World of X

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Alptraumland

von Talli W

Kapitel #3

Es war bereits halb vier. Müde sahen sich Mulder und Scully an.

"Wissen sie, dass ich jetzt Riesenhunger habe." sagte Mulder.

"Ich könnte einen ganzen Ochsen vertilgen." Scully lächelte ihn erschöpft an. Auch sie war hungrig. Über die letzten Stunden war ihre Wut auf ihn vollständig verflogen. "Wir könnten ja zusammen essen gehen." schlug sie vor.

"Kentucky Fried Chicken oder McDonalds?"

Mulder überlegte kurz. "Eigentlich habe ich keinen Appetit auf Fastfood. Wir könnten ja mal richtig essen gehen. Vielleicht finden wir auch ein Restaurant, wo vegetarisches Essen serviert wird. Ich weiss, dass Sie in letzter Zeit sehr auf ihre Gesundheit achten." Scully war erstaunt, dass ihm das aufgefallen war. Er hatte recht, seit ihrer Krebserkrankung und unerwarteten Genesung bevorzugte sie überwiegend gesunde Kost.

"Um diese Zeit, Mulder?" fragte sie. Fox Mulder zuckte entschuldigend die Achseln.

"Nein, heute möchte ich etwas richtig Herzhaftes haben. Wie wäre es mit einem saftigen großen Steak?" fuhr Scully fort.

Mulders Gesicht hellte sich sofort auf. "Einverstanden! Und ich weiß auch schon ein Steakhouse, das um diese Zeit noch geöffnet hat."

Wenig später saßen sie in einem gemütlichen Westernrestaurant und studierten die Speisekarte.

"Was meinen Sie, Scully? Groß oder extragroß?" fragte er.

Scully lachte. "Ich ahnte nicht, dass Sie solchen Hunger haben."

Mulder blickte sie an. "Wenn wir beide ein extragroßes Steak bestellen, gibt es das Dessert kostenlos dazu."

"Das ist verrückt, Mulder." meinte sie kopfschüttelnd.

Zwanzig Minuten später servierte der Kellner zwei Menüs, extragroß.

Schweigend hatten sie gegessen. Nur ab und zu einen Blick gewechselt. Vollkommen gesättigt schob Mulder schließlich seinen Teller von sich. Bis auf das Gemüse und etwas Reis war sein Teller leer.

"Das war großartig. So gut habe ich schon lange nicht mehr gegessen." sagte er.

"Wenn ich noch mehr esse, platze ich." erklärte Scully und lehnte sich zufrieden zurück. Sie hatte fast das ganze Steak geschafft, aber dafür lag noch der größte Teil der Beilagen auf ihrem Teller.

"Möchten Sie jetzt Ihr Gratisdessert?" fragte der Kellner lächelnd.

"Nein, bloß nicht." sagten Scully und Mulder gleichzeitig.

Der Kellner lachte auf. "Na dann bekommen Sie stattdessen eine Flasche Wein."

Er wickelte eine Flasche in eine Papiertüte und reichte sie Mulder.

Nachdem sie gezahlt hatten, verließen sie das Restaurant.

"Scully, ich weiss, dass Sie jetzt sicher alleine sein möchten. Die letzten Stunden waren anstrengend genug. Aber es gibt so viele Ungereimtheiten in dem Fall. Ich würde mich gern noch ein bischen mit Ihnen darüber unterhalten." sagte Mulder, als sie nebeneinander im Auto saßen.

Scully überdachte den Vorschlag kurz. Skinner hatte ihnen zwar einige Stunden frei gegeben um sich auszuruhen. Aber mittlerweile wurde es schon langsam hell. Sie bezweifelte, dass sie unter diesen Umständen schlafen konnte. Sie würde nur daliegen und über den Fall nachgrübeln oder über ihre Träume. Und das war das Letzte, was sie wollte. Ein bischen Gesellschaft wäre da nicht schlecht.

"Also gut, Mulder. Sie können mit zu mir kommen. Bloß fangen Sie mir ja nicht wieder damit an, dass ich in Gefahr bin von Dämonen entführt zu werden und Sie meinen Ritter in schimmernder Rüstung spielen wollen."

"Aber nicht doch. Das würde mir nicht im Traum einfallen." sagte Mulder in gespielter Entrüstung und verzog seine Mundwinkel zu einem Grinsen.

"Nein, natürlich nicht. Wie konnte ich auch nur auf solch einen Gedanken kommen." sagte sie trocken.

