World of X

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Der Teufel

von Petra Weinberger

Kapitel #1

" Mom, hast du Mulder irgendwo gesehen ?" Dana Scully lief durch den Flur und stieß die Küchentür auf.

Ihre Mutter stand vor der Anrichte und schälte gerade Kartoffeln. Sie sah auf, " ja. Er ist auf der Terrasse. Ich dachte, ihm würde etwas frische Luft guttun. Er ist noch immer ziemlich blaß."

Scully nickte und schnappte sich eine Kirsche, " ja. So lange das Wetter sich hält, kann er jeden Tag nach draußen. Vielleicht bringt ihn das mal auf andere Gedanken." Scully schob die Kirsche in den Mund und sah ihrer Mutter einen Augenblick beim Kartoffelschälen zu. " Mom, ich danke dir dafür, daß er hier sein darf," sagte sie dann leise.

Mrs. Scully lächelte, " Dana, du mußt dich dafür nicht bedanken. Er ist dein Partner, und seine Mutter liegt in einem Pflegeheim, seit sie den Schlaganfall hatte. Sie kann ihn nicht versorgen und sich nicht um ihn kümmern. Ich tue es gerne und ich denke, ich bin ihm das schuldig."

Dana sah sie fragend an.

Mrs. Scully nickte, " wäre er nicht gewesen, dann hätte ich dich auch noch verloren. Zudem weiß ich, was du für ihn empfindest. Auch wenn du es mir nicht sagst. Ich helfe ihm gerne, solange ich kann und er es braucht. Und jetzt braucht er unsere Hilfe."

Dana trat zu ihr und legte ihre Arme um sie, " danke, Mom."

Mrs. Scully lächelte und nickte, " nun geh zu ihm. Ich sage euch Bescheid, wenn das Essen fertig ist."

Dana Scully grinste und verließ die Küche. Durch das Wohnzimmer hindurch gelangte sie auf die Terrasse.

Seufzend schüttelte sie den Kopf, als sie ihren Partner sah. Stumm saß er in dem Stuhl und starrte ausdruckslos vor sich hin.

" Hey, nicht so faul," rief sie fröhlich und trat auf ihn zu. " Du solltest eigentlich etwas Gymnastik machen."

Nur Mulders Augen bewegten sich, als er ihr einen kurzen Blick zuwarf, seufzte und wieder Löcher in die Luft starrte.

Scully zog sich einen Stuhl heran, stellte ihn vor ihn und ließ sich darauf nieder, " na komm. Du weißt was die Ärzte gesagt haben. Wenn du nicht übst, wird es nie was," tadelte sie. Dann zog sie sich sein rechtes Bein auf den Schoß, streifte ihm den Schuh ab und begann seinen Fuß vorsichtig zu bewegen.

Fox Mulder verzog keine Miene. Er sah nicht mal hin. Ausdruckslos ließ er die Gymnastik über sich ergehen.

Scully ließ sich davon nicht irritieren. Sie war fest entschlossen, ihren Partner wieder auf die Beine zu bringen. Sogar Urlaub hatte sie bekommen. Und wenn ihr Jahresurlaub nicht ausreichen würde, dann würde sie eben noch unbezahlten dazu nehmen.

Sie versuchte ihn etwas aufzumuntern, indem sie ihm von ihrem Vormittag erzählte. Sie hatte seine Mutter besucht. Ihr ging es schon besser. Sie lernte langsam wieder sprechen, und hatte bereits nach ihm gefragt. Normalerweise hätte er sich darüber gefreut. Doch er verzog keine Miene. Es schien fast so, als wäre er mit seinen Gedanken weit weg. Sehr weit weg, und das schon sehr lange. Scully konnte nicht mal sagen, ob er überhaupt etwas mitbekommen hatte, von dem, was in den letzten drei Monaten geschehen war.

Sie zog ihm den Schuh wieder an, stellte seinen Fuß zurück und legte sich sein linkes Bein auf den Schoß.

