World of X

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Sucker Bet

von Susanne Barringer

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Ich höre sie sogar, bevor ich die Ecke zu ihrem Büro umrundet habe. Ich habe mich nie bemüht zu denken, dass es meins ist; nicht mit diesen UFO Bildern, mit denen die ganzen Wände gepflastert sind. Die Tür ist offen und ihre Stimmen klingen laut durch den Flur.



„Scully, geben Sie ihn mir! Es ist meiner!“



„Gehen Sie von mir runter, Mulder! Sie zerdrücken mich!“



„Sie sind zu groß, um zerdrückt zu werden!“



Ich höre einen scharfen Atemzug ihrerseits, ein simulierter Angriff. „Oh, Sie sind so was von tot!“



„Ich war schon tot, Scully. Erinnern Sie sich! Es hat nicht angehalten.“



Sie quietscht plötzlich und lacht dann. „Gehen Sie von mir RUNTER, oder ich werde es dauerhaft machen!“



Ich komme nicht rechtzeitig um die Aktion mit eigenen Augen sehen zu können. Als ich eintrete, streckt sich Agent Mulder um Agent Scullys großen Bauch berühren zu können. Ihre Wangen sind gerötet und sie ist außer Atem. Ich habe keine Ahnung, in was ich hineingeraten bin, aber ich habe das Gefühl, dass ich froh sein sollte, dass ich keine Minute früher dran war.



Sie scheinen beide meine Anwesenheit zur selben Zeit wahr zu nehmen und sehen mich überrascht an.



„Hi!“, sagt Agent Mulder, bevor er seine Hand von ihrem Unterleib nimmt. „Wir haben gerade...“



„Eine Münze geworfen...“, beendet Agent Scully. Sie hält ihre Hand auf, um einen glänzenden Vierteldollar zu offenbaren. „Es ist Kopf“, fügt sie hinzu und sieht mit einem Grinsen des Triumphs und einem Blick, der einen Mann in die Knie zwingen könnte, zu Mulder auf.



„Oh yeah?“ Mulder schlägt auf ihre Hand, sodass der Vierteldollar in meine Richtung fliegt. Ich ducke mich, als er über meinen Kopf segelt und gegen die Wand hinter mir schlägt.



„Ohhhh, tschuldigung!“ Scully sieht schüchtern aus, als sie ein Lachen unterdrückt.



Eine Sache hat sich seit Mulders Rückkehr verändert: Scully lacht öfter. Sie ist wirklich glücklich und zugleich wunderschön. Die Rückkehr des vermissten Teils von ihr, hat die Person verändert, die sie war. Die Person, die ich kannte. Es ist, als würde ich versuchen, sie von neuem kennen zu lernen.



Ich habe niemals ein Lachen wie dieses von ihr bekommen- nicht annähernd und ich wundere mich, was es dafür braucht. Sieben Jahre diskutieren über Aliens und Monster? Rückkehr von dem Tod? Ich hoffe auf irgendwas einfacheres.



„Es war nicht Kopf!“, wendet Mulder ein, die Hände an seinen Hüften.

„Doch! Es war Kopf! Sie haben es selber gesehen! Sie betrügen!“



Wirklich, es macht absolut keinen Unterschied, dass ich hier bin. Sie stehen und grinsen einander an, während ich unbehaglich warte.



„Ich bin nur gekommen, um einige Aufzeichnungen zu holen“, sage ich schließlich und die beiden drehen sich zu mir um, als bemerkten sie gerade erst, dass ich hier stehe.



„Sicher“, sagt Mulder mit einem Achselzucken. „Es ist Ihr Büro.“ Da ist kein bisschen Sarkasmus hinter seinen Worten, was ich schätze. Sogar, wenn die Bemerkung nicht stimmt. Statt dessen ist es Scully die lacht. Ich kann mich noch nicht daran gewöhnen.



Ich gehe zum Schreibtisch und schlage mich durch den Stapel der Fälle, die dort aufgeschichtet sing. Ich kann nicht anders und sehe den beiden zu – die Art, wie sie nah zusammen stehen- aber nicht zu nah; die Art, wie sie sich gegenseitig ansehen- aber nicht zu viel. Sie sprechen über etwas- aber leise genug, so dass ich nur hin und wieder ein Wort verstehen kann. Es ist intim sogar obwohl es so scheint, von dem was ich höre, dass sie einfach nur darüber sprechen, wo sie zum Essen hingehen. Scully lächelt im Durchschnitt ca. alle 30 Sekunden. Wie macht er das ?



