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Merry Christmas, Mom!

von Talli W

Kapitel 1

Hi Mom, ich wollte nur kurz Bescheid geben. Ich habe nun doch noch frei bekommen. Wir kommen also Weihnachten zu dir."
"Das ist schön, Charles. Ich freue mich darauf. Bill und Dana kommen auch. Endlich sind wir mal wieder alle zusammen."
"Na dann richte dich mal auf eine ganze Meute Plätzchen-hungriger Wölfe ein." scherzte der Anrufer. "Ich hoffe doch, du backst wieder deine leckeren Vanille-Kipferl und diese fantastischen Mandelringe."
"Aber natürlich, Charles. Ein ganzes Blech voll."
"Großartig! Ach Mom, bevor ich es vergesse. Ich wüsste gern, womit ich dir Weihnachten eine Freude machen könnte. Ich will nicht wieder irgendwas kaufen, was du dann scheußlich findest."
"Charles, ich fand das Parfüm nicht scheußlich. Es passte nur nicht ganz zu mir. Ich bin schließlich keine 20 mehr."
"Na wenigstens hat es Dana gefallen, obwohl sie auch keine 20 mehr ist." bemerkte Charles trocken.
Ein leises Lachen schallte durch den Hörer. Auch Charles musste grinsen.
"Also Mom, was ist nun? Was soll dir der Weihnachtsmann, natürlich durch mich als seinen Stellvertreter, denn bringen." fragte er noch einmal.
Ein tiefer Seufzer ertönte. "Eigentlich habe ich alles.....Außer deinen Vater und Melissa an meiner Seite. Aber die kann mir niemand zurückbringen."
Charles Scully schwieg einen Moment. "Ich weiß Mom. Ich vermisse sie auch sehr." sagte er betreten.
"Meine Güte, was ist heute bloß los. Du rufst mich mit so einer guten Nachricht an und ich ziehe dich mit in meine Depressionen hinein. Das muss wohl am Wetter liegen. So dunkel und regnerisch, wie es hier heute aussieht."
"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Mom. Ich verstehe, dass du dich oft einsam fühlst, jetzt wo wir alle aus dem Haus sind. Da kommen natürlich die ganzen Erinnerungen hoch."
"Das ist es nicht, Charles. Ich habe nur in den letzten Tagen sehr viel nachgedacht. Alles, was dein Vater und ich immer wollten, ist, dass ihr glücklich seid, dass ihr jemanden habt, der euch in die Arme nimmt und sagt, dass er euch liebt. Jemanden, der die Einsamkeit vertreibt."
"Mom, wir sind glücklich. " sagte Charles. Doch, als ob sie ihn gar nicht gehört hätte, redete Maggie Scully weiter. "Einsamkeit ist etwas Furchtbares. Ich hatte immer gehofft, dass ihr heiraten würdet und eine Familie gründen. Ihr solltet das gleiche Glück erfahren, wie ...."
"Mom, ich bin glücklich!" unterbrach Charles sie fast ärgerlich. "Ich habe eine wundervolle Frau und zwei süße Kinder. Auch Bill ist mit Tara und Matthew glücklich. Und Dana... " sein Redeschwall geriet ins Stocken.
"Ja Charles. Genau! Dana! Sie ist immer noch allein."
"Mom, worüber reden wir hier eigentlich? Soll ich Dana etwa einen Mann besorgen und sie zum Traualtar schleifen?"
Bei diesem Gedanken musste er unwillkürlich auflachen.
Auch Maggie Scully kicherte. "Nein Charles, den richtigen Mann dafür habe ich schon. Man müsste nur etwas nachhelfen, damit sie endlich zusammenkommen."
Charles' Lachen verstummte abrupt. "Das kann nicht dein Ernst sein. Du willst Dana wirklich verkuppeln? Moooom!"
"Hör auf, so entsetzt zu tun. Du wolltest wissen, was ich mir zu Weihnachten wünsche. Also das ist es. Ich möchte Dana mit diesem Mann zusammenbringen. Und du wirst mir dabei helfen." sagte Maggie Scully energisch.
"A.. aber, wenn Dana ihn nun gar nicht ausstehen kann?" fragte Charles unsicher.
"Oh, darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Sie mag ihn, oder besser gesagt, sie liebt ihn!"
"Und woher willst du das wissen?"