Mulders Blick ging an ihr vorbei. Scully musterte ihn, versuchte in seinen Augen zu lesen. So, wie sie es früher immer getan hatte. Doch da gab es nichts. Mit etwas gutem Willen konnte sie etwas hinein interpretieren. Vielleicht eine Mischung aus Resignation, Verzweiflung und Trauer. Aber sie war sich nicht mal sicher, ob sie darin überhaupt etwas sah, oder es sich nur einbildete. Ihre Gedanken schweiften ab. Zurück in der Zeit. Genauer gesagt, drei Monate zurück ...

***

3 Monate früher

... sie war gerade auf dem Weg vom Büro nach Hause, als ihr Handy klingelte. Während sie ihren Wagen mit einer Hand durch den abendlichen Verkehr lenkte, zog sie ihr kleines Telefon aus der Jackentasche und drückte auf den Sprechknopf.

" Dana, du mußt sofort hierher kommen," die Stimme ihrer Mutter klang aufgeregt.

" Mom. Was ist passiert ?" Scully war beunruhigt. Ihre Mutter machte es nur dringend, wenn es das auch wirklich war. Es mußte einfach etwas geschehen sein.

Sie setzte bereits den Blinker, um den Weg zur Interstate einzuschlagen.

" Fox ist hier," bekam sie zur Antwort.

Scully zog zweifelnd die Augenbrauen in die Höhe, " Mulder ?"

" Ja. Ich habe keine Ahnung, wann er gekommen ist. Ich entdeckte ihn vor 10 Minuten auf der Veranda."

" Und was will er bei dir ?" forschte Scully weiter und bog ab.

" Ich weiß es nicht."

" Hast du ihn nicht gefragt ?" Scully kam das Ganze immer sonderbarer vor.

" Natürlich habe ich ihn gefragt. Doch er sagt nichts. Er sitzt nur da und starrt vor sich hin. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll."

Scully überlegte kurz, " ist er verletzt ? Hat er irgendwelche Wunden ? Blutet er irgendwo ?"

" Nein. Zumindest ist mir nichts aufgefallen. Aber, er ist in einem furchtbaren Zustand. Es scheint so, als sei er geistig überhaupt nicht anwesend."

Scully atmete einmal tief durch und fuhr die Auffahrt zum Highway hinauf, " hat er Schweiß auf der Stirn, oder fühlt er sich kalt an ?" Sie dachte an einen Schock.

" Er ist klatschnaß, als ob er mit Kleidern gebadet hätte. Ich habe ihm eine Decke übergehängt, da er nicht zu bewegen war, ins Haus zu kommen. Er reagiert einfach auf gar nichts. Du solltest dich beeilen, Dana."

" Ich bin gleich da, Mom," antwortete Scully, drückte den Ausknopf und schaltete einen Gang höher.

Mit leicht überhöhter Geschwindigkeit fuhr sie ihrem Elternhaus entgegen. 

 " Dana. Gott sei Dank, daß du da bist," kam Mrs. Scully ihr entgegen.

Dana klatschte die Wagentür ins Schloß und eilte auf die Veranda hinauf.

Ihr Partner saß dort auf der Hollywoodschaukel, eine Decke umhängen, und starrte apathisch vor sich hin.

Dana kniete sich vor ihn und tastete nach seinem Puls, " Mulder, was ist geschehen ?"

Sein Puls war leicht beschleunigt, doch durchaus noch im Normalbereich. Scully zog die Decke zurück. Mulders Kleider tropften vor Nässe.

Scully tastete seinen Kopf ab, sah ihm in die Augen und zwickte ihn dann in den Handrücken.

Sein Blick wanderte langsam zu ihr, " ich habe sie gesehen." Seine Stimme war leise und monoton.

" Wen, gesehen ? - Mulder, was ist passiert ?" fragte Dana auch sofort.

" Sie ist tot," fuhr er langsam fort und starrte wieder an ihr vorbei. " Ich ... – ich mußte ... ."

Scully warf einen kurzen Blick zu ihrer Mutter und wandte sich dann wieder an ihren Partner, " wen hast du gesehen ?"

Mulders Blick glitt wieder zu ihr, " sie ist tot. - Sie haben sie umgebracht."

