World of X

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New York 1982-88

von Konstanze Faust

Kapitel 1

15:35 Uhr
16.07.2000
Mulders Büro

Dana Scully starrte auf den Laptopbildschirm vor ihr. Wieder verschwammen die Wörter vor ihren Augen. Die heiße Julisonne schien ihr durch das Kellerfenster auf die Stirn und erschwerte es ihr um so mehr, sich zu konzentrieren. Sie sollte den Bericht ihres letzten Falles fertigstellen, in dem sie und Mulder ein mysteriöses Viehsterben in Virginia aufklären mußten, aber heute gelang ihr einfach nichts. Sie seufzte, speicherte die Datei und klappte das Laptop zu. Angestrengt rieb sie sich die Augen.

"Müde?"

Scully schreckte hoch und sah in das grinsende Gesicht von Mulder. Warum mußte er sie immer so erschrecken? Oder besser gesagt: Warum ließ sie sich immer so erschrecken?

"Nein," antwortete sie trotzig und öffnete das deaktivierte Laptop. Als sie es anmachte und versuchte, den nächsten Satz des Berichts zu schreiben, klappte sie es wieder zu. Sie lächelte Mulder an und stand auf.

"Schon fertig?" fragte dieser. Er kramte eine Akte aus dem Gewirr hervor, das sich auf seinem Schreibtisch befand. "Scully..."

"Mulder, wollen Sie ein Eis? Ich bezahle."

"Ich habe hier etwas, was Sie interessieren könnte," sagte er mit mehr Nachdruck und reichte ihr die Mappe.

Ungeduldig nahm sie sie entgegen und schlug das erste Blatt auf. Sie laß etwas von Morden in einem Bordell in Chicago und etwas von einigen Zeugenberichten. Eigentlich nichts ungewöhnliches.

"Schlagen Sie auf die Liste der Opfer."

Scully tat es und sah eine Aufzählung von etwa 20 verschiedenen Namen. Alles Prostituierte. Linda Mitchell, Gaby Longly, Fa Sui... Plötzlich bekam sie große Augen und ließ die Mappe vor Schreck fallen. Die Blätter verteilten sich über den Boden des Büros.

"Mulder, es tut mir leid..." stammelte sie und versuchte die Seiten wieder einzusammeln.

Mulder kniete sich neben sie und hielt vorsichtig ihre Hände fest. "Es ist okay..."

Scully presste die Lippen zusammen und ihr war längst nicht mehr nach Eis zumute. Es war ihr, als hätten sie die Schatten der Vergangenheit in Sekundenschnelle wieder eingeholt. Eine Träne rann ihre Wange hinunter.

"Ist sie...?"

"Fa Sui?" fragte Mulder. Er konnte nur ahnen, was dieser Name für sie bedeutete.

"Ist sie... tot??" hauchte Scully. Ihr entfuhr ein leises Schluchzen. Mulder legte vorsichtig einen Arm um ihre Schultern.

"Nein, Scully. Das ist sie nicht. Sie hat es überlebt..."

"Ich wußte noch nicht einmal, daß sie noch lebte..."

Mulder hatte das nicht gewollt. Er hatte durch ein paar Nachforschungen erfahren, daß Fa Sui eine ehemalige Mitschülerin von Scully auf der High School gewesen war, aber er wußte nicht, daß zwischen ihnen solch eine emotionale Bindung bestand. Vorsichtig legte er einen Arm um seine Partnerin.

20:34 Uhr
16.07.2000
Scullys Wohnung

"Möchten Sie einen Tee, Mulder?" fragte Dana Scully aus der Küche heraus.

"Ja, danke."

Als Scully einige Minuten später mit dem Tee ins Wohnzimmer trat, stellte sie die Tasse auf den Tisch vor der Couch und setzte sich neben Mulder. Sie hatte nicht vor, ihn im Dunkeln zu lassen, was ihr Beziehung zu Fa Sui betraf. Nun ja, eigentlich wollte sie nur mit jemanden über das reden, was sie so lange unterdrückt hatte.

