Der Schnee fiel vom Himmel und schuf - gemischt mit dem strengen Nordwind -
eine Welt aus einer wirbelnden, verwirrenden, blendenden Weiße.
Fox Mulder bewegte sein Auto vorsichtig und ganz langsam dort entlang, wo
er hoffte, dass es immer noch die Straße war. Er war sich nicht länger
sicher, weil sie schon lange mit Schnee bedeckt worden war durch den Sturm,
der um ihn herum tobte. Sein einziger Anhaltspunkt war, das Auto zwischen
den beiden Reihen Telefonmasten zu halten, die rechts und links der Straße
entlangliefen.
‚Ist das ganze Universum gegen mich?' fragte er sardonisch, jedoch
niemanden im Speziellen, weil er allein im Wagen war. ‚Oder habt ihr euch
alle abgewechselt und heute ist Jack Frosts Glückstag?'
Er blickte grimmig drein und packte das Lenkrad des Autos fester, als die
Reifen für einen Moment die Bodenhaftung verloren. Der Motor jaulte kurz
auf bevor das Auto wieder begann, vorwärts zu kriechen. Den Gedanken, an
den Straßenrand zu fahren, wenigstens bis es aufhörte zu schneien, hatte er
fortgewischt. Er wollte zu Scully - er musste zu Scully.
Es waren die längsten zehn Tage seines Lebens gewesen. Mulder hatte sein
Leben allein verbracht, das war es, was er kannte, das war es, was er
akzeptiert hatte. Er hatte sein ganzes Dasein, bis vor fünf Jahren, mit der
Suche in einer selbstauferlegten Einsamkeit zugebracht. Mit der Suche nach
seiner Schwester, nach der Wahrheit und, obwohl er es nie erkannt hatte,
war er auf der Suche nach Scully gewesen.
Vor elf Tagen hatte er sie im Arm gehalten. Vor zehn Tagen hatte er sie zum
Flughafen gefahren, ihr geholfen, ihn zu verlassen, darauf vertrauend, dass
sie die Antworten, die sie in sich selbst suchte, finden und zu ihm
zurückkommen würde. Scully kehrte immer zu ihm zurück.
In den letzten zehn Tagen hatte er in ihrem Büro gesessen, die Leere
angestarrt und ihre Anwesenheit dort vermißt. In der Vergangenheit war die
Arbeit sein Zuspruch gewesen, jetzt fand er nur Trost, wenn er mit ihr
zusammen war. Ihre Stimme auf seinem Anrufbeantworter an diesem Nachmittag
hatte seine Seele erwärmt.
"Mulder, ich bin es. Ich... äh... ich bin früher zurückgekommen. Ich habe
gehofft, wir könnten uns treffen. Wir könnten... Schneeengel machen, wie
beim letzten Mal, als du mich hergebracht hast."
Er lächelte, als er sich an den Klang ihrer Stimme erinnerte, die zögernde
Scheu, die er aus ihren Worten gehört hatte. Die Erinnerung entflammte sein
Verlangen, sie an sich zu spüren, und frustriert schlug er auf das Lenkrad
ein. Die Reifen fuhren fort, den Schnee gegen den Gehweg zu schleudern,
während sich das Auto allmählich vorwärts bewegte. Ein Straßenschild zu
seiner Rechten ließ seine Laune ansteigen. Bis zur Hütte waren es noch
fünfzehn Minuten - fünfzehn Minuten bis zu Scully. Fünfzehn Minuten davon
entfernt, sie in den Armen zu halten.
Mit neuem Bewusstsein für das Ziel packte er das Lenkrad und erinnerte sich
daran, wie es sich anfühlte, sie in den Armen zu halten, ihren Körper an
seinem zu spüren.
Er erinnerte sich an das Gefühl ihrer Haut, glatt und warm an ihm, als sie
sicher in seinen Armen zusammengerollt schlief. Stundenlang hatte er
wachgelegen und sich der Einfachheit ihres warmen Atems an seinem Hals und
dem Gefühl ihres Herzschlags im Rhythmus mit seinem ergeben.
Am Weihnachtsabend hatte er ihr sein Herz gegeben. In Wirklichkeit hatte
sie sein Herz seit langer Zeit behutsam in ihren Händen gehalten, es
geführt und beschützt so grimmig wie sie ihn führte und beschützte.
Am Weihnachtsmorgen war er das erste Mal aufgewacht mit ihr in seinen
Armen. Diese Erinnerung hatte ihn warmgehalten während ihrer Abwesenheit.
Er war vom Schlaf in den Wachzustand gedriftet, bevor sie es getan hatte
und er hatte ein großes Vergnügen darin gefunden, das Gewicht ihres Körpers
an seinem zu spüren. Er hatte dem Schicksal gedankt, bevor er überhaupt die
Augen geöffnet hatte. Seine Arme hatten sich enger um sie gelegt und sie
hatte begonnen, sich zu rühren.
"Lass die Augen zu," flüsterte er sanft und dann lächelte er, als sie ihre
Augen zwar geschlossen hielt, aber eine Augenbraue hochzog.
"Warum?" Ihre Stimme war halb betäubt durch den Schlaf, aber ihr Körper
zeigte ihre Freude darüber, in seiner Umarmung zu erwachen, als sie ihn
dadurch neckte, dass sie ihr Knie gemächlich an seinem Schenkel auf und ab
wandern ließ.
"Scully..." brummte er in gespielter Warnung, nahm sie fester in die Arme
und küßte sie auf den Kopf. "Du kannst die Augen nicht öffnen, bevor du
eine Weihnachtswunsch gemacht hast."
"Einen Weihnachtswunsch?"
"Bevor man am Weihnachtsmorgen die Augen öffnet, hat man einen Wunsch
frei."
"Wer sagt das?" forderte sie ihn heraus, ihre Augen immer noch geschlossen.
"Der Weihnachtsmann. Scully, das ist doch nicht schwierig, lass deine Augen
zu und wünsch dir was."
"Mulder." Sie hob ihren Kopf, der auf seiner Brust geruht hatte, und
schätzte, entsprechend ihrer zeitweiligen Unfähigkeit zu sehen, wo sein
Gesicht war. "Du erkennst schon, dass es keine Person wie..."
Mulder brachte sie zum Schweigen, indem er ihre Lippen mit seinen
verschloss.
Sein Kuss war berauschend und heftige Wellen von Verlangen fluteten ihre
Sinne, brachten sie dazu, ihr Argument zu vergessen, was natürlich sowohl
seine Absicht als auch sein Vergnügen war. Sie stöhnte protestierend, als
sich seine Lippen von ihren lösten. Sein Gesicht blieb nahe an ihrem, die
morgendlichen Stoppeln auf seiner Wange strichen rau über ihr Kinn, bevor
er eifrig ihr Ohrläppchen in seinen Mund saugte. Scully atmete tief ein und
kuschelte sich an ihn. Langsam erlaubte er dem zärtlichen Saugen das Feuer
zu schüren, das tief in ihrem Bauch brannte, aber er hoffte, dass das
dumpfe Grollen tief in seiner Kehle die brennende Hitze verursachte, die
durch ihre Adern jagte.
"Shhh... ich will glauben," hauchte er. "Wünsch dir was, Scully."
Dieser Mann, wenn er diese Stimme benutzte... sie konnte ihm nichts
abschlagen.
Mulder beobachtete, wie ihr Gesichtsausdruck einen Moment ernst wurde,
bevor ein zufriedenes Lächeln ihr Gesicht erhellte und sie ihre Augen fest
zusammenkniff, als sie ihren Wunsch formulierte. Sie öffnete ihre Augen und
nun, da sie ihr Ziel sehen konnte, presste sie ihre Lippen auf seine. Ihre
Zunge verspottete ihn, indem sie nur über seine Unterlippe strich. Als sich
sein Mund öffnete, um sie hereinzulassen, zog sie sich zurück und überließ
ihn seinem Verlangen.
"Das funktioniert nicht immer." Ihre Stimme war tadelnd, aber in ihren
Augen tanzte Frohsinn.
"Dich zu küssen? Für mich funktioniert es." Er beugte sich nach vorn, um
ihre Lippen wieder in Besitz zu nehmen, aber sie lehnte sich nach hinten
aus seiner Reichweite heraus.
"Nein, mich zu küssen, um mich daran zu hindern, dir nicht zuzustimmen."
"Du kannst es einem Jungen nicht übel nehmen, dass er es probiert, Scully."
"Ich freue mich auf deinen Versuch, Mulder. Ich warne dich nur, dass es
nicht immer funktioniert."
Er beugte sich zu ihr und diesmal trafen sich ihre Lippen und sie sonnte
sich in den Gefühlen, die er ihr bescherte.
"Ich muss einfach nur üben, bis es immer funktioniert," murmelte er an
ihren Lippen.
"Ich weiß nicht. Ich kann ganz schön stur sein, wenn ich will. Es wird eine
Menge Übung brauchen."
"Ich glaube, ich nehme die Herausforderung an." Er lächelte und zog sie
enger an sich. Die Decke, die sie eingehüllt hatte, verrutschte und
überließ ihre Beine der kühlen Morgenluft. Sie schauderte.
"Es ist kalt hier drin."
"Das Feuer ist ausgegangen," stellte er einfach fest.
"So? Vielleicht solltest du aufstehen und es wieder anzünden."
"Scully, ich will nicht aufstehen. Es ist kalt hier drin," protestierte er
mit einer Stimme, die an ein Winseln grenzte, während er sein Gesicht in
ihr Haar kuschelte.
"Ich fange an zu glauben, dass ich einen defekten Indianerführer zum
Partner habe," neckte sie ihn.
"Die Frau macht das Feuer," erwiderte er mit ernstem Gesichtsausdruck und
benutzte gestelzte Worte. "Indianerführer richten den Hochofen her."
"Mulder!"
"Wenn du ein Feuer willst, dann bekommst du natürlich ein Feuer. Ich bin
nur noch nicht soweit, dich loszulassen." Er schob sich unter sie und zog
sie an sich, so dass die Wärme seines Körpers sie sanft einhüllte.
"Besser?"
"Viel besser," erwiderte sie und bedeckte sein Kinn und seinen Hals mit
weichen Schmetterlingsküssen. "Denk bloß nicht, dass du aus der Sache mit
dem Feuer rausbist."
"Scully?" Sie unterbrach ihre Liebkosungen und sah ihm in die Augen. "Was
hast du dir gewünscht?"
"Das kann ich dir nicht sagen."
"Warum nicht?"
"Wenn man jemandem seinen Wunsch erzählt, dann wird er nicht wahr."
"Das gilt nur für Geburtstagswünsche." Mulder verdrehte die Augen in
gespielter Empörung über ihre Unkenntnis des Wunschprotokolls.
"Bist du sicher?" Scully blickte ihn skeptisch an.
"Ich bin sicher. Was hast du dir gewünscht?"
"Einen Tag." Sie hielt seinen Blick fest, aber ein wenig Scheu zeigte sich
in ihrem Gesichtsausdruck.
"Einen Tag?"
Scully wußte, dass es ihm wichtig war, dass er verstand, worum sie bat. Sie
griff herüber, nahm seine Hand in ihre, zog sie an ihre Lippen und küßte
seine Handfläche.
"Ich möchte einen Tag mit dir. Einen Tag, an dem es nur dich und mich gibt.
Ein Mann und eine Frau. Einen Tag, an dem wir nicht die Spezialagenten
Mulder und Scully sind, einen Tag, an dem der Rest der Welt nicht
existiert. Ich will nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn wir an die
Arbeit zurückkehren. Ich will nicht darüber nachdenken, was morgen ist,
wenn wir hier wieder weggehen. Ich will nur einen Tag."
Er sah die Emotionen in ihren Augen und glaubte zu verstehen, wieviel ihre
Bitte ihr bedeutete, aber sie musste verstehen, dass das, was sie beide
hatten, nicht nach einem Tag zuende gehen würde. Sie hatten zu lange
gebraucht, um so weit zu kommen. Sie hatten zu hart gekämpft, zu viel
verloren. Er würde jetzt nicht sie verlieren.
"Aber Scully, das muss es nicht."
Scully hob ihre Finger an seinen Mund, legte sie ihm fest auf die Lippen
und brachte ihn damit zum Schweigen.
"Einen Tag. Kannst du mir den geben, Mulder?"
Wenn es in seiner Macht stünde, würde er ihr die ganze Welt geben. Er würde
ihr den heutigen Tag geben, dann den morgigen Tag und jeden weiteren Tag.
Mulder blickte ihr in die Augen und sah darin das Bedürfnis ihrer Seele.
"Der heutige Tag gehört dir, Scully," schaffte er zu flüstern, bevor er
sein Versprechen mit seinem Mund besiegelte.
