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Familienbande V: Vermächtnisse

von Dawn

Kapitel 1

Alexandria
Freitag
18:30 Uhr


„Und die Menge tobt!“

Keuchend Vornübergebeugt, die Hände auf die Knie gestützt, beobachtete Mulder Greys Siegestanz mit schräger Belustigung. Er richtete sich auf und nutzte den unteren Teil seines Pullis um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen.

„Hat deine Mutter dir nie ins Gewissen geredet, weil du ein schlechter Gewinner bist?“, fragte er trocken.

Grey spendierte ihm ein breites Grinsen und balancierte den sich drehenden Ball gekonnt auf seinem Zeigefinger. „Wie oft musste ich mich dir geschlagen geben? Wenigstens habe ich meinen Ruf verteidigt.“

„Ja, ja.“, sagte Mulder und zockelte vom Spielfeld. „Ich glaube man sagt auch *Das Glück ist mit den Doofen.*“

„Wenn du das sagst, kleiner Bruder.“, antwortete Grey blasiert und schloss sich seinem Bruder an. „Ich sehe es eher als Rückkehr zur natürlichen Rangordnung an.“

„Wo du gerade von Natur sprichst.“, sagte Mulder und wackelte mit den Augenbrauen. „Wie steht’s mit Agent Harding?“

„Nette Überleitung.“, schnaubte Grey und warf ihm einen scharfen Blick zu.

„Danke. Wirst du die Frage nun beantworten?“

Grey seufzte tief und legte den Kopf in den Nacken um den dunklen Himmel zu betrachten. Die Lichter der Stadt verschluckten manches Sternenlicht, aber der fast volle Mond erleuchtete den klaren Novemberabend. Kate hatte den Herbst mit der Leidenschaft eines Kindes geliebt – riesige Haufen von farbigen Blättern zusammengerecht nur um sich dann mit einem Bauchplatscher da rein zu schmeißen, verwandelte Kürbisse in Laternen oder schlürfte abends Tee vorm Kamin.

„Du denkst gerade nicht an Kristen, oder?“, fragte Mulder leise.

Grey dribbelte den Ball und das Klatschen von Vinyl auf den Asphalt beruhigte seinen plötzlich so aufgewühlten Geist.

„Kristen ist wunderbar. Sie ist schön, clever und es macht Spaß mit ihr.“

„Aber...?“

Grey fing den Ball, klemmte diesen untere seinen linken Arm und fuhr sich mit den Fingern der rechten Hand durchs feuchte Haar. „Aber wenn ich bei ihr bin... Das fällt mir schwer, Fox.“, sagte er abrupt, Frust sichtbar in seinen zusammengepressten Kiefern.

„Ich weiß. Lass dir Zeit.“

Grey holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen. „Ich dachte, ich hätte den schweren Teil hinter mir, dass ich über den schlimmsten Schmerz über den Verlust von Kate hinweg wäre. Aber mit Kristen auszugehen -- es ist als ob jemand das Messer geschärft habe. Ich bin mit ihr zusammen, habe Spaß und dann – Gott, das hört sich so kalt an, aber ich erwische mich immer dabei, wie ich sie mit Kate vergleiche und...“

„Und sie kann ihr nicht das Wasser reichen.“, beendete Mulder sanft. „Versuche nicht dir den Kopf darüber zu zerbrechen, Grey, das ist eine vollkommen normale Reaktion. Trauer ist ein Prozess, den man nicht beschleunigen kann, egal wie sehr man das will.“

„Es ist aber Kristen gegenüber nicht fair“, stellte Grey fest, die Schultern schuldbewusst hängen lassend. „Ich habe darüber nachgedacht, das ganze zu beenden, ihr zu sagen, dass ich sie nicht mehr sehen kann, aber...“

„Aber?“

Grey schloss kurz die Augen und richtete seinen Blick dann auf seinen Bruder. „Aber ich bin so verdammt einsam. Und trotz allem anderen fühlt es sich gut an, wieder jemanden in meinem Leben zu haben.“ Er schüttelte reumütig den Kopf. „Ziemlich egoistisch, huh?“

„Kommt darauf an. Hast du mit Kristen darüber gesprochen, wie du dich fühlst?“, fragte Mulder vorsichtig.

„Ja, ich habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Sie weiß alles über Kate und war wirklich verständnisvoll. Wie ich schon sagte, sie ist großartig.“

Mulder zuckte mit den Schultern. „Dann denk ich musst du aufhören dich schuldig zu fühlen und dein Bestes tun um vorwärts zu kommen – ob nun letztendlich mit Kristen oder jemand anderem. Weißt du, es ist kein Verbrechen mit jemandem glücklich zu sein, der ganz und gar nicht so ist wie Kate, Grey.“

Greys Lächeln war blass, aber echt. „Ja, ich weiß, dass es kein Verbrechen ist. Es ist nur schwierig es zu akzeptieren. Mal ehrlich, kannst du dir vorstellen mit jemand anderem als Dana zusammen zu sein?“

Wie in einem Kaleidoskop schossen Bilder durch Mulders Hirn, das eine mit dem andren verschmolzen. Phoebe Green, Bambi Berenbaum, Kristen Kilar, Diana Fowley – Attraktionen, die bestenfalls als leer und schlimmstenfalls als schmerzhaft beschrieben werden konnten. All diese unbedeutenden Funken verdunkelten sich im Angesicht der Supernova, die seine Scully war.