Mulder nahm seine Teetasse und probierte einen Schluck. "Richtig gut, der Tee."

"Eine Mischung von meiner Mutter," meinte Scully und nahm auch ihre Tasse. Die Wärme durchdrang ihre Finger, als sie sie anhob. "Vanille-Himbeer."

Ein paar Momente herrschte Stille, doch dann nahm Scully ihren ganzen Mut zusammen und begann zu erzählen. "Ich kannte sie seit der 5.Klasse. Ich kann mich noch genau an unser erstes Treffen erinnern..."

***

Die 11jährige Dana Kathrine Scully saß auf einer Parkbank am Rande des Schulhofs der Abraham-Lincoln Highschool. Die Ferien waren vorbei und der erste Schultag hatte nicht anders begonnen, als sie es erwartet hatte. Ihre Mitschüler hatten die tollsten Ferienerlebnisse ausgetauscht, während ihr einziger Gesprächspartner ihr neues Buch gewesen war. Dana hatte gehofft, es würde ihr helfen, die glücklichen Stimme der anderen Kinder zu vergessen. Die Geschichte des Buches spielte in Marokko. Eine junge Prinzessin auf der Suche nach ihrer großen Liebe. Sie führte sie durch ganz Afrika, wo sie tausend Abenteuer erlebte und am Ende, in Kapstadt, fand sie ihren Mann. Sie wußte, daß er es war, der sie glücklich machen konnte, obwohl sie ihn nie zuvor getroffen hatte... Dana seufzte und rückte sich ihre Brille zurecht. So etwas gab es wohl nur im Märchen...

Plötzlich traf sie etwas hart an der Stirn. Sie schreckte hoch und ließ fast ihr Buch fallen. War es wieder einer der Streiche der anderen? Sie glaubte, sie schon kommen zu hören. Ihr Gelächter...

"Entschuldigung," stammelte eine junge Mädchenstimme.

Verwunderung machte sich in Dana breit, aber auch Skepsis. Sie sah der Besitzerin des Stimme in die Augen. Nein, sie hatte sie nie zuvor gesehen. Sie war eine junge Asiatin mit knallgelb gefärbten, mittellangen Haare und einem lustigen runden Gesicht. Sie lächelte und sah dabei so freundlich aus, daß beinahe alle Skepsis aus Danas Gedanken verschwunden war.

Das Mädchen trug ein langes aquamarinblaues Pannesamtkleid mit bunten Fischen darauf und weiße Sandalen.

"Hab ich dir weh getan..? Es tut mir wirklich leid." Sie sah aus, als würde sie fast anfangen zu weinen und

Dana mußte ihr einfach glauben, auch wenn ihr die Stirn immer noch schmerzte.

"Ist in Ordnung," sagte sie leise und lächelte etwas.

Die junge Asiatin strahlte vor Erleichterung und holte einen weißen Baseball von der Wiese. "Ich sollte das nicht machen." Sie steckte den Baseball in ihre Schultasche. "Es kann ganz leicht jemanden weh tun."

"Es ist wirklich okay," sagte Dana mit etwas mehr Nachdruck und einem größeren Lächeln. Sie steckte ihr Buch in ihren Rucksack und stand auf. "Gehst du auch hier zur Schule? Ich hab dich hier noch nie gesehen."

"Ja, ich bin auch ganz neu." Sie schaute verlegen auf den Boden. "Weißt du vielleicht, in welche Klasse ich kommen könnte?"

"Komm einfach mit."

***

Scully nahm wieder einen Schluck des Tees. "Und sie kam in Ihre Klasse?" Mulders Frage war mehr eine Aussage. Scully nickte.

"Es war wohl ein Geschenk Gottes." Sie nahm ihre Kette mit dem Kreuzanhänger aus ihrem Dekollete und lächelte etwas.