Das Brennen ihrer Lippen, ihrer forschenden Zunge sandte ein Feuer durch
all seine Adern. Seine Reaktion veranlasste sie, in einem tiefen,
primitiven Ton zu stöhnen, der jeden Nerv in seinem Körper reizte.
"Bist du dir sicher, Mulder? Kannst du alles andere für einen Tag
vergessen?" bat Scully eindringlich, als er schließlich seine Lippen von
ihren löste, um die sinnliche Erschütterung des Kusses zu beenden.
"Wenn das dein Weihnachtswunsch ist, dann will ich den Tag damit
verbringen, alles zu machen, was du magst," versprach er ihr mit seinem
Herzen und mit seinen Worten.
"Danke," flüsterte sie leise.
"Wie möchtest du deinen Tag beginnen?" Er zog suggestiv seine Augenbraue
hoch, während seine Hand ihren Körper unter der Decke neckte.
"Warum machst du nicht das Feuer an und ich mache das Frühstück." Scully
lächelte, als sie sah, wie sein Gesicht sich zu einer jungenhaften Schnute
verzog, was sie insgeheim unglaublich verlockend fand. Sie küßte ihn, für
seine Begriffe viel zu schnell, und griff nach dem heruntergefallenen Hemd,
das er letzte Nacht fortgeworfen hatte. "Das klappt auch nicht immer."
Mulder seufzte, aber er setzte sich hin, als sie sein nun zerknittertes
Arbeitshemd anzog und begann, die Knöpfe zu schließen. Das Hemd hatte
niemals so gut ausgesehen. Scully stand auf und sah auf ihn herab.
"Fein. Mann macht Feuer, Frau geht in Küche," ordnete er an, seine Version
eines Indianerführers imitierend. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war
Scullypatent. Sogar als sie so dastand, ihr Haar nur durch seine Finger
gekämmt, ihre Lippen leicht geschwollen durch den Druck seiner eigenen, ihr
sinnlicher Körper, der sich unter seinem gewunden hatte während der Nacht
und der sich unter seinem Hemd abzeichnete; sie war eine Kraft, mit der man
rechnen musste, wenn sie ihm diesen Blick schenkte. Eine wunderschöne
Kraft. Seine wunderschöne Kraft. Seine Scully. "Das Feuer kommt."
Scully drehte sich um, um zur Küche zu gehen, aber nicht ohne ihn zuerst
mit einem Lächeln zu beschenken. Beinahe als Nachgedanke drehte sie sich
noch einmal um, während er sich die Decke um seine Taille schlang.
"Mulder? Was ist dein Weihnachtswunsch?"
"Streichhölzer," scherzte er, als er zum Kamin eilte. Er drehte sich um,
als er immer noch ihre Augen spürte, die ihn beobachteten. "Mein
Weihnachtswunsch ist ein bisschen komplizierter, aber ich verspreche dir,
ich erzähle ihn dir später." Mulder hoffte, dass sie es dabei belassen
würde, drehte sich um und kniete sich vor dem Kamin nieder. Einen Moment
später hörte er sie in die Küche gehen und mit dem Frühstück beginnen.
* * * *
Mulder erinnerte sich an diesen Morgen, während der Wagen immer noch seine
Reise durch den Schneefall, der wild um ihn herum wirbelte, fortsetzte. Sie
hatte ihn um einen Tag gebeten und seiner Meinung nach, und ihrer, war er
perfekt gewesen. Sie hatten Frühstück gegessen und zusammen auf dem Sofa
gekuschelt und sich alte Weihnachtsfilme angesehen. Hatten den
Weihnachtsbaum genossen, die Wärme der Feiertagsklassiker und die Wärme
dessen, einfach nur zusammen zu sein. Schließlich hatte sie seinem Flehen
nachgegeben und sie hatten sich zusammen ‚Wie der Miesepeter Weihnachten
gestohlen hat' angesehen, zwischen den Filmen ‚Das Leben ist schön' und
"Weiße Weihnacht'. Während sie sich die Filme ansahen, waren sie
eingeschlafen und als sie aufwachten, trauerten sie um jede noch so kurze
Zeit ihres gemeinsamen Tages, die sie versäumt hatten, trösteten sich aber
damit, dass sie ihre Kraft für später brauchen würden. Es war da, als sie
von ihrem Nickerchen aufgestanden waren, dass Scully beschlossen hatte, sie
sollten einen kleinen Spaziergang machen.
Es war ein klarer, frischer Tag. Der Schneefall der vergangenen Nacht hatte
ein Winterwunderland geschaffen nur für sie zur Freude. Die bewaldete
Umgebung war herrlich, die Bäume waren alle in eine strahlende Schneedecke
gehüllt und die Szenerie konkurrierte mit allem, was sie bisher im
Fernsehen gesehen hatten. Hand in Hand waren sie von der Hütte zur Straße
gewandert, als wenn sie schon seit Jahren Liebende waren und nicht erst
seit ein paar Stunden.
Mulder lächelte, als er sich an den Katalysator erinnerte, der den Rest des
Tages vorangetrieben hatte. Ein einzelner ausgewählter Moment in der Zeit,
in dem er entschieden hatte, dass sie anziehend aussehen würde mit einem
Hauch von Schnee in ihren Haaren.
Es hatte ganz unschuldig begonnen. Sie hatten ihre Wanderung unterbrochen,
als Scully zwei Hasen auf der Lichtung vor ihnen entdeckt hatte. Eine Weile
hatten sie dagestanden und sie beobachtet, befürchtend, dass die Tiere
verschreckt würden, wenn sie sich bewegten. Scully hatte beobachtet, wie
die Hasen umherliefen und mit den Hinterläufen den Schnee aufwühlten.
Mulder hatte Scully beobachtet. Der Winterwind hatte eine leichte Röte auf
ihre Wangen und ihre Nasenspitze gezaubert. Ihre Augen strahlten, als sie
den Geschöpfen bei ihrem Spiel zusah.
Wenn er angehalten und über seine folgende Handlung nachgedacht hätte,
hätte er es sich vielleicht überlegt; aber er bezweifelte es. Der kindhafte
Streich brachte immer noch ein Lächeln auf sein Gesicht. Während sie die
Hasen beobachtete, bemerkte er den schneebedeckten Zweig direkt über ihrem
Kopf. Seine Hand, ihrem eigenen Willen gehorchend, dessen war er sicher,
langte nach oben und schüttelte heftig an dem Zweig. Ein Haufen Schnee von
diesem Zweig und den beiden darüber fiel auf sie herab
Überrascht und geschockt durch die Kälte des Schnees, der nun ihr Haar
bedeckte, auf ihren Augenlidern lag und an ihrem Nacken herablief,
schnappte sie nach Luft. Langsam drehte sie sich zu ihm um. Als ihr Blick
seinen traf und er darin das Versprechen auf Rache sah, tat er das, was
jeder sich selbst achtende FBI-Agent in derselben Situation tun würde - er
rannte davon.
Er war noch nicht sehr weit gekommen, als er über die Schulter
zurückblickte, um zu sehen, ob sie ihn verfolgte. Seine Welt explodierte in
eine schmerzhafte Weiße, als ihn der erste Schneeball im Gesicht traf und
der zweite zwischen den Schulterblättern. Der dritte traf ihn mitten auf
die Brust, als er sich umdrehte, die Offensive ergriff und begann, sie zu
jagen. Er hörte ihr Lachen, als sie davon rannte und er empfand Vergnügen
bei dem Geräusch, bis sie sich unter einen niedrigen Ast duckte und ihn
heranzog, so dass er diesmal von Schnee bedeckt wurde, als sie ihn
zurückschnappen ließ und der Zweig ihn an der Schulter traf. Schneebedeckt
stand er da, unfähig den Gedanken abzuwehren, dass er der Verlierer war,
obwohl er diesen kleinen Kampf im Schnee angezettelt hatte.
Ein weiterer Schneeball flog an seinem Ohr vorbei und er setzte ihr mit
einem bestimmten Ziel nach. Scully verlor den Halt und rutschte auf einem
Stück Eis aus. Sie drehte ihren Körper, so dass sie hart auf ihrem
Hinterteil im Schnee landete. Immer noch lachend, legte sie sich in den
Schnee zurück, die Arme am Körper. Mulder kam heran und sah zu, wie sie
ihre Arme und Beine hin und her bewegte.
"Was tust du da?"
"Ich mache einen Schneeengel." Sie deutete auf einen Flecken unberührten
Schnees neben sich. "Versuch es auch mal."
"Ich glaub nicht."
"Du willst keinen Schneeengel machen?" Ihre Stimme spiegelte ihre
Enttäuschung wider.
"Nein." Er lächelte, als er antwortete, dann ging er neben ihr in die Knie.
"Ich mache lieber Liebe mit einem Engel im Schnee," flüsterte er sanft,
bevor er sie zärtlich küßte.
Scully wand sich unter ihm und ohne seinen Mund von ihrem zu lösen,
erfasste er ihre Hände und hielt sie über ihrem Kopf fest. Er vertiefte den
Kuss und sie reagierte ebenso, aber sie hob auch ein Bein an, um so etwas
wie eine Hebel unter ihm zu gewinnen. Mulder bewegte sich ein wenig zur
Seite und machte es so unmöglich für sie, sich zu bewegen. Ein leises
Grollen in ihrer Kehle und in ihrer Brust, durch ein Lachen verursacht,
brachte ihn dazu, sich zurückzuziehen und sie fragend anzusehen.
"Scully, ich versuche, dich zu verführen. Du könntest ein bisschen
kooperativer sein. Was ist so lustig?"
"Also *willst* du jetzt mit mir ringen?"
Ihre Erwähnung der kalten Nacht in den Wäldern, die er zusammengerollt in
ihren Armen verbracht hatte, verursachte auch in seiner Kehle ein
grollendes Lachen.
"Du kannst so ein Witzbold sein," meinte sie anklagend, ihre Stimme warm
mit Zärtlichkeit.
"*Ich* ein Witzbold?" fragte er. "Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt,
dann hast du in dieser Nacht die Goldmedaille im Witzemachen gewonnen."
"Ich weiß nicht, wovon du sprichst." Ihre Stimme klang unschuldig, aber
ihre Augen wussten alles.
"Vielleicht, wenn es Schlafsäcke regnet, hast du Glück? Keine üppige
sexuelle Anspielung."
"Ich war nicht fünf Jahre lang dein Partner, ohne etwas über üppige
sexuelle Anspielungen zu lernen," stellte sie sachlich fest.
"Und dann, als wenn das nicht genug gewesen wäre," fuhr er fort und
ignorierte ihren Kommentar. "Dann war da noch das Singen."
"Du hast mich zum Singen gebracht," meinte sie, sich selbst verteidigend.
"Es war nicht die Tatsache, dass du gesungen hast, sondern wie und was du
gesungen hast."
Ein kleines schuldbewusstes Grinsen begann sich auf Scullys Lippen zu
formen, bevor sie es zurückhalten konnte.
"Und sag mir nicht, dass du nicht weißt, wovon ich rede, denn ich kann es
an deinem Gesicht sehen, dass du es tust. Es war schon schlimm genug, zu
versuchen einzuschlafen mit der Vorstellung von Schlafsäcken, die in meinem
Kopf herumschwirrte, aber dann musstest du es noch einen Schritt weiter
treiben. Die erste Strophe, sogar der Refrain, war noch in Ordnung, aber
die zweite Strophe..." Er senkte seinen Kopf, so dass seine Lippen ihre
lediglich reizten, bevor sie zu ihrem Kinn herabsanken. Seine Lippen und
seine Zunge brannten eine Spur bis unter ihr Ohr. Die federleichten
Bewegungen kitzelten und erregten sie über alle Maßen. Sie versuchte, ihre
Hände freizubekommen, aber er hielt sie fest über ihrem Kopf. "Die zweite
Strophe war süße Qual vom Feinsten." Er knabberte sanft mit den Zähnen an
ihrem Ohrläppchen und liebkoste mit der Zunge die Stelle an ihrem Hals, von
der er kürzlich herausgefunden hatte, dass sie sie verrückt machte. "Deine
Stimme wurde zu einem Flüstern und du hast sie auf genau die richtige
Oktave gesenkt, so dass die Worte, die in deiner Kehle steckenblieben, wie
ein verführerisches Grollen klangen."
Mulder hob den Kopf und sah in ihre tiefblauen Augen. Er sah darin die
Wirkung, die seine Bewegungen auf sie hatte; sie waren weit vor Verlangen.
Noch war er nicht bereit, es zu erfüllen. Er wollte, dass sie ihn genauso
sehr begehrte, wie er sie in jener Nacht begehrt hatte. Seine Lippen
begannen ihre sinnliche Attacke auf die andere Seite ihres Halses.
