Es war ein perfekter Tag. Die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel. Die Luft war sauber und klar und die Temperaturen waren genau richtig. Weder zu warm, noch zu kühl.
Dana Scully hätte sich eigentlich freuen müssen, schließlich stand ein großes Ereignis ins Haus. Genauer gesagt, ging es um ihre Zukunft.
Doch nun saß sie auf der Terrasse ihrer Mutter und starrte trübselig vor sich hin.
Sie fragte sich immer wieder, ob sie sich richtig entschieden hatte.
Er liebte sie, das war offensichtlich und Dana wusste es. Er gab ihr genau das, was sie so dringend brauchte und nach dem sie sich so gesehnt hatte.
Zwar liebte sie auch ihre Arbeit, doch die Sehnsucht nach etwas festem, bodenständigen war stärker.
Sie suchte Wärme und Liebe. Sie wollte eine Familie, ein trautes Heim, in dem sie sich geborgen und sicher fühlte. In das sie, nach der Arbeit, zurückkehren konnte, mit der Gewissheit, dass jemand auf sie wartete. Das sie die langen dunklen Nächte nicht alleine verbringen musste.
Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, als er ihr seine Liebe gestanden hatte.
Es war an dem Tag, als sie ihren Partner in der Sargasso See aus dem Wasser fischte und er im Krankenhaus erwachte.
" Dana, ich liebe dich," hatte er ihr gesagt.
Im ersten Augenblick war sie erstaunt darüber. Doch als sie etwas intensiver darüber nachdachte, musste sie zugeben, dass ihr schon lange seine heimlichen Blicke aufgefallen waren. Die Nähe, die er immer wieder zu ihr gesucht hatte.
Jedesmal wenn sie in den fensterlosen Raum, sein Arbeitszimmer kam, war er dort und erwartete sie. Er sah sie mit leuchtenden Augen an und ließ keine Gelegenheit aus, ihr zu sagen, wie hübsch sie wieder aussah.
Ja, an dem Tag, war es eigentlich nur noch das letzte Tüpfelchen, was die Sache vollkommen machte.
Dana seufzte.
Seit er es ihr gestanden hatte, war kein Tag vergangen, den sie nicht mit ihm verbracht hatte. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, trug sie auf Händen und tat alles für sie.
Manchmal fühlte sie sich von seiner Liebe geradezu erdrückt. Aber er sah so herzlich aus und alles was er für sie tat, kam auch von dort. Direkt von seinem Herzen.
Sie hatten seit diesem Tag so viel gemeinsam unternommen, dass ihre Antwort auf seine Frage fast schon automatisch gekommen war.
Vor drei Wochen hatte er sie gefragt. Ganz standesgemäß. Mit einem großen Strauß Blumen und einem wunderschönen Ring mit Diamantsplitter, kniete er sich vor sie und fragte: " Dana, willst du mich heiraten ? Willst du meine Frau werden ?"
Sie hatte die Blumen genommen, den Ring bewundert und " Ja," gesagt.
Und morgen sollte es nun stattfinden. Morgen würde sie hier im Haus ihrer Mutter Kevin Johnson heiraten.
***
Sie hätte vor Glück strahlen müssen wie die Sonne am Himmel. Doch sie konnte es nicht.
War es denn wirklich richtig, einen Mann zu heiraten, den man nicht liebt ? Nicht so liebt, wie er es verdient hätte.
Ja, sie empfand Sympathie für ihn. Sie mochte ihn wirklich sehr gerne, sie fühlte sich in seiner Nähe wohl und sie hatten die gleichen Interessen. Er war Labor-Assistent beim FBI und ihr immer zu Hilfe, wenn sie eine Autopsie machen musste, wenn sie dringend irgendwelche Analysen brauchte. Er tat wirklich alles für sie und er hatte ihre Liebe einfach verdient. Er verdient es, so geliebt zu werden, wie er sie liebte.
Doch Dana konnte es nicht und sie wusste nicht, ob sie es irgendwann konnte. Ob die Liebe tatsächlich irgendwann kommen würde.
Niemals hätte sie gedacht, dass sie einmal einen Mann heiraten würde, den sie nicht liebte, der ihr aber wenigstens eine Zukunft und Geborgenheit schenkte.
Unwillkürlich glitten ihre Gedanken zu einem anderen Mann.
Sie hatte ihn vor zwei Wochen das letzte Mal gesehen. Er hatte eine Woche Urlaub gehabt und war nach Nevada gefahren. Als er zurückkam, hatte Dana bereits beim FBI gekündigt.
Sie konnte nicht mit ihm zusammen arbeiten. Sie fand es Kevin gegenüber nicht fair.
