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An Active Night

von Sonja K

Kapitel 1

to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 10.06.2000, 11.21 pm
subject: sleepless in Washington

Knock, knock!

Scully, ich weiß nicht, ob Sie noch wach sind, aber wenn ich richtig vermute, sehen Sie sich im Nachtprogramm einen Liebesfilm an. Sollte dem so sein, dann ist der Film in genau 8 Minuten und 45 Sekunden zu Ende, und Sie werden vor dem Schlafengehen noch einmal Ihre Mails checken. Wenn ich recht habe, dann schreiben Sie mir bitte. Sollten Sie schon schlafen und dies erst morgen lesen, löschen Sie es einfach.
M.




to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 10.06.2000, 11.31 pm
subject: Liebesfilm


Mulder,

Was ist los mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut? Warum haben Sie mich nicht einfach angerufen? Und woher wussten Sie, dass ich mir „Sleepless in Seattle“ ansehen würde? Ich rate Ihnen, mit ein paar Antworten vor dem Computer zu warten, denn ich mache mir wirklich Sorgen. Was ist passiert???
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 10.06.2000, 11.36 pm
subject: Profiling


Scully,

es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe. Es geht mir gut, wirklich. Ich konnte nur nicht schlafen, und da dachte ich, wenn Sie auch noch wach sind, könnten wir uns gemeinsam die Zeit vertreiben. Hätten Sie aber schon geschlafen, hätte ich Sie durch einen Anruf nur geweckt, und das wollte ich nicht zum dritten Mal in einer Woche tun. Nochmal sorry für die anderen beiden Male.
Woher ich wusste, dass Sie sich den Film ansehen würden? Kommen Sie, Scully, ich bin Profiler. Aber wenn es Sie beruhigt, werde ich Ihnen die Hinweise zeigen:
1. Sie sind eine Frau mit einer romantischen Seite, auch wenn Sie dies niemals zugeben würden (keine Sorge, Ihr Geheimnis ist bei mir sicher).
2. Als der Film in die Kinos kam, waren Sie drauf und dran, ihn sich anzusehen, und nur die Befürchtung, von mir erwischt zu werden, hat Sie davon abgehalten (Was sonst hätten Sie mit schuldbewusstem Gesicht vor dem Kino gemacht, in dem der Film lief??). Während der Erstausstrahlung im Fernsehen bin ich in Ihr Motelzimmer geplatzt und habe Sie auf eine Verfolgungsjagd mitgenommen, noch bevor der Vorspann richtig vorbei war.
3. Zwischen diesem Zeitpunkt und heute Nacht lief der Film auf keinem Sender, und ich schätze Sie nicht als den Homevideotyp ein.
4. Als Sie heute aus der Mittagspause zurückkamen, hatten Sie Schokolade und Marshmellows eingekauft, die Zutaten für einen Abend vor dem Fernseher mit einem romantischen Film.
Was braucht es da noch mehr, um zu wissen, was Sie getan haben? Sollte ich in irgendeinem Punkt falsch gelegen haben, wären Sie wahrscheinlich gar nicht hier am Computer, sondern würden längst mit einem guten Buch im Bett liegen.
War das genug, oder brauchen Sie noch mehr Beweise?
M.




to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 10.06.2000, 11.50 pm
subject: Profiling


Mulder,

Sie machen mir Angst. Ehrlich, ich kann es nicht anders ausdrücken. Stimmt es Sie nicht traurig, dass Sie an einem Abend wie diesem nichts besseres zu tun haben als ein Profil darüber zu erstellen, was sich Ihr Partner für Filme ansieht? Ich weiß nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen soll, dass Sie mich so genau beobachten; wenn ich es herausgefunden habe, lasse ich es Sie wissen.
Was Ihre Schlaflosigkeit angeht, kann ich Ihnen nicht helfen. Selbst mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist es utopisch, Schlafmittel via E-Mail zu verschicken. Sollte Ihnen etwas einfallen, was ich tun kann, lassen Sie es mich wissen. Ich fühle mich selbst nicht gerade schläfrig, wie ich gestehen muss. In Anbetracht der Tatsache, dass wir beide morgen nicht ins Büro müssen, sollten wir wahrscheinlich einfach wach bleiben, bis wir von selbst einschlafen.
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 0.06 am
subject: wach bleiben