"Mütter spüren das einfach!"
Charles war die ganze Sache nicht ganz geheuer. "Wenn sie ihn liebt, warum ist sie dann nicht schon längst mit ihm zusammen? Oder ist diese Liebe nur einseitig?"
"Charles! Du stellst einfach zu viele Fragen. Natürlich liebt er sie auch. Glaubst du etwa, ich würde Dana mit jemanden verkuppeln, der sie nicht liebt?!" fuhr ihn seine Mutter an.
"Nein, natürlich nicht, Mom." beteuerte Charles.
"Aber warum..." setzte er wieder an.
"Herrgott noch mal, weil alle beide Angst haben, den ersten Schritt zu tun. So tanzen sie nun schon sechs Jahre umeinander herum und sind sich keinen Schritt näher gekommen. Ich habe es langsam satt weiter zu warten. Ich will endlich Dana und Fox vor dem Traualtar sehen." brach es aus ihr heraus.
"Moment mal. Fooox? Fox Mulder? Ihren Partner beim FBI?" fragte Charles perplex.
"Ja, genau den. Er ist so ein netter Junge und er liebt Dana wirklich aufrichtig." erklärte Maggie Scully.
"Mom, wenn ich dich unterbrechen darf. Nachdem, was ich so über ihn gehört habe, scheint er mir nicht der ideale Ehemann für Dana zu sein."
"Ach Charles. Du darfst deinem Bruder nicht alles glauben. Bill erzählt ziemlich viel Unsinn, wenn der Tag lang ist. Manchmal möchte ich ihm einfach in den Hintern treten mit seiner Begriffsstutzigkeit." wetterte Maggie.
Charles war reichlich überrascht, seine Mutter so reden zu hören. Er wollte etwas sagen, aber überlegte es sich noch rechtzeitig. Im Moment schien es besser zu sein, seiner Mutter nicht zu widersprechen.
"Die beiden sind einfach füreinander geschaffen. Er ist sogar ans Ende der Welt gereist, um sie zu finden. Ich weiß zwar nicht, wie Dana in die Antarktis gelangt ist, aber Fox hat sie dort gerettet. Die beiden haben ihr Leben so oft für einander riskiert, da haben sie es einfach verdient dieses Leben auch gemeinsam zu verbringen." setzte Mrs Scully fort.
"Wenn du meinst, Mom..." meinte Charles kleinlaut.
"Wirst du mir nun dabei helfen?" hakte sie nach.
Charles überlegte kurz. "Habe ich denn eine Wahl?!" sagte er resigniert.
"Schließlich ist es dein größter Wunsch. Und wenn es dich und Dana glücklich macht.... Also einverstanden. Ich bin dabei. Zum diesjährigen Weihnachten bekommst du einen frischgebackenen Schwiegersohn."
Sechs Tage nach diesem Telefongespräch traf Charles Scully überraschend in seinem Elternhaus ein.
"Charles. Ich habe noch gar nicht mit dir gerechnet." rief seine Mutter erfreut.
"Na ja, unser Gespräch hat mir keine Ruhe gelassen und als unser Schiff wegen einiger Reparaturen vor Anker gehen musste, bin ich sofort hierher gedüst."
"Solltest du deine kostbare Freizeit nicht lieber mit deiner Frau und den Kindern verbringen als mit deiner alten Mutter."
Charles nahm seine Mutter liebevoll in den Arm und drückte ihr einen herzhaften Kuss auf die Wange. "Madeline und die Kinder sind sowieso nicht da. Sie besucht ihre eigenen Eltern und da dachte ich, ich könnte das auch tun. Außerdem bist du noch nicht alt, sondern in der Blüte deiner Jahre." erwiderte Charles.
"Schmeichler." murmelte Maggie zärtlich und lächelte ihren jüngsten Sohn an.
Er und Dana sahen sich wirklich sehr ähnlich. Das gleiche rote Haar, dieselbe Augenfarbe. Fast als wären sie Zwillinge. Kein Wunder, dass sie sich so nahe standen, auch wenn sie sich mittlerweile nur noch selten sahen.
"Mom. Unser Telefonat. Wegen Dana." erinnerte Charles. "Wie sollen wir das machen? Versteh' mich nicht falsch, Mom. Ich will dir ja helfen, aber ich habe noch nie jemanden verkuppelt. Und dann ausgerechnet Dana. Sie hasst doch jede Einmischung in ihr Privatleben."