Zu lange waren sie und Mulder Partner. Zu gefestigt war ihr Verhältnis. Selbst wenn es nicht intim wurde, so würde es doch zu Spannungen kommen.
Dana konnte sich noch zu deutlich an Mulders Blick erinnern, als sie ihm gesagt hatte, dass sie Kevin Johnson heiraten würde.
Sie konnte den Schmerz in seinen Augen sehen, in seinem Herzen fühlen. Doch er hatte die Zähne zusammen gebissen und dann sogar gelächelt. Zwar gezwungen gelächelt, aber, er hatte nichts dagegen gesagt. Hatte ihr nicht davon abgeraten, sondern ihr auch noch gratuliert.
Eine ganze Woche hatten sie noch zusammen gearbeitet. Es war eine furchtbare Woche gewesen.
Immer wenn Dana ihn sah, sah sie den Schmerz in ihm, die Qual.
Gott, er hatte ihr am gleichen Tag wie Kevin gesagt, dass er sie liebte. Doch er hatte nichts weiter unternommen. Keine Einladung zum Abendessen oder zu einem privaten Treffen. Nichts.
Sie wusste einfach nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten - was sie von seinem Geständnis halten sollte. Sie wusste doch, dass er sie liebte. Sie liebte ihn ja auch. Doch, wollte er mehr ? Wollte er die unsichtbare Linie, die sie in den ganzen Jahren eingehalten hatten, nun übertreten ? War er bereit für einen solchen Schritt ?
Wenn ja, warum hatte er es dann nicht einmal versucht ?
Sie hatte ihm doch oft genug gesagt, wie sie sich ihre Zukunft vorstellte. Was sie für sich wollte.
Oder hatte ihn gerade das abgeschreckt ?
Wollte er zwar etwas intimes - ein Verhältnis, aber nichts so dauerhaftes und festes wie eine Ehe ?
Dana atmete hörbar aus und ließ ihren Blick durch den Garten wandern.
Einige Helfer hatten bereits die Bestuhlung für den nächsten Tag vorgenommen. Ein Gärtner richtete gerade die Blumenarragements und ihre Mutter hatte ein letztes Gespräch mit dem Partyservice, der das Essen lieferte.
Alle gaben sich solche Mühe, um für sie das schönste Fest auszurichten und alles perfekt zu machen. Und sie war den Tränen nahe.
Nein, Dana, reiß dich zusammen. Du wirst morgen heiraten, du wirst glücklich sein und du wirst deinen Mann glücklich machen. Du wirst ihn lieben lernen und ihn vermissen, wenn er mal für 10 Minuten zum Einkaufen aus dem Haus geht. Freu dich endlich darüber,' sagte sie sich selbst, doch es klang nicht mal für sie überzeugend.
Sie gab sich einen Ruck und drückte sich in die Höhe. Sie musste das Kleid noch einmal probieren, falls noch irgendwelche Änderungen nötig sein sollten.
Langsam ging sie ins Haus zurück und stieg die Stufen hinauf. Sie hatte das Gefühl, als würde sie von einer Tonnenlast nieder gedrückt werden.
Ohne große Lust probierte sie das cremefarbene Seidenkleid an, mit den herrlichen Spitzen und den zart rosafarbenen Rosenknospen auf dem Rock und der langen Schleppe.
Das Kleid war ein Traum. Dana konnte nicht verhindern, dass ihre Augen aufleuchteten, als sie sich im Spiegel sah.
Es brauchte keine Änderungen mehr. Es saß perfekt.
Dana nahm den langen Schleier und hielt ihn sich auf ihr leuchtend rotes Haar. Es sah einfach zauberhaft aus.
Am nächsten Morgen würde der Friseur kommen und ihre Haare richten, und eine Freundin ihrer Mutter würde sie schminken.
Ihr Blick glitt wieder über ihr Spiegelbild und ein Hauch von Trauer überzog ihr Gesicht.
Resignierend streifte sie Schleier und Kleid ab, verstaute es in der schwarzen Schutzhülle, und schlüpfte wieder in ihre Leggins und das lange Shirt.
Es könnte alles so perfekt sein. Wirklich alles. Ihr schönster Tag im Leben könnte perfekt sein, wenn es der perfekte Mann wäre, den sie heiraten würde. Einen Mann, den sie wirklich von Herzen liebte und mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte.
Doch den hatte sie nicht. Sie konnte nicht mal sagen, ob dieser Mann irgendwo auf der Welt existierte. Sie wusste nur, dass es sicher nicht Kevin Johnson war.