"So eine ähnliche hatte ich mir in den Ferien davor gekauft."

"Hat wohl geholfen," meinte Mulder ebenso lächelnd.

"Lassen Sie mich fortfahren..."

***

Mrs. Annie Smith, die Englischlehrerin der Klasse 5b, stand vor den versammelten Schülern, neben ihr ein etwas verängstigt scheinendes Mädchen. Es fiel durch seine Kleidung schon allein auf, alle anderen Schüler trugen Schuluniformen. Schon deshalb fing es viele verwunderte, skeptische und teils sogar böse Blicke auf. Mit hängenden Schultern und gebeugtem Kopf stand es vor der Klasse. Nur ein Mädchen schaute es voller Wärme und Mitgefühl an.

"Ich möchte euch eure neue Mitschülerin vorstellen, Fa Sui. Sie kommt aus Hongkong und ist in den Ferien hierher gezogen. Ich hoffe, ihr nehmt sie freundlich auf und helft ihr, wenn sie Probleme hat."

Sie blickte forschend durch die Klasse und gab dem Mädchen einen leichten Anstuppser in den Rücken.

"Du kannst dich neben Dana setzen."

Trotz der Blicke und dem Getuschel der anderen Mitschüler, lächelte Fa Sui ihre erste Freundin auf dieser Schule an. Sie hatte bis jetzt noch nicht einmal ihren Namen gekannt. Glücklich setzte sie sich neben Scully.

"Mach dir nichts aus den anderen," flüsterte die ihr zu. Durch irgend etwas wußte sie, daß sie nun einen Freund mehr hatte, als das Buch in ihrer Schultasche.

***

"Ich war nicht sehr beliebt, Mulder," seufzte Scully, als sie wiederum einen Schluck des Tees nahm. "Ich war mehr in meine Bücher vernarrt und deswegen haben mich alle gehänselt."

"Das tut mir leid," sagte er ehrlich mitfühlend. Doch dann blickte er wieder zu ihr hoch und fragte verwundert: "Ich will ja nicht sagen, daß ich Sie in- und auswendig kenne... Aber Sie haben Märchen gelesen???"

Scully lachte und gab ihm einen Stoß. "Okay, ich geb es zu. Aber lassen Sie mich fortfahren."

Als die Schule vorbei war, gingen Dana und Fa Sui die Straße, die zu ihren Häusern führte, entlang. Hier in New York schienen sie beinahe verschluckt zu werden. Dana hatte sich längst an den Anblick der gigantischen Hochhäuser gewöhnt, aber Fa Sui schien etwas verängstigt zu sein, auch durch die vielen verschiedenen Menschen, die an den beiden vorbeizurasen schienen.

"Wo hast du früher gewohnt?" fragte Dana.

"In Hongkong." Diese Aussage verwirrt Dana. Warum also war Fa Sui so von den Hochhäusern verängstigt? Oder waren es gar nicht die Hochhäuser?

"In den New Territories," fuhr Fa Sui fort," ich war, ob du es glaubst oder nicht, erst einmal auf Hongkong Island gewesen. Aber auch nur auf einer Wanderfahrt mit meiner Klasse. Deswegen hab ich auch soviel Angst vor den Hochhäusern. Ich denk immer, daß sie auf mich fallen."

"Ich stell mir immer vor, wenn ich Angst bekomme, mein ich," entgegnete Dana aufmunternd," daß es riesige starke und beschützende Bäume sind und dann denk ich, daß gar nichts passieren kann."

"Warst du schon einmal in so einem..." Fa Sui lächelte. "...Baum?"

Dana nickte. "Ich wohne ganz oben in der Krone."