'Wie schön.' dachte Maggie. 'Er macht sich wirklich sehr viele Gedanken um seine Schwester.'
"Man begehrt das, was man täglich sieht." sagte sie laut.
"Äh, Mom. Sie und dieser Mulder arbeiten doch zusammen, nicht wahr? Da sehen sie sich doch schon täglich."
Maggie Scully seufzte. "Aber der Tag hat 24 Stunden. Sie sind nicht rund um die Uhr zusammen. Fox Mulder muss sie ständig vor Augen haben, so lange, bis er endlich begreift, dass Dana Scully seine absolute Traumfrau ist."
Charles schaute verdutzt. "Wie willst du das denn anstellen?"
"Fotos, Charles! Fotos!" Mrs Scully lächelte zufrieden. "Ich habe da doch diese hübschen Fotos von Dana im Bikini, die ihr vor vier Jahren in diesem Aqua-Park gemacht habt. "
"Ach ja, ich erinnere mich. Das war nach ihrem dreimonatigem Verschwinden. Dana war gerade aus dem Koma erwacht. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so lebenshungrig war. Es war, als wollte sie alles nachholen, was sie bisher versäumt hatte. Ich hatte mir einige Tage frei genommen und wir waren fast jeden Tag unterwegs. Anstatt sich zu erholen, machten wir die Stadt unsicher." erinnerte sich Charles. "Melissa berichtete dann von diesem neuen Spaßbad und Dana musste natürlich unbedingt hin."
Maggie schmunzelte. "Dana hat es sogar geschafft, Bill und mich mit zu lotsen. Ich musste mir dafür extra einen neuen Badeanzug kaufen, weil der alte anscheinend eingelaufen war."
"Das haben Badesachen wohl so an sich. Meine Badehose kneift auch jedes Mal etwas mehr." bemerkte Charles und sah seine Mutter todernst an. Beide brachen in herzhaftes Gelächter aus.
Als sie sich nach einigen Minuten wieder beruhigt hatten, sagte Charles: "Ich wusste gar nicht, dass die Fotos etwas geworden sind. Ich habe sie nie zu sehen bekommen und dachte der Film ist vielleicht falsch belichtet worden."
Maggie schüttelte den Kopf: "Ich habe die Fotos in Melissas Wohnung gefunden, als ich..., nachdem sie.... Maggie atmete tief ein und sprach dann langsam: "Sie lagen in einem Kuvert. Ich fand sie, als wir ihre Wohnung ausgeräumt haben, nachdem sie verstorben war. Sie hatte sicherlich vor, sie uns allen beim nächsten Familientreffen zu zeigen. Wir hätten alle zusammen gesessen und darüber gelacht. Doch als ich die Bilder ansah und begriffen habe, dass Melissa beim nächsten Treffen nicht dabei sein würde..."
Sie sah entschuldigend zu ihrem Sohn hinüber. Charles nickte verständnisvoll.
"Ich konnte die Fotos zu dieser Zeit einfach nicht ansehen und habe sie weggepackt. Erst vor einigen Tagen beim Staubwischen sind sie mir wieder in die Hände gefallen. Die meisten Fotos sind wirklich gut gelungen. Besonders Dana sieht darauf bezaubernd aus. Das Sonnenlicht glitzert in ihrem Haar und der blaue Bikini betont ihre Figur und bringt die Farbe ihrer Augen richtig zum Ausdruck. Welcher Mann könnte ihr da widerstehen." sagte Maggie Scully.
"Offensichtlich eine ganze Menge. Sonst säßen wir jetzt wohl kaum hier und würden versuchen, ihr einen Mann zu angeln."
Maggie schüttelte entrüstet den Kopf: "Also wirklich, Charles. Manchmal bist du ein richtiger ungehobelter Klotz. Dana fehlen einfach die Gelegenheiten, jemanden kennenzulernen. Außerdem bezweifle ich, dass sie für jemanden anderes als für Fox Augen haben würde."
"Ist ja schon gut, Mom. Ich habe doch nicht behauptet, dass Dana hässlich ist. Ich weiß doch, dass ich eine wundervolle Schwester habe. Aber manchmal ist sie einfach so unnahbar. Und mit ihrem Wissen so überlegen. Kein Wunder, dass sich da kein Mann an sie herantraut."
