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Über den Wolken

von PC

Kapitel 1

Ich wusste von Anfang an, dass dieser Tag etwas in sich hatte. Ich hatte dieses flaue Gefühl in der Magengegend, das selbe Gefühl, was ich jedesmal habe, wenn ich eine Zigerette der Marke Morleys sehe. Das selbe Gefühl, was jedesmal in mir aufsteigt, von den Füßen an bis ganz nach oben, wenn ich in Skinners Büro gerufen werde. Es ist ein komisches Gefühl. Angst? Nein, ich habe keine Angst. Ich bin FBI-Agentin. Es ist ein Gefühl einer schlechten Vision. Keine Ahnung, definiere das Gefühl für mich, und ich bin dir für immer und ewig dankbar. Und dieses Gefühl war auch an diesem Tag da, der schon so lange vorbei ist, sich aber jede Nacht in meinem Kopf immer und immer wieder abspielt. Ich hatte dieses Gefühl, damals schon, als ich aufstand. Die Milch für mein Müsli brannte an, der Zucker für meinen Kaffee war aus. Ich hatte vergessen, Brot und Äpfel nachzukaufen. Ich ließ das Frühstück also ausfallen und wollte mich auf den Weg ins Büro machen. Aber da ich dieses flaue Gefühl spürte, rief ich Mulder an. Ich weiß nicht mehr, warum ich ihn angerufen habe, aber es war ein oder überhaupt der einzige entscheidende Faktor. Ein Grund, warum das alles passiert ist. Mulder hob ganz überrascht ab: „Scully, ich wollte Sie gerade anrufen.“

Ich war überrascht, dass Scully mich anrief. Intuition sagte ich mir, denn ich hatte gerade an sie gedacht und hatte sie anrufen wollen. Ich erzählte ihr also das, für das ich sie eigentlich anrufen wollte. Ich sagte ihr, dass ich mich und sie auf ein Parapsychologie-Seminar angemeldet habe und mit ihr sofort an den Tagungsort fahren wollte. Besser gesagt, fliegen wollte. Ich wusste zwar, dass Scully etwas Flugangst hat, obwohl sie es ja nicht zugibt. Ich konnte es dennoch jedesmal erkennen, wenn wir in ein Flugzeug einstiegen, ihr standhaftes, überzeugtes Auftreten wandelte in Flugzeugen meist zu schüchternen Gesichtsausdrücken. Und ich konnte auch jedesmal ihren erleichterten Seufzer hören, wenn wir gelandet waren und das Flugzeug nur noch auf der Landebahn die Geschwindigkeit verringerte. Dennoch hatte ich damals schon zwei Flugtickets reserviert, denn der Tagungsort war luftlinienmäßig nur zwei Stunden entfernt, und ich hatte keine Lust, mehr als doppelt so lange im Auto zu sitzen, vor Allem weil ich immer fahren muss. Scully löst mich nie ab, selten, aber sie liest besser als ich die Straßenkarte, und so verirren wir uns wenigstens nie.
Also ich sagte Scully, dass sie ihren Aktenkoffer oder einfach nur ihr Notebook packen sollte und ich sie in einer halben Stunde abholen würde.

Nun wusste ich also, was mein flaues Gefühl verursacht hatte. Mulder wollte mit mir zu einem Tagungsort fliegen. FLIEGEN! Ich mag Fliegen nicht, vielleicht fürchte ich mich auch davor, Flugangst – im Nachhinein weiß ich warum – aber ich wollte es nicht zeigen. Ich bin FBI-Agentin. Ich habe keine Angst, nicht nachdem ich schon so viel mit Mulder zusammen erlebt habe. Fliegen... Und noch etwas verunsicherte mich. Ein Parapsychologie-Seminar. Wie sollte ich denn Skinner wieder beibringen, dass wir den Flug von Regierungsgeldern abziehen wollen. Parapsychologie, pah, 10.000 Spooky-Mulders auf einem Platz! Ich wusste also, dass dieser Tag nicht mehr besser werden konnte. Im Nachhinein finde ich es sogar lächerlich, warum ich mir vorher soviele Sorgen um das Seminar an sich gemacht habe. Denn es konnte doch noch schlimmer werden.

Ich holte Scully also nach einer halben Stunde ab, ich würde sagen, dass sie etwas gereizt aussah, sie fühlte sich anscheinend unwohl. Ich schloss es auf die Flugangst. „Ich hatte noch kein Frühstück.“ Mit diesem Satz begrüßte sie mich. Ich dachte zuerst, dass sie sauer auf mich war, da ich sie für dieses Seminar fast verpflichtet hatte. Jetzt weiß ich, dass es nur eine Reihe von Kleinigkeiten waren, die immer größer wurden. Große Kleinigkeiten. Die in einem Fiasko endeten. Als wir am Flughafen ankamen, bemerkte Scully, dass sie ihren Reisepass vergessen hatte. Ich hatte gerade Muffins und schwarzen Kaffee für sie besorgt, als ich ihren Blick auffing. Ich wusste sofort, dass sie etwas Wichtiges vergessen hatte. Und ich konnte in dieser Situation auch auf den Reisepass schließen. Es war zwar nur ein Inlandsflug, aber bei der Kontrolle war er unerläßlich.