Sicher, ich bin eifersüchtig. Es ist nicht so sehr ihre Romanze die mich stört, - obwohl ich sicher die Intimität und Gemeinschaft vermisse- aber wie erstaunlich sich ihre Beziehung entwickelt hat und sie durch Tragödie und Tod verstärkt wurde. Meine Erwartungen waren das Gegenteil und es ist für mich jetzt zu spät irgendetwas zu tun. Aaber ich wünschte, es wäre anders.



Ich habe gesehen, wie Verlust jene zerstört, die zurückgelassen wurden. Wie Kummer zu Wut wurde und dann zu Einsamkeit. Wie eine Depression dadurch entstand und dann Ärger und dann Abstand von allem, dass du in deinem Leben kanntest.



Ich habe gesehen, wie der Verlust von jemanden mit dem Verlust von allen endet, bis das Vertrauen weg ist und die einzige Person, die du liebst, dich verlässt, um herauszufinden, was sie von einem anderen braucht – jemandem, der ihr niemals das geben kann, was sie wirklich braucht; der sie aber nicht mit Augen ansieht, die reflektieren was verloren wurde.



Ich habe gesehen, was Unheil von paranormaler Stärke zerstört und ich habe gesehen, was die meisten menschlichen Grundlagen zerstören kann. Die ersten Schritte geschehen in einem grausamen Angriff, ein Stich ins Herz, der unerträglichen Schmerz erzeugt. Die späteren geschehen über die Zeit, fressen langsam weg, was geschätzt wird, Stück für Stück, bis der Schmerz genug aufgebaut ist, um dich lebendig zu überwältigen. Es ist schwer zu sagen, welcher am längsten braucht, um sich davon zu erholen.



Ich habe alles davon gesehen, so dass ich das kenne, was Mulder und Scully die ganze Logik missachten und alles herausfordern lässt. Ich weiß bescheid, was von einer Tragödie kommt. Mein Sohn, meine Hochzeit, mein ganzes Leben – ich verlor alles in einer unsinnigen Wette, um die ganze Zeit danach glücklich zu sein. Ich kenne nichts anderes, doch ich sehe wie sie zusammen all die Umstände geschlagen haben.



Gerade vor einer Woche, haben Mulder und ich vor dem Krankenhauszimmer von Agent Scully ein Gespräch über das Böse geführt. Mulder entwickelte die Theorie, dass es sich wie eine Krankheit ausbreitet, vielleicht sogar jene bedroht, die von Tragödie und Verlust geschwächt wurden. Jene, deren Immunität durch Sorge und Kummer gefährdet ist.



Ich habe nie die eine Sache gesagt, die ich dachte- welche aber jetzt bewiesen scheint. Wenn es jemanden gibt, der das Gegenteil dieser Epidemie des Bösen repräsentiert, ist es Agent Scully. Ich kann nicht das Gute übersehen, welches ihr wiederfahren ist; das sich auf andere ausbreitet. Ich sehe jeden Tag den Faden der Wahrheit durch sie laufen und ich habe die Erscheinungen gesehen, die ihr Mut zu Glauben geschenkt hat.



Wenn ich sie jetzt ansehe, Mulder während ihrer vertraulichen Unterhaltung anlächelnd, sehe ich es Stück für Stück. Vielleicht kann sie ihm helfen; vielleicht kann sie ihn ganz ins Leben zurück bringen.



Ich kann auch in Mulders Blick so vieles erkennen. Ein verlorener Blick, als wäre er nicht ganz sicher, wo er hinpasst. Als würde er sich in seiner neuen Haut unwohl fühlen. Ich bemerke, dass es ein Blick ist, der daher rührt, drei Monate tot zu sein und dann herauszufinden, dass sich die Welt ohne dich weitergedreht hat. Und du kannst es nicht ungeschehen machen.



Sie sieht es nicht. Oder wenn sie es tut, versteckt sie es hinter diesem, ihrem herrlichen Lächeln. Er lässt sie es nicht sehen, denke ich, verdeckt es mit Witzen, die er über verlorene Zeit macht, als ob er wüsste, dass sie viel mehr als das verloren haben.