Scully,

ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, was Sie da vorschlagen. Scheinbar haben Sie noch nie eine ganze Nacht lang wach gelegen und versucht, einzuschlafen; sonst wüssten Sie, dass das unmöglich ist. Haben Sie nichts Besseres zu bieten?
M.




to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 0.11 am
subject: Ideen


Mulder,

ich weiß nicht, was Sie von mir erwarten. Es ist mitten in der Nacht, und wir leiden unter Schlaflosigkeit; erwarten Sie nicht, dass meine Kreativität uns hier weiterhilft. Wenn ich es mir recht überlege, liegt die wahrscheinlich schon seit Stunden im Tiefschlaf. Haben Sie eine bessere Idee?
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 0.20 am
subject: Idee

Scully,

das war unfair. Wenn Sie sich lieber Ihrer Kreativität anschließen würden als mit mir zu diskutieren, dann sagen Sie’s einfach. In der Tat habe ich eine bessere Idee: Wie wär’s, wenn Sie mir ein Märchen erzählen? Vielleicht hilft das...
M.


to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 0.25 am
subject: Märchen

Mulder,

vielen Dank für Ihr Vertrauen. *sarkastischer Blick* Scheinbar erwarten Sie von mir, Sie genug zu langweilen, dass Sie auf der Stelle einschlafen. Sollte das nicht der Fall sein, müsste ich annehmen, dass Sie selbstsüchtig sind, denn nachdem Sie eingeschlafen wären, bliebe ich allein mit meiner Schlaflosigkeit. Abgesehen davon muss ich Sie leider enttäuschen; ich bin nicht besonders gut im Märchenerzählen. Aber ich habe auch eine Idee...
*dramatische Pause*
... Warum erzählen *Sie* nicht mir ein Märchen? Wäre nur fair, finden Sie nicht?
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 0.31 am
subject: Fairplay



Scully,

ich glaube, das geht wirklich zu weit mit dem Fairplay. Ich kann keine Märchen erzählen; Sie haben wenigstens Neffen und Cousins, an denen Sie üben können. Wem hätte ich schon Märchen erzählen sollen? Meinen Fischen vielleicht? Aber ich schlage Ihnen einen Deal vor: Sie fangen an zu erzählen, und Sie können an jeder beliebigen Stelle aufhören und mich weitererzählen lassen. BITTE lassen Sie mich jetzt nicht hängen; oder haben Sie etwa Angst, dass ich ein besserer Märchenerzähler bin als Sie? Wer zuerst einschläft, hat verloren, okay?
M.




to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 0.43 am
subject: Deal

Mulder, ich weiß zwar nicht, warum ich mich darauf einlasse (vermutlich weil es mitten in der Nacht ist, ich nicht schlafen kann und nichts besseres zu tun habe – aber davon einmal abgesehen), aber okay, Sie haben Ihren Deal. Geben Sie mir einen Moment, um irgendein Märchen aus meinen Kindheitserinnerungen herauszugraben.
...
Vor einem großen Wald lebte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern; der Junge hieß Hänsel, und das Mädchen hieß Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen, und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er auch das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: „Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren, da wir für uns selbst nichts mehr haben?“
„Weißt du was, Mann?“, antwortete die Frau, „wir wollen morgen in aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dichtesten ist. Da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir sind sie los.“
Das war’s. Machen Sie was draus.
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 1.14 am
subject: Märchen

Scully,

Sie enttäuschen mich. Haben Sie wirklich eine halbe Stunde gebraucht, um sich diese billige Kopie von Hänsel und Gretel auszudenken? Lassen Sie mich Ihnen zeigen, was wirklich kreativ ist:
Die Kinder jedoch, die vor Hunger nicht einschlafen konnten, hatten alles gehört, und weinten bittere Tränen ob des Planes Ihrer Eltern. Der Junge, dessen wirklicher Name nicht Hänsel, sondern Alex war – Hänsel war nur einer seiner vielen Decknamen – versuchte, seine Schwester zu trösten, indem er sagte: „Still, Marita“, – auch Gretel lebte unter falschem Namen – „gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.“ Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, schlich sich in die Schlafkammer seiner Eltern und stahl seinem Vater alle Packungen Morley’s aus der Kommode. Diese steckte er in sein Rocktäschchen – er war nämlich auch noch als Schotte verkleidet – und ging zurück zu seiner Schwester und sprach zu ihr: „Sei getrost, Marita, und schlaf nur ruhig ein, das Konsortium wird uns nicht verlassen, und so schnell wird unser Vater uns nicht los.“ Damit legte er sich wieder in sein Bett.
So, jetzt sind Sie wieder dran. Viel Spaß...
M.