Ich dachte schon, ich musste wohl dableiben, Mulder konnte ja alleine reisen. Aber ich entschied mich anders. Ich hatte absolut keine Lust auf den Flug und dieses Seminar, aber ich hatte auch keine Lust, Mulder einen Tag missen zu müssen. Schon gar nicht einen Tag wie diesen. Mit Hilfe meines FBI-Ausweises hatte ich dann sowieso keinerlei Probleme beim Einchecken. Sie nahmen mir und Mulder unsere Dienstwaffen ab, wie immer. Ich habe mir dabei nie etwas gedacht, ich brauchte sie sowieso nicht an Bord, und Mulder hatte sowieso immer eine zweite Waffe am Hosenbein, die man ihm nie abnahm. Das lag wohl daran, dass er einmal durch den Metalldetektor ging, dann das Licht und die Sirene starteten und er dann auf Knopfdruck sofort seine Dienstwaffe abgab, und ich es ihm gleichtat. Und ein zweites Mal wurde er nie gecheckt. Warum eigentlich nicht? Ich musste öfters zwei bis dreimal durchgehen, da meine Kette auch meistens anschlug. Ich gab also meine Waffe ab. Normalerweise fühle ich mich ohne Waffe hilflos, auch diesmal wieder. Wenn ich das glatte, schwere Metall in meiner Hand habe, fühle ich mich sicher. Aber ich konnte an der Regelung nichts ändern und war froh, dass Mulder seine Reservewaffe immer mit sich rumschleppte. Wirklich immer, das fiel mir damals auf. Egal wo, ich denke, dass er sich auch beim FBI-Ball getragen hatte, im Restaurant, als wir zu Weihnachten mit meiner Mutter essen gingen, und auch bei sich zu Hause hat er sie jedesmal neben seiner Couch liegen. „Du hast sie doch auch auf deinem Nachtkästchen“, sagte mir eine innere Stimme. Gut, ich fühlte mich also sicher mit meiner Pistole.

Ich mustere immer beim Betreten eines Raumes oder eines Flugzeuges und ähnlichen Orten die anwesenden Leute. Es war ein Inlandsflug, zwei Stunden von einer Großstadt zur anderen Industriestadt. Die meisten Insassen waren Manager, typische Karriereleute, Anzug, Krawatte und Aktenkoffer. Ich grinste, denn dasselbe würden die Leute von mir und Scully denken, Manager... Diese Leute, die sich einen dieser „Pendlerflüge“, falls ich das so nennen kann, buchten, waren Karrieremenschen, reiche, hohe Angestellte oder sogar Selbstständige. Aber auf jeden Fall reich, denn wer fliegt sonst mit dem Flugzeug, wenn er in 5 Stunden per Auto in derselben Stadt ankommen würde.
Scully hatte ihren Platz gefunden, sie wollte immer am Fenster sitzen, ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wann nicht sie, sondern ich am Fenster gesessen bin. Der Flug war nicht ausgebucht. Es war ein sehr leerer Flieger, wenn ich das anfangs so sagen kann, nachher wusste ich, dass schon diese „wenigen Passagiere“ viel zu viel waren. Es war ein Durchschnittsflugzeug, pro Reihe links und rechts je drei Plätze. Nicht allzuviel Platz, aber für kurze Strecken ausreichend. Da der Flug nicht ausgebucht war, konnten sich Scully und ich eine Reihe teilen. Ich legte mich also auf die linken drei Plätze, Kopf zum Fenster und Füße zum Mittelgang, mir waren diese drei Plätze doch etwas zu kurz. Auf der anderen Seite des Ganges hatte sich Scully auf den Fensterplatz gesetzt. Auf die restlichen zwei Plätze platzierte sie die Zeitungen, die von der Stewardess angeboten worden waren. Ich war wohl zu froh, dass ich mich so ausbreiten konnte, denn plötzlich sagte mir die Stewardess, dass ich mich eine Reihe nach hinten legen sollte, und zwar auf meiner gegenüberliegenden Seite, also setzte ich mich in die Reihe hinter Scully. Nun denkt sich wohl jeder, dass diese genaue Beschreibung der Sitzordnung egal ist. Mir war es damals egal, aber eben nur anfangs.

