World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Augen aus Glas

von Sarah Boehmer

Kapitel 2

Fox Mulders Apartment, Washington D.C.

15:02 Uhr

Samstag



Aufgeregt lief Fox Mulder in seinem Apartment umher. Ein weiterer Blick auf seine Uhr teilte ihm mit, dass Scully mittlerweile schon 10 x hier sein müsste, selbst wenn sie im längsten Stau der Weltgeschichte stehen würde oder auf einer Schnecke angeritten käme. Er wählte zum –zigsten Mal Scullys Privat- und dann ihre Handynummer, doch bei beiden meldete sich niemand. Kalte Angst packte ihn und voller Sorge griff er nach seinem Mantel und beschloss zu Scullys Wohnung zu fahren.

Gott, ich weiß, dass ich nie bete und schon immer an deiner Existenz gezweifelt habe, aber bitte: Wenn es dich gibt, mach, dass Scully nichts passiert ist, flehte Mulder in Gedanken, als er in seinem Auto mit Karacho zu Danas Apartment brauste.





In einem weißen Lieferwagen, auf einer Landstraße vor Washington D.C.

15:03 Uhr

Samstag



Der unsympathische Fremde fuhr langsam an den Straßenrand. Danas Handy klingelte bereits zum 3. Mal in der Manteltasche der Bewusstlosen und diesmal bewegte sie sich - durch das Geräusch wieder etwas in die Realität zurückgeholt - ein wenig. Er beugte sich über sie und holte aus einem Fach vor dem Beifahrersitz eine Rolle silbernes Klebeband heraus, mit dem er Scullys Hände fest fesselte. Bis er mit seiner Tätigkeit geendet hatte, war das Klingeln des Handys wieder verstummt. Der Entführer rückte näher an Dana heran und betrachtete ihre sanften Gesichtszüge. Sie glichen denen eines Engels, schoss es ihm durch den Kopf. Die elfenbeinfarbene Haut, der sinnliche rote Mund, der im Schlaf einen Spalt weit geöffnet war, die feuerroten Haare, die in einem betörenden Kontrast ihre helle Gesichtshaut umrahmten. Sanft strich er mit seinen Fingerspitzen über ihre Wangen und flüsterte heiser: „Wach auf, kleine Suzanne. Larry ist wieder da!“ Langsam öffnete Scully ihre Augen und als sie den Mann über sich erblickte, wollte sie schon ausholen, um ihn wegzustoßen, doch sie realisierte schnell die ausweglose Situation durch ihre gefesselten Hände. „Ahh...die kleine Schlafmütze ist endlich aufgewacht. Du dachtest doch nicht, dass ich dich einfach so vergessen habe, oder? Aber mach dir keine Sorgen: Alles wird wieder gut, jetzt, wo Larry da ist!“ „Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?“, fragte Scully aufgebracht. „Aber Suzanne, du bist doch zu alt für solche Spielchen!“ „Mein Name ist Dana Scully und ich bin Bundesagentin. Wenn Sie mich nicht sofort freilassen, wird man Sie hinter Gitter bringen, das schwöre ich!“ Larry lachte amüsiert auf und erwiderte kopfschüttelnd: „Suzanne, Suzanne! Denkst du wirklich, du könntest mich täuschen? Ich kenne dich besser, als du dich selbst kennst. Meine kleine Suzanne!“ Liebevoll sah er sie an und startete wieder den Wagen. „Lassen Sie mich sofort gehen! Das FBI wird in kürze einen Suchtrupp voll brillant ausgebildeter Profiler zusammenstellen und man wird mich bald finden. Ich verspreche Ihnen, dass dies ein sehr übles Nachspiel für Sie haben wird! Sie werden damit nicht durchkommen!