to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 1.30 am.
subject: -

Mulder,

ich bin ehrlich gesagt sprachlos. Ist Ihnen eigentlich gar nichts heilig? Es grenzt schon fast an Blasphemie, wie Sie das Märchen verstümmeln.
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 1.34 am.
subject: Spielverderberin

Scully,

geben Sie ruhig zu, dass Ihnen nichts mehr einfällt. Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass Sie so fantasielos sind. Kommen Sie, lassen Sie sich was einfallen.
M.


to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 1.40
subject: Fortsetzung

Mulder,

glauben Sie nicht, dass ich so schnell aufgebe.
Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder: „Steht auf, ihr Faulenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.“ Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot und sprach: „Da habt ihr etwas für den Mittag, aber esst’s nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.“ Gretel – natürlich wussten die Eltern nichts von den Decknamen ihrer Kinder, ebenso, wie die Hälfte des Autorenteams bisher nichts davon gewusst hat – nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Zigaretten in der Tasche hatte (ich kann noch immer nicht glauben, dass ich das geschrieben habe). Danach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Walde. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still und guckte nach dem Haus zurück und tat das immer wieder. Der Vater sprach: „Hänsel, was guckst du da und bleibst zurück; hab acht und vergiss deine Beine nicht, da du doch seit dem Unfall mit der Axt nur noch einen Arm hast.“
Mal ehrlich, können Sie sich Ihre Ex- Informantin mit einer Schürze vorstellen? Ich nicht.
S.






to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 1.06.2000, 1.53
subject: Fortsetzung

Scully,

ehrlich, ich bin beeindruckt. Hätte nicht gedacht, dass Sie es in sich haben. Und nein, ich kann sie mir nicht mit einer Schürze vorstellen. Aber weiter im Text:
„Ach, Vater“, sagte Alex durch den Rauch von dessen Zigarette – denn eine angebrochene Packung hatte der Vater noch in der Jackentasche gehabt – „ich sehe nur nach meinem Spiegelbild im Fenster, ob mein Haar auch richtig sitzt.“ Die Frau sprach: „Du Narr, das ist dein Spiegelbild nicht, das ist die Vogelscheuche, die dein Vater im Garten aufgestellt hat, um die Tauben fernzuhalten.“ Alex hatte aber gar nicht nach seinem Spiegelbild gesehen – jedenfalls nicht die ganze Zeit – sondern immer eine von den Zigaretten auf den Boden fallen lassen. Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater: „Nun sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, damit ihr nicht friert.“ Alex und Marita trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Das Reisig ward angezündet, und als die Flamme recht hoch brannte, sagte die Frau: „Nun legt euch ans Feuer, ihr Kinder, und ruht euch aus, wir gehen in den Wald und hauen Holz. Wenn wir fertig sind, kommen wir wieder und holen euch ab.“
Langweilig. Sie sind dran.
M.


to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 2.11 am.
subject: Fortsetzung