Mulder Grinsen wurde noch breiter. Das war typisch seine Scully.

Mittlerweile waren sie bei Scullys Wohnung angekommen und Scully parkte das Auto. Dann gingen sie gemeinsam hinein.

Nachdem Scully die Wohnungstür aufgeschlossen und Mulder herein gebeten hatte, ging sie schnurstracks zu ihrem Schlafzimmer, um sich etwas anderes anzuziehen. Mulder stand etwas unschlüssig im Raum, mit der Papiertüte in der Hand.

"Haben Sie irgendwo einen Korkenzieher?" rief er dann.

"Im Küchenschrank, drittes Schubfach linke Seite. Aber wozu brauchen Sie einen Korkenzieher?"

"Haben Sie schon vergessen, der Wein." entgegnete Mulder. Er hatte inzwischen das gesuchte Objekt gefunden und die Flasche öffnete sich mit einem lauten Plob.

"Aber der Dienst." erinnerte Scully als sie in Jeans und Bluse bekleidet zurückkehrte.

"Momentan sind wir nicht im Dienst und bis dahin ist das bischen Wein wieder verflogen. Oder vertragen Sie so wenig?"

"Ich bin irischer Abstammung. Da verträgt man eine ganze Menge." konterte Scully.

"Na, dann wäre doch alles geklärt. Wenn Sie jetzt noch irgendwo zwei Gläser auftreiben, können wir es uns richtig gemütlich machen." sagte Mulder.

Scully ging an eine der Vitrinen und holte zwei Weingläser hervor.

"Gemütlich machen, Mulder? Ich dachte, wir wollten den Fall diskutieren." sagte sie als sie ihm die Gläser reichte.

"Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Und ehrlich gesagt, war das nur ein Vorwand. Ich hatte nur keine Lust in meine einsame Wohnung zu gehen und mich vor den Fernseher zu hocken." gab Mulder zu.

"Sie hocken sich also lieber bei mir vor den Fernseher? Aber Sie wissen doch, dass ich kein Kabel-TV habe. Sie dürften also nichts Interessantes im Programm finden." witzelte Scully.

Mulder verzog das Gesicht. "Haha. Amüsieren Sie sich nur prächtig auf meine Kosten."

"Aber immer. Das ist doch das einzige Vergnügen, dass ich noch habe." erwiderte Scully lächelnd.

"Ach und liegt das etwas an mir, dass sie kein Leben haben?" fragte Mulder scherzhaft.

Als Scully darauf nicht antwortete und nur stumm geradeaus starrte, runzelte er die Stirn.

'Autsch! Das ging wohl daneben.' dachte er.

Sie schwiegen einige Minuten, dann sprachen sie plötzlich alle beide zur gleichen Zeit.

"Mulder, glauben Sie wirklich, dass ..." "Scully, denken Sie.."

Sie lachten verlegen. Dann wiederholte Scully, was sie fragen wollte. "Glauben Sie wirklich, dass Rethel Milton in die Morde verwickelt ist? So und was wollten Sie sagen, Mulder?"

"Ach, das ist nicht mehr wichtig. Die Antwort auf ihre Frage ist ja. Aber das wissen Sie doch bereits."

Scully sah etwas betreten zu Boden. Er hatte recht. Sie hatte wirklich nur nach einer Möglichkeit gesucht, das Schweigen zu brechen.

"Scully, warum können wir eigentlich nie normal miteinander reden? Die meiste Zeit reden wir über die Arbeit und wenn doch mal private Dinge zur Sprache kommen, lenkt immer einer von uns beiden auf ein anderes Thema ab. Ich meine, wir kennen uns jetzt schon seit sechs Jahren und ich weiss so wenig über sie. Ich kenne ja noch nicht mal Ihre Lieblingsfarbe oder welche Sorte Blumen Sie mögen. Finden Sie das nicht seltsam?"

In Scully schrillten alle Alarmglocken auf. 'Wein und Fragen nach ihrem Privatleben. Hatten wir das nicht schon mal?!'

"Mulder, was ist in der Nacht in Kroner während das Gewitters passiert?"

Mulder sah sie irritiert an. "Wieso...?" begann er.

Doch Scully unterbrach ihn. "Beantworten Sie mir einfach diese Frage oder wissen Sie die Antwort nicht?"