***

"Das war der Anfang einer tollen Freundschaft gewesen," erzählte Scully, "Am gleichen Nachmittag hatte mich Fa Sui besucht und ich hatte ihr New York gezeigt. Sie hat mir viel über sich erzählt. Daß ihre Mutter aus Japan und ihr Vater vom chinesischen Festland stammte. Deswegen war sie auch fast noch nie in der City von Hongkong gewesen, weil er mit ihr immer Ausflüge nach China gemacht hatte. Er wollte sie wohl traditionell erziehen. Sie hatte auch noch zwei Schwestern Fa Mui und Fa Li, das waren ihre größeren Zwillingsschwestern, aber sie waren schon lange von Zuhause weggezogen. Fa Sui mochte sie sehr und ihr Mutter auch, aber ihr Vater schlug sie, deswegen haßte sie ihn. Er hatte sie fast nicht weggelassen, aber jetzt, da er auf den New Territories geblieben war und sie und ihre Mutter in New York lebten, hatte sie mehr Freiheiten. Sie waren dorthin gezogen, weil Fa Suis Mutter dort eine Wing-Tsun-Schule eröffnete und ihr Vater konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, in einer Großstadt zu leben.

Des weiteren hatte Fa Suis Mutter sehr kämpfen müssen, damit ihr Tochter mitkommen durfte. Fa Sui hatte schon immer gegen ihren Vater rebelliert. Das wohl offensichtlichste Merkmal waren ihre ausgefallenen Kleidungsstücke und ihre knallgelb gefärbten Haare. Die inneren Merkmale waren ihre fröhliche und für alles offene Natur. Ich mochte das immer sehr an ihr. Ich mochte alles an ihr. Ich war damals so glücklich, endlich eine Freundin gefunden zu haben. Ich war so einsam gewesen.

Meine Bücher hatten nun öfter nichts mehr in meiner Schultasche zu suchen. Fa Suis Mutter war auch so warmherzig wie Fa Sui selbst, oft machte sie mit uns Ausflüge oder lieh uns ein Video aus und manchmal durften wir sogar ein bißchen Wing Tsun mitlernen. Sie wußte so viel. Ich will nicht sagen, daß das Leben ein Zuckerschlecken geworden war. Meine Mitschüler begannen mich jedoch langsam zu akzeptieren, genau wie Fa Sui. Sie waren wohl von ihrer wahnsinnig starken Ausstrahlung beeindruckt worden und wahrscheinlich bin ich durch sie auch ein bißchen stärker geworden. Es hätte immer so weiter gehen können, doch, wie das Leben so ist, tut es das nicht. Es war in der 8.Klasse, als mir Fa Sui etwas offenbarte."

***

"Ich hab einen Freund." Fa Sui strahle über das ganze Gesicht. Dana mußte schon allein durch ihre ansteckende Fröhlichkeit zurück lächeln, aber tief in sich fühlte sie sich als wäre ihr ein Hammer in die Magengrube gefallen. War das das, was man unter Eifersucht verstand?

"Das ist ja toll," meinte Dana und sie wußte, daß ihr Lächeln wohl nicht sehr überzeugend wirken würde. Sie gönnte ihrer Freundin ja das Glück, aber in sich spürte sie eine Art von Angst. Angst vor der Einsamkeit.

Sie wußte, daß sie dieses Gefühl wohl nie abschüttelnd könnte. "Wer ist denn der Glückliche?"

"Thomas Chan heißt er. Er ist so lieb." Wieder setzte sie ein breites Lächeln auf. "Ich frage mich, warum ich ihn dir nicht schon früher vorgestellt hab. Ich kenne ihn ja schon ewig. Er ist der Sohn von David Chan, einem Fischer, der damals mit uns auf den New Territories gewohnt hatte. Ich habe damals immer mit ihm gespielt, er war wohl mein bester Freund auf der Insel. Und stell dir vor, vor einem Monat hat er mich angerufen. Ich war so was von aus dem Häuschen. Sein Vater hatte hier im Chinatown, ganz in der Nähe von meinem Zuhause, ein kleines Fischerrestaurant eröffnet und als Thomas mitbekommen hatte, daß ich hier wohne, ist er natürlich mit hierher gezogen. Ist das nicht süß von ihm?"