Tränen traten ihr in die Augen. Sehnsüchtig sah sie zu dem Kleid, das nun in seiner Verpackung am Schrank hing. In ihrem Geist formte sich ein Bild. Ganz deutlich sah sie sich strahlend, in diesem Traum von Kleid, zum Traualtar gehen. Sie sah die fröhlichen Gesichter der Hochzeitsgäste, sah die Rosenblätter, die ihren Weg bedeckten und sah die schattenhafte Gestalt, die neben dem Traualtar auf sie wartete.
Er war groß und schlank, und seine dunklen Haare leuchteten im hellen Licht der Sonne. Er trug einen schwarzen Smoking mit grauer Weste. Dana sah, wie sie lachte, weil sein Zylinder auf dem Stuhl ihres Trauzeugen lag. Er mochte keine Hüte und hatte es nicht mal an seinem Hochzeitstag über sich gebracht, einen aufzusetzen.
Dana erkannte ihren Bruder Bill neben ihm. Sie tuschelten kurz, als sie den Blumenweg hinunter kam, und beide lachten herzlich.
Dana trat immer näher und näher und endlich konnte sie auch sein Gesicht sehen. Es war...
***
" ... Mulder !" fuhr sie erschrocken herum, als die Tür hinter ihr aufgedrückt wurde.
Fox Mulder trat ein und lächelte etwas gezwungen, " Scully. Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Deine Mutter sagte, ich könnte ruhig raufgehen, du seist hier. Ich hoffe, ich störe dich nicht gerade bei der Anprobe ?"
Dana war immer noch erstaunt über sein Auftauchen, " äh ... - nein. Ich war bereits fertig. Ich habe nur noch etwas ... - was tust du hier ?"
" Ich..." begann Mulder und schloss leise die Tür hinter sich. " Ich musste dich noch mal sehen, bevor du ... - du weißt schon. - Und ... - ich muss dich einfach etwas fragen."
Dana sah ihn überrascht an, " das heißt, du bist wegen einer Frage den weiten Weg von Washington hierher gefahren ? - Das muss ja eine wichtige Frage sein."
Mulder schob seine Hände tief in die Taschen und starrte auf den Fußboden vor sich.
Er hatte sich alles genau überlegt. Auf der Fahrt hierher hatte er sich jedes Wort, dass er ihr sagen wollte, zurecht gelegt. Doch jetzt wusste er nicht, wie er anfangen sollte.
Also begann er erst einmal mit etwas harmlosem.
" Wieso hast du gekündigt ?" seine Stimme war leise und klang etwas belegt.
Für Dana war diese Frage alles andere als harmlos. Seit ihrer Kündigung hatte sie sich vor diesem Augenblick gefürchtet. Sie war überzeugt gewesen, dass es so besser sei.
" Ich dachte, dass ich das Richtige tue," antwortete sie ausweichend und hoffte, das er nicht weiter fragen würde.
" Und du bist dir ganz sicher, dass du ... ihn wirklich heiraten willst ? Das du dein Leben mit ihm teilen möchtest ?" Mulder sah auf und eine gewisse Angst schimmerte in seinen Augen.
Dana nickte und wich seinem Blick aus, " er liebt mich, weißt du ? Er gibt mir das, was ich so dringend brauche. Er gibt mir die Wärme und Geborgenheit, nach der ich mich schon so lange gesehnt habe."
Mulder trat langsam an ihr vorbei und stellte sich ans Fenster. Einen Augenblick sah er hinaus.
Kevin Johnson lief gerade über die Wiese und trat auf Mrs. Scully zu. Selbst aus dieser Entfernung konnte Mulder sehen, wie aufgeregt der Mann, wegen des morgigen Ereignisses war.
" Liebst du ihn ?" fragte er leise.
Dana konnte nicht verhindern, dass sie ein kurzes Lachen ausstieß, " ich werde diesen Mann morgen heiraten, Mulder."
Fox Mulder drehte sich um und sah sie wieder an, " das ist keine Antwort auf meine Frage. Ich möchte nur wissen, ob du ihn liebst. Wirklich liebst."
Dana musterte ihn ernst. Deutlich war eine gewisse Spannung in der Luft zu spüren, die automatisch entstand, als sie mit ihrer Antwort zögerte.
" Was glaubst du, soll ich darauf antworten ?"
Mulder trat näher und legte ihr die Hände auf die Schultern, " Scully, wenn du mir ehrlich sagen kannst, das du ihn wirklich liebst und mit ihm den Rest deines Lebens verbringen möchtest, dann hätte ich die Gewissheit, dass du glücklich bist. Das du das Richtige tust. Ich könnte es nicht ertragen, wenn es anders wäre."
