World of X

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Apoll und Aphrodite

von Talli W

Kapitel #1

Fox Mulder seufzte frustriert. Sie hatten noch keine Spur im Folkner-Fall. Adrian Folkner oder Dr. Beauty, wie er sich selbst nannte, war ein durchgedrehter Schönheitschirurg, dem nun schon sechs Menschen zum Opfer gefallen waren.

Dr. Beauty hatte es plötzlich nicht mehr genügt seine Patienten zu verschönern, sondern er wollte deren Schönheit für alle Ewigkeit konservieren. Vor 4,5 Monaten hatte Folkners Schreckenszug quer durch die Staaten begonnen. Alle 3 Wochen ein neues Opfer, eingelegt in Formaldehyd. Der Beweis, dass sie zum Zeitpunkt ihres Todes noch bei vollem Bewusstsein waren, deutlich in ihren Gesichtszügen sichtbar.

Vor 1 Woche hatte das FBI Mulder hinzugezogen in der Hoffnung der ehemalige Spitzenprofiler würde die Ermittlungen vorantreiben. Doch trotz Mulders Profil hatten sie noch keinen Erfolg zu verzeichnen. Folkner war wie vom Erdboden verschluckt und die Zeit lief ihnen davon.

Adrian Folkner saß in einem dreckigen Motelzimmer am Rande Washingtons. Interessiert las er die Artikel der Washington Times.

Mittlerweile gab es kaum eine Zeitung in den Staaten, die nicht über seine Kreationen berichtete. 'Herrliche Skulpturen in ihrer Schönheit für alle Zeiten verewigt...', dachte er glücklich. Plötzlich runzelte er wütend die Augenbrauen.

"Das Profil eines Serienmörders: Folkner.... in seiner Manie für Schönheit..... schizophrene Züge.", war alles was er las, bevor er die Zeitung wütend zusammenknüllte. 'Wer wagte es so etwas über ihn zu behaupten? Er war kein Mörder! Er erschuf Schönheit!'

Ärgerlich rannte er im Zimmer auf und ab. Dann warf er zornig eine Blumenvase gegen die Wand. 'Wie konnte diese Zeitung so etwas schreiben?'

Er hob die Zeitung wieder auf und glättete sie sorgsam. Dann sah er sich den Artikel erneut an. "Aus sicherer Quelle können wir Ihnen heute einige Auszüge aus dem geheimen Bericht des FBI anbieten. Die Behörden hoffen das detaillierte Profil des Serienmörders Adrian Folkner, alias Dr. Beauty, wird zur baldigen Ergreifung des Verbrechers führen. Daneben war ein Foto des Profilers und seines Partners abgebildet. Er sah sich das Foto genauer an. 'Also Agent Fox Mulder hieß dieser Mistkerl.' Dann begann sein Herz schneller zu schlagen und eine fiebrige Unruhe ergriff ihn. Er kannte dieses Gefühl, hatte sie bisher schon sechs mal gespürt, diese Art der Euphorie. Sie stand da wie eine Göttin, mit ihren flammendroten Haaren und dem unergründlichen Blau ihrer Augen, eine Göttin der Schönheit und der Liebe, ...seine Aphrodite. Er würde sie retten. Sie würde sicher sein vor den schmutzigen Händen des Pöbels, vor den hässlichen Zeichen des Alterns, bewundert und angebetet, ...sein Meisterwerk.

"Wenn wir wenigstens wüssten, wo er als nächstes zuschlagen wird", sagte Mulder erschöpft. Er hatte in den letzten Tagen kaum geschlafen. Immer wieder sah er die schmerzverzerrten Gesichter der Opfer vor sich, ihre Münder zu einem letzten verzweifelten Schrei geöffnet.

"Wir müssen ihn finden, Scully!"

Scully sah ihn besorgt an. Er stand kurz vor dem Zusammenbruch. Mit Schaudern dachte sie an den letzten Fall, als Mulder sich zu sehr in der Psyche eines Mörders verloren hatte.

"Jetzt ist genug! Du bist völlig erschöpft, Mulder. In diesem Zustand wirst du erst recht nichts erreichen. Ich will, dass du jetzt nach Hause fährst und wenigstens 6 Stunden durchschläfst." sprach sie energisch.

"Ich kann jetzt nicht ausruhen." Mulder schüttelte den Kopf.