" Wo ? - Wo hast du sie gesehen ?"

Er starrte wieder an ihr vorbei und schwieg.

Scully seufzte und drückte sich wieder in die Höhe. Nachdenklich musterte sie ihren Partner.

" Wir müssen sehen, daß wir ihn irgendwie ins Haus bringen," wandte sie sich an ihre Mutter und griff dann nach seiner Hand, " komm mit hinein. Du mußt aus den nassen Sachen raus, ehe du dir eine Lungenentzündung holst."

Mulder sah sie wieder an, doch er rührte sich nicht.

Scully faßte ihn schließlich am Arm und zog ihn in die Höhe. Langsam und taumelnd folgt er ihr ins Haus und ließ sich von ihr auf das Sofa drücken.

" Mom, kannst du mal sehen, ob du irgend etwas für ihn zum überziehen findest ? Er muß aus dem Zeug hier raus und wieder trocken werden. Danach werde ich ihn noch mal genauer untersuchen."

Ihre Mutter nickte und verschwand. Scully machte sich daran, ihrem Partner die Kleidung auszuziehen.

Mrs. Scully brachte noch einige Handtücher mit, womit sie ihn trockenreiben konnten. Als er dann in eine warme Decke gehüllt war, horchte ihn Scully noch einmal ab, prüfte seine Reflexe und sah ihm abermals in die Augen.

Seufzend schüttelte sie den Kopf, " ich fürchte, ich muß ihn ins Krankenhaus bringen, damit er dort neurologisch untersucht werden kann."

Eine halbe Stunde später war Scully mit ihrem Partner im Krankenhaus. Als er zu verschiedenen Untersuchungen abgeholt wurde, rief Scully ihren Chef an und teilte ihm mit, was geschehen war. Direktor Skinner versprach gleich zu kommen.

Eine Stunde später lagen die ersten Ergebnisse vor.

Scully seufzte und schüttelte den Kopf, " er ist gesund." Sie konnte es selbst nicht glauben.

Skinner sah sie etwas ratlos an, " und wie erklärt sich sein Zustand ?"

Scully hob ratlos die Schultern, " ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal, ob es dafür eine Bezeichnung gibt. Ich kann einfach nur vermuten, daß er sich in einem schwer depressiven Zustand befindet."

" Ausgelöst, wovon ?"

" Durch ein Trauma, einen Nervenzusammenbruch - Drogen."

" Könnte er Drogen genommen haben ?" fragte Skinner auch schon.

Scully sah nachdenklich zu ihrem Partner, " sein Zustand deutet, ehrlich gesagt, darauf hin. Aber die Blutwerte liegen noch nicht vor. Doch ich kenne ihn und glaube nicht, daß er freiwillig irgendwelche Drogen genommen hat."

" Sie meinen, er hat einfach durchgedreht ?"

Scully seufzte, " ich weiß es nicht."

" Hat er Ihnen gesagt, was mit ihm geschah, oder weshalb er so naß war ?" forschte Skinner weiter.

" Er sagte mir nur, daß er sie gesehen hätte. Sie hätten sie umgebracht. Mehr hat er nicht gesagt."

" Wissen Sie, wen er damit meinte ?"

Scully schüttelte den Kopf, " nein."

Forschend musterte sie ihren Partner. Er sah müde aus. Doch noch immer starrte er ziellos vor sich hin.

" Mulder," sprach sie ihn an und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Er reagierte nicht.

" Mulder, sag uns, wen du gesehen hast. Was ist passiert ?" fuhr sie fort und seufzte abermals, als er wieder nicht reagierte. " Er bleibt jetzt zur Beobachtung erst einmal hier. Vielleicht kann man ja morgen mit ihm reden," wandte sie sich an Skinner. " Er bekommt Antidepressiva, in der Hoffnung, daß er damit aus seiner Apathie aufwacht."

" In der Zwischenzeit versuchen wir herauszufinden, was mit ihm geschehen ist."

Scully sah ihren Chef fragend an, " wir ?"

Skinner nickte, " ja. - Kommen Sie, dann kann ich Ihnen alles erklären."