"Auf einen Mann, der Angst vor einer selbstbewussten erfolgreichen jungen Frau hat und sich lieber ein braves Hausmütterchen wünscht, kann Dana gut verzichten. Nicht, dass es mich gestört hat, zu Hause zu bleiben und mich nur um das Haus und die Kinder zu kümmern. Aber die Zeiten haben sich geändert. Dana hat nicht so hart gearbeitet, um dann als Hausfrau zu versauern. Nein! Meine Tochter braucht einen Mann, der sie respektiert und sie so akzeptiert wie sie ist. Und der beste Kandidat dafür ist nun mal Fox Mulder." kam die prompte Antwort von seiner Mutter.
Charles lachte still in sich hinein. 'Dieser Fuchs musste ja einen blendenden Eindruck bei meiner Mutter hinterlassen haben. Und nicht nur bei ihr. Gut, Bill konnte ihn nicht leiden. Aber Bill mochte sowieso noch keinen Freund von Dana. Ich kann es gar nicht erwarten meinen Schwager in spe endlich persönlich kennenzulernen.' dachte er.
Mrs Scully hatte inzwischen die Fotos hervorgeholt und reichte sie nun Charles. Er betrachtete sie genau. Seine Mutter hatte nicht übertrieben. Fast jedes einzelne war wundervoll gelungen und rief noch einmal die Erinnerung an eine unbeschwerte Zeit mit seiner ganzen Familie hervor. An eine Zeit als scheinbar alles noch in Ordnung gewesen war, kurz bevor Melissa ermordet wurde und alles zum Teufel gegangen war.
Einige Bilder waren zwar etwas verwackelt, doch die Fotos von Dana waren allesamt fantastisch. Sie ähnelten eher einer professionellen Arbeit. Seine Schwester strahlte förmlich in die Kamera.
"Großartig. Nicht wahr?" meinte Maggie. "So hat er seine Scully garantiert noch nicht gesehen." fügte sie hinzu.
"Du willst ihm die Fotos also tatsächlich geben?"
"Nein, natürlich nicht, Charles. Wie sähe das denn aus. Es ist besser, wir verteilen sie in seiner Wohnung. Dann denkt er, es ist ein Signal von Dana und wagt endlich den ersten Schritt."
Charles runzelte die Stirn. "Und wie sollen wir in seine Wohnung kommen?"
Als er darauf keine Antwort erhielt, dämmerte es ihm langsam.
"Oh nein, Mom. Das ist Einbruch! Dafür können sie uns einsperren."
"Dafür muss man erst mal erwischt werden. Und glaub mir, Fox würde mich nie einsperren lassen." entgegnete Margaret Scully sicher.
Nervös zupfte Charles an seinem Kragen. "Es gibt sicher einen anderen Weg, die beiden zusammen zu bringen als eine Straftat zu begehen."
"Der Zweck heiligt die Mittel, Charles!"
"Ich bin entsetzt, Mom. Ich dachte immer du bist eine Heilige, immer strikt nach den Geboten der katholischen Kirche lebend."
Maggie sah ihren Sohn irritiert von der Seite an. "Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt? Ich bin ein ganz normaler Mensch mit Fehlern und Schwächen. Und da Gott offensichtlich gerade anderweitig beschäftigt ist, müssen wir zwei eben das Ruder in die Hand nehmen und das Schiff auf Kurs bringen."
Charles musste schmunzeln. Das waren genau die Worte, die sein Vater immer benutzt hatte, wenn er der Meinung war, etwas musste unbedingt getan werden. Und dann konnte ihn auch niemand von seinem Ziel abbringen. Anscheinend konnte seine Mutter genauso stur sein.
Charles sah ein, dass ihm nichts weiter übrig blieb als mitzuspielen. "Wann geht's los?" war alles , was er noch dazu fragte.


Dienstagabend, Hegal Place

"Nun beeil dich schon, Charles, bevor noch jemand auf uns aufmerksam wird."
"Das Schloss klemmt. Im Fernsehen sieht das immer so einfach aus." keuchte Charles.
Margaret Scully stöhnte. "Ich hätte mir wohl doch besser ein Duplikat von Danas Schlüssel anfertigen lassen sollen. Komm Charles, lass mich mal probieren."