"Mulder! Muss ich erst zu Skinner gehen und dich von dem Fall abberufen lassen?", fragte Scully. Verletzt sah Mulder sie an. Wie konnte sie ihn so erpressen. "Na gut! Gehen wir nach Hause!" lenkte er ein.

Dr. Folkner beobachtete die Leute, die aus dem FBI- Quartier strömten.

Viele Männer und nur wenige Frauen, alle einheitlich in dunklen Anzügen oder Kostümen gekleidet. Sie war nicht dabei. Ihm kamen Zweifel. Vielleicht arbeitete sie gar nicht hier?! Er war fast bereit aufzugeben, da kam sie. Als einer der letzten verließ sie und dieser Profiler das Gebäude.

'Das Kostüm ist zu streng geschnitten', dachte er. 'Sie sollte ein wallendes Kleid aus Chiffon tragen oder noch besser... Seide.'

Der Gedanke von ihrem Körper in einem Hauch aus Seide gehüllt, berauschte ihn. 'Sie war die Auserwählte, der Höhepunkt seines Schaffens.'

Unauffällig folgte er ihrem Wagen, immer bemüht einige Autos zwischen ihnen zu lassen. Ihr Wagen stoppte plötzlich.

'Georgetown! Hier also lebte sie.'

Scully hatte es sich gerade auf der Couch gemütlich gemacht. Sie hatte geduscht und sich umgezogen, fühlte sich jetzt völlig erfrischt und wollte noch einige Berichte beenden, als die Türglocke schellte.

Sie erhob sich seufzend, griff routinemäßig nach ihrer Waffe und ging zur Tür. Vorsichtig lugte sie durch den Spion, konnte aber niemanden sehen. "Mulder, das ist nicht witzig. Sie sollten doch zu Hause sein und sich ausruhen!", rief sie durch die Tür. Keine Antwort. Scully wurde nervös. Sie griff ihre Sig Sauer fester und hielt den Atem an.

Dann hörte sie Schritte, die sich von ihrer Tür wegbewegten, die Treppe hinunter. Langsam öffnete sie die Tür und spähte hinaus.

Es war niemand da. Scully schüttelte den Kopf und drehte sich, um in ihre Wohnung zurückzukehren. In diesem Moment packte sie eine Hand von hinten und drückte ihr ein Tuch vor den Mund. Sie erkannte den Geruch von Äther. Dann sackte sie bewusstlos zusammen. Folkner grinste zufrieden. "Reingelegt!"

Er stopfte das äthergetränkte Tuch zurück in seine Jackentasche und hob Scully vorsichtig hoch. Dabei fiel ihm unbemerkt ein kleine Karte aus der Tasche. Dann trug er seine Beute hinunter zu seinem Auto. Niemand sah ihn, niemand hörte ihn. Es war perfekt.

Scully erwachte in einem kleinem Raum voller Blumen. Sie lag auf einem kleinen, mit rotem Samt bezogenen Divan. Ihr T-Shirt und die Jeans waren verschwunden. Stattdessen trug sie ein wundervolles Kleid aus schwarzer Seide. Ihre linke Hand waren mit einem Chiffontuch umwunden, über dem sich eine Handschelle schloss, die über eine lange Eisenkette an einen Metallring an der Wand gekettet war. So konnte sie sich im ganzen Raum frei bewegen, aber nicht entfliehen.

Die Tür öffnete sich: "Ah, meine Göttin ist erwacht", lächelte sie ein kräftiger, etwa 40jähriger Mann an. Scully erstarrte. Sie hatte dieses Gesicht in letzter Zeit so oft gesehen, auf den Fahndungsfotos der Polizei. Es war Adrian Folkner!

Mulder machte sich Sorgen. Es war bereits nach 9:00 Uhr und sie immer noch nicht im Büro erschienen. Sie hatte nicht angerufen und ging auch nicht an ihr Handy. Das war gar nicht ihre Art. Kurzentschlossen ergriff er sein Jackett und verließ das Büro.

"Was wollen Sie von mir? Lassen Sie mich gehen!", forderte Scully.

Adrian lächelte sie nur an und stellte ein Tablett mit Lebensmitteln auf den Tisch. Verzweifelt griff Scully ihn an und verpasste ihm einige harte Tritte und Schläge, bevor er sich aus dem Raum retten konnte. Minuten später kehrte er mit einem langen Stock in der Hand zurück, ähnlich den Geräten, die die Viehtreiber benutzten um die Tiere mit Elektrostößen vorwärts zu treiben. "Noch so ein Angriff und ich werde dir sehr weh tun müssen", sprach er und ging wieder.

