World of X

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von Spooky

Kapitel 2

Dana las den Zettel noch mehrere Male, bis sie den Inhalt der Zeilen verstand. Wer immer ihr das antat, würde damit aufhören. Jetzt und sofort. Das Loch unter der Heizung führte direkt in die Wohnung dieser alten Frau. Was zu viel war, war zu viel . Kleine Briefe und Klopfen waren eine Sache, aber diese Sache mit den Mäusen ging zu weit!



Wütend ging sie einen Stock tiefer und klopfte an Mrs. Mays Tür. Dieses Mal würde sie so lange warten und rufen, bis diese Frau sich bereiterklärte mit ihr zu reden. Sollte das nicht so sein, würde sie die Cops rufen und es gab dieses Mal mehr als genug Beweise, auch ohne, dass der Rest der Bande etwas hatte hören müssen.



Ärgerlich schlug sie vor die Tür im Apartment unter ihr und ihre Wut steigerte sich parallel zu der Zeit, in der sie davor stand und wartete.



Neben ihr, unter und über ihr gingen einige Türen auf, was bedeutete, dass sie wenigstens laut genug war. Nach zwanzig Minuten platze ihr der Kragen und Dana stürmte zurück in ihre Wohnung. Wenn es so nicht ging, wollte sie einen letzten Versuch starten. Entschlossen riss sie ihr Fenster auf, kletterte über die Feuerleiter einen Stock tiefer und späte in die Fenster der besagten Wohnung. Diese May musste einfach dort sein. Wahrscheinlich lachte sie sich gerade halb schlapp. Trotz ihrer achtzig Jahren musste sie noch ziemlich fit sein.





Nichts. Die Wohnung war absolut dunkel. Dana konnte es nicht fassen. Ihr Blick fiel auf einen Fensterspalt und ohne weiter zu überlegen, schob sie das Fenster so hoch, dass sie in die Wohnung einsteigen konnte. Dieses Mal überwiegte ihre Wut und geleitet von ihren Gefühlen, schaltetet sie ihre sonst so kühle Rationalität ab und ihre Taschenlampe ein. Die Wohnung sah aus, als sei ein Tornado hindurchgezogen. Viele Dinge waren umgefallen, an einigen Stellen bröckelte der Putz von den Wänden und es roch so muffig, wie sie es schon oft bei älteren Menschen wahrgenommen hatte. Dana atmete tief durch.



"Mrs. May?" Vorsichtig tastete sie nach dem Lichtschalter, doch offensichtlich war der Strom ebenso wie die Bestellungen im Supermark abgestellt.



"Mrs. May. Ich bin Dana Scully. Ihre Nachbarin. Sind Sie hier?"



Kein Laut. In einem Chaos wie diesem konnte man doch nicht leben. Gut, sie war alt, aber? Langsam durchsuchte sie die Räume. Immer bewusst, dass sie gerade eigentlich eine Straftat beging, aber im Moment war dies komplett nebensächlich. Dana wollte nur eines: Diese Frau endlich zur Rede stellen. Leise schob sie die letzte Tür der Wohnung auf und für einen Moment stockte ihr Atem. In duzenden von Käfigen tummelten sich unzählige Mäuse. Diese Frage war somit geklärt. Dana stolperte über einen Karton und landete auf dem Boden.



Der Schein der Lampe, beleuchtete an der Decke der Wohnung ein gespenstiges Muster. Erst das genauere Hinsehen ließ ihr Blut in den Adern gefrieren. Es war eine Lagekarte ihrer Wohnung. Dort standen alle Bereiche, jedes Möbelteil war beschriftet und Dana machte einige Schritte zurück. Sie durchsuchte alle anderen Räume noch einmal an den Decken und danach stand mehr als fest, dass diese Frau krank war. Das war gezielter Terror und Einbruch hin oder her, sie war nicht länger gewillt das hinzunehmen. Dieses Mal gab es handfeste Beweise und die Cops würden sie nicht mehr für überarbeitet halten. Außerdem könnte sie sagen, dass sie aus Sorge um Mrs. May nachgeschaut habe. Schließlich hatte das Fenster genaugenommen sogar offengestanden.





Dana verließ die Wohnung über denselben Weg, über den sie gekommen war und schlüpfte zurück in ihre eigene.



"911. Wie kann ich Ihnen helfen?", ertönte die Stimme am anderen Ende der Leitung, doch bevor Dana antworten konnte, traf sie ein harter Schlag an der Stirn und verletzt sank sie zu Boden.