Dana nickte lächelnd. Sie versuchte, den schwarzen Feind der Eifersucht so weit wie es nur ging aus ihrem Bewußtsein zu verbannen. "Ich würde ihn gerne mal kennenlernen."

"Oh, das wirst du," sprudelte Fa Sui hervor," Ich werde morgen nachmittag mit ihm ins Kino gehen. Kommst du mit?"

Dana war ziemlich erstaunt darüber, daß ihre Freundin ihr solch ein Angebot machte. Würde es doch nicht so schlimm werden?

"Ich störe euch doch sicher nur." sagte sie zögerlich.

"Ach was," meinte Fa Sui," du störst uns überhaupt nicht. Thomas wird dich mögen, da bin ich mir ganz sicher."

Dana lächelte und nickte. "In was für einen Film wollt ihr denn gehen?"

"Er heißt Armour of God," sagte Fa Sui," das ist ein Jackie-Chan-Film. Thomas sagte, daß er toll wäre. Kennst du Jackie Chan?"

Dana schüttelte den Kopf. "Sagt mir nichts."

"Du wirst ihn sehr mögen," entgegnete Fa Sui mit derselben Zuversicht, mit der sie ein paar Augenblicke vorher betont hatte, daß Thomas Dana sicher mögen wird.

"Okay, ich komme mit."

Fa Sui lächelte glücklich und sie stiegen aus dem Schulbus.

Dana kam, wie verabredet, um 18.00 Uhr am Kino an. Fa Sui stand schon da, Händchen haltend mit einem hübschen, etwa 20jährigen chinesischem Mann. `Das muß Thomas sein,` dachte Dana und fühlte sich irgendwie unwohl. Überflüssig. Sie haßte es, daß sie sich so fühlte, Fa Sui wäre sicherlich wieder besorgt gewesen. Außerdem war es wahnsinnig egoistisch. Dana zwang sich zu lächeln und es fiel ihr leichter als sie dachte. Sie spürte eine Art von Nervosität in sich aufkommen. Ihr Herz schlug schneller und sie fragte sich, ob es daran lag, daß sie fror. Sie redete sich ein, daß es daran lag.

"Hallo," begrüßte sie die beiden.

Das junge Pärchen lächelte sie an. "Hallo, Dana. Das hier ist Thomas. Ich bin sicher, daß ihr euch toll verstehen werdet."

Thomas reichte ihr die Hand und Dana nahm sie entgegen. "Es freut mich dich kennenzulernen, Dana."

Seine Hand war warm und unglaublich weich. Es war so... Dana verfluchte sich dafür, so zu denken. Es war der Freund ihrer besten Freundin!! Doch sie war so verwirrt, sie wußte nicht, was sie fühlte. Sie hoffte nur, daß man ihr von all den chaotischen Emotionen in ihr nichts ansah. "Es freut mich ebenso, Thomas," sagte Dana schließlich und ließ seine Hand fast widerwillig los.

"Dann laßt uns mal reingehen," drängte Fa Sui fröhlich, wohl glücklich darüber, daß sie sich so sympathisch fanden. Sie schien von nichts Notiz genommen zu haben. Dana hoffte nur, daß es Thomas genauso ging. Sie blickte ihn vorsichtig von der Seite an. Er hatte bläulich glänzende, halblange Haare und ein sehr gleichmäßiges Gesicht. Seine Haut war wunderschön glatt und es hatte sehr warme Augen. Dana wandte ihren Blick ab und starrte krampfhaft auf einige der Reklameposter an der Wand. Sie konnte doch nicht wirklich so denken. Die beiden plapperten munter weiter und kauften ihre Karten. Dana tat das gleiche.