Mulder löste seinen Gurt nach dem Start und legte sich über alle drei Plätze. Er machte es immer so, er blieb auch liegen, wenn wir in Turbulenzen kamen, es störte ihn nicht. Ich sah aus dem Fenster, und wieder überkam mich dieses flaue Gefühl. Ich blickte links neben mir auf die Zeitungen, aber selbst die reißerischten Schlagzeilen „Lewinsky und Billyboys Aussagen“ konnten mich nicht ablenken. Meine Hände wurden kalt und feucht, und ich fühlte wirklich Angst. Aber es war nicht normale Flugangst, es war schlimmer. Meine Schultern waren verkrampft, aber wurden immer wieder durch Schüttelkrämpfe gelockert und zogen sich wieder zusammen. Normalerweise sollten die Stewardessen nun die ganzen Sicherheitsvorkehrungen treffen, und der Pilot sollte etwas über den Flug sagen, ich hatte dem eigentlich nie zugehört, aber diesmal verlangte ich fast danach. Normalerweise langweilige ich mich bei der Erklärung der Schwimmwesten. Mir wurde plötzlich klar, dass wir gar nicht über Wasser flogen. Aber dann fragte ich mich, warum der Pilot uns trotzdem nicht begrüßte.
Ich versuchte mich zu entspannen, es funktionierte nicht, ich sah wieder aus dem Fenster, wir waren schon sehr hoch... - Über den Wolken...
Plötzlich kamen sechs schwarzgekleidete Männer in den Gang. Ich wusste nicht, woher sie waren, sie mussten aus der 1. Klasse gekommen sein. Sie standen einfach nur da, mit Masken und Pistolen und anderen Waffen, die ich aber trotz meiner Ausbildung nicht erkennen konnte, ich dachte, es wären wohl russische Fabrikate. Was man so alles denkt, obwohl es total unwichtig ist... Ich hatte einen Schock, meine Hände wurden kälter, und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich war einfach hilflos. Mulder schlief ganz ruhig hinter meiner Reihe. Sechs Leute waren zuviel. Ich dachte nach, ich dachte und rechnete mir alle möglichen Wege aus. Es gab keinen, sechs bewaffnete Männer waren zu viel für zwei unbewaffnete FBI-Agenten und etwa 100 andere unbewaffnete Zivilisten.
Ich wagte einen kurzen Blick zu Mulder, der noch immer selig hinter mir schlief. Als ich mich wieder umdrehte, hatten sich schon alle sechs Männer woanders platziert. Zwei ganz hinten und zwei ganz vorne, und zwei gingen gerade durch die Gänge. Schnurstracks, nein, das konnte doch nicht sein... Sie gingen genau auf Mulder zu. Ich wollte ihn rufen, aber ich biss mir auf die Lippen, ich durfte nicht zeigen, zu wem ich gehörte, es könnte später noch Vorteile bringen, jetzt aber nichts ändern. Bitte, tut ihm nicht weh. - Einer der Männer umschlung mit seiner Hand auf Anhieb Mulders Hals, der andere zog ihm bei seinem ersten erschrockenen Ruck mit seiner Waffe über den Kopf. Mulder war unter Schock, erst langsam erkannte er die Situation. ‘Mach jetzt nichts Falsches, Mulder’, bettelte ich. Mulder konnte ja nicht wissen, dass hier mehr als die zwei Männer, die es auf ihn abgesehen hatten, waren. Als würde Mulder mich innerlich hören, gehorchte er deren Forderungen. Sie richteten ihn auf, und ich konnte sehen, dass er nicht schlimm verletzt war, nur eine Schürfwunde seitlich. Sie setzten ihn auf den Fensterplatz und blieben aber in der Mitte stehen.

Ich erstickte fast in meinem Traum, in dem ich im Meer an einem wunderschönen Strand schwimmen ging. Ich ging unter und konnte keine Luft mehr bekommen, ich versuchte mich nach oben zu tasten, wurde wohl wach und bekam nach ein paar Sekunden eine Waffe über den Kopf gezogen. Ich spürte das Metall, es war wie in einer Zeilupe. Ich erhaschte einen kurzen, ängstlichen Blick von Scully, ich konnte sie durch die Sitzspalten von der Seite sehen. Ich konnte die Männer erkennen, ich hörte zwar nichts, ich war zu abgelenkt, aber ich erkannte die Situation, die mich aus meinem wunderschönen Traum gerissen hatte. Als ich auf dem Fensterplatz platziert worden war, war mir dann alles bewusst. Flugzeugentführung. Mir gingen dir letzten Schlagzeilen durch den Kopf: 144 Tote bei Flugzeugabsturz wegen Entführung – Entführer wollten nicht zum Tanken landen, 30 Verletzte bei Flugzeugenführung, Terroristen wollten Mafiabosse eintauschen... Ich hörte plötzlich den ersten der Männer etwas sagen.

„Es wird Ihnen nichts passieren, wenn Sie unseren Befehle gehorchen. Zuerst werden Sie uns Ihre Handtaschen und Geldbörsen und alles andere übergeben.“

Zwei von den schwarzgekleideten Männern gingen mit zwei Müllsäcken durch die Reihen. Die Leute warfen widerstandslos ihren Schmuck, Geldbörsen, Handys und alle anderen möglichen Sachen hinein. Ich lugte durch die Sesselspalte zu Scully. Sie versuchte, aus ihrer Ausweistasche den FBI-Ausweis herauszuziehen. Scheiße, das war gefährlich. Die Erpresser sammelten meistens alle Ausweise zusammen und lasen ihre Daten. Wenn sie einen von einem FBI-Agenten fanden, dann war das der potenzielle Kandidat. Die erste tote Geisel. Sie hatte ihren Pass nicht mit, sie konnte aber auch keine leere Börse hergeben. Ich zog instinktiv den gefälschten Ausweis, den mir die Lone Gunman für alle Fälle erstellt hatten, aus meiner Seitentasche. Er hatte mir sehr oft gute Dienste geleistet. Ich dachte daran, dass ich Scully auch einen erstellen lassen würde, wenn wir... Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, genauso wie mir mein gefälschter Ausweis aus den Händen gerissen worden war. Ich sah es noch, als Scully auch die Ausweistasche aus der Hand gerissen wurde, und sie ein leises „Scheiße“ murmelte. Ich wusste, was sie damit gemeint hatte.

Ich hatte meine gesamte Börse mit FBI-Ausweis und Geld in den Müllsack geworfen. Wie passend, Müllsack... Zwei der schwarzen Männer gingen mit den Säcken in die erste Klasse zurück und schoben die Trennwand vor. Die anderen musterten uns nur. Dann machten sich zwei auf den Weg und... Ich konnte es zwar nicht erkennen, aber ich wusste, was sie machten. Sie nahmen die Hände der Passierge und legten sie an deren Körpern an und zogen den Gurt fest. Keine Chance, sich zu befreien.