Charles trat zur Seite und reichte Maggie den gebogenen Draht. Dann stutzte er: "Warte mal, Mom. Dana hat einen Schlüssel zu seiner Wohnung? Bist du dir sicher, dass die beiden wirklich noch Nachhilfe brauchen? Vielleicht sind sie längst..."
"Nein, sind sie nicht." wurde er von seiner Mutter scharf unterbrochen.
"War ja nur so ein Gedanke." murmelte Charles entschuldigend.
Seine Mutter steckte den Draht ins Schloss und bewegte in mehrmals in beide Richtungen bis ein deutliches Klicken zu hören war. "Voilà. Geht doch ganz leicht." sagte Magarete Scully stolz.
"Wow! Ich bin beeindruckt , Mom. Es scheint ja fast so, als ob du das nicht das erste Mal gemacht hast. Ich frage mich, möchte ich jetzt wissen, wo du das gelernt hast?"
Seine Mutter lächelte schelmisch. "Glaub' mir, Charles. Das möchtest du nicht wissen."
"Wahrscheinlich hast du recht. Es gibt wohl einige Dinge, die Kinder besser nicht über ihre Eltern erfahren sollten. Und irgendwie habe ich das Gefühl, da gibt es noch so manche Geheimnisse. Du scheinst ja eine bewegte Vergangenheit zu haben. Mich würde interessieren, ob Dad davon wusste." murmelte Charles.
Als Margaret Scully das hörte, konnte sie ein kurzes Auflachen nicht unterdrücken.
"Dein Vater war auch nicht gerade ein Heiliger. Was denkst du wie wir uns kennengelernt haben? Aber jetzt rein mit dir." Energisch versuchte sie ihren stämmigen Sohn in die Wohnung zu schieben.
Charles trat widerwillig ein, gefolgt von seiner Mutter. Als sie hastig die Tür schloss, erhaschte sie noch einen Blick auf einen Nachbarn zwei Türen weiter, der sie misstrauisch beäugte.
"Oh Gott. Erwischt." Ihr Herz schlug bis zum Halse. Ganz blass geworden lehnte sie sich von innen an die Wohnungstür. Jeden Moment würde die Polizei kommen und sie verhaften. 'Was für eine Schande.' Plötzlich schien ihr die vorher noch so brillante Idee gar nicht mehr so gut zu sein.
Ihr Sohn hatte nichts davon mitbekommen. Ihm ließen aber die Worte seiner Mutter keine Ruhe. "Sagtet ihr nicht immer, ihr habt euch auf einem Schulball kennengelernt?" fragte er.
Maggie seufzte genervt. "Das stimmt schon, aber genau genommen, war es nach dem Schulball auf dem Polizeirevier. Aber beruhige dich. Es war nur wegen eines harmlosen Teenager-Streiches." antwortete sie schwer atmend. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt und spähte auf den Flur. Der Nachbar war verschwunden und auch sonst rührte sich nichts. Sie wartete einige Minuten, dann schubste sie Charles an. "So. Machen wir uns an die Arbeit. Wir haben nicht ewig Zeit."
'Offenbar sind Fox' Nachbarn an so einige Zwischenfälle in dieser Wohnung gewöhnt und haben entschieden, sich besser nicht einzumischen.' dachte sie erleichtert.
Sie schaltete ihre Taschenlampe an, drückte Charles einige der Fotos in die Hand und wies in an sie im Wohnzimmer zu verteilen, während sie selbst sich ins Schlafzimmer begab.
'Hoila! Ein Wasserbett. Wie exotisch. Mit diesem Mann wird das Eheleben garantiert nicht langweilig.'
Maggie seufzte kurz auf. "Tja, wenn ich einige Jahre jünger wäre... Ich würde garantiert nicht so geduldig warten wie du, Dana." sagte sie zu sich.
"Toll!" Der begeisterte Ausruf von Charles ließ sie zusammenzucken. Schnell eilte sie zurück ins Wohnzimmer. "Was gibt es denn?" fragte sie beunruhigt.
"Mann, hast du die gewaltige Videosammlung von ihm gesehen? Der Kerl hat echt kein Privatleben."
entgegnete Charles.