Kopfschüttelnd antwortete er: "Damals kam eine Kuh in mein Zimmer geflogen und hat die ganze Einrichtung demoliert."

Scully aber gab sich mit seiner Antwort nicht zufrieden und fragte weiter:

"Was haben wir dann in dieser Nacht gemacht, nachdem Ihr Zimmer unbewohnbar war?"

Mulder sah Scully vielsagend an. "Äh, ist da irgend etwas Unanständiges geschehen, woran ich mich nicht erinnern kann?"

Scully zog ihre Augenbraue hoch und sah ihn streng an.

"Also gut, Sully." resignierte er. "Ich habe in Ihrem Zimmer übernachtet. Aber der Sturm war so laut, dass keiner von uns schlafen konnte. Wir haben erst etwas fern gesehen. Doch es lief nichts Vernünftiges. So haben wir schließlich an ihrem Laptop ein kleines Spielchen gespielt. Monopoly, soweit ich weiss."

"Okay Mulder, Sie sind es." bestätigte Scully.

"Natürlich bin ich es. Wer soll ich auch sonst sein? Was sollte denn dieses Verhör?"

"Es ist nur, ich hatte dieses Gespräch schon einmal." entschuldigte Scully sich.

"Aber dann sicher nicht mit mir. Das hätte ich bestimmt nicht vergessen."

"Mit Eddie van Blundht." erwiderte Scully.

"Umpf." An diese Eskapade wollte er lieber nicht erinnert werden.

"Ich bin nicht Eddie van Blundht, Scully. Aber ich würde auch gern die kleinen Geheimnisse aus Ihrer Vergangenheit erfahren, die sie ihm erzählt haben."

Scully blickte ihm in die Augen und erkannte dort echtes Interesse. ‚Es scheint ihm wirklich etwas daran zu liegen, mehr über mich zu erfahren.'

"In Ordnung, also da war mein Abschlussball....." begann sie ihre Erzählung.

Einige Zeit später....

"Na, das war dann aber ein Reinfall für Markus. Der hatte sich den Abend sicher anders vorgestellt. So ein lauschiges Plätzchen mit einer entzückenden Dana...." lachte Mulder.

Scully wurde rot. "Ach hören Sie schon auf. Markus war nicht so einer."

"Jungs in dem Alter sind alle gleich." warf Mulder ein.

Scully hob ihr Weinglas an die Lippen und blinzelte ihn über den Rand spitzbübisch an.

"Sie sprechen da wohl aus Erfahrung?"

Mulder lächelte. "Ich war nicht so ein schlimmer Junge, sondern ein ganz braver, wohlerzogener Teenager."

"Sagten Sie nicht eben Jungs in dem Alter wären alle gleich? Oder sind Sie die berühmte Ausnahme?"

"Punkt für Sie." murmelte Mulder.

Sully grinste.

"Und war er derjenige welcher?" wollte Mulder wissen.

"Wie bitte?" ‚Das meint er jetzt doch nicht ernst, oder?'

"Na derjenige, von dem Sie Ihren ersten Kuss bekommen haben?" Mulder lächelte breit und Scully atmete hörbar auf.

"Nein, ehrlich gesagt, bekam ich meinen ersten Kuss mit 14."

Mulder verdrehte die Augen. "Mit 14, Scully. Ich bin entsetzt."

Sully lächelte versonnen. "Er war einer von Bills Freunden und drei Jahre älter. Wir trafen uns auf Bills Geburtstagsparty und er fragte mich, ob ich mich ein bischen mit ihm unterhalten will. Wir setzten uns auf die Veranda und das nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass wir uns küssten. Es war sehr schön, doch dann versuchte er, seine Zunge ins Spiel zu bringen und ich rannte erschrocken weg."

Lachend sah Mulder sie an. "Sie mögen also keine Zungenküsse, Scully? Das muss ich mir merken."

Scullys rote Wangen färbten sich noch einen Schatten dunkler.

Mulder schwieg einen Moment und dachte über etwas nach. "Sie haben noch keinen richig Guten bekommen, sonst würden sie es mögen." sagte er dann.

"Richtig Guten? Was meinen Sie damit?" fragte Scully durcheinander.

"Zungenkuss. Ich wette, Bills Freund war ein lausiger Küsser."

"Nun hören sie schon auf, Mulder. Ich war 14 Jahre alt. Seitdem hat sich vieles geändert." erklärte Scully.

"Sie lieben jetzt also Zungenküsse?"