"Wenn ich der König der Welt wäre. Ich sag dir, was ich tun würde." Die
Worte des Liedes, das sie in jener Nacht gewählt hatte, überspülten sie mit
einer Hitzewelle. Sein heißer Atem, als er ihr sanft ins Ohr sprach,
verursachte, dass sich ihre Augen schlossen und ihr Atem in einem Seufzer
herauskam. Ihr Herz raste und sie hatte beinahe keine Kontrolle darüber,
während er mit seiner heißen Serenade fortfuhr.
"Ich würde die Autos und die Bars und die Kriege beiseite schieben und süße
Liebe mit dir machen."
Mulder unterstrich jedes der letzten paar Worte mit der Berührung seiner
Lippen auf ihrer Haut. Als er fertig war, fanden seine Lippen ihre. Scullys
Mund öffnete sich sofort für ihn und ihre Zungen berührten und vermischten
sich, als Beben über Beben sie durchflutete.
Nach ein paar Momenten drehte sie ihren Kopf leicht zur Seite und
unterbrach den Kontakt.
"Mulder." Ihre Stimme war tief und rau von Leidenschaft. "Bring mich
hinein. Du kannst in einem Himmelbett Liebe mit einem Engel machen. Wenn
wir hier noch länger draußen bleiben, wird die Erklärung, warum mein
Hinterteil durchgefroren ist, peinlich." Schüchtern lächelte sie ihn an.
Augenblicklich realisierend, wie kalt ihr sein musste, sprang er auf und
zog sie mit sich in seine Arme.
Mulder trug Scully das kurze Stück bis zur Hütte, ihr Kopf ruhte an seiner
Brust. Einmal drinnen setzte er sie ab und half ihr, den feuchten Mantel
und ihre Stiefel auszuziehen.
"Wir müssen dich aufwärmen." Seine Hände rieben Wärme erzeugend über ihre
Arme. Scully unterbrach ihn und hielt ihm ihre Hand hin.
"Alles was ich brauche, bist du, Mulder."
Ohne Zögern ergriff er ihre Hand und folgte ihr, als sie ihn die Treppe
hinauf ins Schlafzimmer führte. Es war schon später Nachmittag und Mulder
wich nur einen Moment von ihrer Seite, um ein paar Kerzen im Raum
anzuzünden.
Scully kam auf ihn zu, ihre Augen sanft und leuchtend wie das Kerzenlicht.
Er hielt seine Arme auf und nahm sie darin auf. Sie schloss ihre Augen,
legte ihre Arme um ihn und hielt ihn fest, als fürchtete sie jeden Moment,
was sie fühlte, könnte ihr entrissen werden.
Er küßte sie. Flüsterte. Berührte sie, bis ihr ganzer Körper vor
Leidenschaft brannte. Wenn er sich zurückzog, holte sie ihn zurück für
einen weiteren Kuss. Flüsterte. Liebkoste ihn, bis sie spüren konnte, wie
sein Herz in seiner Brust unter ihrer Hand hämmerte.
Die Lippen immer noch miteinander verbunden, die Finger beschäftigt mit der
Aufgabe, ihre Sachen auszuziehen, begannen sie einen langsamen Tanz in
Richtung Bett. Kerzenlicht legte Schatten auf ihr Gesicht, als er auf sie
herabsah. Scully erzitterte unter der Intensität in seinen Augen. Wissend,
was passieren würde, sich seit Jahren danach sehnend und dennoch irgendwie
wünschend, dass dieser Moment für die Ewigkeit bewahrt werden könnte.
"Danke, Mulder, dass du meinen Weihnachtswunsch wahr gemacht hast."
Sein Blick wurde weich und er lächelte sie so zärtlich an, dass sich ihre
Augen mit Tränen füllten. Er setzte sich auf das Bett und hielt ihr seine
Hand hin. Sie nahm sie und erlaubte sich, wieder in die erregende Wärme
seiner Arme zu versinken.
Mulder zog sie mit sich, um voll ausgestreckt auf dem Bett zu liegen.
Scullys Hände begannen ihn hungrig zu erforschen, ihre Fingerspitzen waren
entschlossen, jeden Zentimeter seines Körpers kennenzulernen. Seine eigenen
Hände fanden ihren Weg zu ihren Brüsten und seine Lippen und seine Zunge
erkundeten ihre Brustwarzen und wollten das reinste Vergnügen in ihr
Innerstes schicken.
Irgendwo in ihm tobte ein Feuer, ein Feuer, das forderte, dass er sie
sofort besitzen musste. Aber die Sehnsucht wurde durch das größere
Verlangen überlagert, die Dinge langsam anzugehen, um diese Nacht für die
Ewigkeit währen zu lassen.
Mulder küßte ihre Schläfen, ihre Augenlider und ihre Wangen, seine Hände
wanderten über ihren Rücken, genossen das Gefühl ihrer Haut, die so warm
und so glatt war wie Seide. Seine Zunge probierte und drängte und fuhr
langsam in ihren Mund, während sich seine Oberschenkel an sie pressten.
Harte Oberschenkel. Fordernde.
"Berühr mich," flüsterte er ihr zu, beinahe ängstlich davor, was passierte,
wenn sie es tat. Ängstlich, dass er in tausend Scherben des Vergnügens
zerbersten würde durch ihre Berührung.
Der zitternde Klang seiner Stimme ließ Danas Hände beben, als sie sich
herabbeugte und seine Brustwarze mit ihren Lippen bedeckte und sie mit
ihrer Zunge neckte. Mulder sog zischend den Atem ein und ließ seine Hände
ermutigend durch ihr Haar gleiten. Sie setzte ihre Erkundigungen mit ihrer
Zunge fort, bewegte sich qualvoll langsam abwärts, hielt über seinem
Bauchnabel inne und wanderte dann wieder zurück. Mulder stöhnte auf und
Scully lächelte bei dem Gedanken, in der Lage zu sein, solche Kontrolle
über den Mann auszuüben, der immer forderte, die Kontrolle zu haben. Er
hoffte, die Tatsache, dass er diese Kontrolle aufgab, sagte ihr mehr, als
Worte von ihm ihr jemals sagen konnten.
Zusammen waren sie zärtliche Hände und begierige Münder und Gliedmaßen,
jeder versuchte dem anderen Lust zu bereiten. Sein Stöhnen war ihre Musik
und ihr Seufzen war sein Gebet. Sie schmiegten sich aneinander, während ihr
Körper seine langsam drängende Hitze begrüßte. Was als sanftes Schütteln
begonnen hatte, wurde zu einem heftigen, fordernden Stoßen. Sie drängte
sich ihm in zitterndem Verlangen entgegen und er tauchte wieder und wieder
in sie in dem verzweifelten Verlangen, sie mit sich zu nehmen, als er in
den Himmel hinaufstieg. Sie schrie auf und hielt ihn fest, als sie kam und
er folgte ihr.
Für lange Momente waren sie sich nichts weiter bewusst als aneinander
geschmiegt zu liegen und zu spüren, wie das Schlagen ihrer Herzen sich in
einen entspannteren Rhythmus verlangsamte. Während sein eigener rasselnder
Atem ruhiger wurde, blieb er weiter in ihr. Er kostete die Wärme, die
Intimität ihrer Vereinigung aus und wollte, dass es niemals endete.
Aber als die Zeit gekommen war, schob er sich von ihr herunter. Er zog sie
in seine Arme und bettete ihren Kopf an seine Schulter. Ein befriedigtes
Seufzen der Genugtuung von sich gebend, wusste er, dass er ihr die Worte
sagen musste, bevor sein Körper vom Schlaf überwältigt wurde.
"Ich liebe dich, Scully," flüsterte er, seine Stimme ein schwaches Knistern
an ihrem Ohr. Sensibel küßte er ihre Wange, bevor er dem Schlaf erlaubte,
ihn davonzutragen.
Der Schlaf umging nur Scully, während sie in Mulders Armen lag und ihr die
Tränen herabliefen. Sie wusste, dass dieses Märchen morgen wie ein Traum
zuende gehen würde.
Stunden später erwachte Mulder aus tiefem Schlaf und bevor er auch nur die
Augen geöffnet hatte, hatte er das Gefühl, dass ein Teil von ihm selbst
fehlte. Er streckte seine Hand nach Scully aus, griff aber nur eine
Handvoll leerer Laken und Decken. Im selben Augenblick war er hellwach,
öffnete seine Augen und setzte sich im Bett auf. Er sah sie in dem kleinen
Dachausbau, der als Schlafzimmer diente, stehen. Sie stand da, eingehüllt
in eine Wolldecke vom Bett, vor dem großen Panoramafenster, das die ganze
Wand einnahm. Die Sonne begann, aufzugehen und rote, orange und feurig
gelben Farben tanzten über ihre Haut und ihr Haar und ließen sie noch
erregender erscheinen als gewöhnlich. Der Sonnenaufgang war wunderschön, so
wie er sich im Schnee widerspiegelte, aber er verblasste neben Scully.
"Hey du, komm zurück ins Bett." Seine Stimme klang verschlafen.
"Ich bin gleich da."
Ihre Stimme klang ebenfalls kratzig, aber er vermutete, dass es nicht vom
Schlafen sondern vom Weinen kam. Er wickelte sich die übriggebliebene Decke
um die Hüften und ging zu ihr hinüber, legte seine Arme um sie und zog sie
an seine Brust. Einen Moment widerstand sie, ihr Körper versteinert in
seinen Armen, aber dann nahm sie langsam die Zuflucht an, die er ihr bot.
"Sag mir, was los ist."
"Die Sonne geht auf."
"Es ist wunderschön. Es ist der Beginn eines neuen Tages." Er küßte sie auf
ihr Haar und atmete ihren Duft ein.
"Es ist nicht der Beginn, es ist das Ende," antwortete sie und ihre Stimme
kämpfte einen Moment mit ihren Worten.
"Das Ende wovon?"
"Unser Tag. Heute sind wir wieder die FBI-Agenten Mulder und Scully. Die
haben keine wunderschönen Anfänge. Sie schlafen nicht in den Armen des
anderen, um die Einsamkeit und die Monster, die sie in ihren Träumen
heimsuchen, zu vertreiben. Sie lieben sich nicht zärtlich. Sie machen keine
Schneeengel. Sie debattieren miteinander und streiten. Er hängt sie bei
Gelegenheit ab und die meiste Zeit, wenn er sie fragt, ob es ihr gut geht,
lügt sie und sagt, dass sie in Ordnung ist. Es ist ihnen nicht erlaubt,
irgendetwas zu fühlen, und wenn sie ihre Zuneigung füreinander ausdrücken,
dann kurz und flüchtig, damit es niemand sieht und gegen sie verwenden
kann. Sie haben beide Angst davor, eine Gelegenheit zu ergreifen, weil die
anderen mit ihrem Leben bezahlen könnten. Das sind wir heute." Ihre Stimme
war kalt und ohne Gefühl. Er war besorgt und als er sie zu sich umdrehte,
war er ein wenig beruhigt durch das Feuer, das immer noch in ihren Augen
brannte, auch wenn es schwächer war als am Tag zuvor.
"So muss es nicht sein. Wir müssen nicht so sein," wandte er ein.
"Was hat sich geändert?" forderte sie ihn heraus.
"Wir haben uns verändert."
"Nein, das haben wir nicht. Wir haben nur nachgegeben. Ich wollte das so
lange Zeit und ich vermute, dass der Gedanke für dich auch nicht neu war.
Wir haben es bis jetzt nur besser verstanden, dagegen anzukämpfen."
"Ich bin es leid, zu kämpfen. Letzte Nacht habe ich dir gesagt, dass ich
dich liebe." Er legte seine Hände auf ihre Schultern und zwang sie, ihm in
die Augen zu sehen. "Ich meinte es."
"Du kannst mich nicht lieben, Mach es nicht schwerer als es ist."
"Es ist zu spät." Er sah ihr tief in die Augen und versuchte, darin zu
lesen, was sie dachte. "Du hast Angst," stellte er einen Moment später
fest. "Wovor hast du Angst?"
"Dass sie es benutzen werden. Dass sie uns gegeneinander benutzen werden."
"Lass sie es versuchen. Zusammen sind wir stärker. Das weißt du."
"Mulder, das letzte Mal, als sie mich gegen dich benutzten, gaben sie mir
den Krebs." Sie schwiegen beide und Scully ging von ihm fort und setzte
sich auf die Bettkante. "Was ist, wenn sie diesmal dich nehmen? Wenn sie
dich mir fortnehmen, dich irgendwo hinbringen, wo ich nicht zu dir kommen
kann?"
Mulder ging zu ihr hinüber und kniete vor ihr nieder. Sein Gesicht war auf
gleicher Höhe mit ihrem. Er nahm ihre Hände in seine und blickte sie an.
"Scully, wenn du das hier beenden möchtest, wenn du es aufgeben möchtest,
weil du dich nicht um mich sorgst, weil du nichts von dem empfindest, was
ich tue, das ist eine Sache; aber gib nicht auf, nur weil du Angst hast.