“ Scully versuchte mit fester Stimme all ihre Trümpfe in einem gewaltigen Redeschwall auszuspielen und hoffte ihn damit einschüchtern zu können, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass der Kampf aussichtslos war. Larrys Gesichtsausdruck änderte sich abrupt und er funkelte sie mit stechend blauen Augen böse an: „Schluss jetzt, Suzanne! Halt den Mund und hör mit solchen kindischen Spielchen auf!“ „MEIN NAME IST DANA SCULLY!“, schrie Dana mit zitternder Stimme. Larry lenkte mit einer Hand den Wagen, mit der anderen packte er eine Strähne ihres Haares und brüllte wütend: „ICH SAGTE, DU SOLLST DEINE KLAPPE HALTEN!“ Schmerzerfüllt schrie Dana auf, als Larry ihr mit aller Kraft die Haarsträhne ausriss. Schließlich hielt sie es für besser, seinem Befehl zu folgen, bevor er noch brutaler wurde. Scully hatte noch nicht genügend Zeit und Gelegenheit gehabt, um sich ein Bild von Larry zu machen und im Augenblick war er zu unberechenbar. Diese Eigenschaft wurde auch sofort durch einen weiteren Stimmungsumschwung Larrys bestätigt. Seine Stimme hatte wieder einen sanften, wenn auch etwas tadelnden Klang, als er seine Tat rechtfertigte: „Suzanne, Liebes, du weißt doch, dass ich es nicht mag, wenn du aufsässig wirst! Da muss ich dich eben bestrafen!“ Scully untersuchte aus den Augenwinkeln ihre Fesseln, um festzustellen, ob ein Lösen derer möglich war, stellte aber schnell fest, dass dies aussichtslos war. Also versuchte sie sich ein Bild ihrer Lage zu machen. Wahrscheinlich hatte Mulder bereits bemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war und wenn das Glück auf ihrer Seite war, würde er so schnell wie möglich einen Suchtrupp zusammenstellen. Doch wie sollte er sie finden?? Natürlich war Mulder ein ausgezeichneter Profiler, aber ob er es rechtzeitig schaffen würde, bevor Larry...sie verbannte ihren ursprünglichen Gedanken in die hinterste Ecke ihres Gehirns und ersetzte ihn durch „etwas unbedachtes tat“. Plötzlich wurde Dana von einem Vibrieren in ihrer Manteltasche und einem lauten Handyklingeln aus ihren Gedanken gerissen. „Mulder!“, schoss es ihr durch den Kopf und sie spürte, wie sich in ihrem Körper ein schwaches Gefühl der Erleichterung breit machte. Er dachte an sie, er würde sie retten...er musste es einfach! Erschrocken spannte Scullys Körper sich an, als sie Larrys Hand an ihrer Hüfte spürte. Seine Finger glitten geschickt in ihre Manteltasche, zogen das Handy heraus und warfen es aus dem einen Spalt breit geöffneten Autofenster. „Nein!“, entfloh es Danas Lippen hilflos. „Sei still, Suzanne! Wir müssen ein ernsthaftes Gespräch führen!“, meinte Larry barsch. „Wieso hast du mich verlassen?“ Seine Stimme hatte nun einen fast weinerlichen Unterton. Dana atmete tief ein und blickte angestrengt nachdenkend aus dem Fenster. Was sollte sie darauf antworten? Wer war Suzanne? Was wollte Larry denn hören? ‚Ich habe dich verlassen, weil du ein irrer Psychopath bist?’ „ANTWORTE!“, schrie er plötzlich wieder wütend. „Ich...ich...“ Dana spielte nervös mit ihren Fingerspitzen, soweit dies möglich war. „Ich weiß es nicht!“ Dies entsprach sogar der Wahrheit. Larry übernahm für sie, seine Stimme hatte wieder einen fast liebevollen Klang: „Weil du ein dummes, dummes Mädchen bist, nicht wahr?“ Scully beschloss auf das Spiel einzugehen und nickte langsam. „Aber mach dir keine Sorgen, Suzanne Schätzchen! Larry verzeiht es dir noch einmal! Ab jetzt werden jedoch feste Regeln aufgestellt und dass das ja nie wieder vorkommt, hast du gehört?