Als sie auch zu mir kamen, spannte ich instinktiv meine Arme und Hände und meine Brust und Oberschenkel an. Ein angespannter Körper ist größer, und so würden die Fesseln oder eben der Gurt dann lockerer sitzen. Ich sah zu Scully hin, und auch sie hatte das Gleiche getan. Tja, FBI-Agenten.
„Wir werden die Regierung um die Freilassung von ein paar Kollegen bitten“, hörte ich einen der Männer murmeln. Sie werden nicht darauf eingehen. Nicht heute, nicht hier. Es wird versucht, Druck zu machen, sie werden nicht aufgeben. Die Regierung gibt niemals auf.
„Was haben wir denn da?“ Ich erschrak sofort, ich wusste, was das bedeutete, sie hatten Scullys Ausweis gefunden. Drei der Männer sprachen sich kurz ab und suchten grinsend nach Scully. Scully saß vor mir, ich spürte ihre Angst, sie versuchte, sie nicht den Männern zu zeigen, sie saß starr auf ihrem Platz und sah zum Fenster hinaus.
Einer der Männer löste ihren Gurt und packte ihre Hände auf den Rücken, er zerrte sie in den Mittelgang. Sie warfen sie auf den Boden, setzten sich auf ihren schwachen Körper und fesselten sie derartig streng, dass ihre Fingerknöchel ganz weiß wurden. Ihre Hände am Rücken, ihre Füße zusammengebunden und mit Gewalt ein Klebestreifen über ihren Mund, riss man sie wieder vom Boden auf. „Eine kleine FBI-Agentin. Du wirst uns noch gute Dienste leisten.“ Mit einem schauderhaften lauten Lachen klappte einer der Männer in ihrer Reihe alle Armlehnen hinauf, setzte sich auf ihren ehemaligen Platz, aber mit dem Rücken zum Fenster lehnend und seine Füße auf die restlichen zwei Plätze legend. Der andere Mann packte Scully und stieß sie auf den lockersitzenden Mann drauf. Er legte Scully auf seinen Bauch, mit ihrem Kopf an seine Schulter und umfasste sie mit seinen Händen. „Keinen Widerstand, hörst du? Du willst doch nicht, dass wir dir weh tun, oder?“ Und wieder lachte er laut auf. Ich hasste ihn. Ich hatte Angst um Scully. Sie lag wehrlos auf dem Mann und wurde von ihm auf seine Brust gepresst. Wie oft hatte Scully ihren Kopf genauso an meine Schulter gelegt und war auf mir eingeschlafen? Ich war zornig. Niemand hatte meiner Scully etwas anzutun. Scully drehte ihren Kopf auf meine Seite, sodass sie durch den Spalt zu mir in die hintere Reihe sehen konnte. Ich warf ihr alle meine „Wir-werden-das-schon-schaffen-ich-bin-für-dich-da-und-du-bist-nicht-alleine-denn-es-wird-alles-wieder-gut-habe-keine-Angst“-Blicke zu. Sie fing sie auf und sah mich noch trauriger an, sodass fast mein Herz zeriss. Die anderen schwarzen Männer hatten sich wieder zurückgezogen. Es stand nur noch einer bei der Verbindungstür zur ersten Klasse, die anderen zwei waren in der 1. Klasse und hatten dort ihr Lager aufgebaut, und die letzten zwei standen noch immer bewegungslos am Ende des Ganges.
Der Mann, der Scully auf sich hatte, genoss das erkennbar. Er grinste und strich zufrieden an ihrem Nacken entlang. Er umschlang ihre Beine mit seinen und drehte Scullys Kopf wieder zu sich, an seinen Hals. Dadurch verlor ich unseren Blickkontakt. Ich wollte aufstehen, aber der Gurt war trotz der Anspannung von vorher zu fest. Ich sah, dass er Scullys Jacke ausziehen wollte, da sie aber gefesselte Hände hatte, schaffte er es nicht. ‘Gott sei Dank’, dachte ich. Ich wollte Scully helfen. Ich konnte es nicht mitansehen. Sie war meine Scully, niemand durfte sie berühren. Meine Scully... Scully gab einen erschreckten Laut von sich, der durch die Knebelung nur als „mmm mmm“ erkennbar war. Ich wollte nicht noch einmal hinsehen, ich konnte mich nicht beherrschen. Ich schrie. Es war falsch, aber ich schrie. „Lassen Sie sie gefälligst in Ruhe, Sie Schwein!“ Durch meinen Aufschrei wurde plötzlich alles ganz ruhig, alle anderen Passagiere, die auch so nur spärlich gemurmelt hatten, waren jetzt noch ruhiger. „Gefällt dir das nicht, Kleiner?“ Einer der Männer begab sich zu mir. „Gehörst du denn auch zu der Kleinen?“ „Nein“, antwortete ich, es war blöd, aber was hätte ich sonst sagen sollen? „Was hast du dann? Was stört dich? Diese FBI-Agentin ist nur unser Druckmittel für die Regierung, sonst nichts. Und wenn sich die Regierung brav verhält“, er lachte, „dann wird ihr nichts passieren und allen anderen auch nichts.“ Er setzte sich neben mich. „Und inzwischen werden wir uns die Zeit etwas vertreiben. Wäre doch schade, so etwas nicht auszunutzen, nicht wahr?“
Ich hatte alles falsch gemacht. Ich war das typische hilflose Opfer, wie in den Lehrbüchern beschrieben. Unfähig, klar zu denken, hilflos, einfach wirklich unbrauchbar. Und ich machte alles noch schlimmer für Scully.