Ihre Augen trafen sich und wieder sah sie den Schmerz darin, " du könntest es nicht ertragen ? Ich heirate, nicht du. Ich werde den Rest meines Lebens mit diesem Mann verbringen und es hat rein gar nichts mit dir zu tun, Mulder."
Mulder schluckte trocken und schüttelte schwach den Kopf, " du irrst. Es hat alles mit mir zu tun. Ich kann es nicht ertragen, dass du gekündigt hast. Ich kann es nicht ertragen, dass du nicht mehr in meiner Nähe bist. Ich konnte es nicht mehr aushalten, ohne dich zu sehen. Ich liebe dich, dass weißt du. Ich habe es dir gesagt. Ich liebe dich so sehr, dass es in meinem Herz schmerzt, wenn du nicht bei mir bist. Ich liebe dich so sehr, dass ich alles tun würde, um dich von diesem Schritt abzuhalten. - Aber wenn du mir sagst, dass du mit diesem Mann glücklich wirst, wenn du mir sagst, dass du diesen Mann wirklich liebst, dann werde ich damit leben können, weil ich dann weiß, dass es dir gut geht. Ich will es nur wissen. Ich muss es wissen. Im anderen Fall würden mich die hellsten Strahlen der Sonne nicht mehr erwärmen und es wäre nichts mehr wichtig für mich. Bitte, sage mir, dass du ihn wirklich liebst."
Dana hatte Tränen in den Augen.
Warum hatte er es ihr nicht früher gesagt ? Warum kam er erst einen Tag vor ihrer Hochzeit hierher und gestand ihr seine Liebe - seine wahren Gefühle für sie ? Warum machte er es ihr jetzt noch so schwer ? Hätte er nicht einfach in Washington bleiben können ? Hätte er sie nicht einfach ihn vergessen lassen können ?
Es war einfach zu spät. Sie konnte nicht mehr zurück. 6 Jahre hatte er Zeit dafür gehabt, doch erst einen Tag vor ihrer Hochzeit mit einem anderen Mann, kam er zu ihr und brachte alles, was sie sich aufgebaut hatte, ins wanken.
Tapfer schluckte sie die Tränen hinunter und sah ihn an, " ich liebe ihn, Mulder. Und ich werde mit ihm glücklich werden."
Sie wusste, das es sich wie eine Lüge anhörte, doch ehrlicher hätte sie es nicht sagen können, da es nicht der Wahrheit entsprach.
Mulder sah ihr einen kurzen Augenblick in die Augen, ehe er langsam nickte, "ich hoffe es und ich wünsche es dir von Herzen, Scully. Ich wünsche dir alles Glück der Welt."
Hastig drehte er sich um und eilte zur Tür.
" Mulder," rief Dana hinter ihm her und brachte ihn zum Stehen.
Ihr Partner hatte bereits die Klinke in der Hand, doch jetzt wandte er sich wieder um. Einen Hoffnungsschimmer auf dem Gesicht.
" Ich würde mich freuen, wenn du morgen ..."
Er schüttelte schnell den Kopf und hob abwehrend die Hand, " nein, Scully. Bitte verlange nicht von mir, zu deiner Hochzeit zu kommen. Du weißt, dass ich es nicht ertragen könnte. - Ich hoffe, es wird eine schöne Feier."
Damit öffnete er die Tür und verschwand nach draußen.
Dana stand lange mitten im Zimmer und starrte das Türblatt an. Die Gefühle verursachten einen wahren Sturm in ihr.
Nur gedämpft drang Lachen aus dem Garten zu ihr herauf.
Zögernd wandte sie sich ab und trat langsam ans Fenster.
Bill stand auf der Wiese, eine Hand auf der Schulter von Kevin Johnson. Beide Männer lachten.
Danas Gefühlssturm brach durch. Tränen liefen ihr jetzt hemmungslos über das Gesicht.
Durch den Tränenschleier sah sie, wie sich Kevin verabschiedete und hörte kurz darauf den Motor seines Wagens anspringen.
Ihre Entscheidung fiel im Bruchteil einer Sekunde.
Hastig zog sie ihre Turnschuhe an und eilte aus dem Zimmer.
Ihre Mutter, die gerade mit einem Tablett voller Getränke durch den Flur lief, wich schnell zur Seite, als Dana an ihr vorbei jagte.
" Dana, wo willst du denn hin ?" rief sie.
" Meinem zukünftigen Mann sagen, dass ich ihn liebe."
" Aber, er ist doch gerade weggefahren."
Dana nickte, " ich weiß," und war im nächsten Augenblick aus der Tür.
Die Reifen ihres Wagens drehten durch, als sie ihn aus der Ausfahrt auf die Straße lenkte.