"Oh, bitte entschuldigen Sie. Mein Sohn hat mit dem Telefon gespielt!", erklärte eine Männerstimme und hängte die Gabel teuflisch grinsend ein. Manchmal war es so einfach und dieser Auftrag machte ihm sogar Spaß.



Vorsichtig zog er Dana in die Küche, drehte zwei Regler des Gasofens auf und lächelte. Das hier war beinahe perfekt. Jeder würde denken, dass Dana gestürzt war, als sie sich gerade Abendessen machen wollte. Ein bedauerlicher Unfall.



***



Mulder stürmte durch die Korridore des Krankenhauses und fürchtete das Schlimmste. Mrs. Scully hatte am Telefon furchtbar geklungen und er hatte nur etwas von Gas und Unfall gehört. Bilder des Hauses seiner Mutter schlichen sich in seinen Kopf.



Das grelle Licht der Lampen schimmerte um vier Personen, von denen er drei auf den ersten Blick erkannte. Mrs. Scully, Debbie, Greg und ein Arzt.



"Fox!" Mrs. Scully umarmte Mulder und begrub für einen Moment ihren Kopf an seiner Schulter.



"Wie geht es Dana?", fragte er unsicher und der Arzt antwortete.



„Es geht Miss Scully den Umständen entsprechend. Sie hat großes Glück gehabt. Eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde. Nichts, dass nicht wieder heilt, aber wenn sie länger dieses Gas eingeatmet hätte, wäre es sicher zu spät gewesen. Sie hatte großes Glück.“



Mulder erfuhr, dass ihre Mom und Debbie zufällig zu Besuch hatten kommen wollen und den Gasgeruch festgestellt hatten. Mulder dankte ihnen im Stillen.



"Wie konnte das nur passieren?", fragte Mrs. Scully und der Arzt legte seine Stirn in Falten.



„Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder Ms. Scully wurde niedergeschlagen und jemand hat das Gas aufgedreht oder sie hat sich selber verletzt und in dem Fall war es ein Selbstmordversuch. Aber das ist nicht so wichtig. Sobald Ms. Scully aufwacht, können wir sie befragen und dann sehen wir weiter. In jedem Fall allerdings wird ein Gespräch mit einem Psychologen notwenig, denn manche Suizidopfer weigern sich später die Wahrheit zu sehen."



"Meine Tochter würde so etwas niemals tun!", fauchte Mrs. Scully beinahe und Mulder legte seinen Arm um ihre Schultern.



"Wann können wir Dana sehen", fragte Greg und Debbie verdrehte ihre Augen. Als Mrs. Scully einige Meter gegangen war, fauchte sie ihn offen an, obwohl der Arzt noch dabei war.



"Was willst Du hier? Sie hat Dir offen gesagt, dass Sie Dich nicht mehr sehen möchte. Wo ist Dein Problem, hä?" Greg lächelte unschuldig.



"Kann es sein, dass Du versuchst uns auseinander zu bringen, Debbie? Dana war in letzter Zeit sehr sensibel und durcheinander. Ich habe mir Sorgen um sie gemacht. Das ist alles. Als ich den Krankenwagen sah, hat es mir fast das Herz zerrissen!" Mulder hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht. Was er sagte, lieferte diesem Arzt alles, was er für eine psychologische Untersuchung benötigte.



"Sie sagen also, dass Ms. Scully in der letzten Zeit sehr labil war?" Mit dieser Frage hatte Mulder gerechnet.



"Absolut. Sie war gestresst und überarbeitet. Wir hatten auch einige private Probleme und sie hat von Zeit zu Zeit diese Andeutungen gemacht." Jetzt platzte Mulder endgültig der Kragen.



"Was reden Sie für einen Mist! Ich kenne Dana. Sie hatte Stress, zugegeben, aber sie hat nie solche Andeutungen gemacht. Sie ist nicht der Typ für einen Selbstmord". Der Doc blickte interessiert von Mulder zu Greg.



"Ich denke, dass sie solche Beurteilungen doch wohl besser mir überlassen, Sir", forderte er Mulder auf, doch dieser gab so schnell nicht klein bei. Immer hin ging es hier um Scully und Greg stellte sie wie eine sensible, labile Puppe dar.