...

***

Heute

... 

" Fox, Dana, das Essen ist fertig. Kommt ihr ?" rief ihre Mutter aus dem Wohnzimmer.

" Ja, sofort," antwortete Scully. 

Sie zog Mulder den Schuh wieder an und stellte seinen Fuß zurück. 

" So, genug für heute. Gehen wir rein, ehe das Essen kalt wird," sagte sie, während sie sich erhob und hinter Mulder trat. 

Sie faßte nach den beiden Griffen seines Stuhls und schob ihn ins Haus zurück. 

Noch immer reagierte er nicht. Es schien fast so, als sei nur sein Körper, aber nicht sein Geist anwesend. Und Scully hatte keine Ahnung, wie sie ihm die frühere Lebensenergie zurückgeben konnte, wenn er daran anscheinend kein Interesse mehr hatte.

Sie schob ihn vor den großen Eßtisch und setzte sich neben ihn. Ihre Mutter hatte ihr bereits ihren Teller gefüllt und auch vor Mulder etwas hingestellt.

Der Agent warf nur einen flüchtigen Blick darauf, seufzte und sah abermals in die Ferne. Wohin genau, hätte er selbst nicht sagen können.

" Nun komm schon, Mulder," drängte Scully.

" Fox, Sie müssen endlich mal was essen," kam es auch schon von Mrs. Scully.

" Mulder, ich habe keine Lust dich ewig künstlich ernähren zu müssen. - Wenn das hier also so etwas wie ein Hungerstreik sein soll, dann sag mir das bitte. Ansonsten versuche wenigstens etwas zu essen."

Mulder rührte sich nicht.

Scully baute sich vor ihm auf und suchte seinen Blick, " wenn du jetzt nicht ißt, dann füttere ich dich, und glaub mir, ich mache das wirklich."

Der Agent ließ den Kopf sinken und starrte auf den Fußboden.

Scully gab es auf. Resignierend schüttelte sie den Kopf. Es mußte doch einfach irgend etwas geben, was ihn aus seiner Apathie riß. So konnte es doch nicht weitergehen. Ihr mußte einfach etwas einfallen.

Wieder gingen ihre Gedanken zurück ...

***

3 Monate zuvor

... Skinner stand neben ihr auf dem Parkplatz des Krankenhauses und erklärte, " er bekam am Freitag einen Fall von mir anvertraut. Es ging um eine angebliche Entführung durch Außerirdische. Ein junges Mädchen, 8 Jahre alt, verschwand mitten in der Nacht aus ihrem Zimmer. Ihre Eltern sagten aus, sie hätten ein helles Licht gesehen und wären unfähig gewesen, sich zu bewegen. Erst als das Licht verschwunden war, konnten sie ins Zimmer ihrer Tochter, doch da war sie fort. Mulder sollte das überprüfen. Noch am selben Mittag besuchte er die Eltern des Mädchens, um sie zu befragen. Seit Freitag habe ich nichts mehr von ihm gehört, bis Sie mich anriefen und mir sagten, daß er im Krankenhaus ist."

" Und heute haben wir Dienstag. Das heißt, er war vier Tage verschwunden," überlegte Scully. " Wo soll diese Entführung stattgefunden haben ?"

" In Littletown. Etwa 30 Meilen von hier. Die Familie heißt Garrison. Soviel ich weiß, hatte sich Mulder ein Zimmer im Downsound Motel genommen."

Scully nickte, " dann beginnen wir dort mit der Suche. Mulder macht sich immer wieder Aufzeichnungen. Vielleicht finden wir dort etwas, dem wir nachgehen können. Und danach sollten wir uns selbst mit den Garrisons unterhalten."

Skinner war damit einverstanden. Zusammen mit Scully fuhr er zum Downsound Motel.

Tatsächlich hatte der Agent hier ein Zimmer gemietet, sei allerdings Sonntag nicht mehr dort gewesen - wie sie in der Rezeption erfuhren. Sein Wagen stand jedoch noch vor dem kleinen Apartment. 