Wirf nicht alles fort, weil du Angst hast. Wenn du Angst hast, dann
solltest du dich an jemanden halten. Halt dich an mich, Scully."
Einen Moment saß sie schweigend da und Hoffnung flackerte in ihm auf, als
er den Schatten von etwas in ihren Augen sah. Sie starb genauso plötzlich,
als sie aufstand und den Raum durchquerte, ihn auf den Knien vor dem Bett
zurücklassend. Sie ließ die Decke, in die sie gehüllt war, fallen und
begann, ihre Reisetasche nach ihren Sachen zu durchwühlen. Dann begann sie
sich anzuziehen und Mulder setzte sich wartend aufs Bett.
"Wir sollten uns besser auf den Weg machen, wenn du mich rechtzeitig zum
Flughafen bringen willst. Es ist ein zeitiger Flug," sagte sie, ohne sich
umzudrehen, aber sich weiter anziehend.
"Scully..." begann er, hielt aber inne, als sie sich zu ihm umdrehte,
sichere Hoffnungslosigkeit im Gesicht.
"Ich brauche Zeit zum Nachdenken," flüsterte sie. "Du hast mir versprochen,
dass du mich rechtzeitig zum Flughafen bringst, damit ich meinen Flieger
bekomme. Wirst du dein Versprechen halten?"
Einen Moment beobachtete er sie, bevor er nickte. Der Anblick ihrer
Schultern, die sich erleichtert senkten, nahm ihm den Atem. Er stand auf,
unfähig sie anzusehen, sammelte seine Sachen zusammen und ging die Treppe
hinunter.
Schweigend fuhr Agent Mulder sie zum Flughafen. Ihr Abschied war knapp und
ohne Gefühl. Er fragte sie, ob sie ihr Handy dabei hatte und sie bat ihn,
nicht anzurufen. Ohne auch nur zu ihm zurückzublicken, ging sie an Bord.
Sein Herz fühlte mit ihr und er wollte ihr nachrufen, dass sie das nicht
allein durchstehen musste, dass er sie vermissen würde, dass er sie liebte.
Er schrie nicht auf. Er drehte sich um und verließ schweigend den
Flughafen, nachdem er zugesehen hatte, wie das Flugzeug sicher gestartet
war und vertraute darauf, dass die Zeit sie wieder zu ihm zurückbringen
würde.
* * *
Das Schrillen von Mulders Handy holte ihn aus seinen Erinnerungen. Ohne den
Blick von der schneebedeckten Straße zu nehmen, suchte er auf dem Sitz
neben sich, bis seine Hand das Telefon fand und er es ans Ohr nahm.
"Mulder."
"Ich bin es. Wo bist du? Hast du meine Nachricht bekommen?" Ihre Stimme
klang zögerlich, nicht so wie er es gewöhnt war.
"Ich bin fast da," beruhigte er sie.
"Ich dachte, du würdest nicht kommen und dann hab ich aus dem Fenster
gesehen und bemerkt, wie schlecht das Wetter geworden ist und ich hab mir
Sorgen gemacht, dass dir was passiert ist."
"Ich bin nur noch ein paar Minuten von der Zufahrt entfernt. Gib mir noch
ungefähr zehn Minuten und dann ruf die Hundeschlitten. Scully, ich glaube,
wir werden ein paar Tage lang eingeschneit sein."
"Gut." Ihre Stimme wurde fester. "Mulder, ich hab keine Angst mehr. Ich
werde nach dem Auto Ausschau halten. Sei vorsichtig."
"Nichts wird mich von dir fernhalten, Scully. Ich bin gleich da."
Scully hängte auf und stand im Türrahmen der Hütte. Die Tür war offen und
sie starrte in das blendende Weiß hinaus. Sie zog ihren Sweater enger um
sich, ihr Körper lehnte den mageren Ersatz ab und verlangte nach Mulders
Armen. Sie war ein Narr gewesen.
Auf dem Flughafen war sie von ihm fortgegangen, ohne auch nur
zurückzusehen. Sie hatte sich davor gefürchtet, zurückzusehen, weil sie
wusste, wenn sie noch einmal zurückgeblickt hätte, hätte sie nicht mehr die
Kraft gehabt, ihn zu verlassen. Der Flug war eine Tortur gewesen, die
meiste Zeit der Reise hatte sie still geweint und ihre Mutter hatte sie
unaufhörlich ausgefragt, als sie sie am Flughafen abholte. Sie hatte eine
Magenverstimmung vorgetäuscht.
Scully hatte geglaubt, wenn sie einmal in San Diego war, würde sie in der
Lage sein, sich in Familienangelegenheiten zu versenken und Mulder zu
vergessen. Sie hatte herausgefunden, je mehr sie versuchte, ihn zu
vergessen, desto mehr wollte sie bei ihm sein. Sie wusste, dass es
unmöglich war und dadurch vermisste sie ihn nur noch mehr. Mit jedem Tag,
der verging, sehnte sie sich mehr nach ihm. Viele Male hatte sie das
Telefon in die Hand genommen und tatsächlich begonnen, seine Nummer
einzutippen, bevor sie sich dazu zwang, den Hörer aufzulegen. Mehr als
einmal hatte sie überlegt, seine Nummer zu wählen, um seine Stimme auf dem
Anrufbeantworter zu hören. Nur der Gedanke, dass sie ihn zufällig zu Hause
erwischen könnte, hatte sie davon abgehalten. Wäre sie in der Lage gewesen
aufzulegen, wenn er dran gewesen wäre? Seine Stimme zu hören, wurde zur
fixen Idee. Sie wusste, dass es das einzige war, das sie beruhigen würde,
egal wie vorübergehend das war. Neun Tage hatte sie es ohne ihn ausgehalten
und nur der Klang seiner Stimme würde ihr durch die nächsten fünf Tage
helfen, bis sie wieder nach DC zurückkehrte.
Als ihre Familie zum Einkaufen gefahren war, hatte sie sich die Treppe
hochgeschlichen in den Raum, den sie nutzte, während sie da war und hatte
ihre Aktentasche aus dem Schrank hervorgeholt, wo sie sie bei ihrer Ankunft
hineingestopft hatte. Sie legte sie aufs Bett und setzte sich, sie kurz
anstarrend, hin. Scully gab nach, schloss sie auf und öffnete sie auf dem
Bett. Sie griff tief in die Tasche und holte ein kleines Diktiergerät
hervor. Diesen Genuss gönnte sie sich nicht sehr oft, nur bei seltenen
Gelegenheiten, wenn sie seine Beruhigung brauchte, in Zeiten, wenn er sie
nach einem ungewöhnlich heftigen Streit sitzengelassen hatte und sie seine
Bestätigung brauchte. Wenn sie hören musste, wieviel sie ihm bedeutete und
er nicht in der Lage war, es ihr direkt zu sagen. Mitunter fühlte sie sich
schuldig, weil sie wusste, dass er sich dessen nicht bewusst war, dass sie
dieses Band besaß, dass sie es überhaupt gehört hatte. Sie rechtfertigte
den Besitz damit, dass er es zuerst für sie aufgenommen hatte. Zufällig war
sie daran gekommen, als sie ihm nachgereist war zu der
Satellitenbeobachtungsstation in Puerto Rico. Sie hatte es auf dem Boden
liegen gesehen und aufgehoben und hastig in ihre Tasche geschoben, als sie
ihn auf da liegen sah und glaubte, er wäre tot. Bei der Erinnerung
schauderte sie. Sie hatte es ihm zurückgeben wollen, aber als sie es sich
angehört hatte, hatten die Worte sie gerührt und sie hatte erkannt, dass
der einzige Mensch, der etwas von dessen Existenz hatte, sie war.
Sich in die Kissen zurücklehnend, drückte sie die Abspieltaste und ließ
seine Stimme, wenn auch ein bisschen verzerrt, über sich hinwegspülen.
"Ich bin von einem dieser Menschen hergeschickt worden. Der Mann mit der
tiefen Stimme hat gesagt, trauen Sie niemandem. Es ist hart, Scully, jedem
und allem zu misstrauen. Es zieht dich herab. Du beginnst sogar zu
bezweifeln, ob das, was du weißt, die Wahrheit ist. Vorher konnte ich nur
mir selbst vertrauen, jetzt kann ich nur dir vertrauen und sie haben dich
mir weggenommen."
Scully hielt das Band an. Die Wirkung seiner Worte hatte diesmal eine neue
Bedeutung. "Sie haben dich mir weggenommen." Sie hatten es wieder getan.
Sie hatten sie gezwungen, sich zu trennen. Der Ärger in ihr wurde groß ob
der Ungerechtigkeit, ihr Leben in Selbstverleugnung zubringen zu müssen.
Wegen einer Verschwörung, die sie nicht einmal verstand, wegen Männern ohne
Namen, die über ihre Zukunft entschieden. Kalte Realität ersetzte den
brennenden Ärger, als sie die Erkenntnis überwältigte. Es waren keine
Kräfte von außerhalb, die sie von Mulder fernhielten, sie war es selbst.
Sie hatte ihn verlassen. Willentlich. Der Gedanke traf sie brutal und sie
zwang sich, tief einzuatmen. Sie hatte ihn verlassen. Er hatte ihr gesagt,
dass er sie liebte und sie war fortgegangen. Sie hatte keine Angst vor
einer geheimen Schattenorganisation, sie fürchtete sich vor den Gefühlen,
die sie für ihn hatte. So lange Zeit hatte sie sich keine Gefühle
gestattet.
Scully sprang vom Bett, zerrte ihre Reisetasche darunter hervor und warf
ihre Sachen so schnell sie konnte hinein. Sie würde zu ihm zurückgehen,
heute. Sie würden einen wunderschönen Anfang haben. Sie betete nur darum,
dass es nicht zu spät war.
* * *
Sich mit ihm in der Hütte zu treffen, schien eine gute Idee zu sein, aber
es hatte noch nicht geschneit, als sie ihm die Nachricht auf dem
Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Sie beobachtete es mit Besorgnis und
ihr Blut rauschte und sie fühlte Schmetterlinge in ihrem Bauch, als sie
sein Auto die Auffahrt heraufkommen sah. Sie konnte keine Minute länger
warten und rannte vom Haus aus dem Auto entgegen.
Mulder sah sie aus der Tür laufen und drückte das Gaspedal herunter, in dem
Versuch, schneller zum Haus zu kommen. Das Auto kam ins Schleudern und
rutschte mit den Vorderreifen in den flachen Graben neben ihm. Den Gang
einlegend und das Auto abwürgend, sprang Mulder hinaus und lief los, um
Scully zu treffen. Die Kraft ihres Aufeinanderprallens, als sie sich
trafen, warf sie beide lachend in den Schnee. Seine Lippen fanden ihre und
sie hielt ihn fest und schwor, ihn nie mehr loszulassen.
"Das wird aber auch Zeit," neckte sie ihn, als er von ihr abließ, um nach
Luft zu schnappen.
"Das gleiche könnte ich von dir sagen," konterte er.
"Alles lohnende ist es wert, darauf zu warten. Wir haben fünf Jahre
gewartet. Ich denke, das reicht. Was immer uns die Zukunft bringt, wir
werden es gemeinsam angehen. Nicht getrennt, nie wieder getrennt."
"Bist du sicher?"
"Willst du den Tag mit reden verbringen oder willst du Liebe machen mit
einem Engel im Schnee?" Ihr Lächeln erleuchtete ihre Augen und er liebte
sie dafür.
"Was ist mit Erfrierungen?"
Sie konnte erkennen, das er besorgt war, aber sie konnte auch an dem
Ausdruck auf seinem Gesicht und dem Gefühl seines Körpers erkennen, dass er
erregt war und begierig darauf, sie hier draußen im fallenden Schnee zu
lieben.
"Wir werden schnell sein müssen," erwiderte sie lachend und zog schon an
seinem Gürtel.
"Ich kann schnell sein," versicherte er ihr lachend, als sein Mund und
seine Hände Besitz von ihr ergriffen.
"Solange du versprichst, langsam zu sein, wenn wir drinnen sind."
"Auch das kann ich. Ich bin ein Mann mit vielen Talenten, Agent Scully."
"Beweise es, Agent Mulder."
Das Feuer seines Kusses wärmte sowohl ihre Seele als auch ihren Körper.
"Ich liebe dich auch," flüsterte sie in sein Ohr, während er ihren Hals mit
unglaublich talentierten Lippen heimsuchte.
Er hielt in seinen sinnlichen Erkundungen inne und seine Augen fanden ihre.
"Ich liebe dich auch," wiederholte sie.
Die Emotionen in seinen Augen trugen sie zu neuen Höhen ihrer Verehrung für
ihn, ängstigten sie aber auch.
"Habe ich irgendetwas falsches gesagt?"
"Nein," antwortete er schnell, ohne zu zögern. "Danke, Scully, dass du
meinen Weihnachtswunsch wahr gemacht hast."