"Bei allem Respekt, aber ich kann das beurteilen, Doktor. Ich bin Psychologe und kenne Ms. Scully lange genug", hielt er dagegen, aber alles was sie in dieser Nacht erreichten war, dass sie am nächsten Morgen wiederkommen mussten, weil der Doktor beschloss, dass Dana erst mal Ruhe brauchte.



***





Ganz im Gegensatz zu dem guten Wetter draußen, benahm Dana sich am nächsten Morgen eher weniger wie der Sonnenschein.



Mitten in der Nacht in einem Krankenhaus festgehalten zu werden gegen ihren Willen, gehörte nicht zu den Dingen, die sie schätzte. Sie konnte sich an alles erinnern, was vorgefallen war und fasste es nicht, dass man sie wegen Suizidverdachtes festhielt. In diesem Zimmer gab es keine Türgriffe, die Fenster waren vergittert und nach einem längeren Gespräch mit einer Schwester, die sie nicht mal telefonieren lassen wollte, hatte Scully auf stur geschaltet. Sie würde sich mit absoluter Sicherheit nicht psychologisch untersuchen lassen. Nicht nachdem, was passiert war. Sie war hier das Opfer!



Mulder und Mrs. Scully erreichten die Klinik um kurz nach neun, nur um festzustellen, dass Greg bereits mit dem Doktor vor Danas Zimmer stand. Mulders Miene verdüsterte sich. Wer weiß, was dieser Kerl alles von sich gegeben hatte.



"Guten Morgen", wünschte Mrs. Scully und blickte den Arzt fragend an. "Wie geht es Dana?"



"Nun ja. Sie benimmt sich nicht gerade kooperativ, wenn ich das mal so beschreiben darf. Wir hatten gestern Nacht noch ein kleines Gespräch, das ich allerdings abbrechen musste, weil ich fürchtete, dass es weder für ihre, noch für meine Gesundheit gut war. Ich möchte nicht genau wiedergeben, was Ms. Scully alles von sich gegeben hat, aber soviel ist sicher, sie hat einen Charakter, der einen Hang zur Aggression aufweist und verweigert die Mitarbeit an einem Gespräch."



Während Mrs. Scully relativ fassungslos reagierte, schmunzelte Mulder leicht, trotz der ernsten Situation. Im Gegensatz zum Arzt hatte er mit so einer Reaktion gerechnet.



"Hören Sie. Ms. Scully wollte sich nicht umbringen, das versichere ich Ihnen als Psychologe, aber ich weiß, dass sie eine Abneigung gegen Psychiater hat und nicht mit Ihnen kooperiert, weil sie sich hier gegen ihren Willen festgehalten fühlt. Warum lassen Sie mich bei dem Gespräch nicht mit dabei sein?"



Greg verdrehte die Augen, doch um einen Schritt weiterzukommen, willigte der Arzt schließlich ein.







Vorsichtig lugte Mulder durch die Tür und Scully stand sofort auf, als sie ihn erkannte. Sie war besser auf den Beinen, als er erwartet hatte und schlang glücklich seine Arme um seine Partnerin.



"Scully, alles ok?" Besorgt fuhr er mit den Fingern durch ihr Haar und strich eine Strähne hinter ihr Ohr. Dana schmiegte sich für einen Moment an ihn und atmete seinen Duft ein.



"Sieht das aus, als wenn alles in Ordnung sei?", fragte sie sauer und machte sich los. "Sie halten mich hier fest. Gegen meinen Willen, weil dieser Spinner dort draußen denkt, dass ich keinen Bock mehr gehabt hatte zu leben!!" Nicht bemüht den Ton leise zu halten, war es unübersehbar, dass sie mehr als wütend war.



"Scully", versuchte er sie zu beruhigen, doch so einfach war das nicht.



"Ich war in meiner Wohnung, wollte gerade die Polizei rufen und bin niedergeschlagen worden! Mehr weiß ich nicht! Okay? Ich bin nicht in die Küche gegangen, habe das Gas aufgedreht und mich dort hingelegt, wie dieser Psychofritze es annimmt." Mulder nickte verstehend.



"Scully. Ich glaube Ihnen ja, aber Sie müssen das diesem Psychofritzen in Ruhe erzählen. Alles was gestern geschehen ist, denn er entscheidet, ob Sie hier schnell wieder herauskommen", versuchte Mulder zu erklären, doch Dana schnitt ihm das Wort ab.