Mulder,

ich weiß zwar nicht, was Sie daran langweilig finden – im Gegenteil, es ist höchst dramatisch, dass die Eltern ihre armen Kinder mitten im Wald aussetzen wollen – aber ich muss mich entschieden dagegen wehren, dass Sie mir wie immer das zuschieben, was Ihnen nicht gefällt. Sehen Sie da irgendeine Parallele zu unserem Job? Wenn nicht, denken Sie mal kurz an die Arbeitsteilung beim Berichte schreiben. Aber da es spät ist (oder auch früh), werde ich mich jetzt nicht mit Ihnen streiten. Warten wir damit lieber bis Montag...
Jetzt aber weiter im Text:
Hänsel und Gretel alias Alex und Marita saßen am Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes sein Stücklein Brot. Und weil sie die Schläge der Holzaxt hörten und den Rauch seiner Zigarette rochen, glaubten sie, ihr Vater sei in der Nähe. Es war aber nicht die Holzaxt, es war ein Ast, den er an einen dürren Baum gebunden hatte und den der Wind hin und her schlug. Und ins Feuer hatte der Vater ein wenig Tabak aus einer seiner Zigaretten gestreut, damit die Kinder glaubten, sie röchen ihn. Und als diese so lange gesessen hatten, fielen ihnen die Augen vor Müdigkeit zu, und sie schliefen fest ein. Als sie endlich erwachten, war es schon finstere Nacht. Gretel fing an zu weinen und sprach: „Wie sollen wir nun aus dem Wald kommen?“ Hänsel aber tröstete sie: „Warte nur ein Weilchen, bis der Mond aufgegangen ist, dann wollen wir den Weg schon finden.“ Und als der volle Mond aufgestiegen war, so nahm Hänsel sein Schwesterchen an der Hand und ging den Zigaretten nach, deren weiße Banderole im Mondlicht schimmerten und ihnen den Weg zeigten. Sie gingen die ganze Nacht hindurch und kamen bei anbrechendem Tag wieder zu ihres Vaters Haus. Sie klopften an die Tür, und als die Frau aufmachte und sah, dass es Hänsel und Gretel waren, sprach sie: „Ihr bösen Kinder, was habt ihr so lange im Wald geschlafen? Wir haben geglaubt, ihr wolltet gar nicht wiederkommen.“ Der Vater aber freute sich, denn es war ihm zu Herzen gegangen, dass er sie so allein zurückgelassen hatte.
Hoffentlich sagt Ihnen die folgende Stelle mehr zu, denn ich habe keine Lust mehr, und außerdem werde ich mir jetzt einen Kakao kochen gehen. Lassen Sie sich also ruhig Zeit mit der Fortsetzung.
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 2.15 am.
subject: Kakao


Scully,

Ich will auch Kakao! Kochen Sie mir auch einen, wenn ich verspreche, ganz schnell vorbeizukommen? Bitte!
M.


from: dana.k@dreamnet.com
to: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 2.19 am.
subject: Besuch

Mulder,

vergessen Sie lieber ganz schnell, was Sie eben gesagt haben. Erstens werden Sie nicht mitten in der Nacht quer durch die Stadt fahren, nur um sich Kakao abzuholen, und zweitens warte ich hier auf eine Fortsetzung. Kakao gibt‘s später.
S.



to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 2.35 am.
subject: Fortsetzung


Scully,

wenn Sie so grausam sind, mich ohne Kakao allein in meinem dunklen und einsamen Apartment sitzen zu lassen, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als weiterzuschreiben in der Hoffnung, dass Sie Ihr Angebot von eben nicht zurücknehmen.
Nicht lange danach war wieder Not in allen Ecken, da der Vater alles Geld für Zigaretten ausgab, und die Kinder hörten, wie die Mutter nachts im Bette zu dem Vater sprach (es erstaunt mich immer wieder, wie die Leute es auf zwei Kinder geschafft haben, wenn die Wände in dem Haus so hellhörig sind...): „Alles ist wieder aufgezehrt; wir haben noch einen halben Laib Brot, hernach hat das Lied ein Ende. Die Kinder müssen fort, wir wollen sie tiefer in den Wald hineinführen, damit sie den Weg nicht wieder herausfinden; es ist sonst keine Rettung für uns.“ Dem Mann fiel’s schwer aufs Herz, und er dachte: Es wäre besser, dass du den letzten Bissen mit deinen Kindern teilst und dir endlich das Rauchen abgewöhnst. Aber die Frau hörte auf nichts, was er sagte, schalt ihn und machte ihm Vorwürfe. Wer A sagt, muss auch B sagen, und weil er das erste Mal nachgegeben hatte, so musste er es auch beim zweiten Mal. Die Kinder waren aber noch wach gewesen und hatten das Gespräch mit angehört. Als die Alten schliefen, stand Alex wieder auf, wollte ins Schlafzimmer und Zigaretten stehlen wie das vorige Mal, aber die Frau hatte die Kommode abgeschlossen, weil sie den Verdacht hegte, dass ihr Sohn heimlich rauchte, und auch wenn sie ihn loswerden wollte, Lungenkrebs hatte sie dabei nicht im Sinn. Aber Alex tröstete sein Schwesterchen und sprach: „Weine nicht, Marita, und schlaf nur ruhig, das Konsortium wird uns schon helfen.“ Am frühen Morgen kam die Frau und holte die Kinder aus dem Bette. Sie erhielten ihr Stückchen Brot; das war aber noch kleiner als das vorherige Mal. Auf dem Weg nach dem Wald rauchte der Vater eine Zigarette nach der anderen und warf die Stummel auf den Boden. Alex drehte sich immer wieder um und schob die Stummel mit dem Fuß gut sichtbar auf den Weg. „Alex, was stehst du da und guckst dich um?“, sagte der Vater, „geh deiner Wege.“ „Ich sehe nach meinem neuen Hemd, das in meinem Fenster hängt.“, antwortete Alex. „Narr“, sagte die Frau, „Das ist dein Hemd nicht, das ist der alte Putzlumpen, den ich zum Trocknen aufgehängt habe.“ Alex aber schob weiter die Stummel auf den Weg.
Fertig mit dem Kakao? Ich hoffe, Sie lassen mir welchen übrig...
M.


