der andere.

„Williams Adoptivmutter ist vor drei Tagen ums Leben gekommen, John. Sie…“ Reyes hielt inne und sah Doggett über ihren Monitor hinweg mit einem Blick an, den er nur allzu gut kannte. Sie war zutiefst besorgt.

„Monica?“ Er stand von seinem Stuhl auf, umrundete seinen Schreibtisch, der sich genau vor ihrem befand und setzte sich ihr gegenüber auf die Kante ihres Tisches. „Was ist passiert?“ Sein Blick flog wie beiläufig auf ihren Monitor, auf welchem die Google Startseite zu sehen war.

Die X-Akten waren geschlossen worden und sie arbeiteten inzwischen seit einigen Wochen in einer kleinen Abteilung, die darauf spezialisiert war, vermisste Personen wieder zu finden. Nach allem was sie durchgemacht hatten und seiner eigenen Erfahrung, erschien es dem Duo die sinnvollste Abteilung gewesen zu sein.

„Das ist kompliziert. Wir müssen allerdings sofort los.“ Sie war schon halb aufgestanden, als Doggett seine Hand auf ihren Arm legte und so ließ sie sich wieder in ihren Stuhl sinken.

„Ich gehe nirgendwo hin, ehe du mich nicht aufgeklärt hast.“ Sie hatte gewusst, dass er das sagen würde und seufzte innerlich. Hin und wieder machte es sie wahnsinnig, dass er immer über alles bescheid wissen musste und ihr offenbar noch immer nicht richtig vertraute.

Reyes sah sich um, als wolle sie sicherstellen, dass niemand sie beobachtete. Sie waren sich einig darüber gewesen, die X-Akten ruhen zu lassen, um ein halbwegs normales Leben zu führen. Genau genommen hatten sie keine Wahl gehabt. Skinner war spurlos verschwunden und sie versuchten ihn wieder zu finden. Mulder und Scully hatten inzwischen vermutlich eine neue Identität angenommen und versteckten sich irgendwo. Sie wussten nicht, wo sich das ehemalige leitende Duo der X-Akten aufhielt. Und genau da lag nun ihr Problem.

„Ich habe Hunger“, sagte Doggett plötzlich unvermittelt und fing sich daraufhin einen verwirrten Blick von Reyes ein. „Lass uns essen gehen und du erzählst mir unterwegs, was los ist.“

Reyes nickte, als sie verstand, dass Doggetts plötzlicher Hunger nur ein Vorwand war, um das FBI Hauptquartier zu verlassen.

* * *

Die Straße zog sich endlos hin. Der schwarze Impala sah inmitten des Nirgendwo reichlich verloren aus. Wurde von der Dunkelheit, der nahezu sternlosen Nacht, beinahe verschluckt.

„Und Bobby war sich sicher, dass es Yellow Eye ist?“ Dean Winchester sah von der Straße flüchtig zu seinem Bruder hinüber, der gerade dabei war eine Landkarte zusammen zu falten und diese schließlich unter seinen Laptop schob.

„Das kann nur Yellow Eye gewesen sein“, sagte Sam Winchester fast schon empört. Wieso zweifelte Dean daran, dass ER es war? Manchmal verstand er seinen Bruder einfach nicht. Natürlich war es fast unmöglich, dass ER es war. Doch wenn Sam eines gelernt hatte, dann, dass in seinem Leben nahezu nichts unmöglich war.

„Wir haben ihn zur Hölle geschickt, Sammy“, erklärte Dean seine Zweifel und kam nicht umhin dabei sarkastisch zu klingen.

„Das sollten wir vielleicht nur denken. Das kann kein Zufall sein, Mann, das musst du doch auch sehen.“

„Vielleicht ein Nachahmungsdämon“, schlug Dean vor und fummelte am Lautstärkeregler des Radios herum, um einen ACDC Song lauter zu drehen.

Sam war davon ganz und gar nicht angetan und drehte den Song gleich darauf wieder leise. „Ein Nachahmungsdämon? Ich bitte dich. Das kannst du nicht ernst meinen.“

„Wir werden es herausfinden, nicht wahr? Ich meine, deshalb hast du mich doch geweckt und gleichsam gezwungen das bequeme Motelbett zu verlassen, um mitten in der Nacht in irgendein Kaff kurz vor Iowa zu fahren.“

Sam erwiderte darauf nichts. Er konnte in gewissem Maße verstehen, dass Dean seine Zweifel hatte. Andererseits waren es einfach zu viele Ähnlichkeiten zu seiner eigenen dunklen Vergangenheit, als dass er sie ignorieren konnte. Und wenn Yellow Eye wirklich noch immer irgendwo da draußen war, dann mussten sie ihn finden und ihm endgültig den Garaus machen.

* * *

Routiniert öffnete sie den Brustkasten des Leichnams, der vor ihr auf dem Sektionstisch lag, und durchtrennte die Rippenknorpel, ehe sie das Sternoclaviculargelenk löste und das Sternum abnahm. Der Mann vor ihr war ermordet worden und nun war es ihre Aufgabe herauszufinden, woran, wann und durch wen er gestorben war.

Hin und wieder vermisste sie ihre alte Arbeit beim FBI, doch sie war im Großen und Ganzen sehr zufrieden wieder als Pathologin zu arbeiten. Es war ein interessanter Beruf, der niemals langweilig wurde und sie immer wieder herausforderte.

Natürlich war es nicht dieselbe Art von Herausforderungen, welche die X-Akten stets bereitgehalten hatten, aber sie war zufrieden. Scully hatte die Vergangenheit hinter sich gelassen, so gut es ihr möglich war. Sie und natürlich auch Mulder. Er versuchte immer noch auf seine Weise den Tag X aufzuhalten, an dem alles enden sollte. Nicht mehr so verbissen wie früher, aber er konnte diesen Teil der Vergangenheit nicht gänzlich ignorieren.

Sie beide vermochten es nicht, die Augen vor dem zu verschließen, was das Ende der Welt, wie man sie kannte, bedeutete. Ginge es nur um sie, wäre es ihnen vermutlich egal. Doch sie hatten ein Kind, dem sie eine schöne und vor allem sichere Zukunft ermöglichen wollten, auch wenn ihr Sohn nie von den Bemühungen seiner Eltern erfahren würde.

Er fehlte ihr furchtbar und es verging kaum ein Abend, an dem sie nicht weinend mit dem eingerahmten Foto von William in den Armen einschlief. Sie hatte ihn fortgegeben, zu seinem eigenen Schutz. Er lebte in einer Familie, die ihm ein normales Leben ermöglichen konnte, eine behütete Kindheit, fernab jeglicher Verschwörung.

Ihr Leben als Mutter, ihr Leben als FBI Agentin, ihr Leben als Dana Katherine Scully war Vergangenheit. Jetzt war sie Maria Ward, Frau von James Ward, Pathologin am Gerichtsmedizinischeninstituts von Cleveland Ohio.

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