Vom Portier ließen sie sich sein Zimmer zeigen.

Sehr sorgfältig durchsuchten sie es.

Mulders Laptop stand auf dem Tisch, seine Tasche neben dem Bett, in dem kleinen Badezimmer entdeckten sie sein Waschzeug.

Scully setzte sich vor den Laptop und schaltete ihn ein. Nachdenklich starrte sie auf das Display und überlegte, unter welchem Paßwort er die Datei gespeichert haben könnte.

Sie gab verschiedene ein, die ihr durch den Kopf gingen. Doch immer leuchtete auf, daß der Zugriff verweigert wurde.

Scully versuchte es erneut, gab noch mehr Paßwörter ein und schüttelte nachdenklich den Kopf.

Schließlich lehnte sie sich zurück und runzelte die Stirn. Sie hatte alles eingegeben, was ihr in Bezug auf Außerirdische eingefallen war. Plötzlich fuhr ihr etwas durch den Kopf. Wieder tippten ihre Finger über die Tastatur. Sie gab den Namen 'SAMANTHA' ein.

Zugriff erteilt.

Ein Datenfenster wurde sichtbar. Mulders Aufzeichnungen erschienen auf dem Monitor.

... die Aussagen von Peter und Emilly Garrison decken sich mit denen, von anderen Entführungsfällen. Ihre Echtheit muß daher angenommen werden. Eindeutige Spuren, wie erhöhte Strahlungswerte, Zeitverschiebungen, Brandmerkmale vor dem Haus der Familie machen ihre Aussage glaubwürdig.

Eine Befragung der unmittelbaren Nachbarn brachte jedoch kein Ergebnis. Mauricia Garrison ist bisher nicht wieder aufgetaucht. Da seit der Entführung bereits mehr als eine Woche vergangen ist, muß leider davon ausgegangen werden, daß das Mädchen - wie meine Schwester - nicht wieder zurückgebracht wird. Ob sie überhaupt irgendwann gefunden wird, ist zweifelhaft. ...

Skinner sah Scully über die Schulter und runzelte die Stirn, " das ist nicht gerade viel und ein Hinweis ist auch nicht dabei."

Scully schaltete das Laptop aus und klappte es zu, " sein Wagen steht noch draußen. Vielleicht finden wir darin etwas."

Skinner nickte, " haben Sie die Schlüssel ?"

" Ja, er hatte sie in seiner Jackentasche."

Zu zweit machten sie sich über den Wagen her. Doch das Ergebnis war negativ. Sie konnten nicht den kleinsten Hinweis darauf finden, was mit Mulder geschehen sein könnte.

Scully ließ nachdenklich ihren Blick über den Platz gleiten, " wie kam er von hier weg ? Mit einem Taxi ? Wenn ja, warum ? Weshalb ist er nicht mit seinem Wagen gefahren ?"

Skinner kletterte aus dem Wagen und sah zur Rezeption, " fragen wir nach."

Kurz darauf standen sie dem Portier gegenüber.

" Tut mir leid, aber mir ist nichts aufgefallen. Doch der Parkplatz ist Kamera überwacht. Wissen Sie, hier wurden schon öfter über Nacht irgendwelche Wagen aufgebrochen. Die Gäste beschwerten sich dann bei mir, da der Parkplatz ja zum Grundstück gehört. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, nachts eine Kamera den Platz überwachen zu lassen. Zweimal konnten wir schon einen der Kerle überführen. Seit dem sind die Überfälle zurück gegangen. Vielleicht hat die Kamera ja etwas aufgezeichnet."

Skinner warf Scully einen kurzen Blick zu und nickte, " könnten wir die Bänder der letzten vier Tage mitnehmen ? Sie bekommen Sie sobald wie möglich zurück."

Der Portier zweifelte, " Sie können sie sich auch hier ansehen. Die Anlage steht im Hinterzimmer. Ich habe nur zwei Bänder dafür und wenn sie die mitnehmen und heute Nacht geschieht irgendwas, dann zahlt meine Versicherung keinen Cent."

Skinner war einverstanden. Zusammen mit Scully wurde er ins Hinterzimmer geführt und bekam die Anlage gezeigt.