Sie setzten sich in die Mitte des Kinos und Dana war beruhigt, daß sie neben Fa Sui saß. So konnte sie ihre wirren Empfindungen wenigstens ruhen lassen. Sie wollte sie eigentlich vergessen. Sie wollte, daß sie nie dagewesen wären. Die Werbung war zu Ende und der Film begann. Er war auf chinesisch mit englischen Untertiteln. Durch Fa Sui hatte Dana schon einige Brocken aufgeschnappt, aber alles verstand sie nicht. Es war sehr spannend und witzig und für die anderthalb Stunden hatte Dana alles vergessen.

Aber als das Licht unerbittlich wieder anging, mußte sie sich allem wieder stellen. Sie wollte es nicht und konnte es auch nicht. Warum mußte sie nur so fühlen?

"Das war doch echt toll," sprudelte Fa Sui fröhlich heraus, als sie zu dritt das Kino verließen.

"Ja, wirklich spannend," hörte sie Thomas Antwort.

Bei dem Klang seiner Stimme zuckte sie zusammen. Die beiden redeten noch eine Weile, schließlich kratzte Dana den Rest von Mut zusammen, den sie noch in sich hatte und sagte: "Ich glaube, ich muß jetzt heim. Mir ist nicht gut."

Fa Sui und auch Thomas blickten sie ehrlich besorgte an. "Dana," meinte Fa Sui," sollen wir dich nach Hause fahren. Thomas` Auto ist steht gleich da drüben."

Als sie darüber nachdachte, wie unfreundlich es den beiden gegenüber wäre, abzulehnen, nickte sie und sie stiegen in den alten weißen Mitsubishi Colt. Sie setzte sich auf die Rückbank und schnallte sich an. Dann schloß sie die Augen und wollte nichts mehr hören oder sehen.

"Danke fürs Mitnehmen, ich schaff es glaub ich alleine hoch," sagte Dana und blickte Fa Sui und auch Thomas in die Augen. Wieder ein Hammerschlag. "Komm, Dana, ich bring dich hoch. Ich mach mir Sorgen."

Sie lächelte sie leicht an und nickte. "Okay." Sie war glücklich, daß Fa Sui `ich` und nicht `wir` gesagt hatte.

Fa Sui gab Thomas einen kurzen Kuß und Dana zuckte zusammen. Was zur Hölle war nur mit ihr los?

Fa Sui faßte Dana um die Schultern und stumm betraten sie das Hochhaus und genauso stumm den Fahrstuhl. Dana wohnte im 23.Stock, in einer größeren Wohnung. Als sie sich im fahrenden Lift befanden, brach Fa Sui die Stille: "Und, wie findest du ihn?"

"Er ist nett," meinte sie halbherzig lächelnd.

"Sieht er nicht toll aus?" schwärmte Fa Sui enthusiastisch und schien gar nicht zu bemerken, daß sie fast nicht mehr lächeln konnte.

Sie nickte nur stumm und versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten. Was war nur mit ihr los? Eine einzelne rann über ihre Wange. Als Fa Sui sie sah, wurde sie plötzlich bleich und blanke Sorge war auf ihr Gesicht geschrieben.

"Aber Dana, was ist denn los?"

Sie schluchzte und versuchte irgend etwas über die Lippen zu bekommen. Sie hätte sowieso nicht gewußt, was sie hätte sagen sollen. Fa Sui umarmte sie fest und fürsorglich.

"Shh, Dana, es wird alles wieder gut."

Dana weinte sich an der Schulter ihrer Freundin aus, bis der Fahrstuhl zum Stehen gekommen war.

***

"Wie ging es mit den Beiden weiter?" unterbrach Mulder.

Scully wollte sich wieder Tee eingießen, aber die Kanne war leer. Sie stellte sie wieder ab und erzählte weiter: "Sie waren wirklich glücklich. Ich hatte auch nie etwas von meinen Gefühlen erzählt, auch damals im Fahrstuhl nicht. Ich hatte gesagt, daß ich sehr viel Streß hatte und es mir schlecht ging, und daß ich deswegen weinte. Meine Gefühle für Thomas blieben also in mir verborgen, bis zu dem einen Tag."
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