to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 2.53 am.
subject: Spielverderber!

Mulder,

warum müssen Sie mir eigentlich IMMER die langweiligen Teile der Geschichte überlassen? So bekommen Sie auf KEINEN Fall Kakao von mir.
Die Frau führte die Kinder noch tiefer in den Wald, wo sie ihr Lebtag noch nicht gewesen waren. Da ward wieder ein großes Feuer angemacht, und die Mutter sagte: „Bleibt nur da sitzen, ihr Kinder, und wenn ihr müde seid, könnt ihr ein wenig schlafen; wir gehen in den Wald und hauen Holz, und abends, wenn wir fertig sind, kommen wir und holen euch ab.“ Als es Mittag war, teilte Gretel alias Marita ihr Brot mit ihrem Bruder, denn dieser hatte seines aus der Tasche verloren, als er mit einem noch glühenden Zigarettenstummel versehentlich ein Loch in seine Tasche gebrannt hatte. Dann schliefen sie ein, und der Abend verging, aber niemand kam zu den armen Kindern. Sie erwachten erst in der finsteren Nacht, und Alex tröstete sein Schwesterchen und sagte: „Warte nur, Marita (natürlich konnte er in Abwesenheit der Eltern ihren echten Namen verwenden), bis der Mond aufgeht, dann werden wir die Zigarettenstummel schon sehen, die ich auf dem Weg verteilt habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.“ Als der Mond kam, machten sie sich auf, aber sie fanden keinen einzigen Zigarettenstummel, denn diese hatte ihr Vater auf dem Heimweg selbst wieder aufgesammelt, um sich neue Zigaretten daraus zu drehen, da ihm seine beim Holzhauen ausgegangen waren. Alex sagte zu Marita: „Wir werden den Weg schon finden.“ Aber sie fanden ihn nicht, denn Alex verfügte unglücklicherweise nicht über ein fotografisches Gedächtnis. So gingen sie die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend, aber sie kamen aus dem Wald nicht heraus und Marita machte sich langsam Sorgen, da sie ihre Haare schon seit Tagen nicht nachgefärbt hatte, und sie waren auch so hungrig, denn sie hatten nichts als die paar Beeren, die auf der Erde standen, und die weigerte sich Alex zu essen, da es keine russischen Beeren waren und er ihnen nicht traute und fürchtete, man wolle sie damit vergiften. Und weil sie so müde waren, dass die Beine sie nicht mehr tragen wollten, so legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein. Nun war’s schon der dritte Morgen, dass sie des Vaters Haus verlassen hatten, und langsam machte sich der durch das jahrelange Passivrauchen verursachte Nikotinentzug bemerkbar. Trotzdem fingen sie wieder an zu gehen, aber sie gerieten immer tiefer in den Wald, und wenn nicht bald Hilfe kam, so mussten sie verschmachten. Als es Mittag war, sahen sie ein schönes schneeweißes Vöglein auf einem Ast sitzen, das sah so lecker aus, dass sie stehen blieben und trachteten, es zu fangen und zu rupfen. Als es das merkte, schwang es seine Flügel und flog vor ihnen davon, und sie liefen ihm nach, bis sie zu einem Häuschen gelangten, auf dessen Dach es sich setzte, und als sie ganz nah herankamen, so sahen sie, dass das Häuslein aus russischem Brot gebaut war und mit Kuchen gedeckt, aber die Fenster waren von hellem Zucker. „Da wollen wir uns dranmachen“, sprach Alex, „und eine gesegnete Mahlzeit halten. Ich will ein Stück von dem russischen Brot essen, Marita, du kannst vom Fenster essen, das schmeckt süß.“ Alex reichte in die Höhe und brach sich ein wenig vom Dach ab, um zu versuchen, wie es schmeckte, und Marita stellte sich an die Scheiben und knusperte daran. Da rief eine feine Stimme aus der Stube heraus:
„Knusper, knusper, Knäuschen,
wer knuspert an meinem Häuschen?“
Die Kinder antworteten:
„‘s ist keine Maus, ‘s ist nicht der Wind,
ob das vielleicht Retikulaner sind?“