"Meine Güte! Musst du mich deswegen so erschrecken? Einiges davon wird wohl mit seiner Arbeit zu tun haben. Außerdem sieht er gern fern. Sein Fernseher läuft die ganze Nacht, sagt Dana. Du weißt doch, dass meine Videosammlung auch nicht unbeträchtlich ist. Ich liebe diese neue Star Trek - Serie mit der Frau als Captain und nehme seitdem jede Folge auf."
Charles blickte überrascht auf. "Du stehst auf "Star Trek Voyager"? Heh, nicht dass es mich stört. Ich sehe mir ja auch fast jede Folge an. Diese Seven hat ja eine fantastische..." Seine Mutter sah ihn aufmerksam an und Charles wurde verlegen. "Ich meine, sie ist wirklich gut gebaut." vollendete er seinen Satz.
Magarete Scully lächelte versonnen. "Mag schon sein, Charlie. Also mir gefällt besonders dieser erste Offizier. Seine ruhige Art erinnert mich irgendwie an deinen Vater."
Charles nahm ein Video zur Hand, las die Beschriftung auf dem Cover und begann zu kichern. "Ich bezweifle aber echt, dass du solche Videos zu Hause hast. "Sexy Virginia" las er vor. Er nahm eine weitere Kassette zur Hand. "Oder hier "Debbie does Dallas". Ob ich mir mal einige davon ausborgen kann?"
"Charles! Ich denke, du hast ein funktionierendes Eheleben." sagte Magarete streng.
"Klar habe ich, Mom. Aber man kann sich so was ja auch zusammen ansehen." sagte er leise.
"Ich bin schockiert, Charles."
Charles grinste breit. "Es gibt also doch noch Dinge, die dich schocken, Mom. Ich habe jetzt schon befürchtet, du bist total abgebrüht. Außerdem scheine ich nicht der einzige mit Interesse für solche Videos zu sein."
'Oh Gott, noch einer mit solch einer perversen Neigung.' Mrs Scully holte tief Luft.
"Aber dass eines klar ist. In mein Haus kommen keine Pornovideos."
"Nein, Mom. Natürlich nicht." versicherte Charles grinsend.
Mit den Worten "Ich werde dann wohl weitermachen. Beeile dich hier bitte ein bisschen." verschwand Magarete Scully wieder im Schlafzimmer.
Charles positionierte noch ein Foto auf dem Schreibtisch und ein weiteres unter der Fernbedienung auf dem Couchtisch. Das letzte Bild steckte er an den Spiegel im Badezimmer. Zufrieden trat er zurück ins Wohnzimmer, als eine Stimme ertönte.
"Stehenbleiben! Und nehmen Sie sofort die Hände hoch. Ich bin bewaffnet!"
Erschrocken ließ Charles die Taschenlampe fallen und hob brav seine Hände nach oben.
Das Licht flammte auf und Charles starrte auf den hageren Mann, der eine Waffe auf ihn gerichtet hatte.
"Was tun sie hier?" fuhr der Fremde ihn an.
Charles schluckte. 'Der Kerl ist definitiv nicht Mulder. Dafür ist er zu alt. Von der Polizei scheint er aber auch nicht zu sein, sonst würde er Uniform tragen. Vielleicht ein Kollege von Mulder, vom FBI. Was sage ich jetzt bloß? Ich bin ein alter Schulfreund und wollte Mulder überraschen? Verdammt noch mal! Lass dir was einfallen. Der Kerl verhaftet dich sonst wegen Einbruch.' überlegte er fieberhaft
"Charles, ich bin hier fertig. Wir sollten jetzt schnell verschwinden." tönte es aus dem Schlafzimmer.
'Mein Gott, Mutter! Du hast echt ein mieses Timing.' dachte Charles und schloss für einen Moment die Augen. Er hatte gehofft, wenigstens seine Mutter aus dem Ganzen heraus halten zu können. Wenn sie doch nur ihren Mund gehalten hätte und noch einige Minuten länger im Schlafzimmer geblieben wäre... Aber nun war es zu spät.'
Der Mann fuhr überrascht herum und richtete die Waffe auf Maggie Scully.
Charles nahm in Sekundenbruchteilen wahr, dass die Waffe nicht mehr auf ihn gerichtet war und stattdessen seine Mutter bedroht wurde. Mit einem Wutschrei stürzte er auf den Bewaffneten und schlug auf ihn ein.
Bevor er sich richtig verteidigen konnte, hatte Charles ihm die Waffe aus der Hand geschlagen und ihn niedergestreckt.