"Er hat kein Recht mich hier zu behalten. Ich habe nicht versucht mich umzubringen!!!", fauchte sie, doch Mulder schüttelte den Kopf.



"Er hat das Recht und das wissen Sie und ich denke, er wird so lange Gebrauch davon machen, wie Sie sich querstellen." Scully drehte sich zu den Fenstern und schaute hinaus. Was machte es schon. So unglaublich es vielleicht auch alles schien. Schließlich hatte sie Beweise in ihrer Wohnung. Mulder trat vorsichtig an sie heran und legte seine Hände beruhigend auf ihre Schultern.



"Keine Panik, wir schaffen das schon. Wenn Sie wollen bleibe ich auch beim Gespräch dabei." Dana nickte und wenig später nahm der Doc im Stuhl dem Bett gegenüber Platz.



Es wurde ein langes Gespräch. Dana erzählte von der Wohnung, den nächtlichen Klopflauten, den Drohungen, den Mäusen, dem Befund des Kammerjägers und schließlich von der Wohnung und was sie dort gesehen hatte. Mulder schluckte des öfteren und fragte sich, wie diese Story wohl auf den Arzt wirken würde. Was ihn anging, er hatte schon abenteuerlichere Geschichten gehört und glaubte seiner Partnerin jedes Wort. Was den Doc anging, war er sich nicht so sicher. Nach einer guten halben Stunde war Scully mit ihren Erklärungen fertig und der Doktor nickte Mulder zu.



"Nun ja, Ms. Scully. Sie werden Verständnis haben, dass ich mich kurz mit ihrem Partner austauschen möchte", führte er an und Dana nickte zustimmend. Sie verließen den Raum und es war nicht schwer zu erraten, was der Doktor dachte.



"Agent Mulder. Ich halte ihre Partnerin für wirklich gefährdet. Ich meine, das klingt eher wie ein Märchen und dann noch die Mäuse!" Mulder konnte es nicht fassen.



"Verdammt. Es gibt Beweise, hat sie gesagt . Vielleicht schauen wir uns das erst mal an, bevor sie sie als durchgeknallte diagnostizieren. Ich kenne Dana. Sie denkt sich so etwas nicht aus."



Es dauerte eine gute Stunde, bis Mulder den Arzt von Danas Zurechnungsfähigkeit überzeugt hatte, wenn man das so sagen konnte und nach einer Weile konnte sie ihr Zimmer dann auch verlassen. Greg eilte sofort auf sie zu , bekam allerdings die Abfuhr seines Lebens.



"Ich habe Dich mehr als einmal gebeten mir fern zu bleiben. Bitte halt Dich endlich daran!", fauchte sie und Mulder lächelte leicht zufrieden. Er war froh und erleichtert, dass sie nichts mehr von ihm wollte.





***





"Mulder, Du musst mir glauben!", flehte Scully beinahe. Mittlerweile war sie spontan übergegangen ihren Partner zu duzen. Das alles war so verwirrend und anfängliche Tränen strömten jetzt das Gesicht herunter. Mulder war froh, dass der Doc nicht mitgekommen war. Spätestens jetzt hätte er Dana eingewiesen. Mulder legte seine Arme um Scully und streichelte sanft ihren Rücken.



"Ist ja gut. Alles wird wieder gut, Dana", flüsterte er, doch Dana stieß ihn weg und funkeltet ihn wütend an.



"Hör auf mich mit Deiner "alles wird wieder gut- Psychologenstimme" einzulullen! Es war hier!". Verzweifelt ging sie auf die Knie und untersuchte den Boden, wo das Mauseloch gewesen war. Es war weg. Mulder sah sich hilflos in der Wohnung um.



"Es war hier, Mulder! Ich bin nicht verrückt, ich bilde mir das nicht ein!!", flehte sie und er nickte.



"Wo sind die Briefe, Scully?" Warum hatte sie nicht schon eher daran gedacht? Dana sprang auf und wühlte in einer Schublade im Schrank. Nach der ersten, kam die zweite Lade dran und so ging es weiter, bis Mulder sie festhielt und sie ihn verzweifelt ansah.



"Ich bilde mir das nicht ein", schluchzte sie leise und nur noch wenig erinnerte in diesem Moment an seine starke Partnerin, die sie vor wenigen Wochen noch gewesen war. Und dennoch glaubte er ihr. Kein Stress der Welt würde diese Reaktionen bei Scully hervorrufen, da war er sich ganz sicher. Schließlich hatten sie schon wesentlich mehr durchgemacht.