„Nein“, gab er leise zu. „Ich denke mal nicht.“

Greys Blick wurde weich. „Ich hatte was du jetzt hast, Fox. Wenn man das einmal erlebt hat, will man sich nicht mit weniger zufrieden geben.“

Sie erreichten Mulders Apartmentblock und er fummelte die Schlüssel aus seiner Jogginghose. Er begann einen in dass Schlüsselloch zu stecken, hielt dann aber inne. „Was Scully und ich haben ist nicht über Nacht passiert, Grey. Versuch es wenigstens.“

Das Kitzeln in seinem Rachen begann, als sie gerade in den Aufzug gestiegen waren. Mulder stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und ergab sich hilflos dem trockenen, abgehackten Husten. Als der Aufzug seine Etage erreicht hatte, klang dieser etwas ab, obwohl es ab und zu einer durch seine Verteidigung schaffte.

„Alles okay?“, fragte Grey besorgt.

„Mir geht’s gut.“, versicherte Mulder ihm und verkniff sich die Tränen. „Das ist nur das Schwanzende einer Erkältung die ich nicht loswerde.“

„Vielleicht hätten wir dann nicht so draußen Körbe werfen sollen, es ist ziemlich frisch.“, beharrte Grey, immer noch besorgt.

„Ich hab gesagt mir geht’s gut. Wirklich. Mir hängt schon Scully ständig damit im Nacken, da musst du das nicht auch noch tun.“, antwortete Mulder ungeduldig. Er drehte den Schlüsselbund um seine Finger. „Es sei denn, du möchtest zugeben, dass das der Grund war warum du mich heute geschlagen hast...“

„Netter Versuch, kleiner Bruder.“

Mulder öffnete die Tür zum Apartment durch die ein Schwall warmer Luft und ein köstlicher Duft fluteten. Scully stand am Herd und rührte den Inhalt eines großen Topfes um, was der Ursprung des wunderbaren Dufts war. Leger gekleidet in Jeans und einem hellblauen Pulli steckte sie eine ihrer kupferroten Strähnen hinters Ohr und begrüßte die beiden mit einem warmen Lächeln.

„Das wird auch mal Zeit, ihr zwei. Muss ja ein ganz tolles Spiel gewesen sein.“

Mulder starrte seinen Bruder an und hob warnend einen Finger. „Sag’s nicht!“

Greys Augen weiteten sich und er presste seine Hand auf sein Herz. „Ich? Witze machen über die Tatsache, dass ich dich nicht nur geschlagen habe sondern auch noch mit sechs Punkten? Das käme mir nie in den Sinn, Fox.“

„Du bist so nicht witzig.“, grummelte Mulder, aber jegliche weitere Äußerung seinerseits wurde von einem Hustenanfall unterbunden.

Scully zog die Augenbrauen zusammen, legte den Kochlöffel nieder und ging zu ihnen.

„Mulderrrr...“

„Es hat gerade erst angefangen!“, verteidigte er sich und erhob beide Hände abwehrend.

Scully begnügte sich damit ihre Arme zu kreuzen und ihn anzustarren. Mulder wand sich unter der Kraft ihres Blickes.

„Sculleee! Ich schwöre. Mir ging’s gut bis wir wieder rein gekommen sind. Es wurde nur von der Umstellung von kalter zu warmer Luft ausgelöst. Ich bin gleich wieder okay.“ Sein Protest wurde nicht überzeugend von einem weiteren Hustenanfall unterstrichen.

„Er hat Recht, Dana, er hat nicht gehustet als wir gespielt haben“, warf Grey ein als Scully weniger als zufrieden aussah.

Sie spitzte ihre Lippen. „Fein. Aber wenn die Geschichte nur noch etwas länger anhält, Mulder, *wirst* du einen Arzt aufsuchen. Du rennst damit schon einen Monat lang rum.“

„Einverstanden. Und jetzt geh zurück und koch mein Abendessen fertig, Frau!“, entgegnete Mulder mit gespielter Ernsthaftigkeit.

„Pass auf, Mulder. Das war noch nicht einmal beim ersten Mal lustig.“, warnte sie, fuhr aber fort die Suppe umzurühren.

„Das riecht umwerfend, Dana. Was ist das?“, fragte Grey neugierig.

„Irish Stew. Von meiner Mutter. Sie weiß, dass es einer der wenigen Wege ist, Mulder dazu zu bringen Gemüse zu essen. Bei der ganzen Soße merkt er nicht, dass er es isst.“

„Ha, ha.“, knurrte Mulder.

„Nun, als der Sieger darf ich zuerst duschen“, verkündete Grey und ignorierte die verdrehten Augen seines Bruders. „Bin gleich wieder da.“
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