Der Portier legte ein Band in den Abspieler, schaltete den Monitor ein und ließ das Band laufen.

Konzentriert sahen die Agenten auf den Bildschirm. Sie sahen Wagen ankommen, abfahren, Gäste liefen zu ihren Zimmern, über den Parkplatz und zwischendurch war alles ruhig. Im unteren Bildrand konnten sie die Uhrzeit und das Datum ablesen.

2 Uhr nachts. Wieder kam ein Wagen an, parkte, ein Mann stieg aus, verschwand. 15 Minuten später kehrte er in Begleitung zu seinem Wagen zurück. Beide Männer stiegen ein, fuhren ab.

" Mulder," sagte Scully auch schon und bat den Portier, das Band noch einmal ein Stück zurück zu spulen.

Der Mann tat ihr den Gefallen.

Auf dem Monitor fuhr abermals der Wagen vor und parkte vor Mulders Apartment ein. Ein Mann stieg aus, sah sich um," Stopp," sagte Scully.

Der Portier hielt das Band an.

Skinner und Scully starrten auf den Bildschirm und versuchten den Mann dort zu erkennen.

Gleichzeitig kamen sie zu dem selben Ergebnis: " Krycek."

...

Heute

...

" Dana, bist du fertig ?" riß sie ihre Mutter aus ihren Gedanken.

Scully sah sie an, warf einen kurzen Blick auf ihren Teller und nickte. Sie war satt. Ihr Blick glitt zu ihrem Partner. Noch immer starrte er den Fußboden an. Er hatte keinen Bissen gegessen.

Scully drückte sich in die Höhe und half ihrer Mutter, den Tisch abzuräumen.

Als sie ihr das Geschirr reichte, damit sie es in die Maschine räumen konnte, schüttelte sie den Kopf, " ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun kann, um ihn endlich aufzuwecken. Seit drei Monaten befindet er sich jetzt schon in diesem Zustand. Man bekommt fast den Eindruck, daß er in einem Wachkoma ist, wenn er nicht doch gelegentlich mal eine kleine Reaktion zeigen würde. - Mom, ich weiß einfach nicht mehr weiter."

Ihr Mutter nahm sie in die Arme, " ich weiß. Aber wir sollten ihm einfach noch etwas Zeit lassen. Er ist jetzt gerade eine Woche aus dem Krankenhaus draußen. Laß ihm Zeit. Ich bin sicher, irgendwann kehrt er zurück. Und zwar dann, wenn er bereits dazu ist."

Scully nickte. Trauer lag in ihrem Blick und sie fragte sich, ob sie wohl jemals wieder ihren starken, wachen Partner zurückbekommen würde.

" Danke, Mom," sagte sie lächelnd und löste sich aus der Umarmung.

Aus dem Schrank holte sie einen Tropfbeutel, verband ihn mit einem Schlauch und kehrte ins Eßzimmer zurück.

Mulder saß noch immer vor dem Tisch. Er hatte den Kopf zurück gelegt und die Augen geschlossen.

Scully trat neben ihn, hängte den Tropfbeutel an den dafür vorhandenen Haken und verband den Schlauch mit der Kanüle, die sich in seiner Armvene befand.

Mulder öffnete die Augen und warf ihr einen kurzen Blick zu.

" Ich wußte, daß du nicht schläfst. Es ist Essenszeit und da es anders nicht geht, muß es eben so sein," erklärte Scully und grinste flüchtig.

Mulder reagierte nicht, außer, daß er die Augen wieder schloß.

" Welche Geschmacksrichtung schwebt dir denn heute vor ? Steaks, Hamburger, Gulasch oder wäre dir ein Salat lieber ? Wäre vielleicht mal eine kleine Abwechslung," lächelte sie und stellte die Tropfgeschwindigkeit ein. " Weißt du eigentlich noch, wie Salat oder Steaks schmecken ? Knackiger Salat, herrlich erfrischend. Oder saftige Steaks, ganz zart, innen noch rosa. Läuft dir da nicht das Wasser im Mund zusammen ? Oder Spare-Rips, frisch gegrillt, knusprig und saftig. - Per Tropf hast du wenig davon. Erst recht keinen Geschmack. Hast du kein Verlangen, es selbst mal wieder auf der Zunge zu schmecken ?"