Mulder hatte Mut. Er hat sich immer für mich eingesetzt, egal, ob es gefährlich war oder nicht, ob es etwas gebracht hatte oder nicht. Ich konnte immer auf ihn zählen und tue es jetzt noch. Er schrie, dass dieses Schwein aufhören sollte. Ich war ihm so dankbar dafür. Ich konnte seine Stimme hören, und auch wenn es die ganze Situation noch verzwicktbar machte, ich war so froh, seine vertraute Stimme zu hören. Einer der Männer setzte sich neben Mulder. Ich hatte Angst, ich hatte Angst um mich, um ihn und einfach um alles. Und auch er hatte Angst. Ich wollte ihn ansehen, aber ich konnte nicht, der Mann presste mich fest gegen seinen Körper. Ich konnte alles von ihm spüren und ekelte mich. Gott sei Dank hatte ich ausnahmsweise eine Hose an, und nicht diese ewigen Röcke, die gerne im FBI gesehen werden, ich aber nicht leiden kann, nicht in solchen Situationen, und nicht wenn ich mit Mulder über Stock und Stein bei Regen, Schnee und Sonnenschein herumrase und Aliens zu fangen versuche. Ich ekelte mich. Ich wollte fort. Ich versuchte, mich wegzudrücken, aber es brachte nichts, nur das Gegenteil. Plötzlich spürte ich eine Hand an meiner Taille rauf und runter tasten. Ich hasste den Kerl. MULDER!!! Ich wollte mich wegstoßen, ich versuchte, mich wegzupressen, zu entkommen, mich zu wehren und drückte mit meinem Knie nach unten, was den Mann endlich kurz aufzucken ließ und mir mehr Freiraum gab. Ich schlug mit meinem Kopf gegen seine Nase. Es war riskant, ich wollte weg. ‘Ich tue das nicht. Ich muss ruhig sein, ich muss klar denken, ich muss richtig handeln.’ Alles ging mir durch den Kopf. Er zuckte zusammen durch den Schmerz und ließ mich durch seine unruhigen Bewegungen auf den Boden fallen. Die Männer stürzten alle auf mich und zogen mich auf den Gang zwischen den Sitzreihen.

Scully wehrte sich, ich sah es. Sie konnte es, aber sie hätte es nicht tun sollen. Die Männer wurden nervös. Es war falsch. Je länger eine Entfürung dauert, desto nervöser sind sie und je mehr sich jemand wehrt, desto brutaler werden auch sie. Sie zogen sie auf den Gang, auch der Mann, der sich neben mich gesetzt hatte, stürzte auf sie. Alle auf Scully, vier gegen eine. Sie zogen sie auf, zwei hielten sie unter den Achseln. Einer links und einer rechts, der von ihr verletzte – und etwas nasenblutende – Mann setzte sich auf den Gangsitz in meiner Reihe. Der dritte, der neben mir gesessen war, musterte sie, riss ihr brutal den Klebestreifen vom Mund und schrie sie an. Scully konnte nicht antworten, sie schnappte nach Luft. Die zwei Männer hatten ihr die Hände in einen erschreckenden Winkel nach hintenoben gedrückt. Schultergriff, wie wir es normalerweise tun sollten. Diesmal waren die Rollen anders verteilt. „Ich gebe den Verantwortlichen des Staates noch 10 Minuten für ihr Einverständnis auf unsere Forderungen. Wenn in 10 Minuten keine Nachricht da ist, dann bist du die Erste.“ Er ohrfeigte sie zweimal und schmiss sie auf den Boden. Er prügelte richtig auf sie ein. Blut. Ihr Blut. Ich sah es überall. Sie wollte sich aufrichten, aber er trat noch einmal auf sie ein, mitten in den Bauch. Ich konnte nicht mehr. „SCULLY!!!!!“ Ich schrie. Ich hatte mich verraten, und es war mir doch so egal. Ich wollte sie retten. Ich wollte die Männer irgendwie ablenken. Sie mussten meine Scully in Ruhe lassen.

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was passiert war. Ich spürte nur immer wieder Schläge und Tritte in den Bauch, den Rücken. Mir tat alles weh. Blut ran von meiner Stirn über mein Gesicht auf den Boden. Ich hörte Mulder schreien. Es war erlösend aber beängstigend. ‘Wie muss ich aussehen’, dachte ich mir, ‘wenn Mulder sich absichtlich verrät?’ Ich war müde, erschöpft.