“ Wieder nickte Dana gehorsam. „Wir werden zu einem schönen Ort fahren und dort für immer glücklich werden!“ Scully war den Tränen nahe. Wo brachte dieser Irre sie hin? Sie war nicht Suzanne, wer auch immer diese Frau war. Sie hieß Dana Scully und alles, was sie wollte, war nach Hause gehen und bei Mulder sein. Sie wollte nicht für immer mit Larry glücklich werden. NEIN! NEIN! „Nein!“, entfuhr es ihr. „Was hast du gesagt?“, fragte Larry scharf. Dana würde nicht aufgeben! Sie würde sich nicht unterordnen lassen. Zwar meldete sich in ihrem Hinterkopf eine leise Stimme, dass es am besten wäre, vorerst mitzuspielen und so vielleicht Larrys Vertrauen zu gewinnen, um bei einer günstigen Gelegenheit zu entfliehen, doch Dana war zu aufgewühlt, als dass sie auf diese Stimme gehört hätte. Mit ruhiger, scharfer Stimme meinte sie: „Mein Name ist Dana Scully. Ich arbeite beim Federal Bureau of Investigation und ich werde nicht freiwillig mit Ihnen kommen. Sie haben mich entführt und ich werde gegen meinen Willen hier festgehalten. Das wird ein übles Nachspiel für Sie haben.“ Ihre Stimme war gegen Ende immer lauter geworden und die letzten Wort schrie sie fast. Sie zitterte am ganzen Körper vor Wut über ihre Machtlosigkeit und Tränen schossen ihr in die Augen. Wo war sie überhaupt? Was war das für eine verlassene, öde Straße ohne Schilder am Wegrand? Und wenn sie nicht einmal selbst wusste, wo sie war, wie in aller Welt sollte Mulder sie dann erst finden? Ein beängstigendes Gefühl der Hilflosigkeit breitete sich in ihr aus und sie drohte zusammenzubrechen. Larry steuerte den Wagen mit einer Furcht einflössenden Ruhe an den Straßenrand und Dana konnte keine einzige Regung in seinen Gesichtszügen erkennen. Dann stieg er aus und lief um das Auto herum bis er vor der Beifahrertür stand. Diese öffnete er ruckartig und als er Scully grob am Arm packte und aus dem Wagen zog, konnte sie in seinen Augen nichts als Wut und Kälte erkennen. Er stieß sie mit aller Wucht gegen die harte Karosserie des Lieferwagens, sodass Dana schmerzerfüllt aufschrie. Dann machte Larry sich an seiner Hose zu schaffen und für einen Augenblick raubte der Gedanke, dass er sie vergewaltigen wollte, Scully den Atem. Doch der Entführer zog nur seinen Gürtel aus der Hose, was Dana erleichtert aufatmen lies. Allerdings zu früh, wie sie kurz darauf feststellen musste, denn Larry holte mit dem länglichen Stück Leder, an dessen Ende sich eine große, dicke Silberschnalle befand, weit aus und schlug auf Dana ein. Das alles ging so schnell, dass sie es kaum realisieren konnte und erst aufgrund eines brennenden Schmerzes in der Magengegend erkannte Scully, was Larry tat. Immer wieder hörte sie das Zischen des auf sie niedersausenden Gürtels, dicht gefolgt von einem betäubenden Schmerz an der Stelle ihres Körpers, an welcher die Schnalle aufgeschlagen war. Dana wand sich vor Pein und schrie und weinte, doch Larry kannte kein Erbarmen. Erst nach einer guten Viertelstunde ließ er endlich wieder von ihr ab und Scully sank schluchzend auf den Boden nieder. Ihr Körper war übersäht von aufgeplatzten Stellen, aus denen Blut austrat und sie war wie betäubt vor Schmerzen. Für einen Augenblick hoffte Dana, dass sie verbluten und sterben würde. Sterben...