Mulder hatte zwar die Augen wieder offen, doch sein Blick ging an ihr vorbei ins Leere.

Scully sah ihn provozierend an, " oder mal ein schönes kühles Bier ? Was wäre denn damit ? Kein Verlangen ?"

Mulder sah sie kurz an, dann glitt sein Blick abermals ins Leere.

Scully seufzte und ließ sich neben ihm auf dem Stuhl nieder. Nachdenklich musterte sie ihn, " na schön. Mein 'Flüssigvorrat' ist nahezu unbegrenzt und ich kann jederzeit in der Apotheke nachkaufen. Du hast also keine Chance, hier bei mir zu verhungern, auch wenn du das vielleicht versuchst. Irgendwie kriege ich dich schon noch dazu, daß du etwas ißt. Glaube mir, ich habe Zeit und kann sehr geduldig sein. Ich wecke dich schon irgendwie auf. Da fällt mir sicher noch was ein. Verlaß dich darauf."

Sie erhob sich und fuhr ihn wieder auf die Terrasse hinaus. Die aufkommende Nacht war mild und klar. Vielleicht brachte ihn der Sternenhimmel in die Realität zurück.

Scully stellte seinen Stuhl so, daß Mulder ungehindert in den Himmel sehen konnte. Sie selbst zog sich einen Stuhl unter die Terrassenlampe und blätterte die Akte durch, die sie über ihn angelegt hatte.

Krycek. Dieser Name brachte sie vor Wut fast zum kochen.

Alex Krycek, ihr persönlicher Feind. Mulder und sie hatten ihn in Verdacht, nicht nur Mulders Vater, sondern auch ihre Schwester erschossen zu haben. Beweise hatten sie jedoch nie finden können. Und jetzt war dieser Mann für den Zustand ihres Partners verantwortlich, und wieder konnte sie nichts gegen ihn unternehmen.

Dabei hatte er es selbst zugegeben. Er hatte ihn schließlich abgeholt. Er hatte ...

***

3 Monate vorher

 ... Scully hatte ihn gesehen, als er gerade aus dem Haus kam, in dem Mulder sein Apartment hatte.

Sie hatte nicht lange gezögert. Kaum, daß sie ihn sah, war sie auch schon aus dem Wagen, sprang ihm in den Weg und ließ ihn in die Mündung ihrer Waffe sehen.

Im ersten Augenblick wollte er fliehen. Doch angesichts der Waffe, die auf ihn gerichtet war, gab er seinen Widerstand rasch auf.

Er verharrte und streckte die Hände in die Höhe, " okay, immer ruhig bleiben."

Scully sah ihn feindselig an, " lassen Sie die Hände oben, wo ich sie sehen kann und gehen Sie langsam voran, zu Mulders Wohnung. Ich nehme an, daß Sie eben von dort kamen."

Alex Krycek warf ihr einen kalten Blick zu, " okay. Aber ganz ruhig."

Langsam ging er voran, während Scully ihm folgte und ihn keine Sekunde aus den Augen ließ.

Sie warf ihm Mulders Wohnungsschlüssel vor die Füße und ließ ihn aufschließen. Im Apartment mußte er sich im Flur an die Wand stellen und von ihr durchsuchen lassen.

Scully fand eine 45er Magnum bei ihm. Sie nahm ihm die Waffe ab, steckte sie in die Jackentasche und legte ihm hinter dem Rücken Handschellen an. Dann stieß sie ihn vor sich her und drückte ihn aufs Sofa.

" Wo haben Sie Mulder hingebracht ?" fragte sie schneidend.

Krycek lächelte sie kalt an, " nur dahin, wohin er wollte."

" Und wohin war das ?"

" Ein Haus, außerhalb von Littletown."

" Was wollte er da ?"

" Weshalb fragen Sie ihn nicht ?" Kryceks Augen funkelten eisig.