Scully schloss verzweifelt die Augen: 'Das ist ein Alptraum. Das kann einfach nicht sein. Jeden Moment werde ich in meinem Bett aufwachen.'

Aber sie wusste, dass es real war. Sie war in den Händen des wahnsinnigen Dr. Beauty.

Mulder klopfte an Scullys Tür. Als sich nichts rührte, öffnete er schließlich selbst die Tür. Scully war nicht da. Ihr Laptop lag geöffnet auf dem Tisch und hatte sich in den Sparmodus geschaltet. Daneben befand sich ein angebissener Bagel und eine Dose Sprite. Nichts deutete auf einen Eindringling oder einen Kampf hin. Aber wo war sie dann?

Leise schloss Mulder die Wohnungstür und bewegte sich zur Treppe.

Sein Blick fiel auf ein Stück Papier auf der ersten Stufe. Mulder bückte sich und starrte verwundert auf die Visitenkarte eines Kostümverleihs. Dann roch er den Äther.

"Du musst etwas essen, meine kleine Göttin", sagte er sanft. Scully reagierte nicht. "Iss!", befahl er und blitzte sie wütend an. Er hob den Elektroschocker... Zögernd griff Scully nach einem Sandwich und biss ein Stückchen davon ab. Folkner nickte zufrieden und verließ den Raum. Draußen lehnte er sich gegen die kühle Wand und atmete tief durch. 'Er musste stark sein. Er musste sein Werk vollenden.'

Mulder lag richtig. Es war Äther. Das hatte der Labortest eindeutig bewiesen. Er hatte sofort die auf der Karte angegebene Adresse aufgesucht, doch diese Spur hatte sich als Sackgasse erwiesen. Der Kostümverleih hatte wegen Umbauten am Gebäude schon seit 6 Wochen geschlossen. Und Scully war nie dort gewesen.

Es war soweit. Folkner trieb Scully in einen großen gekachelten Raum mit mehreren Duschen an der Seite.

In der Mitte befanden sich 3 kleine Becken, von denen das letzte mit einer Flüssigkeit gefüllt war. Es stank nach Formaldehyd und Scully erschauerte. Sie wusste, was bald geschehen würde...

Mulders Telefon klingelte und er nahm ab "Mulder hier!", antwortete er.

Eine schluchzende Mädchenstimme fragte: "Agent Mulder? Ich bin Susan Walter. Mein Vater führt einen Kostümverleih. Sie waren doch heute hier?" Mulder bestätigte es.

"Ich muss mit Ihnen reden, aber mein Vater darf nichts davon erfahren", bat sie ihn.

Mulder stimmte zu und notierte sich die Adresse einer kleinen Milchbar in der City.

In Rekordzeit traf er dort ein, nachdem er fast alle Verkehrsregeln missachtet hatte. Susan Wolters wartete schon auf ihn. Sie war nicht schwer zu erkennen. Sie war die einzige, die mit geröteten, verquollen Augen allein an einem Tisch saß.

"Erzählen Sie!", forderte Mulder. Dann lauschte er der Geschichte eines Teenagers, der sein Taschengeld aufbesserte, indem er ab und zu ein Kostüm unter der Hand verkaufte.

"Der Typ kam mir gleich so komisch vor, weil er mich so seltsam ansah und wirres Zeug faselte. Aber er hat gut bezahlt und da war mir das egal. Erst heute früh habe ich sein Foto in der Zeitung erkannt. Und dann waren Sie bei meinem Vater und haben Fragen gestellt. Ich habe das wirklich nicht gewollt...", schluchzte sie.

"Wen haben Sie erkannt?", fragte Mulder ungeduldig.

"Es ist Dr. Beauty!", weinte sie los.

Mulder schluckte. 'Oh Gott! Folkner war in der Stadt und er hatte Scully. Sie sollte sein nächstes Opfer werden... Er musste sie vorher finden! Aber sie konnten sich überall aufhalten'

"Hast du darauf geachtet, wohin er gefahren ist, hast du dir seine Autonummer gemerkt?", fuhr er Susan Wolter an. Susan schüttelte verstört den Kopf. "Er ist geradeaus gefahren, tiefer in unser Viertel. Aber da hinten sind nur einige Lagerhallen, leere Wohnblöcke, eine alte Eisdiele und ein Fitnessstudio." erklärte sie. "Fitnessstudio?", fragte Mulder verwirrt.