Scully verdrehte die Augen. "Genug von mir geredet. Wie war das auf Ihrem Abschlussball? Wem haben Sie da den Kopf verdreht?"

Mulder verzog seinen Mund zu einem Grinsen. "Tja wissen Sie, da war dieses große blonde Mädchen aus der 9. Klasse...."

Dann berichtete Mulder fast eine Stunde aus seinen Jugenderinnerungen.

Schließlich beendete er seine Erzählung und sagte theatralisch: "So. Jetzt kennen Sie meine ganze furchtbare Vergangenheit."

"Das war sehr interessant, Mulder. Aber jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee." meinte Scully nur.

"Uh,uh. Bedarf an einem kleinen Koffeinzuschuss? Hat Sie die Geschichte so umgehauen?"

"Nein!" schmunzelte Scully. "Aber der Wein beginnt langsam zu wirken."

"Stimmt, der Wein ist ganz schön stark. Mir steigt er auch langsam zu Kopf. Wenn Sie also müde sind, können Sie sich ruhig etwas hinlegen." sagte Mulder fürsorglich.

"Nicht nötig. Ich kann jetzt sowieso nicht schlafen. Ich möchte mich einfach nur ein bischen entspannen, mal eine Zeit nicht über die Arbeit nachdenken."

Mulder nickte zustimmend. "Okay, soll ich Ihnen noch mehr aus meinem bewegten Leben erzählen?"

Scully schüttelte den Kopf. Gut, seine Geschichte war lustig gewesen, aber im Moment wollte sie nicht mehr von einem jungen unerfahren Mulder hören. Unweigerlich würde er dann entweder an Samantha erinnert werden oder an seine erste große Liebe, Phoebe Green. Eine weitere schlechte Erinnerung.

Mulder hatte ihre Reaktion interessiert beobachtet. "Also nicht." sagte er. "Gut! Wir können ja auch was anderes tun. Ich meine, wir könnten uns stattdessen...." Mulder brach erschrocken hab. ‚Idiot! Ich habe eindeutig zu viel Wein getrunken und nun plappere ich alles aus, was mir durch den Kopf geht.' dachte er. Aber er konnte den Gedanken einfach nicht bannen, der in seinem Kopf herumgeisterte, seit Scully von ihrem ersten Kuss berichtet hatte.

"Na, was könnten wir stattdessen?" fragte Scully gähnend.

"Ja wir..." Mulder wurde etwas rot und geriet ins Stocken

So hatte Scully ihn noch nie gesehen. Ihr Interesse war geweckt. Es sah aus, als ob er ihr etwas sehr Persönliches mitteilen wollte, Gedanken, die aus tiefstem Herzen kamen.

"Mulder, sagen Sie schon, Was könnten wir tun?" forderte sie ungeduldig.

Mulder schluckte. Er bemerkte, wie Scully gebannt an seinen Lippen hing und suchte verzweifelt nach einer Ausrede. Doch ihm fiel absolut nichts ein.

‚Ganz ruhig, Junge.' ermahnte er sich. Dann holte er tief Luft und sagte in einem Atemzug: "Wirkönntenunsküssen."

Scully war sich nicht sicher sein Gemurmel richtig verstanden zu haben.

"Küssen?" fragte sie nach. Schlagartig waren ihr Rausch und ihre Müdigkeit verflogen.

Mulder legte seinen Kopf schief und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.

"Naja! War ja nur so eine Idee. Wir waren schließlich schon mal nahe dran."

"Da.. das ist lange her." stotterte sie. Ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust, als wollte es zerspringen. ‚Sollten meine Hoffnungen doch noch erfüllt werden?' ging es ihr durch den Kopf.

Aber dann wurde ihr klar. ‚Er ist betrunken. Für ihn ist das nur ein Zeitvertreib, ein Spiel. Er findet das lustig. Er hat eben ja sogar zugegeben, dass er einen Schwips hat.' Ärgerlich sah sie ihn an.

Mulder bemerkte ihren abrupten Stimmungswechsel.

"Ah verstehe. Sie wollen mich nicht küssen."

"Das ist es nicht!" rutschte es Scully heraus.

"Aber sie empfinden nichts für mich. Ich bin nur wie ein Bruder für Sie?"

"Sie sind mehr als ein Bruder für mich." antwortete sie spontan.