" Was wollte er da ?" fuhr Scully ihn an.

Krycek schwieg und musterte sie.

Scully richtete wieder ihre Waffe auf ihn und funkelte ihn wütend an.

Krycek atmete einmal tief durch und nickte, " hören Sie, ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat. Man sagte mir, daß ich Mulder in dem Motel abholen und zu dieser Adresse in Littletown bringen soll. Er wollte dort etwas überprüfen. Aber ich weiß nicht was das war. Ich habe ihn hingebracht und dort abgesetzt, dann habe ich gewartet. Als er nach einer Stunde noch nicht draußen war, bin ich gefahren. Ich weiß nicht, was in dem Haus war oder wo er abgeblieben ist."

" Wer hat Ihnen gesagt, daß Sie ihn dorthin bringen sollen ?"

Krycek schüttelte den Kopf, " sorry, aber das kann ich nicht."

" Wer ?" knurrte Scully.

" Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich weiß es nicht. Die haben mich angerufen."

" Wer ?"

" Die Leute. Ich weiß nicht, wer sie sind. Sie rufen an und sagen, was ich tun soll. 7 Tage später habe ich dann das Geld dafür im Briefkasten. Ich weiß weder, wer der Auftraggeber ist, noch was überhaupt abläuft. Ich bin nur ein Laufbursche, der Befehle ausführt."

Scully kniff die Augen zusammen und musterte ihn nachdenklich. Krycek war undurchschaubar. Sie konnte nicht sagen, ob er log oder nicht.

" Sie haben ihn also abgeholt und zu dieser Adresse gebracht. Und er hat unterwegs kein Wort zu Ihnen gesagt ?"

Krycek schüttelte den Kopf, " nein. Nur das ich eine Stunde warten soll. Danach könnte ich zur Hölle fahren. Ich habe die Stunde gewartet. Als er nicht kam, bin ich weg."

Scully nickte, " sagte er etwas von einem Mädchen ?"

Krycek grinste frech, " steht er seit neuestem auf kleine Mädchen ?"

Scully mußte an sich halten, um ihm nicht mitten ins Gesicht zu schlagen, " hat er etwas von einem Mädchen erzählt ?"

" Nein, hat er nicht und ich habe ihn nicht danach gefragt."

" Wo ist diese Adresse ?"

" 243 Woodlane Boulevard/ Littletown."

Scully nickte und winkte mit ihrer Waffe, " los, hoch. Wir gehen."

" Wohin ?"

" Sie stehen immer noch im Verdacht, William Mulder und Melissa Scully erschossen zu haben. Es wird Zeit, daß Sie endlich einem Richter gegenüber treten."

Krycek grinste flüchtig und erhob sich, " was glauben Sie eigentlich, wie weit Sie mit mir kommen ?"

" Weit genug, um Sie endlich hinter schwedische Gardinen bringen zu können. Na los doch, vorwärts. - Und denken Sie daran, meine Waffe ist noch immer auf sie gerichtet."

" Ich zerstöre Ihre Illusion ja nur ungern, aber soweit kommen Sie gewiß nicht."

Scully stieß ihm ihre Waffe in die Rippen, " wenn Sie nicht endlich ihren Hinter bewegen, dann kommen Sie noch nicht mal aus diesem Apartment heraus. Ist das klar ?"

Krycek nickte und ging langsam voran in den Flur.

Scully mußte ihm die Tür öffnen, da seine Hände noch immer hinter dem Rücken gefesselt waren.

Als sie direkt neben ihm war, warf er sich gegen sie.

Mit einem Aufschrei stolperte sie gegen die Wand. Ihr Kopf schlug hart gegen den Rahmen der Küchentür. Für einen kurzen Augenblick sah die Agentin nur Sternchen.

Benommen schüttelte sie den Kopf.

Als ihr Blick wieder klar wurde, war Krycek fort. Scully suchte zwar sofort die ganze Umgebung ab, doch von dem Killer konnte sie nichts mehr finden.

Enttäuscht kehrte sie in Mulders Apartment zurück.

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