"Ja, Sie wissen schon, mit Sauna und Sonnenbank und dem Ganzen. Aber der Laden ist schon seit Jahren dicht."

Mulder nickte verstehend. Dann dankte er Miss Wolters für ihre Hilfe und informierte Skinner über die neuen Erkenntnisse.

Ziellos fuhr er durch das Kensington-Viertel. Es würde Tage dauern bis sie alle leeren Gebäude durchkämmt hätten. Zeit, die Sie nicht hatten, die Scully nicht hatte. Er trat frustriert auf das Gaspedal und der Wagen schoss nach vorn.

Plötzlich blitzte ein Gedanke in Mulders Schädel auf. 'Folkner brauchte eine Wanne für sein Formaldehyd! Oder ein Becken!'

"Das Fitnessstudio!", rief er aus und gab Gas.

"Es wird nicht lange weh tun. Es ist gleich vorbei", flüsterte Adrian.

Dann hob er Scully hoch. Scully versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, aber Folkner war stärker. Sie strampelte und trat nach ihm. Adrian lachte nur und warf sie schwungvoll in das letzte Becken.

Dann verließ er den Raum.

Verzweifelt versuchte Scully aus dem Becken zu klettern. Aber das Formaldehyd brannte, verätzte ihre Haut und sie rutschte immer wieder ab, zurück in die tödliche Flüssigkeit.

Mit quietschenden Bremsen stoppte Mulder vor dem verlassenen Gebäude und rannte hinein. Er vernahm Geräusche aus dem hinteren Räumen und folgte ihnen dorthin.

Scully hatte Angst. Todesangst. Sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde. Dieses Becken würde zu ihrem Grab werden. Ihre Kräfte schwanden und sie hörte auf zu kämpfen. 'Gleich würde es vorbei sein', dachte sie als das Formaldehyd über ihrem Kopf zusammenschlug.

Überraschend griffen starke Arme nach ihr, zogen sie aus dem Becken und zerrten sie hinüber zu den Duschen.

Kaltes Wasser prasselte schmerzhaft auf ihre Haut. Jemand riss ihr die Kleidung vom Leib und begann unsanft über ihren Körper zu schrubben.

"Es brennt, es brennt so", wimmerte sie. Der Fremde verdoppelte seine Anstrengungen und rieb noch heftiger. Ihre Haut brannte, jede Faser ihres Körpers war auf Feuer. Als sie dachte, sie könnte es nicht mehr ertragen und würde ohnmächtig werden, hörte er auf.

"Es wird gleich besser, Scully", sagte eine vertraute Stimme.

"Danke Gott! Es ist Mulder. Ich bin gerettet", dachte Scully und warf sich ihm entgegen.

Mulder zog Scully fest an seine Brust und strich ihr zärtlich über den Rücken. Selbst diese sanfte Berührung tat weh und Scully versuchte ein schmerzvolles Stöhnen zu unterdrücken. Doch Mulder hatte es gehört und ließ Scully abrupt los. Ihre Haut war krebsrot und sie zitterte am ganzen Körper. Er zog sein feuchtes Jackett aus und reichte es Scully. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie vollkommen nackt vor ihm stand. Sie legte sich das Jackett lose über die Schultern, bemüht mit ihrer Haut so wenig in Kontakt zu kommen wie möglich.

'Sie muss sofort in ein Krankenhaus', dachte Mulder.

Schnell holte er sein Handy hervor und wählte die Nummer des Notarztes.

"Nicht so schnell, FBI-Boy", ertönte es hinter ihnen. Mulder fuhr erschrocken herum. In der Tür stand Folkner und zielte mit einer Pistole auf ihn. "Los, weg mit dem Handy!", befahl er. Mulder gehorchte und ließ das Handy fallen. "Und jetzt Ihre Waffe!" Frustriert nahm Mulder seine Dienstwaffe aus dem Holster und warf sie auf den Boden.

"Verdammt!", dachte Mulder. "Ich habe wieder alles versaut."