Einer der Männer kam auf mich zu und schrie auch auf mich ein. „Du gehörst zu ihr!“ Sie schlugen auch auf mich ein, und mich vor Schmerzen krümmend, konnte ich nicht angreifen, als sie meinen Gurt lösten und schließlich auch mir Handschellen anlegten. Sie schleppten uns Beide Richtung 1. Klasse. Scully rührte sich nicht mehr. Sie war bewusstlos, sie zogen sie einfach hinten nach. In der ersten Klasse klärte man die restlichen zwei Männer auf, es waren die Chefs des Ganzen. „Ihr solltet niemanden verletzten und erst auf meinen Befehl schießen!“, sagte einer der Männer zornig, irgendwie war ich dadurch erleichert. „Aber, Sir...“ „Lasst die Beiden hier und passt wieder auf die restlichen auf.“ Er wandte sich uns zu, Scully war auf einen Sitz gesetzt worden und kam wieder langsam zu Bewusstsein. Sie sah schrecklich aus, mir brach ihr hilfloser Ausdruck fast das Herz. Der Mann setzte mich auf den Sitz neben Scully. In der ersten Klasse waren nur zwei mal zwei Sitze pro Reihe, und dadurch war mehr Platz. Der Mann ging wieder zu seinem alten Sitzplatz, wo er mit dem anderen einen Plan musterte.
Ich klappte mit Hilfe meines Knies die Armlehne nach oben, und Scully rückte in meine Nähe. Sie sank erschöpft auf meinem Schoß nieder. Ich versuchte festzustellen, ob sie schwerere Verletzungen hatte. „Du bist doch der Doktor“, dachte ich mir, ohne dass mir bewusst war, dass ich es geflüstert hatte, und sie mir dann antwortete. Sie antwortete mir nur durch einen kurzen Blick, ich konnte ihn aber nicht wie üblich lesen.

Endlich ließen sie mich in Ruhe. Ich legte meinen dröhnenden Kopf auf Mulders Schoß. Ich hätte so gerne geschlafen, aber ich wusste, dass ich das nicht durfte. Es ist schlimm, wenn man jemanden obduzieren muss, den man gekannt hatte. Aber noch schlimmer ist es, wenn man an sich selber die Vorgänge einer Verletzung erklären kann. Ich hatte ein irrsinniges Stechen und Schwellen in meiner Magengegend. Eine innere Blutung. Ich stellte mir vor, wie die Blutäderchen geplatzt waren und sich die Blutkörperchen ausbreiteten, in fremde Gebiete flossen, die nicht für sie bestimmt waren. Bildete ich mir das nur ein? Jeder normale Mensch denkt sich in so einer Situation, da drinnen tut was weh, aber ich kannte die Vorgänge, und konnte abschätzen, wann ich bewusstlos werde, zu Atmen aufgehört hätte. Ich wollte nicht daran denken, und sah kurz zu Mulder. Er sah besorgt auf mich herunter, ich spürte, wie er mich vorsichtig auf die Seite schob.

Ich musste Scully kurz von mir wegheben. Ich wollte meine am Rücken zusammengebundenen Hände nach vorne bringen. Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder strecke ich beide Hände über meinen Kopf, kegel mir die Schulter aus und kann dann nach vorne greifen, das hätte aber nur funktioniert, wenn die Handschellen eine längere Zwischenkette gehabt hätten. Also entschied ich mich für den zweiten Trick, ich kannte ihn schon ewig. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich den in der FBI-Akademie oder sonst irgendwo gelernt hatte. Ich zog meine Füße zu meiner Brust und versuchte mich mit meinen Armen unter dem Allerwertesten vorzutasten, um die Beine herumzugreifen - und hatte es geschafft. Jetzt hatte ich meine Arme und Hände nicht mehr hinter dem Rücken, sondern vorne, aber trotzdem noch gefesselt. Ich konnte mich nun endlich zurücklehnen und Scully wieder herziehen. Sie legte ihren Kopf wieder auf meinen Schoß, und ich strich mit meinen Fingern über ihr Haar, bis sie mich so selig ansah, dass ich mich vorbeugte und ihr einen Kuss auf die Stirn gab. „Es wird alles gut.“

Mulder hielt mich fest und streichelte mir über die Stirn, ich war so froh, ihn bei mir zu haben.
Ich wollte an verschiedene Sachen denken, aber die Übelkeit und das Stechen in meinem Magen lenkte mich andauernd ab. Ich habe mir geschworen, ab jetzt immer auf dieses ungute Gefühl zu achten, wenn ich es wieder einmal in der Früh haben sollte. Mulder sah so ernst aus, dass ich kichern musste. So ernst sah er normalerweise immer nur aus, wenn wir in Skinners Büro gerufen wurden. Das erschreckte mich, mir wurde unsere verzwickte Situation wieder bewusst.

Einer der Männer in den schwarzen Windbreakern kam auf mich zu. Ich dachte mir, dass ihm wohl unter der Verkleidung sicher heiß war. Er drückte mir ein Telefon in die Hand. Es war eines dieser Bordtelefone, es war schwer in meinen Händen, nicht, weil ich erschöpft war, es war einfach zu schwer. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Klar, jeder denkt sicher: „Heb’ ab und sag was.“ Aber mir kam das einfach nicht in den Sinn. „Sag schon was!“ Der schwarze Mann wurde plötzlich ärgerlich. „Das ist der Zuständige vom FBI. Wir haben ihm unsere Forderungen gestellt, und er möchte nun wissen, ob es den Passagieren gut geht. Antworte gefälligst!“
Ich seufzte ein zitterndes „Hallo“ in den Höhrer. „Agent Mulder?“ Ich war sprachlos - und so war es auch auf der anderen Seite des Telefons. Skinner leitete die Verhandlungen? „Ja“, zögerte ich, ich musste mich umstellen, dass die schwarzen Männer keinen Verdacht schöpfen konnten, und ich trotzdem meine Botschaften Skinner mitteilen konnte. Vor Allem, dass Scully ärztliche Hilfe brauche, bald. „Sind Sie Beide okay?“ Was nun? „Es sind ALLE okay.“ Das musste er einfach verstehen, ich hätte einfach „ja“ sagen können. Dann hätte er geglaubt, dass es Scully und mir gut geht, ich hatte „ALLE“ betont, er musste es einfach verstehen. „Ist sie schwer verletzt?“ Ich war mir nicht sicher. „Ich denke schon.“ „Wir werden uns um Sie kümmern.“ „Gehen Sie auf die Forderungen ein.“ Es war mehr eine Frage, als ein Befehl von mir. Ich musste mich zusammenreißen, dass ich allgemein verständlich sprach, sonst hätte mich der grinsende Mann umgelegt. Er riss mir das Telefon aus der Hand. „Wenn in zehn Minuten nicht wenigstens einer unserer Kollegen freigelassen und ihm eine Million US-Dollar bar in die Hand gegeben wird, dann wird es das erste Opfer geben.“