und aßen weiter, ohne sich irre machen zu lassen – zumindest nicht mehr, als sie es ohnehin schon waren. Alex, dem das Dach so gut schmeckte, riss sich ein großes Stück davon herunter, und Marita stieß eine ganze runde Fensterscheibe heraus, setzte sich nieder und tat sich wohl damit. Da ging auf einmal die Türe auf, und eine steinalte Frau mit dunkel gefärbtem Haar und unzähligen Falten, die sich auf einen Krückstock stützte, kam herausgeschlichen. Alex und Marita erschraken so gewaltig, dass sie fallen ließen, was sie in den Händen hielten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopf und sprach: „Ei, ihr lieben Kinder, wer hat euch hierher gebracht? Kommt nur herein und bleibt bei mir, es geschieht euch kein Leid.“ Sie fasste beide an der Hand und führte sie in ihr Häuschen. Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Äpfel und Nüsse. Hernach wurden zwei schöne Bettlein weiß gedeckt, und Alex und Marita legten sich hinein und meinten, sie wären im Himmel. Die Alte hatte sich jedoch nur so freundlich angestellt, sie war aber in Wahrheit eine böse Hexe mit dem Namen Diana, die vom Konsortium beauftragt worden war, den Kindern aufzulauern und zu verhindern, dass sie jemals wieder nach Hause kamen, und zu diesem Zweck hatte sie das Brothäuslein aus Fertigteig gebaut, denn sie konnte nicht selbst backen, was sich später noch als fatal erweisen sollte...
Ohne weiteren Kommentar...
S.