Adrian Folkner blickte auf die zitternde Scully, die sich jetzt in das Jackett kuschelte, um ihre Blöße zu verdecken.

"Warum haben Sie uns gestört?“, fragte Folkner verständnislos. "Sehen Sie sich jetzt an! Wie soll ich sie jetzt konservieren?"

Mulder erkannte den Wahnsinn in den Augen Folkners. Er schrie los: "Das haben Sie ihr angetan."

Folkner wurde wütend: "Genug! Sie haben nicht das Recht so mit mir zu reden. Wie können Sie es wagen meine Arbeit zu stören. Ich stand kurz vor der Vollendung."

Scully hatte sich von dem Schock erholt und mischte sich jetzt ein. "Geben Sie auf, Folkner! In wenigen Minuten wird das FBI hier sein. Sie haben keine Chance", sprach sie energisch. Mulder senkte schuldbewusst den Kopf. Scully sah zu ihm und verstand plötzlich.

Es würde keine Hilfe kommen. Kein FBI. Mulder war wieder einmal Hals über Kopf losgestürzt, ohne jemanden zu benachrichtigen. Sie schloss entmutigt die Augen.

Adrian hatte sie die ganze Zeit beobachtet und deutete ihre Miene richtig. Er lachte. "Es kommt wohl doch keiner."

Er schüttelte den Kopf. "Was soll ich jetzt nur mit Ihnen machen, FBI-Boy? Sie haben es gewagt Aphrodite zu berühren. Keinem Sterblichen ist das erlaubt."

Er hob die Waffe und legte den Finger an den Abzug.

Scully erkannte seine Absicht und stellte sich schützend vor Mulder. Mulder wollte sie wegschieben, aber Scully behauptete ihre Position.

Fasziniert beobachtete Adrian dieses Schauspiel. "Warum schützte seine Göttin diesen Eindringling?" fragte er sich.

Er sah sich den FBI-Agenten genauer an.

Er war von fast klassischer Schönheit. Markante Wangenknochen, ein energisches Kinn und so sanfte Augen. Adrian begriff, wer der Fremde war. Sein Herz sang vor Freude.

'Das war ein Fingerzeig des Himmels. Er würde etwas völlig Neues erschaffen. Eine neue Skulptur, Apoll und Aphrodite vereint. Er sah es vor sich, sie würden seine Kunst bewundern, sein Werk anbeten. Aber erst einmal musste Aphrodite wieder ihre alte Schönheit zurückgewinnen. In diesem Zustand konnte er sie nicht verwenden.'

Folkner dirigierte seine Gefangenen zurück in den Raum, in dem Scully vorher gewesen war und kettete Mulder an. Dann holte er eine zweite Armfessel und verfuhr mit Scully genauso.

Die Tür schloss sich. Sie waren allein. Mulder traten Tränen in die Augen. 'Sie waren gefangen und diesmal gab es kein Entkommen. Niemand wusste, wo sie waren. Und es war alles seine Schuld.'

Scully hatte sich auf dem Diwan zusammengerollt, Mulders Jackett über ihren Körper drapiert und die Arme schützend vor ihre Brust gelegt.

Leise öffnete sich die Tür wieder. Adrian trug eine Decke, ein neues Kleid und eine Tube Creme herein. Er legte alles sorgsam auf den Tisch und wandte sich zum Gehen. Mulder sah seine Chance zu Handeln und warf sich gegen Folkner. Doch der hatte mit einem Angriff gerechnet und wich zur Seite aus. Mulder rannte ins Leere und stolperte. Dann spürte er einen furchtbaren Schmerz durch seinen Körper rasen, der ihm den Atem nahm. Wie durch eine Nebelwand vernahm er Folkners Stimme: "Ich will dir doch nicht wehtun. Aber du warst nicht artig und ich muss dich bestrafen."

Dann spürte er wieder den Schmerz. "Ach übrigens trage ich den Schlüssel für die Fesseln niemals bei mir." hörte er noch, bevor alles dunkel um ihn wurde und er das Bewusstsein verlor.

Er erwachte von dem Gefühl von sanften Fingern, die zärtlich über seine Stirn streichelten. Er lag auf dem Diwan in Scullys Schoß und fragte sich, wie er dorthin gekommen war. Er kuschelte sich tiefer in ihre Wärme und Scully stöhnte auf. Mit einem Schlag war er wach. Er erinnerte sich, was geschehen war und sprang auf.