"Los, weg hier." rief Charles seiner Mutter zu, die ganz verblüfft auf den Niedergeschlagenen schaute.
"Komm schon, Mom! Wir müssen abhauen!"
Doch Maggie Scully beugte sich zu dem am Boden Liegenden, anstatt ihrem Sohn zur Tür zu folgen.
Charles rannte zurück und wollte seine Mutter am Arm greifen als er ihre Worte hörte.
"Oh, Mr. Skinner. Das tut mir aber leid. Das habe ich nicht gewollt."
'Mist, meine Mutter kennt den Kerl. Und er sie! Er kann sie jederzeit identifizieren. Jetzt sitzen wir echt in der Scheiße.' schoss es Charles durch den Kopf.
Der Mann stöhnte und griff sich ans Kinn, wo ihn Charles Faust mehrmals schmerzhaft getroffen hatte.
Dann hob er den Kopf und starrte Maggie an.
"Sie??? Was tun Sie den hier, Mrs Scully?" fragte er verwirrt.
Maggie lächelte verkniffen.
"Würden sie mir glauben, wenn ich sage, wir wollten Fox nur mal besuchen?"
Skinner schüttelte den Kopf und stöhnte erneut auf.

Zehn Minuten später saßen Charles, Maggie Scully und Direktor Skinner in einem Bistro in der Hegal Street, nicht weit von Fox Mulders Wohnung.
"Also was sollte das Ganze? Als ich es in Mulders Wohnung rumoren hörte und einen Eindringling vorfand, hätte ich alles und jeden erwartet, nur nicht die Mutter von einer meiner besten Agenten. Würden sie mir bitte erklären, was sie dort wollten, Sie und Ihr...? Mmmh, ich vermute mal, Ihr Kompagnon gehört auch zur Familie Scully. Die Ähnlichkeit ist einfach unverkennbar." sprach Walter Skinner ruhig.
Charles schnitt eine Grimasse, zog es aber vor zu schweigen.
Seine Mutter antwortete für ihn. "Das ist mein Sohn Charles, Danas jüngerer Bruder."
Dann starrte sie betreten auf das Muster in der Tischdecke.
"Und weshalb waren Sie in Mulders Wohnung?" bohrte Skinner weiter.
Margaret Scully schloss frustriert die Augen. Es war ja so peinlich von dem Vorgesetzten ihrer Tochter verhört zu werden. Vor allem fiel ihr keine plausible Erklärung ein und die Wahrheit konnte sie wohl kaum sagen.
"Sie wissen, dass das unerlaubte Eindringen in eine fremde Wohnung eine schwere Straftat ist. Sie können froh sein, dass ich die Polizei angewiesen habe, alle Anrufe betreffs ungewöhnlicher Ereignisse in Fox Mulders Wohnung zuerst mir mitzuteilen. Ansonsten säßen Sie jetzt in einem Polizeirevier und würden weniger höflich befragt. Aber ich möchte trotzdem gern eine Antwort auf meine Frage." sprach Skinner eindringlich.
Unter dem stechendem Blick des Direktors verlor Charles die Nerven. "Das ist alles nur wegen so einer dummen Idee meiner Mutter, dass Dana und dieser Mulder unbedingt zusammenkommen müssen. Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen." murmelte er.
Walter Skinner konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als er das hörte. "Sie wollen die beiden verkuppeln?" fragte er Mrs Scully. Die nickte nur betreten.
"Ich glaube wirklich nicht, dass Sie da viel Erfolg haben werden. Mulder ist so in seine Arbeit vertieft und Ihre Tochter ist einfach zu professionell, als sich auf eine Beziehung mit ihrem Kollegen einzulassen." fügte Skinner hinzu.
Jetzt sah Maggie auf und lächelte siegessicher. "Es wäre nicht das erste Mal!"
"Wie meinen sie das?" fragte Skinner zurück.
"Dana hatte schon einmal eine Beziehung mit einem ihrem Ausbilder in Antiqua. Das dürfte sie also nicht zurückhalten. Und Mulder ist wahrscheinlich einfach nur zu schüchtern. Alles, was die beiden brauchen, ist ein kleiner Schubs. Das hätte doch keine Konsequenzen für Dana und Fox, oder? Ich meine in beruflicher Hinsicht. Man würde sie doch nicht in andere Abteilungen versetzen, wenn sie , ähm... äh je mehr als nur Kollegen würden? Oder, Mr. Skinner?" fragte Margaret besorgt.