Vor Dana Scullys Apartment, Washington D.C.

15:52 Uhr

Samstag



Angsterfüllt stieg Mulder aus seinem Wagen und schlug die Autotür fest hinter sich zu. Seine Augen suchten die Straße ab, nach irgendwelchen Anzeichen von Dana, bis sich sein Blick schließlich auf das Apartmentgebäude vor seiner Nase richtete. Er war in einen ewig langen Stau geraten und seine Nerven waren überstrapaziert von den Ängsten, die ihn die ganze Zeit gequält hatten und immer noch quälten. Hastigen Schrittes eilte Mulder das Treppenhaus hinauf, bis er schließlich vor Apartment 5 stand. Die Tür war verschlossen und er musste seinen Nachschlüssel benutzen, um in die Wohnung zu gelangen. Das Apartment schien verlassen und nichts deutete darauf hin, dass Dana nicht einfach nur einkaufen gegangen war. Nichts, bis auf eine Kleinigkeit, die überhaupt nicht in das perfekt aufgeräumte Bild passte: Auf dem Boden vor dem Türrahmen des Badezimmers lag ein zerschmettertes Telefon. Als Mulder näher trat, um es zu untersuchen, fand er, was auch Scully einige Stunden vorher bereits entdeckt hatte: eine Wanze. Eiskalte Angst durchschüttelte ihn und er rief, nicht wirklich auf eine Antwort hoffend: „Scully? Sind Sie hier?“ Dabei lief er durch ihre Wohnung und sah in jedes Zimmer. Im Bad sah er am Spiegel die Worte „Forever together“, wie Dana gesagt hatte, im Schlafzimmer sah er einen Stapel Slips neben einer Schublade liegen und seinem scharfen Blick entging auch nicht das Fehlen des Fotos auf dem Siteboard, doch von Dana keine Spur. Angstschweiß trat auf Mulders Stirn, als er zur Tiefgarage hinunter ging und dort Danas Wagen vorfand. Verzweifelt drehte er sich einmal um seine eigene Achse, wobei sein Blick über die Autos schweifte. Irgendwo zwischen ihrer Wohnung und ihrem Wagen müsste Dana sein, wenn ihr nichts passiert war und in diesem Augenblick wusste er mit Sicherheit, dass er sie hier nicht finden würde. Etwas Glänzendes auf dem Boden zog Mulders Aufmerksamkeit auf sich und als er sich bückte, erkannte er Autoschlüssel. Er hob sie langsam auf und tippte schließlich mit zitternden Fingern Skinners Privatnummer in sein Handy ein. Am anderen Ende der Leitung ertönte nach kurzer Wartezeit, die Ewigkeiten zu dauern schien, die Stimme des Assistant Directors: „Skinner?!“ „Sir, hier ist Agent Mulder.“ Fox hatte Probleme seine Stimme unter Kontrolle zu halten und atmete tief ein. „Was gibt es, Agent Mulder?“ Die Stimme des A.D.s klang mürrisch wie immer, wenn einer seiner Agenten seine Wochenendruhe störte. „Agent Scully ist verschwunden. Ich denke, sie wurde entführt.“ Eine kurze Pause trat ein und Skinner fragte ungläubig: „Wie kommen Sie darauf?“ „Sie hat mich vor ca. 2 Stunden angerufen und mir berichtet, dass sie verfolgt würde. An ihrem Spiegel standen Nachrichten, einige persönliche Dinge wurden entwendet und alles deutete darauf hin, dass jemand einen Nachschlüssel für ihre Wohnung hat. Ich sagte ihr, sie solle so schnell wie möglich ihre Wohnung verlassen und zu mir kommen, doch Agent Scully ist nie angekommen. Sie ist weder in ihrem Apartment, noch nimmt sie ihr Handy ab. Ihr Auto steht in der Tiefgarage, der Wagenschlüssel liegt davor auf dem Boden. Ich denke, das sind genug Fakten, die den Gedanken an eine Entführung rechtfertigen.“ Mulders Stimme zitterte und überschlug sich bei diesen Worten fast. Er hatte Angst, so unbändige Angst, dass er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Skinner antwortete mit fester Stimme: „Ich erwarte Sie in einer Stunde in meinem Büro. Dann erwarte ich noch einmal einen detaillierten Bericht der Geschehnisse, dass wir mit den Ermittlungen beginnen können.“ „Danke, Sir!“ Mulder beendete das Gespräch und lehnte sich seufzend an Scullys Wagen. Eine einzelne Träne, die all seine Ängste und seine Verzweiflung in sich trug, rollte seine Wange hinab und alles, woran er denken konnte, waren die verschiedenen Möglichkeiten, was Dana zugestoßen sein könnte.