Folkner war nicht da. Er sah zu Scully. Sie war nicht länger nackt, sondern trug ein weißes Chiffonkleid, das mehr enthüllte als verbarg und hatte eine Decke um sich gewickelt.

"Du hast Schmerzen", stellte er fest. Scully nickte: "Aber nur noch ein bisschen. Diese Salbe tut wirklich Wunder. Leider kam ich nicht überall hin. Ich bin nicht mehr so gelenkig wie als Teenager." Sie versuchte zu lächeln, was ihr aber gründlich misslang.

Mulder seufzte. Dann griff er nach der Cremetube auf dem Tisch.

"Los dreh dich um, Scully!", befahl er. Scully sah ihm mit einem fragenden Blick an, rollte sich dann aber auf den Bauch.

Mulder kniete neben ihr nieder und schob vorsichtig das Kleid ihrer Schulter. Er drückte etwas Salbe in seine Handfläche und begann sie vorsichtig auf Scullys Rücken zu verteilen.

Sorgfältig massierte er das weiße Fluid in ihre gereizte Haut. Scully stöhnte auf. Mulder hörte sofort auf, aber Scully forderte ihn auf weiterzumachen. Seine Hände fühlten sich so gut an. Schmerz mischte sich mit Vergnügen und jagte Feuer durch ihre Venen. Scully biss auf ihre Unterlippe, um ein weiteres Stöhnen zu unterdrücken.

"Wie ich sehe, geht es meiner Aphrodite schon wieder besser", unterbrach Adrian Folkner die Idylle.

Mit Wohlgefallen stellte er fest, dass die Rötung auf Scullys Haut fast abgeklungen war.

"Es ist Zeit. Bald werdet ihr für immer vereint sein, mein holder Apoll und meine schöne Aphrodite", sprach Folkner. "Und das werdet ihr tragen", setzte er fort und reichte ihnen zwei weite Gewänder aus Seide, ähnlich den Togas aus der Antike.

"Wollen sie uns beide jetzt in Formaldehyd legen?“, fragte Mulder sarkastisch. Adrian dachte an den furchtbaren Geruch des Konservierungsmittels und ihm wurde übel. 'Aphrodite sollte nach Rosen duften und nicht nach diesem penetranten Zeug.' Er sah plötzlich, wie stümperhaft seine Arbeit bisher gewesen war, wie falsch er alles gemacht hatte. Er erinnerte sich an den Film, den er vor einigen Tagen gesehen hatte. Das war ein wirklicher Meister gewesen. Er hatte seine Schöpfungen in Wachs gegossen. 'Wachs nimmt sehr leicht jeden Geruch an, den ich möchte. Sie würde nach Rosen duften oder Aprikose, wenn er es wünschte.

Es war noch nicht zu spät, aber er musste sich beeilen. Er war schon viel zu lange an einem Ort.'

Sofort machte er sich daran, alle notwendigen Artikel zu besorgen.

Er hatte genügend Bargeld bei sich und so war es nicht schwer das Gewünschte zu erhalten. Am Abend hatte er alles beisammen. Ein großer heizbarer Kessel war bis zum Rand mit Wachs gefüllt, eine Gießstrecke installiert. Er hatte die Monteure gut bezahlt und so hatte niemand Fragen gestellt. Jetzt konnte die Arbeit beginnen.

"Folgt mir!", befahl Adrian.

"Hören Sie auf. Sie ist doch noch verletzt", bat Mulder und wies auf Scully.

"Aber es wird nicht wehtun. Kein Formaldehyd mehr. Das war so dilettantisch. Erst ein Film hat mir die Augen geöffnet. Das wahre Element ist Wachs", erklärte Adrian selig.

Mulder wusste, von welchem Film Folkner sprach, hatte ihn selbst schon mehrmals gesehen. "Da sieht man mal wieder, was Horrorfilme anrichten können", flüsterte er sarkastisch. Scully lächelte nicht.

Folkner führte Mulder und Scully in den früheren Duschraum. Scully war noch sehr schwach und Mulder musste sie stützen. Folkner befahl ihnen sich in das größte Becken zu begeben. Mulder rührte sich nicht. Zornig hob Folkner den Elektrostab und Mulder bereitete sich auf den zu erwartenden Schmerz vor. Doch Adrian zielte nicht auf Mulder, sondern bewegte den Elektroschocker in Scullys Richtung. "Nein!", schrie Mulder und befolgte widerwillig Folkners Befehl.