ENDE
eine Welt aus einer wirbelnden, verwirrenden, blendenden Weiße.
Fox Mulder bewegte sein Auto vorsichtig und ganz langsam dort entlang, wo
er hoffte, dass es immer noch die Straße war. Er war sich nicht länger
sicher, weil sie schon lange mit Schnee bedeckt worden war durch den Sturm,
der um ihn herum tobte. Sein einziger Anhaltspunkt war, das Auto zwischen
den beiden Reihen Telefonmasten zu halten, die rechts und links der Straße
entlangliefen.
‚Ist das ganze Universum gegen mich?' fragte er sardonisch, jedoch
niemanden im Speziellen, weil er allein im Wagen war. ‚Oder habt ihr euch
alle abgewechselt und heute ist Jack Frosts Glückstag?'
Er blickte grimmig drein und packte das Lenkrad des Autos fester, als die
Reifen für einen Moment die Bodenhaftung verloren. Der Motor jaulte kurz
auf bevor das Auto wieder begann, vorwärts zu kriechen. Den Gedanken, an
den Straßenrand zu fahren, wenigstens bis es aufhörte zu schneien, hatte er
fortgewischt. Er wollte zu Scully - er musste zu Scully.
Es waren die längsten zehn Tage seines Lebens gewesen. Mulder hatte sein
Leben allein verbracht, das war es, was er kannte, das war es, was er
akzeptiert hatte. Er hatte sein ganzes Dasein, bis vor fünf Jahren, mit der
Suche in einer selbstauferlegten Einsamkeit zugebracht. Mit der Suche nach
seiner Schwester, nach der Wahrheit und, obwohl er es nie erkannt hatte,
war er auf der Suche nach Scully gewesen.
Vor elf Tagen hatte er sie im Arm gehalten. Vor zehn Tagen hatte er sie zum
Flughafen gefahren, ihr geholfen, ihn zu verlassen, darauf vertrauend, dass
sie die Antworten, die sie in sich selbst suchte, finden und zu ihm
zurückkommen würde. Scully kehrte immer zu ihm zurück.
In den letzten zehn Tagen hatte er in ihrem Büro gesessen, die Leere
angestarrt und ihre Anwesenheit dort vermißt. In der Vergangenheit war die
Arbeit sein Zuspruch gewesen, jetzt fand er nur Trost, wenn er mit ihr
zusammen war. Ihre Stimme auf seinem Anrufbeantworter an diesem Nachmittag
hatte seine Seele erwärmt.
"Mulder, ich bin es. Ich... äh... ich bin früher zurückgekommen. Ich habe
gehofft, wir könnten uns treffen. Wir könnten... Schneeengel machen, wie
beim letzten Mal, als du mich hergebracht hast."
Er lächelte, als er sich an den Klang ihrer Stimme erinnerte, die zögernde
Scheu, die er aus ihren Worten gehört hatte. Die Erinnerung entflammte sein
Verlangen, sie an sich zu spüren, und frustriert schlug er auf das Lenkrad
ein. Die Reifen fuhren fort, den Schnee gegen den Gehweg zu schleudern,
während sich das Auto allmählich vorwärts bewegte. Ein Straßenschild zu
seiner Rechten ließ seine Laune ansteigen. Bis zur Hütte waren es noch
fünfzehn Minuten - fünfzehn Minuten bis zu Scully. Fünfzehn Minuten davon
entfernt, sie in den Armen zu halten.
Mit neuem Bewusstsein für das Ziel packte er das Lenkrad und erinnerte sich
daran, wie es sich anfühlte, sie in den Armen zu halten, ihren Körper an
seinem zu spüren.
Er erinnerte sich an das Gefühl ihrer Haut, glatt und warm an ihm, als sie
sicher in seinen Armen zusammengerollt schlief. Stundenlang hatte er
wachgelegen und sich der Einfachheit ihres warmen Atems an seinem Hals und
dem Gefühl ihres Herzschlags im Rhythmus mit seinem ergeben.
Am Weihnachtsabend hatte er ihr sein Herz gegeben. In Wirklichkeit hatte
sie sein Herz seit langer Zeit behutsam in ihren Händen gehalten, es
geführt und beschützt so grimmig wie sie ihn führte und beschützte.
Am Weihnachtsmorgen war er das erste Mal aufgewacht mit ihr in seinen
Armen. Diese Erinnerung hatte ihn warmgehalten während ihrer Abwesenheit.
Er war vom Schlaf in den Wachzustand gedriftet, bevor sie es getan hatte
und er hatte ein großes Vergnügen darin gefunden, das Gewicht ihres Körpers
an seinem zu spüren. Er hatte dem Schicksal gedankt, bevor er überhaupt die
Augen geöffnet hatte. Seine Arme hatten sich enger um sie gelegt und sie
hatte begonnen, sich zu rühren.
"Lass die Augen zu," flüsterte er sanft und dann lächelte er, als sie ihre
Augen zwar geschlossen hielt, aber eine Augenbraue hochzog.
"Warum?" Ihre Stimme war halb betäubt durch den Schlaf, aber ihr Körper
zeigte ihre Freude darüber, in seiner Umarmung zu erwachen, als sie ihn
dadurch neckte, dass sie ihr Knie gemächlich an seinem Schenkel auf und ab
wandern ließ.
"Scully..." brummte er in gespielter Warnung, nahm sie fester in die Arme
und küßte sie auf den Kopf. "Du kannst die Augen nicht öffnen, bevor du
eine Weihnachtswunsch gemacht hast."
"Einen Weihnachtswunsch?"
"Bevor man am Weihnachtsmorgen die Augen öffnet, hat man einen Wunsch
frei."
"Wer sagt das?" forderte sie ihn heraus, ihre Augen immer noch geschlossen.
"Der Weihnachtsmann. Scully, das ist doch nicht schwierig, lass deine Augen
zu und wünsch dir was."
"Mulder." Sie hob ihren Kopf, der auf seiner Brust geruht hatte, und
schätzte, entsprechend ihrer zeitweiligen Unfähigkeit zu sehen, wo sein
Gesicht war. "Du erkennst schon, dass es keine Person wie..."
Mulder brachte sie zum Schweigen, indem er ihre Lippen mit seinen
verschloss.
Sein Kuss war berauschend und heftige Wellen von Verlangen fluteten ihre
Sinne, brachten sie dazu, ihr Argument zu vergessen, was natürlich sowohl
seine Absicht als auch sein Vergnügen war. Sie stöhnte protestierend, als
sich seine Lippen von ihren lösten. Sein Gesicht blieb nahe an ihrem, die
morgendlichen Stoppeln auf seiner Wange strichen rau über ihr Kinn, bevor
er eifrig ihr Ohrläppchen in seinen Mund saugte. Scully atmete tief ein und
kuschelte sich an ihn. Langsam erlaubte er dem zärtlichen Saugen das Feuer
zu schüren, das tief in ihrem Bauch brannte, aber er hoffte, dass das
dumpfe Grollen tief in seiner Kehle die brennende Hitze verursachte, die
durch ihre Adern jagte.
"Shhh... ich will glauben," hauchte er. "Wünsch dir was, Scully."
Dieser Mann, wenn er diese Stimme benutzte... sie konnte ihm nichts
abschlagen.
Mulder beobachtete, wie ihr Gesichtsausdruck einen Moment ernst wurde,
bevor ein zufriedenes Lächeln ihr Gesicht erhellte und sie ihre Augen fest
zusammenkniff, als sie ihren Wunsch formulierte. Sie öffnete ihre Augen und
nun, da sie ihr Ziel sehen konnte, presste sie ihre Lippen auf seine. Ihre
Zunge verspottete ihn, indem sie nur über seine Unterlippe strich. Als sich
sein Mund öffnete, um sie hereinzulassen, zog sie sich zurück und überließ
ihn seinem Verlangen.
"Das funktioniert nicht immer." Ihre Stimme war tadelnd, aber in ihren
Augen tanzte Frohsinn.
"Dich zu küssen? Für mich funktioniert es." Er beugte sich nach vorn, um
ihre Lippen wieder in Besitz zu nehmen, aber sie lehnte sich nach hinten
aus seiner Reichweite heraus.
"Nein, mich zu küssen, um mich daran zu hindern, dir nicht zuzustimmen."
"Du kannst es einem Jungen nicht übel nehmen, dass er es probiert, Scully."
"Ich freue mich auf deinen Versuch, Mulder. Ich warne dich nur, dass es
nicht immer funktioniert."
Er beugte sich zu ihr und diesmal trafen sich ihre Lippen und sie sonnte
sich in den Gefühlen, die er ihr bescherte.
"Ich muss einfach nur üben, bis es immer funktioniert," murmelte er an
ihren Lippen.
"Ich weiß nicht. Ich kann ganz schön stur sein, wenn ich will. Es wird eine
Menge Übung brauchen."
"Ich glaube, ich nehme die Herausforderung an." Er lächelte und zog sie
enger an sich. Die Decke, die sie eingehüllt hatte, verrutschte und
überließ ihre Beine der kühlen Morgenluft. Sie schauderte.
"Es ist kalt hier drin."
"Das Feuer ist ausgegangen," stellte er einfach fest.
"So? Vielleicht solltest du aufstehen und es wieder anzünden."
"Scully, ich will nicht aufstehen. Es ist kalt hier drin," protestierte er
mit einer Stimme, die an ein Winseln grenzte, während er sein Gesicht in
ihr Haar kuschelte.
"Ich fange an zu glauben, dass ich einen defekten Indianerführer zum
Partner habe," neckte sie ihn.
"Die Frau macht das Feuer," erwiderte er mit ernstem Gesichtsausdruck und
benutzte gestelzte Worte. "Indianerführer richten den Hochofen her."
"Mulder!"
"Wenn du ein Feuer willst, dann bekommst du natürlich ein Feuer. Ich bin
nur noch nicht soweit, dich loszulassen." Er schob sich unter sie und zog
sie an sich, so dass die Wärme seines Körpers sie sanft einhüllte.
"Besser?"
"Viel besser," erwiderte sie und bedeckte sein Kinn und seinen Hals mit
weichen Schmetterlingsküssen. "Denk bloß nicht, dass du aus der Sache mit
dem Feuer rausbist."
"Scully?" Sie unterbrach ihre Liebkosungen und sah ihm in die Augen. "Was
hast du dir gewünscht?"
"Das kann ich dir nicht sagen."
"Warum nicht?"
"Wenn man jemandem seinen Wunsch erzählt, dann wird er nicht wahr."
"Das gilt nur für Geburtstagswünsche." Mulder verdrehte die Augen in
gespielter Empörung über ihre Unkenntnis des Wunschprotokolls.
"Bist du sicher?" Scully blickte ihn skeptisch an.
"Ich bin sicher. Was hast du dir gewünscht?"
"Einen Tag." Sie hielt seinen Blick fest, aber ein wenig Scheu zeigte sich
in ihrem Gesichtsausdruck.
"Einen Tag?"
Scully wußte, dass es ihm wichtig war, dass er verstand, worum sie bat. Sie
griff herüber, nahm seine Hand in ihre, zog sie an ihre Lippen und küßte
seine Handfläche.
"Ich möchte einen Tag mit dir. Einen Tag, an dem es nur dich und mich gibt.
Ein Mann und eine Frau. Einen Tag, an dem wir nicht die Spezialagenten
Mulder und Scully sind, einen Tag, an dem der Rest der Welt nicht
existiert. Ich will nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn wir an die
Arbeit zurückkehren. Ich will nicht darüber nachdenken, was morgen ist,
wenn wir hier wieder weggehen. Ich will nur einen Tag."
Er sah die Emotionen in ihren Augen und glaubte zu verstehen, wieviel ihre
Bitte ihr bedeutete, aber sie musste verstehen, dass das, was sie beide
hatten, nicht nach einem Tag zuende gehen würde. Sie hatten zu lange
gebraucht, um so weit zu kommen. Sie hatten zu hart gekämpft, zu viel
verloren. Er würde jetzt nicht sie verlieren.
"Aber Scully, das muss es nicht."
Scully hob ihre Finger an seinen Mund, legte sie ihm fest auf die Lippen
und brachte ihn damit zum Schweigen.
"Einen Tag. Kannst du mir den geben, Mulder?"
Wenn es in seiner Macht stünde, würde er ihr die ganze Welt geben. Er würde
ihr den heutigen Tag geben, dann den morgigen Tag und jeden weiteren Tag.
Mulder blickte ihr in die Augen und sah darin das Bedürfnis ihrer Seele.
"Der heutige Tag gehört dir, Scully," schaffte er zu flüstern, bevor er
sein Versprechen mit seinem Mund besiegelte.
Das Brennen ihrer Lippen, ihrer forschenden Zunge sandte ein Feuer durch
all seine Adern. Seine Reaktion veranlasste sie, in einem tiefen,
primitiven Ton zu stöhnen, der jeden Nerv in seinem Körper reizte.