In Larrys weißem Lieferwagen, auf einer Landstraße vor Washington D.C.

16:12 Uhr

Samstag



Behutsam und zärtlich trug Larry Dana in den Laderaum seines Lieferwagens. Dort breitete er ein paar Decken aus und legte sie sanft darauf. Aus dem kleinen Medizinschränkchen nahm er etwas Desinfektionsmittel und eine Rolle Verband und begann Dana ihre Kleider auszuziehen. Als sie nur noch in Unterwäsche vor ihm lag, erschrak er selbst über ihren geschundenen Körper, dessen einstige elfenbeinfarbene Haut nur noch stellenweise zwischen den Wunden schimmerte. Fürsorglich verarztete Larry ihre Schrammen und Platzwunden, wobei er beruhigend auf die immer noch schluchzende Scully einsprach: „Arme kleine Suzanne! Alles wird wieder gut, aber du weißt doch, was passiert, wenn du mich böse machst! Du musstest mit den Konsequenzen, die dein Verhalten haben würden, rechnen! Ich hoffe, es war dir eine Lehre und du wirst dich in Zukunft besser benehmen. Glaub mir, dann wird alles wieder gut und wir werden ein schönes Leben haben!“ Tränen des Schmerzes, der Angst und der Verzweiflung rannen über Danas Wangen. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Larry war vollkommen ausgerastet und er hätte sie fast umgebracht. Dieser Mann war ein Psychopath, absolut unberechenbar und unglaublich jähzornig. Sie konnte nichts tun außer warten, warten, dass Mulder sie finden und retten würde und bis dahin musste sie sich ihrem Schicksal fügen, wenn sie überleben wollte. Dana hatte schreckliche Angst und keine Hemmungen mehr dies offen zu zeigen! Larry hatte es geschafft sie einzuschüchtern. Wenn er berechenbar und seine Handlungen vorauszusehen wären, hätte sie genug Kraft gehabt, dies alles durchzustehen, doch dieser Mann war ein Verrückter. Er konnte in einem Moment der liebenswürdigste Mensch der Welt sein und sie ihm nächsten Augenblick kaltblütig ermorden. Diese Unberechenbarkeit zehrte an Scully Nerven, ließ nackte Angst in ihr Aufsteigen und sie an ihrer Kraft zweifeln. So etwas wie vorhin im Auto würde sie sich nie wieder leisten können, wenn ihr ihr Leben lieb war. Man wusste nie, was er ihr als nächstes antun würde, wenn sie sich daneben benahm. Gott, wie sie Mulder jetzt gebraucht hätte. Was hätte sie für eine Minute mit ihm gegeben, ja selbst eine Sekunde hätte ausgereicht, um ihr neue Kraft zu geben, aber das Gott oder das Schicksal waren nicht bereit ihr dies zu schenken. Leise und verzweifelt schluchzte sie weiter und vergrub ihr Gesicht in der weichen Decke unter sich.