to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 3.11 am.
subject: -

Scully,

ich bin sprachlos. Wenn das Ihre nicht gar so subtile Art sein soll mir zu zeigen, dass ich damals einen Fehler gemacht habe, als ich Diana vertraut habe, dann ist das nicht lustig. Wenn es aber, was ich von Ihnen eher annehme, eine kleine Therapie sein soll – nach dem Motto: „Schlagen Sie auf das ein, was Sie hassen“ – dann muss ich sagen, so etwas hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Aber wenn Sie es brauchen... *grin*
Früh morgens, ehe die Kinder erwacht waren, stand die Hexe Diana schon auf, denn sie brauchte jeden Morgen Stunden, um sich einigermaßen erträglich herzurichten. Und als sie die Beiden so lieblich ruhen sah – mal abgesehen von den dunklen Ansätzen in Maritas Haaren – so murmelte sie vor sich hin: „Das wird ein guter Bissen werden.“ Das Konsortium hatte ihr nämlich nicht vorgeschrieben, was sie mit ihnen machen sollte, und so beschloss sie, mal wieder ihre kannibalistische Ader auszuleben. So packte sie Alex mit ihrer dürren Hand und trug ihn in einen kleinen Stall und sperrte ihn mit einer Gittertüre ein; er mochte schreien wie er wollte, es half ihm nichts. Dann ging sie zu Marita, rüttelte sie wach und rief: „Steh auf, Faulenzerin, trag Wasser und koch deinem Bruder was Gutes, der sitzt draußen im Stall und soll fett werden. Wenn er fett ist, so will ich ihn essen.“ Marita fing an, bitterlich zu weinen, aber es war vergeblich; sie musste tun, was die böse Hexe verlangte. Nun ward dem armen Alex das beste Essen gekocht, aber Marita bekam nichts als trockenes Brot. Jeden Morgen schlich die Alte zu dem Ställchen und rief: „Alex, streck deine Finger heraus, damit ich fühle, ob du bald fett bist.“ Alex streckte ihr aber seine hölzerne Hand heraus, und die Alte, die trübe Augen hatte, konnte es nicht sehen, und meinte, es wären Alex‘ richtige Finger, und verwunderte sich, dass er gar nicht fett werden wollte. Als vier Wochen um waren und Alex noch immer mager blieb, da überkam sie die Ungeduld, und sie wollte nicht mehr länger warten. „Heda, Gretel“, rief sie dem Mädchen zu (natürlich wollte sie nicht durchblicken lassen, dass sie von der Tarnung der Beiden längst wusste), „sei flink und trage Wasser: Hänsel mag fett oder mager sein, morgen will ich ihn schlachten und kochen.“ Ach, was jammerte das arme Schwesterchen, als es das Wasser tragen musste, und wie flossen ihm die Tränen die Backen herunter! „Konsortium, hilf uns doch!“, rief sie aus, „Hätten uns nur die wilden Jersey- Teufel im Wald gefressen, so wären wir doch zusammen gestorben.“ „Spar dir dein Geplärre“, sagte die Alte, „es hilft dir doch alles nichts, ich werde ihn doch essen.“
Da wir gerade von Essen sprechen, wir steht es eigentlich mit meinem Kakao?
M.


to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 3.31 am.
subject: Fortsetzung

Mulder,

ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Sie mir zutrauen, Ihnen die Sache mit Diana unter die Nase zu reiben. Ehrlich gesagt, war es mir ein persönliches Bedürfnis, sie in der Rolle der Hexe zu sehen, da sie meiner Meinung nach dafür am besten geeignet ist. Eine normale Hexe wäre doch langweilig, finden Sie nicht? ich frage mich nur, wie Sie darauf kommen, ich könnte die Frau hassen? 0;-)
Zum Thema Kakao, das Sie anscheinend nicht bereit sind, fallen zu lassen: Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass Sie erst welchen bekommen, wenn diese Geschichte zu Ende ist. So lange müssen Sie sich schon noch gedulden. Also weiter im Text:
Frühmorgens musste Marita hinaus, den Kessel mit Wasser aufhängen und Feuer anzünden. „Erst wollen wir backen“, sagte die Alte, „ich habe den Backofen schon eingeheizt und denn Teig geknetet.“ Sie stieß die arme Marita hinaus zum Backofen, aus dem die Feuerflammen schon herausschlugen. „Kriech hinein“, sagte die Hexe, „und sieh zu, ob recht eingeheizt ist, damit wir das Brot hineinschieben können.“ Und wenn Marita darin war, wollte sie den Ofen zumachen, und Marita sollte darin braten, und dann wollte sie sie aufessen. Aber Marita merkte, was sie im Sinn hatte, da der Teig noch nicht aufgegangen war (es wurde bereits vorher erwähnt, dass die Hexe vom Backen keine Ahnung hatte) und sie daher die Falle ahnte, und sie sprach: „Ich weiß nicht, wie ich’s machen soll; wie komm ich da hinein?“ „Dumme Gans“, sagte die ALTE (*diebisch grins*), „die Öffnung ist groß genug, siehst du wohl, ich könnte selbst hinein“, sie krabbelte heran und steckte den Kopf in den Backofen. Da gab Marita ihr einen Stich mit einem Stilett, das sie im Schrank gefunden hatte, die Hexe Diana schrie vor Schmerz auf und fiel vornüber in den Backofen, und Marita machte schnell die eiserne Tür zu und schob den Riegel vor. Hu! da fing sie an zu heulen, ganz grauselig; aber Marita lief fort, und die faltige Hexe musste elendig verbrennen, was auch ganz schnell ging, da sie eigentlich nur noch aus Silikon und Schminke bestand, was ja bekanntlich gut brennt. Marita aber lief schnurstracks zu Alex, öffnete sein Ställchen und rief: „Alex, wir sind erlöst, das alte Faltenmonster ist tot!“
Der Schluss ist für Sie; ich finde das nur fair, da ich den Anfang gemacht habe. Und wenn Sie fertig sind, dürfen Sie sich einen schönen Kakao machen. Aber vergessen Sie nicht, den Herd wieder auszumachen; Sie sehen ja, was passieren kann, wenn man mit seinen Kochstellen nicht vorsichtig ist...
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 3.47 am.
subject: (un) happy end