"Scully. Der Kammerjäger. Wissen Sie noch, wen Sie angerufen haben?" Sie nickte. Perfekt das war ein Anfang. Ein Anfang, der sich leider als Sackgasse erwies, denn besagter Mann war im Urlaub und konnte somit ihre Aussage nicht untermauern. Erschöpft und völlig am Ende ließ sie sich auch einen Stuhl in der Küche fallen.



Mulder kniete sich vorsichtig vor sie und griff nach ihren Händen.



"Scully, Du hast in den letzten Wochen kaum Schlaf bekommen. Du siehst aus, als würdest Du jeden Moment zusammenbrechen. Ich will, dass DU mit zu mir kommst. Dort kannst Du ausschlafen und morgen sehen wir weiter. Ich glaube, dass Du dir das nicht einbildest, aber wir brauchen Beweise, so wie Du sie schon hattest oder zumindest die Aussage des Kammerjägers, aber am Wichtigsten ist, dass DU jetzt Schlaf bekommst!" Scully nickte, packte einige Dinge zusammen und folgte Mulder zu dessen Wohnung.



Nie zuvor war es ihr in dieser Rumpelkammer so gemütlich vorgekommen. Mulder nahm ihre Tasche und brachte sie ins Schlafzimmer.



"Zieh' Dich ruhig um. Ich mache Tee und dann ruh' dich erst mal aus", schlug er vor und Dana dankte ihm, dass er dermaßen fürsorglich war. Wahrscheinlich hielt er sie auch für labil, aber in diesem Moment war es ihr egal. Sie zog sich um und schlüpfte ins Bett. Die daunigen Federn schlossen ihren zierlichen Körper warm ein und als Mulder nach einem Moment mit dem Tee kam, war ihre Welt wieder halbwegs in Ordnung.



Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante und sah zu, wie sie einige Schlucke nahm. Er lächelte zufrieden.



"Danke, Mulder."



"Keine Ursache, Scully. Ich will nur, dass Du Dich jetzt ausruhst, ok?"



"Mulder?"



"Hmmm?"



"Denkst Du, dass ich meinen Verstand verliere, so wie der Arzt das gesagt hat?", fragte sie leise und Mulder sah sie geschockt an.



"Nein, das glaube ich nicht. Du hast Dir noch nie etwas eingebildet und etwas Stress kann solche Halluzinationen nicht bewirken, glaub mir. Ich kenn mich da aus." Sanft gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und erntete ein Lächeln. Bevor er den Raum verließ, drehte er sich noch einmal um und sah sie an.



"Scully?"



"Ja?"



"Mir gefällt das mit dem "Du", sagte er leise und blickte sie abwartend an.“



"Ja, mir gefällt es auch", antwortete Dana und lächelte noch immer, als Mulder den Raum schon verlassen hatte, kuschelte sich in die Laken und schlummerte wenige Sekunden später ein.





***





Als sie am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich zum ersten Mal seit Wochen wieder ausgeschlafen. Scully streckte sich und schlüpfte dann aus dem Bett.



Mulders Wohnung erschien richtig aufgeräumt und auf dem Küchentisch stand sogar Frühstück. An einer frischen Blume war ein kleiner Zettel befestigt:





Ich hoffe, Du hast gut geschlafen. Lass es Dir schmecken. Ich will noch einmal in diesen Kammerjägerladen, um etwas zu überprüfen. Bin gegen Mittag wieder da! Bitte ruh´ Dich aus!!!



Mulder





Dana lächelte und fuhr mit ihren Fingern über das Papier. Das Frühstück sah herrlich aus und da sie einen Bärenhunger hatte, ließ sie es sich auch erst mal schmecken.



Als Mulder gegen Nachmittag nicht zurückkam, beschloss sie noch einmal in ihre Wohnung zu fahren.



Ihr war eingefallen, dass sie eine Durchschrift des Auftrages von diesem Kammerjäger bekommen hatte und diese achtlos in ihren Rucksack gestopft hatte. Nur das Original hatte sie später mit den anderen Beweisen zusammen verstaut. Mit etwas Glück war es noch immer da und sie brauchten nicht nach anderen Beweisen zu suchen.



Da Mulder mal wieder nicht an sein Handy ging, nahm sie einen kleinen Zettel und hinterließ ihm eine Nachricht.