"Bist du dir sicher, Mulder? Kannst du alles andere für einen Tag
vergessen?" bat Scully eindringlich, als er schließlich seine Lippen von
ihren löste, um die sinnliche Erschütterung des Kusses zu beenden.
"Wenn das dein Weihnachtswunsch ist, dann will ich den Tag damit
verbringen, alles zu machen, was du magst," versprach er ihr mit seinem
Herzen und mit seinen Worten.
"Danke," flüsterte sie leise.
"Wie möchtest du deinen Tag beginnen?" Er zog suggestiv seine Augenbraue
hoch, während seine Hand ihren Körper unter der Decke neckte.
"Warum machst du nicht das Feuer an und ich mache das Frühstück." Scully
lächelte, als sie sah, wie sein Gesicht sich zu einer jungenhaften Schnute
verzog, was sie insgeheim unglaublich verlockend fand. Sie küßte ihn, für
seine Begriffe viel zu schnell, und griff nach dem heruntergefallenen Hemd,
das er letzte Nacht fortgeworfen hatte. "Das klappt auch nicht immer."
Mulder seufzte, aber er setzte sich hin, als sie sein nun zerknittertes
Arbeitshemd anzog und begann, die Knöpfe zu schließen. Das Hemd hatte
niemals so gut ausgesehen. Scully stand auf und sah auf ihn herab.
"Fein. Mann macht Feuer, Frau geht in Küche," ordnete er an, seine Version
eines Indianerführers imitierend. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war
Scullypatent. Sogar als sie so dastand, ihr Haar nur durch seine Finger
gekämmt, ihre Lippen leicht geschwollen durch den Druck seiner eigenen, ihr
sinnlicher Körper, der sich unter seinem gewunden hatte während der Nacht
und der sich unter seinem Hemd abzeichnete; sie war eine Kraft, mit der man
rechnen musste, wenn sie ihm diesen Blick schenkte. Eine wunderschöne
Kraft. Seine wunderschöne Kraft. Seine Scully. "Das Feuer kommt."
Scully drehte sich um, um zur Küche zu gehen, aber nicht ohne ihn zuerst
mit einem Lächeln zu beschenken. Beinahe als Nachgedanke drehte sie sich
noch einmal um, während er sich die Decke um seine Taille schlang.
"Mulder? Was ist dein Weihnachtswunsch?"
"Streichhölzer," scherzte er, als er zum Kamin eilte. Er drehte sich um,
als er immer noch ihre Augen spürte, die ihn beobachteten. "Mein
Weihnachtswunsch ist ein bisschen komplizierter, aber ich verspreche dir,
ich erzähle ihn dir später." Mulder hoffte, dass sie es dabei belassen
würde, drehte sich um und kniete sich vor dem Kamin nieder. Einen Moment
später hörte er sie in die Küche gehen und mit dem Frühstück beginnen.
* * * *
Mulder erinnerte sich an diesen Morgen, während der Wagen immer noch seine
Reise durch den Schneefall, der wild um ihn herum wirbelte, fortsetzte. Sie
hatte ihn um einen Tag gebeten und seiner Meinung nach, und ihrer, war er
perfekt gewesen. Sie hatten Frühstück gegessen und zusammen auf dem Sofa
gekuschelt und sich alte Weihnachtsfilme angesehen. Hatten den
Weihnachtsbaum genossen, die Wärme der Feiertagsklassiker und die Wärme
dessen, einfach nur zusammen zu sein. Schließlich hatte sie seinem Flehen
nachgegeben und sie hatten sich zusammen ‚Wie der Miesepeter Weihnachten
gestohlen hat' angesehen, zwischen den Filmen ‚Das Leben ist schön' und
"Weiße Weihnacht'. Während sie sich die Filme ansahen, waren sie
eingeschlafen und als sie aufwachten, trauerten sie um jede noch so kurze
Zeit ihres gemeinsamen Tages, die sie versäumt hatten, trösteten sich aber
damit, dass sie ihre Kraft für später brauchen würden. Es war da, als sie
von ihrem Nickerchen aufgestanden waren, dass Scully beschlossen hatte, sie
sollten einen kleinen Spaziergang machen.
Es war ein klarer, frischer Tag. Der Schneefall der vergangenen Nacht hatte
ein Winterwunderland geschaffen nur für sie zur Freude. Die bewaldete
Umgebung war herrlich, die Bäume waren alle in eine strahlende Schneedecke
gehüllt und die Szenerie konkurrierte mit allem, was sie bisher im
Fernsehen gesehen hatten. Hand in Hand waren sie von der Hütte zur Straße
gewandert, als wenn sie schon seit Jahren Liebende waren und nicht erst
seit ein paar Stunden.
Mulder lächelte, als er sich an den Katalysator erinnerte, der den Rest des
Tages vorangetrieben hatte. Ein einzelner ausgewählter Moment in der Zeit,
in dem er entschieden hatte, dass sie anziehend aussehen würde mit einem
Hauch von Schnee in ihren Haaren.
Es hatte ganz unschuldig begonnen. Sie hatten ihre Wanderung unterbrochen,
als Scully zwei Hasen auf der Lichtung vor ihnen entdeckt hatte. Eine Weile
hatten sie dagestanden und sie beobachtet, befürchtend, dass die Tiere
verschreckt würden, wenn sie sich bewegten. Scully hatte beobachtet, wie
die Hasen umherliefen und mit den Hinterläufen den Schnee aufwühlten.
Mulder hatte Scully beobachtet. Der Winterwind hatte eine leichte Röte auf
ihre Wangen und ihre Nasenspitze gezaubert. Ihre Augen strahlten, als sie
den Geschöpfen bei ihrem Spiel zusah.
Wenn er angehalten und über seine folgende Handlung nachgedacht hätte,
hätte er es sich vielleicht überlegt; aber er bezweifelte es. Der kindhafte
Streich brachte immer noch ein Lächeln auf sein Gesicht. Während sie die
Hasen beobachtete, bemerkte er den schneebedeckten Zweig direkt über ihrem
Kopf. Seine Hand, ihrem eigenen Willen gehorchend, dessen war er sicher,
langte nach oben und schüttelte heftig an dem Zweig. Ein Haufen Schnee von
diesem Zweig und den beiden darüber fiel auf sie herab
Überrascht und geschockt durch die Kälte des Schnees, der nun ihr Haar
bedeckte, auf ihren Augenlidern lag und an ihrem Nacken herablief,
schnappte sie nach Luft. Langsam drehte sie sich zu ihm um. Als ihr Blick
seinen traf und er darin das Versprechen auf Rache sah, tat er das, was
jeder sich selbst achtende FBI-Agent in derselben Situation tun würde - er
rannte davon.
Er war noch nicht sehr weit gekommen, als er über die Schulter
zurückblickte, um zu sehen, ob sie ihn verfolgte. Seine Welt explodierte in
eine schmerzhafte Weiße, als ihn der erste Schneeball im Gesicht traf und
der zweite zwischen den Schulterblättern. Der dritte traf ihn mitten auf
die Brust, als er sich umdrehte, die Offensive ergriff und begann, sie zu
jagen. Er hörte ihr Lachen, als sie davon rannte und er empfand Vergnügen
bei dem Geräusch, bis sie sich unter einen niedrigen Ast duckte und ihn
heranzog, so dass er diesmal von Schnee bedeckt wurde, als sie ihn
zurückschnappen ließ und der Zweig ihn an der Schulter traf. Schneebedeckt
stand er da, unfähig den Gedanken abzuwehren, dass er der Verlierer war,
obwohl er diesen kleinen Kampf im Schnee angezettelt hatte.
Ein weiterer Schneeball flog an seinem Ohr vorbei und er setzte ihr mit
einem bestimmten Ziel nach. Scully verlor den Halt und rutschte auf einem
Stück Eis aus. Sie drehte ihren Körper, so dass sie hart auf ihrem
Hinterteil im Schnee landete. Immer noch lachend, legte sie sich in den
Schnee zurück, die Arme am Körper. Mulder kam heran und sah zu, wie sie
ihre Arme und Beine hin und her bewegte.
"Was tust du da?"
"Ich mache einen Schneeengel." Sie deutete auf einen Flecken unberührten
Schnees neben sich. "Versuch es auch mal."
"Ich glaub nicht."
"Du willst keinen Schneeengel machen?" Ihre Stimme spiegelte ihre
Enttäuschung wider.
"Nein." Er lächelte, als er antwortete, dann ging er neben ihr in die Knie.
"Ich mache lieber Liebe mit einem Engel im Schnee," flüsterte er sanft,
bevor er sie zärtlich küßte.
Scully wand sich unter ihm und ohne seinen Mund von ihrem zu lösen,
erfasste er ihre Hände und hielt sie über ihrem Kopf fest. Er vertiefte den
Kuss und sie reagierte ebenso, aber sie hob auch ein Bein an, um so etwas
wie eine Hebel unter ihm zu gewinnen. Mulder bewegte sich ein wenig zur
Seite und machte es so unmöglich für sie, sich zu bewegen. Ein leises
Grollen in ihrer Kehle und in ihrer Brust, durch ein Lachen verursacht,
brachte ihn dazu, sich zurückzuziehen und sie fragend anzusehen.
"Scully, ich versuche, dich zu verführen. Du könntest ein bisschen
kooperativer sein. Was ist so lustig?"
"Also *willst* du jetzt mit mir ringen?"
Ihre Erwähnung der kalten Nacht in den Wäldern, die er zusammengerollt in
ihren Armen verbracht hatte, verursachte auch in seiner Kehle ein
grollendes Lachen.
"Du kannst so ein Witzbold sein," meinte sie anklagend, ihre Stimme warm
mit Zärtlichkeit.
"*Ich* ein Witzbold?" fragte er. "Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt,
dann hast du in dieser Nacht die Goldmedaille im Witzemachen gewonnen."
"Ich weiß nicht, wovon du sprichst." Ihre Stimme klang unschuldig, aber
ihre Augen wussten alles.
"Vielleicht, wenn es Schlafsäcke regnet, hast du Glück? Keine üppige
sexuelle Anspielung."
"Ich war nicht fünf Jahre lang dein Partner, ohne etwas über üppige
sexuelle Anspielungen zu lernen," stellte sie sachlich fest.
"Und dann, als wenn das nicht genug gewesen wäre," fuhr er fort und
ignorierte ihren Kommentar. "Dann war da noch das Singen."
"Du hast mich zum Singen gebracht," meinte sie, sich selbst verteidigend.
"Es war nicht die Tatsache, dass du gesungen hast, sondern wie und was du
gesungen hast."
Ein kleines schuldbewusstes Grinsen begann sich auf Scullys Lippen zu
formen, bevor sie es zurückhalten konnte.
"Und sag mir nicht, dass du nicht weißt, wovon ich rede, denn ich kann es
an deinem Gesicht sehen, dass du es tust. Es war schon schlimm genug, zu
versuchen einzuschlafen mit der Vorstellung von Schlafsäcken, die in meinem
Kopf herumschwirrte, aber dann musstest du es noch einen Schritt weiter
treiben. Die erste Strophe, sogar der Refrain, war noch in Ordnung, aber
die zweite Strophe..." Er senkte seinen Kopf, so dass seine Lippen ihre
lediglich reizten, bevor sie zu ihrem Kinn herabsanken. Seine Lippen und
seine Zunge brannten eine Spur bis unter ihr Ohr. Die federleichten
Bewegungen kitzelten und erregten sie über alle Maßen. Sie versuchte, ihre
Hände freizubekommen, aber er hielt sie fest über ihrem Kopf. "Die zweite
Strophe war süße Qual vom Feinsten." Er knabberte sanft mit den Zähnen an
ihrem Ohrläppchen und liebkoste mit der Zunge die Stelle an ihrem Hals, von
der er kürzlich herausgefunden hatte, dass sie sie verrückt machte. "Deine
Stimme wurde zu einem Flüstern und du hast sie auf genau die richtige
Oktave gesenkt, so dass die Worte, die in deiner Kehle steckenblieben, wie
ein verführerisches Grollen klangen."
Mulder hob den Kopf und sah in ihre tiefblauen Augen. Er sah darin die
Wirkung, die seine Bewegungen auf sie hatte; sie waren weit vor Verlangen.
Noch war er nicht bereit, es zu erfüllen. Er wollte, dass sie ihn genauso
sehr begehrte, wie er sie in jener Nacht begehrt hatte. Seine Lippen
begannen ihre sinnliche Attacke auf die andere Seite ihres Halses.
"Wenn ich der König der Welt wäre. Ich sag dir, was ich tun würde." Die
Worte des Liedes, das sie in jener Nacht gewählt hatte, überspülten sie mit
einer Hitzewelle. Sein heißer Atem, als er ihr sanft ins Ohr sprach,
verursachte, dass sich ihre Augen schlossen und ihr Atem in einem Seufzer
herauskam. Ihr Herz raste und sie hatte beinahe keine Kontrolle darüber,
während er mit seiner heißen Serenade fortfuhr.