Mulder atmete erleichtert auf. Jetzt hatte er Scully am Haken. Sie hatte ihm gerade gestanden, dass er ihr etwas bedeutete. Jetzt würde er nicht lockerlassen, bis er genau wusste wie tief diese Gefühle gingen.

"Wieviel mehr?" fragte er.

"Mulder!"

"Es ist nur eine einfache Frage, die eine einfache Antwort verlangt. Kommen sie schon, Scully. Wieviel mehr?"

"Mulder, ist Ihnen eigentlich klar, wie absurd diese Unterhaltung ist?"

"Lenken sie jetzt nicht ab, Scully. Wieviel mehr als für einen Bruder empfinden Sie für mich?"

"Viel mehr, Mulder."

"Das ist keine genaue Antwort! Wieviel mehr?"

Nervös rutschte Scully auf der Couch hin und her und ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen. Ihr Blick blieb schließlich an der Reflexion Mulders im Fernsehbildschirm hängen. Ihre Gefühle spielten total verrückt. Sie war ärgerlich, dass er es wagte sie so etwas zu fragen, doch ihr Zorn wechselte schnell zu Begehren.

‚Nur einmal diese Lippen spüren auch wenn es nichts für ihn bedeutet.'

Sie wusste, dass er jetzt sowieso keine Ruhe geben würde bis er die Wahrheit wusste. Genausogut konnte sie jetzt auch gleich die Karten auf den Tisch legen und sagen, was sie für ihn fühlte.

"Naja, ich... ich" ‚Verdammt, warum kann ich dieses einfache Wort nicht aussprechen. Jedem kam es ganz leicht über die Lippen. Sogar Mulder hat es schon benutzt.' fuhr es ihr durch den Kopf.

"Nun?" Mulder konnte es kaum noch aushalten. ‚Wie lange will sie mich denn noch auf die Folter spannen?' Da endlich, Scully bewegte den Mund.

"Ich mag Sie!" hörte er.

‚Ich mag Sie?' Dieser Satz war nicht gerade das, was er erhoffte hatte.

"Sie mögen mich?" fragte er verdutzt.

Scully lächelte verkrampft. "Genau! Sehr sogar." ‚Uff, noch mal gerettet. Warum eine Freundschaft wegen eines Kusses aufs Spiel setzen.' dachte sie.

Mulder kaute grübelnd auf seiner Unterlippe. "Darf ich Sie jetzt trotzdem küssen?"

Scully starrte ihn an. Gab der Mann denn nie auf? Wusste er nicht, wann man ein Spiel zu beenden hatte, bevor es zu ernst wurde?

"Nun hören sie endlich auf damit. Das ist kein Spiel mehr. Sie wollen mich doch gar nicht wirklich küssen. Oder möchten Sie mal testen, ob ich besser bin?"

"Wie bitte? Wie meinen Sie denn das jetzt. Besser als wer?" fragte Mulder verwirrt.

‚Ha, jetzt habe ich dich. Jetzt kannst du mal fühlen, wie das ist in die Enge getrieben zu werden und dein Innerstes preiszugeben.'

"Besser als Diana!" sagte Scully siegessicher.

"Wieso Diana? Was hat sie damit zu tun?"

Langsam wurde es Mulder zu merkwürdig. Scully musste wirklich einen starken Rausch haben. "Sagen Sie mal Scully, geht es Ihnen wirklich gut?"

"Ich habe Sie gesehen!" erklärte sie.

"Was gesehen?" ‚Diese Unterhaltung wird immer seltsamer.'

"Sie und Diana. Wie Sie sich geküsst haben." Scully ergriff ihr Weinglas und nahm noch einen Schluck.

Mulder war versucht, ihr das Glas aus der Hand zu nehmen. Sie hatte mehr als genug für heute.

"Scully!" lachte er. "Damals waren sie noch gar nicht beim FBI. Oder sind sie Diana und mir da schon mal zufällig begegnet, ohne dass ich mich daran erinnern kann?"

Scully sah ihn ungläubig an. ‚Jetzt reicht es mir aber. Erst spielt er mit meinen Gefühlen und jetzt versucht er noch mich zu verspotten. Wie wagt er es, seine Affäre mit Diana abzuleugnen und mich zu belügen. Ich habe schließlich Beweise.'

Scully erhob sich, ging zu ihrem Schreibtisch und fischte ein Foto aus der untersten Schublade. Triumphierend ging sie zur Couch zurück und hielt das stark zerknitterte Foto vor seine Nase.