"Mmh." Direktor Skinner nahm seine Brille ab und rieb sich kurz die Augen. "Es wird eigentlich nicht gern gesehen. Die Objektivität wird zu oft durch eine private Beziehung getrübt. Aber in diesem Fall dürfte es wohl unumgänglich sein das zu ignorieren. Agent Scully und Mulder bilden eines der besten Teams, die mir je begegnet sind. Ihre Aufklärungsrate liegt weit über dem Durchschnitt und das bei oft recht undurchsichtigen, schwierigen Fällen. Es wäre eine Schande, solch eine gutes Agentenpaar zu trennen. Außerdem befürchte ich, dass Agent Scully dann den Dienst beim FBI quittieren würde. Das wäre ein großer Verlust für uns. Und Agent Mulder würde wohl auch kaum mit einer neuen Partnerin so effektiv arbeiten. Er braucht den rationalen Gegenpart Ihrer Tochter. Nein, ich glaube nicht, dass es berufliche Konsequenzen für die beiden haben würde. Jedenfalls nicht, solange sie unter meiner Aufsicht stehen."
Margaret Scully atmete erleichtert auf und lächelte Direktor Skinner dankbar an.
"Aber wozu waren Sie nun in Mulders Wohnung?" wollte Skinner wissen.
"Nun, ich dachte, dass…" erläuterte Mrs Scully ihm ihren Plan.
Skinner schüttelte zweifelnd den Kopf, als Maggie ihre Erklärung beendet hatte. "Und Sie erwarten, dass diese Idee Erfolg hat? Ich bezweifle das doch stark."
Charles tat seine vorherige Schwäche leid und er fühlte sich nun verpflichtet seiner Mutter beizustehen. "Also ich glaube, dass der Plan meiner Mutter funktioniert. Sie hat bisher immer erreicht, was sie sich in den Kopf gesetzt hat. Es mag zwar etwas dauern, aber wir werden es schaffen. Hundertprozentig!"
Skinner überlegte kurz, dann warf er ein. "Ich setzte Hundert Prozent dagegen."
Margaret Scully starrte ihn ungläubig an. "Sie wollen wetten?"
Skinner lächelte herausfordernd. " Nun ja. Wenn Sie einwilligen. Ich habe schon immer gern auf Risiko gespielt."
Margaret Scully nickte langsam." Einverstanden. Die Wette steht. Aber der Einsatz muss sich auch lohnen."
"Gut. An was dachten Sie denn?"
Maggie zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Machen Sie einen Vorschlag."
"Ähem." räusperte sich Charles, aber keiner der beiden beachtete ihn. Seine Mutter und Direktor Skinner starrten sich in die Augen und schienen in ihrem eigenen Universum abgetaucht zu sein. Charles kam sich von Minute zu Minute überflüssiger vor.
Walter Skinner brach schließlich das Schweigen. "Wissen sie, ich wollte schon immer mal Urlaub in der Karibik machen, fand aber nie die Zeit dafür. Und alleine macht es nur halb so viel Spaß. Wie wäre es, wenn ich Sie in die Karibik einlade, wenn Sie gewinnen. Und wenn Sie verlieren...."
"... dann lade ich Sie ein." vollendete Maggie Scully den Satz.
"Einverstanden!" Mit einem kräftigen Händedruck besiegelten sie die Wette. Charles kratzte sich am Kopf. Er hatte die ganze Abmachung beobachtet und fragte sich, was hier eigentlich gerade abgelaufen war. Seine Mutter war normalerweise niemand, der sich bereitwillig auf eine Urlaubsreise mit einem fast Fremden einließ. Dann entschuldigte sich Direktor Skinner wegen einiger noch unerledigter Berichte, verabschiedete sich und verließ das Lokal.
Kaum war er außer Sichtweite, legte Charles los. "Was sollte das denn gerade, Mutter?"
Aber Magarete Scully brachte ihn mit einem strengen Blick zum Schweigen. "Sag' jetzt besser nichts, Charlie." warnte sie ihn. Und Charles wusste, wann er sich besser nicht einzumischen und seinen Mund zu halten hatte.
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