Scully,

ich dachte eigentlich, SIE machen mir den Kakao. Aber wenn Sie so grausam sind...
Da sprang Alex heraus wie ein Vogel aus dem Käfig, wenn ihm die Türe aufgemacht wird. Wie haben sie sich gefreut, sind sich um den Hals gefallen, sind herumgesprungen und haben sich geküsst! Und bei der Gelegenheit haben sie auch gleich entdeckt, dass sie keine leiblichen Geschwister waren und dass einer romantischen Beziehung zwischen ihnen nichts mehr im Wege steht. Wie gut, dass die Hexe alle Unterlagen des Konsortiums über sie aufbewahrt hatte, sonst wäre es womöglich gar nicht dazu gekommen, und der Welt wären ihre Nachkommen erspart geblieben... aber das ist eine andere Geschichte. Bei der Durchsuchung des Hexenhauses fanden sie neben einer Menge Edelsteine und Goldstücke, die sie sich gleich aneigneten, auch noch eine Schaltzentrale, denn das Haus war eigentlich ein gut getarntes Raumschiff, mit dem die Hexe von dem Planeten fliehen wollte, wenn die Außerirdischen ihn erst einmal in Besitz zu nehmen begännen. Durch eine Fügung des Schicksals fand Alex die Gebrauchsanweisung für das Raumschiff, und so konnten er und Marita darin nach Hause fliegen, ohne sich erneut im Wald zu verlaufen. Als sie das UFO vor der Hütte ihrer Eltern landeten und ausstiegen, kam ihnen der Vater schon entgegen, und sie fielen ihm um den Hals. Die Mutter jedoch war inzwischen von Außerirdischen entführt worden, und da dank der Schätze, die die Hexe angehäuft hatte, nun auch genügend Geld für Zigaretten da war, hatte der Vater auch keinen Grund mehr, seine Kinder erneut auszusetzen. Wer konnte schon wissen, ob sie ihm nicht irgendwann noch einmal von Nutzen sein konnten? Er versteckte das UFO und sorgte dafür, dass seine Kinder nicht erfuhren, dass auch er mit dem Konsortium unter einer Decke steckte. Und wenn sie es nicht trotzdem herausgefunden haben, dann vertrauen sie ihm noch heute.
So, das war’s. Und was jetzt? ich bin noch immer nicht müde. Was halten Sie davon, noch ein Märchen zu erzählen? Und bekomme ich vielleicht doch noch meinen Kakao? *Dackelblick aufsetz*
M.


to: spooky.fox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 4.14 am.
subject: Kakao

Mulder,

ich weiß nicht, wie Sie jetzt immer noch wach sein können; ich persönlich hätte nichts gegen etwas Schlaf einzuwenden. Aber wenn Sie unbedingt wollen, kommen Sie doch vorbei und erzählen mir noch eine Gutenachtgeschichte. Ich stelle Ihnen gern meinen Fernseher für den Rest der Nacht zur Verfügung, wenn Sie danach noch immer nicht schlafen können, und wenn Sie darauf bestehen, mache ich Ihnen sogar Kakao zum Frühstück. Oder zum Mittagessen, wenn man bedenkt, dass wir morgen frei haben und ausschlafen können.
S.


to: dana.k@dreamnet.com
from: spooky.fox@ufo.net
date: 11.06.2000, 4.19 am.
subject: Ausschlafen

Scully,

haben Sie mir tatsächlich eben vorgeschlagen, wir könnten zusammen ausschlafen? Ich mach Ihnen auch Frühstück, wenn Sie den Kakao kochen. Also, war das ein Angebot??
M.


to: spooky.ox@ufo.net
from: dana.k@dreamnet.com
date: 11.06.2000, 4.23
subject: Angebot

Mulder,

Sie sind der Profiler, sagen Sie’s mir.
S.


FIN
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