"Ich würde die Autos und die Bars und die Kriege beiseite schieben und süße
Liebe mit dir machen."
Mulder unterstrich jedes der letzten paar Worte mit der Berührung seiner
Lippen auf ihrer Haut. Als er fertig war, fanden seine Lippen ihre. Scullys
Mund öffnete sich sofort für ihn und ihre Zungen berührten und vermischten
sich, als Beben über Beben sie durchflutete.
Nach ein paar Momenten drehte sie ihren Kopf leicht zur Seite und
unterbrach den Kontakt.
"Mulder." Ihre Stimme war tief und rau von Leidenschaft. "Bring mich
hinein. Du kannst in einem Himmelbett Liebe mit einem Engel machen. Wenn
wir hier noch länger draußen bleiben, wird die Erklärung, warum mein
Hinterteil durchgefroren ist, peinlich." Schüchtern lächelte sie ihn an.
Augenblicklich realisierend, wie kalt ihr sein musste, sprang er auf und
zog sie mit sich in seine Arme.
Mulder trug Scully das kurze Stück bis zur Hütte, ihr Kopf ruhte an seiner
Brust. Einmal drinnen setzte er sie ab und half ihr, den feuchten Mantel
und ihre Stiefel auszuziehen.
"Wir müssen dich aufwärmen." Seine Hände rieben Wärme erzeugend über ihre
Arme. Scully unterbrach ihn und hielt ihm ihre Hand hin.
"Alles was ich brauche, bist du, Mulder."
Ohne Zögern ergriff er ihre Hand und folgte ihr, als sie ihn die Treppe
hinauf ins Schlafzimmer führte. Es war schon später Nachmittag und Mulder
wich nur einen Moment von ihrer Seite, um ein paar Kerzen im Raum
anzuzünden.
Scully kam auf ihn zu, ihre Augen sanft und leuchtend wie das Kerzenlicht.
Er hielt seine Arme auf und nahm sie darin auf. Sie schloss ihre Augen,
legte ihre Arme um ihn und hielt ihn fest, als fürchtete sie jeden Moment,
was sie fühlte, könnte ihr entrissen werden.
Er küßte sie. Flüsterte. Berührte sie, bis ihr ganzer Körper vor
Leidenschaft brannte. Wenn er sich zurückzog, holte sie ihn zurück für
einen weiteren Kuss. Flüsterte. Liebkoste ihn, bis sie spüren konnte, wie
sein Herz in seiner Brust unter ihrer Hand hämmerte.
Die Lippen immer noch miteinander verbunden, die Finger beschäftigt mit der
Aufgabe, ihre Sachen auszuziehen, begannen sie einen langsamen Tanz in
Richtung Bett. Kerzenlicht legte Schatten auf ihr Gesicht, als er auf sie
herabsah. Scully erzitterte unter der Intensität in seinen Augen. Wissend,
was passieren würde, sich seit Jahren danach sehnend und dennoch irgendwie
wünschend, dass dieser Moment für die Ewigkeit bewahrt werden könnte.
"Danke, Mulder, dass du meinen Weihnachtswunsch wahr gemacht hast."
Sein Blick wurde weich und er lächelte sie so zärtlich an, dass sich ihre
Augen mit Tränen füllten. Er setzte sich auf das Bett und hielt ihr seine
Hand hin. Sie nahm sie und erlaubte sich, wieder in die erregende Wärme
seiner Arme zu versinken.
Mulder zog sie mit sich, um voll ausgestreckt auf dem Bett zu liegen.
Scullys Hände begannen ihn hungrig zu erforschen, ihre Fingerspitzen waren
entschlossen, jeden Zentimeter seines Körpers kennenzulernen. Seine eigenen
Hände fanden ihren Weg zu ihren Brüsten und seine Lippen und seine Zunge
erkundeten ihre Brustwarzen und wollten das reinste Vergnügen in ihr
Innerstes schicken.
Irgendwo in ihm tobte ein Feuer, ein Feuer, das forderte, dass er sie
sofort besitzen musste. Aber die Sehnsucht wurde durch das größere
Verlangen überlagert, die Dinge langsam anzugehen, um diese Nacht für die
Ewigkeit währen zu lassen.
Mulder küßte ihre Schläfen, ihre Augenlider und ihre Wangen, seine Hände
wanderten über ihren Rücken, genossen das Gefühl ihrer Haut, die so warm
und so glatt war wie Seide. Seine Zunge probierte und drängte und fuhr
langsam in ihren Mund, während sich seine Oberschenkel an sie pressten.
Harte Oberschenkel. Fordernde.
"Berühr mich," flüsterte er ihr zu, beinahe ängstlich davor, was passierte,
wenn sie es tat. Ängstlich, dass er in tausend Scherben des Vergnügens
zerbersten würde durch ihre Berührung.
Der zitternde Klang seiner Stimme ließ Danas Hände beben, als sie sich
herabbeugte und seine Brustwarze mit ihren Lippen bedeckte und sie mit
ihrer Zunge neckte. Mulder sog zischend den Atem ein und ließ seine Hände
ermutigend durch ihr Haar gleiten. Sie setzte ihre Erkundigungen mit ihrer
Zunge fort, bewegte sich qualvoll langsam abwärts, hielt über seinem
Bauchnabel inne und wanderte dann wieder zurück. Mulder stöhnte auf und
Scully lächelte bei dem Gedanken, in der Lage zu sein, solche Kontrolle
über den Mann auszuüben, der immer forderte, die Kontrolle zu haben. Er
hoffte, die Tatsache, dass er diese Kontrolle aufgab, sagte ihr mehr, als
Worte von ihm ihr jemals sagen konnten.
Zusammen waren sie zärtliche Hände und begierige Münder und Gliedmaßen,
jeder versuchte dem anderen Lust zu bereiten. Sein Stöhnen war ihre Musik
und ihr Seufzen war sein Gebet. Sie schmiegten sich aneinander, während ihr
Körper seine langsam drängende Hitze begrüßte. Was als sanftes Schütteln
begonnen hatte, wurde zu einem heftigen, fordernden Stoßen. Sie drängte
sich ihm in zitterndem Verlangen entgegen und er tauchte wieder und wieder
in sie in dem verzweifelten Verlangen, sie mit sich zu nehmen, als er in
den Himmel hinaufstieg. Sie schrie auf und hielt ihn fest, als sie kam und
er folgte ihr.
Für lange Momente waren sie sich nichts weiter bewusst als aneinander
geschmiegt zu liegen und zu spüren, wie das Schlagen ihrer Herzen sich in
einen entspannteren Rhythmus verlangsamte. Während sein eigener rasselnder
Atem ruhiger wurde, blieb er weiter in ihr. Er kostete die Wärme, die
Intimität ihrer Vereinigung aus und wollte, dass es niemals endete.
Aber als die Zeit gekommen war, schob er sich von ihr herunter. Er zog sie
in seine Arme und bettete ihren Kopf an seine Schulter. Ein befriedigtes
Seufzen der Genugtuung von sich gebend, wusste er, dass er ihr die Worte
sagen musste, bevor sein Körper vom Schlaf überwältigt wurde.
"Ich liebe dich, Scully," flüsterte er, seine Stimme ein schwaches Knistern
an ihrem Ohr. Sensibel küßte er ihre Wange, bevor er dem Schlaf erlaubte,
ihn davonzutragen.
Der Schlaf umging nur Scully, während sie in Mulders Armen lag und ihr die
Tränen herabliefen. Sie wusste, dass dieses Märchen morgen wie ein Traum
zuende gehen würde.
Stunden später erwachte Mulder aus tiefem Schlaf und bevor er auch nur die
Augen geöffnet hatte, hatte er das Gefühl, dass ein Teil von ihm selbst
fehlte. Er streckte seine Hand nach Scully aus, griff aber nur eine
Handvoll leerer Laken und Decken. Im selben Augenblick war er hellwach,
öffnete seine Augen und setzte sich im Bett auf. Er sah sie in dem kleinen
Dachausbau, der als Schlafzimmer diente, stehen. Sie stand da, eingehüllt
in eine Wolldecke vom Bett, vor dem großen Panoramafenster, das die ganze
Wand einnahm. Die Sonne begann, aufzugehen und rote, orange und feurig
gelben Farben tanzten über ihre Haut und ihr Haar und ließen sie noch
erregender erscheinen als gewöhnlich. Der Sonnenaufgang war wunderschön, so
wie er sich im Schnee widerspiegelte, aber er verblasste neben Scully.
"Hey du, komm zurück ins Bett." Seine Stimme klang verschlafen.
"Ich bin gleich da."
Ihre Stimme klang ebenfalls kratzig, aber er vermutete, dass es nicht vom
Schlafen sondern vom Weinen kam. Er wickelte sich die übriggebliebene Decke
um die Hüften und ging zu ihr hinüber, legte seine Arme um sie und zog sie
an seine Brust. Einen Moment widerstand sie, ihr Körper versteinert in
seinen Armen, aber dann nahm sie langsam die Zuflucht an, die er ihr bot.
"Sag mir, was los ist."
"Die Sonne geht auf."
"Es ist wunderschön. Es ist der Beginn eines neuen Tages." Er küßte sie auf
ihr Haar und atmete ihren Duft ein.
"Es ist nicht der Beginn, es ist das Ende," antwortete sie und ihre Stimme
kämpfte einen Moment mit ihren Worten.
"Das Ende wovon?"
"Unser Tag. Heute sind wir wieder die FBI-Agenten Mulder und Scully. Die
haben keine wunderschönen Anfänge. Sie schlafen nicht in den Armen des
anderen, um die Einsamkeit und die Monster, die sie in ihren Träumen
heimsuchen, zu vertreiben. Sie lieben sich nicht zärtlich. Sie machen keine
Schneeengel. Sie debattieren miteinander und streiten. Er hängt sie bei
Gelegenheit ab und die meiste Zeit, wenn er sie fragt, ob es ihr gut geht,
lügt sie und sagt, dass sie in Ordnung ist. Es ist ihnen nicht erlaubt,
irgendetwas zu fühlen, und wenn sie ihre Zuneigung füreinander ausdrücken,
dann kurz und flüchtig, damit es niemand sieht und gegen sie verwenden
kann. Sie haben beide Angst davor, eine Gelegenheit zu ergreifen, weil die
anderen mit ihrem Leben bezahlen könnten. Das sind wir heute." Ihre Stimme
war kalt und ohne Gefühl. Er war besorgt und als er sie zu sich umdrehte,
war er ein wenig beruhigt durch das Feuer, das immer noch in ihren Augen
brannte, auch wenn es schwächer war als am Tag zuvor.
"So muss es nicht sein. Wir müssen nicht so sein," wandte er ein.
"Was hat sich geändert?" forderte sie ihn heraus.
"Wir haben uns verändert."
"Nein, das haben wir nicht. Wir haben nur nachgegeben. Ich wollte das so
lange Zeit und ich vermute, dass der Gedanke für dich auch nicht neu war.
Wir haben es bis jetzt nur besser verstanden, dagegen anzukämpfen."
"Ich bin es leid, zu kämpfen. Letzte Nacht habe ich dir gesagt, dass ich
dich liebe." Er legte seine Hände auf ihre Schultern und zwang sie, ihm in
die Augen zu sehen. "Ich meinte es."
"Du kannst mich nicht lieben, Mach es nicht schwerer als es ist."
"Es ist zu spät." Er sah ihr tief in die Augen und versuchte, darin zu
lesen, was sie dachte. "Du hast Angst," stellte er einen Moment später
fest. "Wovor hast du Angst?"
"Dass sie es benutzen werden. Dass sie uns gegeneinander benutzen werden."
"Lass sie es versuchen. Zusammen sind wir stärker. Das weißt du."
"Mulder, das letzte Mal, als sie mich gegen dich benutzten, gaben sie mir
den Krebs." Sie schwiegen beide und Scully ging von ihm fort und setzte
sich auf die Bettkante. "Was ist, wenn sie diesmal dich nehmen? Wenn sie
dich mir fortnehmen, dich irgendwo hinbringen, wo ich nicht zu dir kommen
kann?"
Mulder ging zu ihr hinüber und kniete vor ihr nieder. Sein Gesicht war auf
gleicher Höhe mit ihrem. Er nahm ihre Hände in seine und blickte sie an.
"Scully, wenn du das hier beenden möchtest, wenn du es aufgeben möchtest,
weil du dich nicht um mich sorgst, weil du nichts von dem empfindest, was
ich tue, das ist eine Sache; aber gib nicht auf, nur weil du Angst hast.