Ich zuckte zusammen, ich wusste durch Mulders Gesten, dass es Skinner am Telefon gewesen war. Ich wusste nicht, was er gesagt hatte, aber Mulder musste schließlich unverdächtig reden. Das erste Opfer... Ich drückte mich noch mehr in Mulders Schoß, ich roch an seinem Hemd. Es war einfach Mulder, es war beruhigend. Ich schmiegte mich an seinen Oberkörper, er war auch einfach nur muldermäßig, und ich fühlte mich geborgen bei ihm. ‘Wie oft hat er mich schon beschützt?’, dachte ich mir - und ich hatte ihm nie dafür gedankt.
„Es ist schon okay, Scully“s sagte mir Mulder durch seine Augen, als hätte er meine Gedanken gelesen. Die Zeit verging einfach nicht, bis das Telefon läutete.

„Sie haben es nicht anders gewollt.“ Das Telefon wurde auf den Boden geschleudert. Der Mann zog seine Waffe und...

Ich zog meine kleine Reservewaffe, die am Schienbein befestigt war, mit meinen Händen heraus. Es war weitaus schwieriger mit zusammengebundenen Händen, als ich mir vorgestellt hatte. Ich musste mich über Scullys Kopf beugen, und hatte Angst, dass ich sie ersticke. Ich musste aufpassen, dass ich nicht danebenschoss, ich hatte nur einen Versuch. Entweder ich traf, oder ich oder Scully wären getroffen worden. Noch dazu wusste ich nicht, ob die Wände in diesem Flugzeug Kugeln ausgehalten hätten.

Mulder beugte sich plötzlich über mich, es war alles schwarz, ich konnte nichts sehen, bis er sich wieder aufgerichtet hatte und ich einen Schuss und kurz darauf einen zweiten gehört hatte. Ich konnte Mulders Waffe erkennen, aber war mir trotzdem nicht sicher, ob es wirklich Mulder war. Er zog mich runter von den Sitzen, es tat so verdammt weh in meinem Kopf und meinem Bauch. Jede Bewegung hatte tausend kleine Nadelstiche zur Folge. Er legte mich auf den Boden zwischen den Sitzen warf eine Decke über mich. Ich konnte nichts mehr sehen. Ich war nicht getroffen worden und Mulder wohl auch nicht.

Ich hatte ihn mitten in die Brust getroffen und schoss auf den zweiten Mann. Ich zog Scully runter auf den Boden und ließ die nächstbeste Decke, die hier in der ersten Klasse überall rumlagen, auf sie fallen. Als die Männer am Boden und über der Sitzlehne zusammengebrochen waren, schleuderte ich ihre fallengelassenen Waffen mit meinem Fuß aus der Reichweite ihrer Nähe zog beiden noch einmal mit meiner Waffe eine drüber und hob die Pistolen auf. Die Verbindungstür dürfte den Lärm abgedichtet haben, denn zu meiner großen Verwunderung kamen die restlichen Männer nicht herein. Ich packte die zwei Männer zusammen und fesselte sie mit schnellen Griffen mit irgendwelchen Gepäckriemen. Ich lief zu Scully. Sie war sprachlos, alles hatte sich in kürzester Zeit abgespielt. Sie versuchte, sich aufzurichten. Ich löste die Fesseln von ihren Füßen, und sie kam mir gekrümmt nach zur ersten Reihe, wo die Männer ihre Unterlagen ausgebreitet hatten. Wir fanden verschiedene Aufzeichnungen und Gott sei Dank die Schlüssel der Handschellen. Nachdem wir uns befreit hatten, stürmte ich...

...ins Cockpit. Mulder rannte ins Cockpit, noch immer seine Waffe in der Hand. Ich hatte so irrsinnige Schmerzen, dass ich auf dem nächsten Sitz zusammengesank.
Mulder kam mit einem „Alles klar.“ wieder zurück. „Ich habe die Piloten wieder aufgeklärt, sie landen am übernächsten Flughafen, dort ist das nächste Krankenhaus.“ Ich lächelte ihn an. Er ging wieder zurück ins Cockpit und befreite die Stewardessen, die dort eingezwängt in einem der WCs gefesselt gehockt hatten. Ich wollte ihm helfen, aber ich musste mir vor Schmerzen meinen Bauch halten. Das Ganze hatte mich zu sehr mitgenommen. Die Stewardessen kamen verängstigt zu mir und wollten mir helfen.

