World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Californication

von Lila

1/1

Mitten in der Nacht in Kalifornien ergab es sich, dass zwei FBI-Agenten ein Restaurant verließen. Er – groß, schlank, gut aussehend – stützte sie, die sich bei ihm eingehakt hatte und schon ein klein wenig einen sitzen hatte.



„Und was kommt jetzt?“, fragte sie herausfordernd.



Ein wenig abseits von den Gästen vor dem Restaurant blieben sie stehen und schauten einander an.



„So unternehmungslustig kenne ich dich gar nicht“, war alles, was Mulder vorläufig zu sagen hatte.



„Du kennst so einiges an mir nicht“, antwortete sie und nahm ihm damit den Wind völlig aus den Segeln. Nahezu entsetzt schaute er sie an.



„Wow“, erwiderte er angeregt. Eine Dana Scully, die ohne Rücksicht auf Verluste drauf los flirtete, kannte er tatsächlich nicht. Wenn er sie in den vergangenen Monaten hatte sehen wollen, blieben ihm nichts als zögerliche Annäherungen, von denen er nie wusste, ob sie ihm gegönnt waren. Ein Bier zum Feierabend hier und da, eine aufregende Liaison um Mitternacht und am Morgen war sie oft nicht mehr da. Schon am nächsten Arbeitstag spielte sie meistens wieder die Unnahbare – die Unterkühlte.



Doch in dieser Nacht, mitten in Kalifornien begann er sie zu küssen. Einfach so. Ohne Rumgedruckse und ohne Wenn und Aber hatte er sie mit einem sehnsuchtsvollen Blick, dem keine Frau widerstehen konnte, in seinen Bann gezogen, ihre roten Strähnen zur Seite gestrichen und ihr keine andere Wahl gelassen.



Aufgeregt schaute sie ihn schließlich an. Dann lächelte sie.



„Ich kenn’ da noch ’ne Bar, in die wir gehen können“, sagte sie etwas errötet und strahlte ihn wie verrückt an.





Sie lachten viel, als sie die Hotelbar verließen. Sie lachten im Grunde über gar nichts, aber sie lachten. Sie lachten laut! Unvernünftig! Sie lachten.



„Mulderrrr, ich werde mich morgen so schäähmen!“, sagte sie und lehnte unfreiwillig gegen die Wand des Hotelflurs.



„Ich kann nicht mehr“, lallte sie mit müden Lidern, bevor sie Mulder an den Bändern seiner offenen Fliege zu sich heranzog.



„Lass uns einfach hier bleiben!“



„Du bist ja vöööllig betrunk’n!“, stellte er fest und versuchte ihr in die Augen zu schauen, was ein Leichtes sein sollte, würde sein Blick nicht ständig auf ihre Lippen herabsinken.



„Du aber auch“, begegnete sie und sog das Aftershave an seinem Hals tief ein, was sie, wie von Sinnen, auf andere Gedanken brachte.



„Zu mir oder zu dir?“, wisperte sie.



Sie genoss die Freiheit sichtlich, sich nehmen zu dürfen, was sie wollte und wann sie es wollte. Sie war in Kalifornien, verdammt noch eins. Und was immer in Kalifornien passieren würde, würde in Kalifornien bleiben.



„Zu mir!“, raunte er zurück, griff nach ihrer Hand und zog sie, die aufgeregt auflachte, hinter sich her.



Vor seiner Tür, drei oder vier Etagen höher, legten sie eine zweite Pause ein.



„Zwei FBI-Agenten in einem Zimmer?“, fragte Mulder, der ein ungewohnt zurückhaltendes Lächeln auflegte.



„FBI-Agenten? Wer hat die denn reingelassen? Komm schnell, bevor sie uns sehen!“, griff sie Mulders Kragen und zog ihn entschlossen durch die inzwischen geöffnete Tür. Für ihn war klar, dass er heute nicht mehr auf sie zählen brauchte. Aber warum sollte er das heute auch noch müssen? Es war 2:00 Uhr nachts, und es war Kalifornien, verdammt noch eins!



Als erstes fielen ihre High-Heels scheppernd auf den Parkettfußboden, als nächstes sein Jackett auf die Couch – alles, was an ihnen Hollywood war, musste gehen. Zuletzt war es Dana Scully, die – nur noch mit einem BH bedeckt und dem Kleid um die Hüfte – erschöpft ins Bett fiel und ihre Fühler weit von sich streckte. Sie stieß ein Geräusch aus, das für Mulder nach einem herzhaften Wusch klang, ehe sie mit rauchiger Stimme lamentierte: „Ich kann nicht mehr.“



Sie spürte, wie Mulder sich neben sie legte. Inzwischen kannte sie dieses Gefühl – es kam gewöhnlich zusammen mit ein bisschen Angst und ganz viel Neugier, doch diese Nacht war es vor allem Vertrautheit.



Vorsichtig linste sie in seine Richtung und sah ihn flach auf dem Rücken liegen, die Augen geschlossen.



„Mulder?“, flüsterte sie.



Er brummte bestätigend.



„Hast du auch Angst?“



„Angst? Weswegen?“, fragte er verschlafen.



„Ich habe schon manchmal Angst“, gab sie zu, „Ich habe Angst vor uns – dass es vielleicht Liebe sein könnte.“



Es war dieses eine Wort, das etwas in Mulder in Gang setzte. Wie ein Laufwerk rotierte es in ihm. Es ging durch Mark und Bein, mitten ins Herz und tief in seine Magengrube. Er riss die Augen auf.



Es blieb still.



Sie war eingeschlafen.



Und regungslos blieb er liegen. Ihm war bewusst, welche Art von Liebe sie meinte. Und das war nicht die Liebe, die sie seit Jahren teilten. Es war mehr. Es war jene Liebe, wie sie Bob Dylan in einem seiner Songs beschrieb. Eine Liebe, die darüber hinausging, immer für jemanden da zu sein, ständig stark zu sein und bereit zu sein für den anderen zu sterben. Nichts konnte er Scully bieten, nur sich selbst.



Bis Tief in die Nacht hinein versuchte er, sich von seinem eklatanten Zustand zu erholen, bis er zu einer Erkenntnis kam, so tief greifend und wunderschön, dass er Mühe hatte, an ihr festzuhalten. Es kostete ihn viel Kraft, bis er im Morgengrau, als sie die Augen wieder öffnete und ihn eine Weile ansah, mit erstickter Stimme sagte: „Ich liebe dich.“



Und dann schlief er hoffnungslos ein.



„Ich liebe dich, Kalifornien“, hörte sie ihn noch im Schlaf murmeln und die Welt um jene zwei Agenten, die in dieser Nacht ganz klamm heimlich mehr als nur zwei Kollegen mit einem süßen Geheimnis waren, erlosch.



Und was immer in Kalifornien auch passiert sein mag, es würde in Kalifornien bleiben.






Ende
Rezensionen