Wirf nicht alles fort, weil du Angst hast. Wenn du Angst hast, dann
solltest du dich an jemanden halten. Halt dich an mich, Scully."
Einen Moment saß sie schweigend da und Hoffnung flackerte in ihm auf, als
er den Schatten von etwas in ihren Augen sah. Sie starb genauso plötzlich,
als sie aufstand und den Raum durchquerte, ihn auf den Knien vor dem Bett
zurücklassend. Sie ließ die Decke, in die sie gehüllt war, fallen und
begann, ihre Reisetasche nach ihren Sachen zu durchwühlen. Dann begann sie
sich anzuziehen und Mulder setzte sich wartend aufs Bett.
"Wir sollten uns besser auf den Weg machen, wenn du mich rechtzeitig zum
Flughafen bringen willst. Es ist ein zeitiger Flug," sagte sie, ohne sich
umzudrehen, aber sich weiter anziehend.
"Scully..." begann er, hielt aber inne, als sie sich zu ihm umdrehte,
sichere Hoffnungslosigkeit im Gesicht.
"Ich brauche Zeit zum Nachdenken," flüsterte sie. "Du hast mir versprochen,
dass du mich rechtzeitig zum Flughafen bringst, damit ich meinen Flieger
bekomme. Wirst du dein Versprechen halten?"
Einen Moment beobachtete er sie, bevor er nickte. Der Anblick ihrer
Schultern, die sich erleichtert senkten, nahm ihm den Atem. Er stand auf,
unfähig sie anzusehen, sammelte seine Sachen zusammen und ging die Treppe
hinunter.
Schweigend fuhr Agent Mulder sie zum Flughafen. Ihr Abschied war knapp und
ohne Gefühl. Er fragte sie, ob sie ihr Handy dabei hatte und sie bat ihn,
nicht anzurufen. Ohne auch nur zu ihm zurückzublicken, ging sie an Bord.
Sein Herz fühlte mit ihr und er wollte ihr nachrufen, dass sie das nicht
allein durchstehen musste, dass er sie vermissen würde, dass er sie liebte.
Er schrie nicht auf. Er drehte sich um und verließ schweigend den
Flughafen, nachdem er zugesehen hatte, wie das Flugzeug sicher gestartet
war und vertraute darauf, dass die Zeit sie wieder zu ihm zurückbringen
würde.
* * *
Das Schrillen von Mulders Handy holte ihn aus seinen Erinnerungen. Ohne den
Blick von der schneebedeckten Straße zu nehmen, suchte er auf dem Sitz
neben sich, bis seine Hand das Telefon fand und er es ans Ohr nahm.
"Mulder."
"Ich bin es. Wo bist du? Hast du meine Nachricht bekommen?" Ihre Stimme
klang zögerlich, nicht so wie er es gewöhnt war.
"Ich bin fast da," beruhigte er sie.
"Ich dachte, du würdest nicht kommen und dann hab ich aus dem Fenster
gesehen und bemerkt, wie schlecht das Wetter geworden ist und ich hab mir
Sorgen gemacht, dass dir was passiert ist."
"Ich bin nur noch ein paar Minuten von der Zufahrt entfernt. Gib mir noch
ungefähr zehn Minuten und dann ruf die Hundeschlitten. Scully, ich glaube,
wir werden ein paar Tage lang eingeschneit sein."
"Gut." Ihre Stimme wurde fester. "Mulder, ich hab keine Angst mehr. Ich
werde nach dem Auto Ausschau halten. Sei vorsichtig."
"Nichts wird mich von dir fernhalten, Scully. Ich bin gleich da."
Scully hängte auf und stand im Türrahmen der Hütte. Die Tür war offen und
sie starrte in das blendende Weiß hinaus. Sie zog ihren Sweater enger um
sich, ihr Körper lehnte den mageren Ersatz ab und verlangte nach Mulders
Armen. Sie war ein Narr gewesen.
Auf dem Flughafen war sie von ihm fortgegangen, ohne auch nur
zurückzusehen. Sie hatte sich davor gefürchtet, zurückzusehen, weil sie
wusste, wenn sie noch einmal zurückgeblickt hätte, hätte sie nicht mehr die
Kraft gehabt, ihn zu verlassen. Der Flug war eine Tortur gewesen, die
meiste Zeit der Reise hatte sie still geweint und ihre Mutter hatte sie
unaufhörlich ausgefragt, als sie sie am Flughafen abholte. Sie hatte eine
Magenverstimmung vorgetäuscht.
Scully hatte geglaubt, wenn sie einmal in San Diego war, würde sie in der
Lage sein, sich in Familienangelegenheiten zu versenken und Mulder zu
vergessen. Sie hatte herausgefunden, je mehr sie versuchte, ihn zu
vergessen, desto mehr wollte sie bei ihm sein. Sie wusste, dass es
unmöglich war und dadurch vermisste sie ihn nur noch mehr. Mit jedem Tag,
der verging, sehnte sie sich mehr nach ihm. Viele Male hatte sie das
Telefon in die Hand genommen und tatsächlich begonnen, seine Nummer
einzutippen, bevor sie sich dazu zwang, den Hörer aufzulegen. Mehr als
einmal hatte sie überlegt, seine Nummer zu wählen, um seine Stimme auf dem
Anrufbeantworter zu hören. Nur der Gedanke, dass sie ihn zufällig zu Hause
erwischen könnte, hatte sie davon abgehalten. Wäre sie in der Lage gewesen
aufzulegen, wenn er dran gewesen wäre? Seine Stimme zu hören, wurde zur
fixen Idee. Sie wusste, dass es das einzige war, das sie beruhigen würde,
egal wie vorübergehend das war. Neun Tage hatte sie es ohne ihn ausgehalten
und nur der Klang seiner Stimme würde ihr durch die nächsten fünf Tage
helfen, bis sie wieder nach DC zurückkehrte.
Als ihre Familie zum Einkaufen gefahren war, hatte sie sich die Treppe
hochgeschlichen in den Raum, den sie nutzte, während sie da war und hatte
ihre Aktentasche aus dem Schrank hervorgeholt, wo sie sie bei ihrer Ankunft
hineingestopft hatte. Sie legte sie aufs Bett und setzte sich, sie kurz
anstarrend, hin. Scully gab nach, schloss sie auf und öffnete sie auf dem
Bett. Sie griff tief in die Tasche und holte ein kleines Diktiergerät
hervor. Diesen Genuss gönnte sie sich nicht sehr oft, nur bei seltenen
Gelegenheiten, wenn sie seine Beruhigung brauchte, in Zeiten, wenn er sie
nach einem ungewöhnlich heftigen Streit sitzengelassen hatte und sie seine
Bestätigung brauchte. Wenn sie hören musste, wieviel sie ihm bedeutete und
er nicht in der Lage war, es ihr direkt zu sagen. Mitunter fühlte sie sich
schuldig, weil sie wusste, dass er sich dessen nicht bewusst war, dass sie
dieses Band besaß, dass sie es überhaupt gehört hatte. Sie rechtfertigte
den Besitz damit, dass er es zuerst für sie aufgenommen hatte. Zufällig war
sie daran gekommen, als sie ihm nachgereist war zu der
Satellitenbeobachtungsstation in Puerto Rico. Sie hatte es auf dem Boden
liegen gesehen und aufgehoben und hastig in ihre Tasche geschoben, als sie
ihn auf da liegen sah und glaubte, er wäre tot. Bei der Erinnerung
schauderte sie. Sie hatte es ihm zurückgeben wollen, aber als sie es sich
angehört hatte, hatten die Worte sie gerührt und sie hatte erkannt, dass
der einzige Mensch, der etwas von dessen Existenz hatte, sie war.
Sich in die Kissen zurücklehnend, drückte sie die Abspieltaste und ließ
seine Stimme, wenn auch ein bisschen verzerrt, über sich hinwegspülen.
"Ich bin von einem dieser Menschen hergeschickt worden. Der Mann mit der
tiefen Stimme hat gesagt, trauen Sie niemandem. Es ist hart, Scully, jedem
und allem zu misstrauen. Es zieht dich herab. Du beginnst sogar zu
bezweifeln, ob das, was du weißt, die Wahrheit ist. Vorher konnte ich nur
mir selbst vertrauen, jetzt kann ich nur dir vertrauen und sie haben dich
mir weggenommen."
Scully hielt das Band an. Die Wirkung seiner Worte hatte diesmal eine neue
Bedeutung. "Sie haben dich mir weggenommen." Sie hatten es wieder getan.
Sie hatten sie gezwungen, sich zu trennen. Der Ärger in ihr wurde groß ob
der Ungerechtigkeit, ihr Leben in Selbstverleugnung zubringen zu müssen.
Wegen einer Verschwörung, die sie nicht einmal verstand, wegen Männern ohne
Namen, die über ihre Zukunft entschieden. Kalte Realität ersetzte den
brennenden Ärger, als sie die Erkenntnis überwältigte. Es waren keine
Kräfte von außerhalb, die sie von Mulder fernhielten, sie war es selbst.
Sie hatte ihn verlassen. Willentlich. Der Gedanke traf sie brutal und sie
zwang sich, tief einzuatmen. Sie hatte ihn verlassen. Er hatte ihr gesagt,
dass er sie liebte und sie war fortgegangen. Sie hatte keine Angst vor
einer geheimen Schattenorganisation, sie fürchtete sich vor den Gefühlen,
die sie für ihn hatte. So lange Zeit hatte sie sich keine Gefühle
gestattet.
Scully sprang vom Bett, zerrte ihre Reisetasche darunter hervor und warf
ihre Sachen so schnell sie konnte hinein. Sie würde zu ihm zurückgehen,
heute. Sie würden einen wunderschönen Anfang haben. Sie betete nur darum,
dass es nicht zu spät war.
* * *
Sich mit ihm in der Hütte zu treffen, schien eine gute Idee zu sein, aber
es hatte noch nicht geschneit, als sie ihm die Nachricht auf dem
Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Sie beobachtete es mit Besorgnis und
ihr Blut rauschte und sie fühlte Schmetterlinge in ihrem Bauch, als sie
sein Auto die Auffahrt heraufkommen sah. Sie konnte keine Minute länger
warten und rannte vom Haus aus dem Auto entgegen.
Mulder sah sie aus der Tür laufen und drückte das Gaspedal herunter, in dem
Versuch, schneller zum Haus zu kommen. Das Auto kam ins Schleudern und
rutschte mit den Vorderreifen in den flachen Graben neben ihm. Den Gang
einlegend und das Auto abwürgend, sprang Mulder hinaus und lief los, um
Scully zu treffen. Die Kraft ihres Aufeinanderprallens, als sie sich
trafen, warf sie beide lachend in den Schnee. Seine Lippen fanden ihre und
sie hielt ihn fest und schwor, ihn nie mehr loszulassen.
"Das wird aber auch Zeit," neckte sie ihn, als er von ihr abließ, um nach
Luft zu schnappen.
"Das gleiche könnte ich von dir sagen," konterte er.
"Alles lohnende ist es wert, darauf zu warten. Wir haben fünf Jahre
gewartet. Ich denke, das reicht. Was immer uns die Zukunft bringt, wir
werden es gemeinsam angehen. Nicht getrennt, nie wieder getrennt."
"Bist du sicher?"
"Willst du den Tag mit reden verbringen oder willst du Liebe machen mit
einem Engel im Schnee?" Ihr Lächeln erleuchtete ihre Augen und er liebte
sie dafür.
"Was ist mit Erfrierungen?"
Sie konnte erkennen, das er besorgt war, aber sie konnte auch an dem
Ausdruck auf seinem Gesicht und dem Gefühl seines Körpers erkennen, dass er
erregt war und begierig darauf, sie hier draußen im fallenden Schnee zu
lieben.
"Wir werden schnell sein müssen," erwiderte sie lachend und zog schon an
seinem Gürtel.
"Ich kann schnell sein," versicherte er ihr lachend, als sein Mund und
seine Hände Besitz von ihr ergriffen.
"Solange du versprichst, langsam zu sein, wenn wir drinnen sind."
"Auch das kann ich. Ich bin ein Mann mit vielen Talenten, Agent Scully."
"Beweise es, Agent Mulder."
Das Feuer seines Kusses wärmte sowohl ihre Seele als auch ihren Körper.
"Ich liebe dich auch," flüsterte sie in sein Ohr, während er ihren Hals mit
unglaublich talentierten Lippen heimsuchte.
Er hielt in seinen sinnlichen Erkundungen inne und seine Augen fanden ihre.
"Ich liebe dich auch," wiederholte sie.
Die Emotionen in seinen Augen trugen sie zu neuen Höhen ihrer Verehrung für
ihn, ängstigten sie aber auch.
"Habe ich irgendetwas falsches gesagt?"
"Nein," antwortete er schnell, ohne zu zögern. "Danke, Scully, dass du
meinen Weihnachtswunsch wahr gemacht hast."
ENDE
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