Ich wusste, dass Scully es nicht mehr lange schaffen würde, und wollte diese Sache hinter uns bringen, so schnell es ging. Nachdem ich die Stewardessen befreit hatte, hatte ich Zeit, meine Waffe nachzuladen. Ich hatte nur noch drei Patronen, und musste eine Waffe, die ich den Männern abgenommen hatte, nehmen. Ich wusste nicht, wie ich die anderen vier Männer umlegen sollte, denn ich konnte ja nicht wissen, wie sie sich in der Business Class aufgeteilt hatten. Scully rief Skinner an. Ich wunderte mich über ihre starke Stimme. Ich öffnete die Verbindungstür zur zweiten Klasse vorsichtig einen Spalt, sah den schwarzen Overall von einem der Männer. Jetzt oder nie. Ich schoss ihm genau in die Schulter, öffnete die Verbindungstür ganz und schoss den Mann neben ihm nieder. Ich kann mich nicht mehr genau an die anderen zwei Schüsse erinnern, aber die Männer standen genau gegenüber am Ende des Ganges, und ich hatte einfach keine andere Wahl, als zu schießen, denn einer hielt die Waffe schon auf mich, und der andere wollte sich gerade eine Geisel aus den hinteren Reihen schnappen. Nachdem der Letzte niedergesunken war, hob ich alle Waffen auf und verstaute sie in meiner Jackentasche. Die Männer waren tot. Ich wollte nie töten, aber ich konnte nicht anders. Es wäre zu gefährlich gewesen. Die anderen 100 Passagiere schrien durcheinander. Die Stewardessen beruhigten sie, während ich die Leichen in den Geräteraum - oder die Küche, ich kann mich nicht erinnern, was es war - verstaut hatte.

Plötzlich konnte ich das dumpfe „Pling“ hören, und die Zeichen zum Anschnallen leuchteten rot auf. Ich war erleichtert, niemand kann sich das vorstellen. Wir befanden uns im Landeanflug. Mulder kam auf mich zugerannt. Ich konnte in seinem Gesicht lesen, dass er die Männer getötet hatte. Denn auf der einen Seite sah er erleichtert aus, aber auf der anderen Seite scheinte es ihm nicht gut zu gehen. Ihn plagte bei jedem Tod das schlechte Gewissen. Töten ist falsch. Aber er hatte getötet, um 100 andere zu retten. Es war sinnlos, ihm das zu erklären, er hörte doch nicht darauf. Mulder war bei mir angekommen und nahm mich in die Arme. Ich konnte mich an ihm fallenlassen. Ich war k.o., aber ich wusste, dass ich es noch bis zum Krankenhaus schaffen würde. Ich sagte Mulder, dass ich es schaffe, und er seufzte ein „Scully, es tut mir leid.“ „Mulder, Sie sind ein Held, Sie haben 100 Menschen das Leben gerettet.“ Ich konnte ihn nicht aufbauen, er gab sich wieder einmal die Schuld für alles. Er hatte mich doch nie in Gefahr gebracht... „Ich habe selber zugestimmt, in dieses Flugzeug zu steigen.“ Und ich grinste ihn an.

Als es steiler bergab ging, hielt ich Scully noch fester in meinen Armen. Ich hatte Angst um sie. Als das Flugzeug aufsetzte, nahm ich sie sofort auf die Arme und stellte mich zum Ausgang. Ich konnte das Vibrieren der Räder auf dem Boden spüren, das Bremsen hören und auch den Blutgeruch riechen. Aber ich sah nur in Scullys Augen und hoffte, dass das Leuchten darin nicht verblasste.

Als wir landeten, hielt Mulder mit mir Blickkontakt. Als der Schlauch an das Flugzeug befestigt worden war und die Tür geöffnet wurden, stürzte er mit mir als erstes hinaus. Hinaus aus der Hölle, hinaus aus dem Käfig, hinein in die Freiheit. Skinner, ein paar Agenten, Polizisten, Psychologen für die geschockten Passagiere und Sanitäter kamen uns entgegen.

Gott sei Dank konnte ich Scully sofort in die Hände von Sanitätern und Ärzte geben. Ich hatte endlich das Gefühl, dass nun nichts mehr schief gehen konnte. Ich wollte Scully nicht alleine lassen und hielt ihre Hand weiterhin. Sie war ganz kalt und schwach, aber trotzdem drückte sie meine leicht.
Obwohl mich die Polizisten aufhalten wollten, wegen Aussage und diesen Sachen, befahl Skinner, dass ich Scully ins Krankenhaus begleiten sollte. Nichts lieber als das.

Mulder hat mich ins Krankenhaus begleitet, er hat die ganze Fahrt im Krankenwagen meine Hand gehalten. Seine Hand war warm und hat mir Kraft gespendet. Ich verlor sie erst, als eine Krankenschwester Mulder zurückhielt, als sie mich in den Operationssaal schoben. „Bis später, Spooky“, murmelte ich und konnte noch sein „Bis später G-woman“ hören.

Mulder und Scully hatten mir drei Tage nach der Entführung ihren Bericht abgeliefert. Scully war nach zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Mulder und Scullys Mutter waren die ganzen zwei Tage an ihrem Krankenbett.
Mulder und Scully haben sich für den Rest der Woche Urlaub genommen, sie werden ihre Mutter besuchen. Sie werden mit dem Auto zu ihr fahren. Sowohl Mulder als auch Scully wollen in kein Flugzeug mehr steigen, in absehbarer Zeit jedenfalls. Sie wollen in nächster Zeit nicht „Über die Wolken...“

E N D E
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