"Und was ist das?" Plötzlich fühlte sie sich gar nicht mehr so gut. Das war der ultimative Moment, der alles ändern würde. Nachdem Mulder alles zugegeben hatte, konnte sie ihre Hoffnungen endgültig begraben. Vielleicht wollte er danach auch gar nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten, sondern hätte lieber Diana an seiner Seite, jetzt wo die Wahrheit ans Licht war. Schließlich hatte sie kein Recht sich in sein Privatleben einzumischen. 'Es ist ja nicht so, als ob wir jemals Liebhaber waren.' dachte sie.

Mulder beugte sich nach vorn um etwas auf dem ramponierten Foto erkennen zu können. Er sah zwei Personen, die.... ‚Oh Gott, Diana und ich, an diesem unglückseligem Abend. Verdammt noch mal, woher hat sie dieses Foto?'

"Äh Scully, das ist nicht das, wonach es aussieht. Das war ein Unfall." versuchte er sich herauszureden.

Scully schaute ihn zweifelnd an. "Na klar, ein Unfall." meinte sie sarkastisch. "Sie haben sich also zufällig getroffen, sind gestolpert und in einem Sessel gelandet mit Diana Fowley über Ihnen. Und zum Trost haben Sie sie dann geküsst. Klingt ja auch ganz logisch."

"Sie hat mich geküsst und nicht umgekehrt." erklärte Mulder.

"Spielt das eine Rolle?"

"Ja, eine große sogar. Scully, das war an dem Abend, an dem mir der Krebskandidat über das Projekt erzählt hat, wegen dem meine Schwester entführt wurde. Und über die El Rico Airforce Basis. Ich war verzweifelt und ich suchte Trost. Diana kam und sah meine Traurigkeit. Sie nahm mich tröstend in die Arme und küsste mich. Aber als...."

Scully schloss die Augen. Am liebsten hätte sie sich auch noch die Ohren zugehalten. Er sollte endlich aufhören. Er brauchte nichts weiter zu erklären. Sie hatte genug gehört über ihn und Diana.

"... mir klar wurde, dass es nicht die Frau war, die ich mir in meinen Armen wünschte, brach ich den Kuss ab." Wie durch eine Nebelwand nahm sie seine Worte wahr. ‚Ich habe mich bestimmt verhört.' dachte sie benommen.

"Ich wollte, dass Sie es sind, Scully." sagte er und nahm ihr Gesicht zärtlich in seine Hände.

"Ich werde Sie jetzt küssen. Aber laufen Sie mir bloß nicht weg, falls ich meine Zunge dabei benutze."

Dann spürte sie seine weichen Lippen auf ihrem Mund, fühlte das sanfte Streicheln seiner Zungenspitze, die um Einlass bat. Ohne Zögern öffnete sie ihren Mund und ließ ihn ein. Vorsichtig durchforschte seine Zunge ihre Mundhöhle, tastete über ihre Zähne und schlang sich schließlich um ihre Zunge. Leidenschaftlich erwiderte sie seinen Kuss.

‚Sie hatte recht. Sheila hatte recht. Der Mann kann küssen.' ging es ihr durch den Kopf, als sich Mulder wieder von ihr löste.

Mulder lächelte sie glücklich an und stand auf. "Ich werde jetzt besser gehen, bevor alles außer Kontrolle gerät. Denk' in Ruhe über alles nach. Ich möchte dich in meinem Leben haben, und zwar nicht nur als meine Kollegin. Aber du solltest dir über die Konsequenzen klar werden, die damit verbunden sind. Denn wenn du dich für mich entscheidest, ist das für immer. Ich werde dich dann nie mehr gehen lassen." sprach er ruhig.

Dann holte er sein Handy hervor und rief sich ein Taxi.

Scully sah ihm lächelnd zu. Sie brauchte nicht erst darüber nachzudenken. Sie hatte sich schon vor langer Zeit entschieden. Vor genau sechs Jahren, als sie bei ihm geblieben war in jener Nacht auf ihrem ersten gemeinsamen Fall und seiner Erzählung über das Verschwinden seiner Schwester gelauscht hatte.

Sie stand am Fenster und beobachtete, wie er in ein Taxi einstieg.

Glücklich ging sie ins Wohnzimmer zurück. ‚Komisch. Schon wieder hat eine Unterhaltung in einem Kuss geendet. Muss wohl mein Schicksal sein.' dachte sie zufrieden.

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