Adrian Folkner stand am Rande des Beckens, eine Hand an der Gießeinrichtung und in der anderen Hand eine Pistole. Es gab kein Entrinnen mehr.

'Das also war es', dachte Mulder. 'Hatte er es letztendlich doch noch fertig gebracht sie beide zu töten.' Er wusste, dass Scully ihm keine Vorwürfe machte, aber ihm war klar, dass das alles seine Schuld war. Wenn er nicht so dumm gewesen wäre und vorher Hilfe angefordert hätte, wäre das alles nicht passiert. Er hoffte, dass alles schnell vorbei sein würde, dass Scully nicht leiden musste. Zum ersten Mal seit seiner Kindheit begann Mulder zu beten.

Scully sah die Emotionen über Mulders Gesicht flackern und legte ihre Arme um ihn. Mulder zog sie ganz nah an sich heran und drückte ihren Kopf an seine Brust. So standen sie und warteten auf das Ende.

'Endlich war es soweit, der Höhepunkt seines Schaffens war erreicht. Niemand mehr würde ihn als armseligen Stümper bezeichnen. Er war der wahre Meister der Schönheit. Niemand mehr würde das bezweifeln, nachdem er dieses letzte Kunstwerk gesehen hatte. Apoll und Aphrodite in inniger Umarmung auf ewig vereint...'

Langsam drückte er den Hebel des Gießers. Mulder hielt den Atem an und drückte Scully stärker an sich. Scully klammerte sich an Mulder und presste ihre Fingernägel in seine Haut.

Dann ertönte ein Schuss und Adrian brach getroffen zusammen.

Skinner stürzte in den Raum, hinter ihm ein Dutzend FBI-Agenten sowie Scullys Mutter und Bill Scully.

Mit einem Aufschrei stürzte Mrs. Scully auf sie zu und riss ihre Tochter glücklich in die Arme. Mulder konnte es kaum fassen, dass sie gerettet waren.

"Was? Wie?", stammelte er verwirrt, bevor er sich sammelte. "Wie haben sie uns gefunden?" fragte er dann.

Skinner antwortete: "Nachdem Sie verschwunden waren, haben wir systematisch das Viertel durchkämmt. Aber wir hätten Sie nicht rechtzeitig gefunden, ohne die Hilfe der Scullys." Mulder sah ihn fragend an und auch Scully verfolgte jetzt das Gespräch mit Interesse.

"Mom?", fragte sie. Mrs. Scully atmete tief durch.

"Als du nicht zu unserer Verabredung zum Abendessen gekommen bist, haben Bill und ich uns Sorgen gemacht. Ich habe dich telefonisch nicht erreicht und bei Direktor Skinner angerufen und dann alles über dein Verschwinden erfahren", erklärte sie.

"Und?" hakte Scully nach.

"Ich habe vor einiger Zeit eine kleine Modifizierung an deiner Kette vornehmen lassen", mischte sich Bill Scully ein.

"Eine Modifizierung?", fragte Mulder konfus.

Scully sah ihren Bruder wütend an. "An meinem Kreuz?" Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie Bill sie um ihre Kette gebeten hatte mit der Erklärung er wolle solch eine für seine Frau anfertigen lassen.

"Ja, ich ließ einen Peilsender einbauen. Und sei lieber froh darüber, sonst hätten wir dich nicht gefunden. Und dieser armselige Schweinehund", er wies in Mulders Richtung, "hätte es doch noch geschafft dich umzubringen", beendete Bill Scully seine Erklärung.

Scully war sprachlos. Sie wollte ihren Bruder am liebsten erwürgen.

"Sie müssen erst mal ins Krankenhaus, Agents!", unterbrach Skinner die frostige Atmosphäre.

Scully und Mulder stimmten zu und ließen sich von den Sanitätern hinausführen. "Aber wenn wir dort fertig sind, müssen wir schleunigst zu einem Juwelier. Der Peilsender muss raus", flüsterte Scully.

Mulder nickte. "So schnell wie möglich. Wir brauchen keine Beobachter." Dann griff er nach Scullys Hand und ließ sie während der ganzen Fahrt zum Krankenhaus nicht wieder los.

 

ENDE

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