Wir haben alle mehr als Zeit verloren. Etwas, dass wir gerne opfern würden, um sonst alles zurückzubekommen. Alles Lächeln dieser Welt könnte nicht ersetzen, was sie und ich im Leben verloren haben. Aber vielleicht kann dieses Lächeln von ihr die Krankheit, die Verseuchung stoppen.



Ist es unmöglich zu glauben, dass sie sich Agent Mulder einfach zurück ins Leben wünschte? Ich habe genug X-Akten gelesen um zu wissen, dass es Ausnahmen von allem gibt. Eingeschlossen dem Tod. Und zu glauben, Scully wollte Mulder lebendig, macht genauso viel Sinn, wie manche der anderen möglichen Erklärungen, die ihr oder A.D. Skinner aufgetischt worden sind.



Ich verstehe bestimmt den Bedarf, die vernichtende Verzweiflung, jemanden zum Leben zurück zu wünschen- eine Tragödie weg zu wünschen. Wenn Wünsche Pferde wären, wäre ich ein Weltklasse-Reiter.



Sie beenden ihre Unterhaltung und treten auseinander. Ich kehre unverzüglich zu meinen Fällen zurück, bemerke, dass es etwas zu lange gedauert hat, nach einigen Aufzeichnungen zu suchen.



Scully nähert sich meinen Schreibtisch. „Mulder und ich gehen Mittagessen. Möchten Sie mitkommen?“



Ich sehe an ihr vorbei zu Agent Mulder, der leicht mit den Schultern zuckt. Scheinbar Damenwahl. Ich kann nicht anders und stelle mir vor, dass darüber die Münze geworfen wurde... obwohl mich das paranoid scheinen lässt. Kopf, wir laden Doggett ein. Zahl, wir lassen ihn hier alleine, wo er hingehört. Irgendwie vermute ich, dass die Wahrscheinlichkeiten nie zu meinen Gunsten waren. Es fühlt sich nicht gut an, so trivial zu werden, obwohl ich nicht sicher bin, dass ich jemals anders war.



„Uh, danke, Agent Scully. Aber ich muss meine Notizen aus dem Thompsen Fall nachprüfen.“



Mulder dreht sich unmittelbar zu Tür, ohne Zweifel erleichtert, aber Scully ist hartnäckig.



„Kommen Sie, Agent Doggett. Sie müssen essen.“ Und dann lächelt sie. Zu mir. Genau so, wie sie Mulder anlächelte.



Ich erwäge die Möglichkeiten, aber entscheide, dass das dritte Rad zu sein, nicht das ist, was ich heute brauche. Lächeln oder kein Lächeln. „Ich muss das wirklich fertig bekommen.“



„Schön. Aber das nächste mal sicher, okay?“



„Yeah, okay! Das nächste mal.“



Sie lächelt wieder und ich könnte genauso gut das Kentucky Derby gewonnen haben, so gut wie es sich anfühlt. Kein Wunder, dass Mulder vom Tod zurück kam.



„Bis später.“ Sie geht zur Tür, wo Mulder für sie den Mantel aufhält. Sie gleitet hinein, dann bringt er ihren Kragen in Ordnung und schlägt ihn unter ihrem Nacken um. Er klopft ihr auf den Arm als er fertig ist und sie wirft ihm ein Lächeln über die Schulter zu. Es ist so gottverdammt einfach für ihn.



Ich stehe in der Türöffnung und lausche ihrem Necken, als sie die Ecke umrunden und auf den Aufzug warten.



„Mulder, es war Kopf und Sie wissen es. Ich wähle aus, sie zahlen.“



„Nicht fair, wenn Sie für zwei essen. Beinahe drei, dem Frühstück nach zu urteilen.“



„Versuchen Sie mich hier nur mitzuschleppen, um sich dann beschweren zu können`?“



„Hey! Ich ziehe Sie seit Jahren mit und haben Sie jemals gehört, dass ich mich beschwere?“



„Halten Sie die Klappe, Mulder.“



„Es war eine faire Wette“. Sie lächelt, als sie dies sagt.



~



Ende
Eine kleine Doggettübung, bevor ich eine größere Doggettstory schreibe.

Lass mich wissen, wie es dir gefällt. sbarringer@usa.net (FB an die Autorin bitte nur in Englisch)
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