***





Warum war ihr das nicht schon früher eingefallen, sinnierte sie, als sie die schwere Haustür des alten Gebäudes öffnete. Wahrscheinlich hatte der Schlag auf den Kopf, den sie abbekommen hatte, für eine Weile ihr Gedächtnis getrübt. Vorsichtig kramte sie ihren Schlüssel aus der Jackentasche und wollte gerade die Tür aufschließen, als der freundliche alte Herr aus dem Apartment über ihr hinter ihr aufgetaucht war. Dana zuckte zusammen. Sie war nie eine besonders schreckhafte Person gewesen, aber die letzten Monate, speziell die letzten Wochen waren ihr nicht besonders bekommen.



"Oh, Miss Scully. Wie schön, Sie zu sehen! Ich hatte schon befürchtet, Sie nicht wieder zu sehen. Geht es Ihnen gut?" Dana nickte.



"Ja, ja es geht mir wieder gut. Es war ein Unfall, aber jetzt ist alles wieder o.k.", erklärte sie und wollte sich wieder zur Tür umdrehen, als sie die Hand des Mannes hart nach ihrem Arm greifen spürte. Reflexartig drehte sie sich um, aber jeglicher Versuch sich loszureißen, erstarb in dem Moment, als sie das Messer sah, dass er bedrohlich in die Nähe ihres Halses hielt.



"Was?", fragte sie stockend, als sie langsam die Situation begriff und die Stimme des netten, alten Herren von neben an, hatte sich plötzlich in kaltes Metall verwandelt.



"Halten Sie die Klappe und öffnen Sie die Tür. Rein da!" Er stieß Dana in die Wohnung und wechselte das Messer gegen eine Waffe aus.



"Hören Sie, ich bin Bundesagentin", sagte Dana leise und der Mann lachte.



"Genau das ist ja auch das Problem, Miss Scully. Alles war gut, bevor sie herkamen. Ich konnte hier ganz in Ruhe leben. Niemand hat mich beachtet und von Zeit zu Zeit konnte ich meinem kleinen Hobby nachgehen. Die arme Mrs. May. Sie hat mich beobachtet. Genau wie Ihr Freund. Nur war der etwas cleverer und wusste dieses kleine Geheimnis für sich zu verwenden. Tja, Pech für Sie. Ich habe versucht Sie aus dem Haus zu ekeln, Ihnen genug Möglichkeiten gegeben zu gehen, was übrigens die Idee dieses Freundes war. Er war so erbost, dass Sie hier eingezogen waren und nicht bei ihm, dass er wollte, dass ich Ihnen etwas Angst mache, Sie so lange nerve, bis Sie gehen, aber wissen Sie, was Ihr Problem ist? Sie kommen immer wieder zurück!" Dana schluckte. So viele verwirrende Einzelheiten konnte sie nicht auf einmal verarbeiten.



"Ja, da schauen Sie was? Dieser Greg hat mich beobachtet, wie ich mich dieser alten Fetten im Keller entledigte, weil er zufällig zur selben Zeit, durch seinen Job, am selben Ort war, wie ich. Aber er hat nicht gleich die Bullen gerufen. Nein. Er hat mir einen Deal vorgeschlagen.



Machen Sie meiner Freundin etwas Angst. Sie soll hier so schnell wie möglich wieder heraus! Na, wenn das kein Deal war. Wir wollten beide das gleiche. Er, weil sie ihn abserviert hatten und er sich neue Chancen erhoffte und ich, weil ich Angst gehabt hatte, dass eine FBI-Agentin früher oder später hinter das tragische Schicksal dieser armen Frau hätte kommen können!"



Dana schluckte.



"Tja, na ja und da ihr erster Selbstmordversuch ja leider fehlgeschlagen ist, werden Sie es jetzt selbstverständlich noch einmal probieren!"



Scully machte einen Schritt nach hinten und blickte sich verzweifelt um.



"Das wird auffallen. Mein Partner weiß, dass ich hier bin und er würde das niemals glauben", erklärte sie unsicher und erntete ein Lachen.



"Hier, bitte sehr." Er reichte ihr eine Flasche Wodka und forderte sie auf den Verschluss abzunehmen.



"Und jetzt schön trinken. So ist das mit Selbstmördern. Die trinken sich oft Mut an!"



Scully blickte zwischen der Flasche und ihrem vermeintlichen Nachbarn hin und her.



"Ich habe gesagt, dass Sie trinken sollen!", fauchte er und spannte den Abzug der Waffe, bis Scully die Flasche an den Mund setzte und einen Schluck nahm. Scharf und brennend lief der Alkohol ihren Hals hinunter. Als sie die Flasche absetzte blickte sie erneut in den Lauf der Waffe.



"Ich habe gesagt, Sie sollen trinken, Scully. Ich mache keine Scherze, verstanden!"







Nach ungefähr der dreiviertel Flasche Wodka zeigte der Alkohol seine Wirkung. Die Umrisse des Mannes vor ihr verloren an Genauigkeit und Schärfe, bis alles in eine tiefe Schwärze eintauchte und ihr Kopf langsam zur Seite glitt.







***







"Dana? Dana, komm schon, wach auf." Erst noch weit weg, kam die Stimme langsam immer näher, bis sie sie schließlich deutlich hören konnte. Scully schluckte und bemühte sich ihre Augen zu öffnen. Der stechende Schmerz in ihren Schläfen raubte ihr beinahe den Atem.



"Schhhhh. Du bist in Sicherheit. Alles ist wieder ok."



"Mulder?"



"Hm, ich bin´s." Seine weichen Hände streichelten ihr Gesicht und fuhren sanft über ihre Lippen.



"Mein Kopf." Mulder schmunzelte.



"Alles wird wieder gut. Du hast einen riesigen Kater, aber in einigen Tagen wird alles wieder beim Alten sein."



"Einen Kater?"



"An was erinnerst Du Dich?"



"Ich war in Deiner Wohnung. Du hattest Frühstück gemacht."



"Das ist das Letzte, was Du weißt?"



Scully nickte.



"Was ist passiert?"



"Dein Nachbar hat versucht Dich zu töten. Er zwang Dich den Wodka zu trinken, danach drehte er das Gas auf. Es sollte aussehen wie Selbstmord. Wir sollten denken, dass Du durchgedreht bist. Es war Gregs Idee. Er hat diesen Kerl erpresst, als er Zeuge dieses Mordes im Keller des Mietshauses wurde. Es sollte ein netter kleiner Scherz sein, wie er in der Vernehmung zugab. Er wollte Dich zurück und dein Nachbar sollte ihm dabei etwas behilflich sein. Es war ein abgekartetes Spiel."



"Greg?"



"Hmm."



"Was passiert jetzt mit ihm?"



"Es wurde heute morgen dem Haftrichter vorgeführt." Scully nickte.



"DU kannst morgen nach Hause, sagt der Doc." Dana blickte zur Seite und dann wieder in die Augen ihres Partners und besten Freundes, des Mannes, den sie schon vor Jahren in ihr Herz geschlossen hatte.



"Hast Du in Deiner Wohnung noch zwei, drei Tage Platz für einen Untermieter?"



"Scully?"



"Ich kann nicht in diese Wohnung zurück. Ich will es nicht. Ich werde mich nach etwas anderem umsehen, so schnell es geht."



Mulder nickte.



"Kein Problem. Ich, es ist zwar nicht besonders groß, aber Du kannst so lange bleiben wie Du willst."



"Danke."



"Du musst Dich nicht bedanken. Ich, ich, es ist kein Problem, ich meine, ich...."



"Mulder?" Scully griff nach der Hand ihres Partners, doch er entwand sich ihrem Griff und stand auf.



"Scully, ich, Du, Du solltest schlafen. Du musst Dich noch etwas ausruhen. Ich, wenn Du möchtest, kann ich Dich morgen abholen."



"Ja, gern."



"Gut. Du solltest jetzt wirklich schlafen, ok?" Mulder deckte sie zu, lächelte und machte sich auf den Weg.



"Ich bin morgen da und hole ich Dich ab. Schlaf gut."



"Mulder?"



"Ja?"



"Danke, dass Du immer da bist."



"Immer, Scully." Vorsichtig schloss er die Tür und lehnte sich für einen Augenblick außen an die Wand.



Scully würde die nächsten Tage bei ihm wohnen. Gott, warum konnte er nicht wenigstens einmal in seinem Leben etwas mutiger sein? Wie oft schon hatte er die Flucht ergriffen, wann immer es näher wurde zwischen ihnen? Mulder schloss die Augen und lächelte.



Was immer auch passieren würde. Dieses Mal wollte er es nicht vermasseln.





Ende
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