Ich kann nicht glauben, was passiert ist. Mein Verstand kann es nicht realisieren. Gestern noch hatte ich mein Leben, meine kleinen Probleme, meine Freiheit. Und heute ist dies alles in Gefahr. Der Schmerz betäubt all meine Sinne und die Angst greift mir wie eine eiskalte Hand in den Nacken. Mulder, Mulder, wo bist du? Ich brauche dich so sehr, jetzt. Tränen rinnen über meine Wangen. ‚Ich werde sterben’, schießt es mir durch den Kopf. Einfach so sterben. So viele Dinge zwischen mir und Mulder werden unausgesprochen bleiben und das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, war im Streit. Er wird nie erfahren, wie viel er mir bedeutet, wie sehr ich ihn brauche, wie stark mich seine Anwesenheit immer macht. Ich kann nur hoffen, dass er es weiß, dass sein Blick meine Fassade durchdrungen hat und nichts vor ihm verborgen geblieben ist. Ich bin so kurz davor aufzugeben. Aber eine Stimme sagt mir, dass ich kämpfen soll. Ich glaube, es ist Mulders Stimme. Er ermutigt mich, er stützt mich, er gibt mir Kraft. Der Gedanke an ihn macht mich stark. Ich werde nicht aufhören zu glauben, dass er kommt. Er wird mich retten, ich weiß es.



A.D. Skinners Büro, J. Edgar Hoover – Building, Washington D.C.

17.14 Uhr

Samstag



Mulder betrat aufgelöst Skinners Büro. Seine Augen waren rot umrandet und der A.D. konnte sofort erkennen, dass er geweint hatte. Taktvoll tat er so, als bemerkte er es nicht, doch Mulder war dies sowieso egal. „Setzen Sie sich, Agent Mulder!“ Der Agent leistete der Aufforderung Folge und Skinner kam sofort zur Sache: „Ich habe bereits einige Agenten benachrichtigt und in ca. einer Viertelstunde wird es hier nur so von Profilern wimmeln. Was ich jetzt noch einmal brauche, ist ein ausführlicher Bericht über die Geschehnisse. Ich denke, ich muss Ihnen nicht sagen, wie das hier abläuft!“ „Nein, Sir. Vor ungefähr zweieinhalb Stunden erhielt ich einen Anruf von Agent Scully. Sie teilte mir sehr aufgeregt mit, dass sie den Verdacht hatte, verfolgt zu werden. An ihrem Spiegel stand mit Lippenstift „Forever together“ und einige persönliche Dinge wurden entwendet. Ich befahl ihr, sofort ihre Wohnung zu verlassen und zu mir zu kommen. Als sie nach eineinhalb Stunden immer noch nicht da war und sie sich weder bei ihr zu Hause, noch bei ihrem Funktelefon meldete, fuhr ich zu ihrer Wohnung. Dort fand ich ihr Telefon zerschmettert am Boden liegen und fand eine Wanze, die Agent Scully vorher wohl auch entdeckt haben musste. Als nächstes ging ich zur Tiefgarage, um nach ihrem Wagen zu sehen. Er stand noch dort, ihre Autoschlüssel lagen auf dem Boden und von Agent Scully war keine Spur. Da habe ich Sie sofort benachrichtigt.“ Agent Skinner nickte und legte seinen Kugelschreiber, mit dem er sich einige Notizen gemacht hatte, beiseite. „Ich denke, Sie sollten jetzt erst einmal nach Hause gehen und sich ausruhen. Wenn wir Fragen haben, werden wir Sie anrufen, ebenso bei Neuigkeiten bei den Ermittlungen.“ Skinners Stimme nahm einen beruhigenden, hoffnungsvollen Klang an: „Ich bin sicher, wir werden Agent Scully finden!“ Mulder hatte seinem kleinen Vortrag mit offenem Mund verfolgt und wandte aufgebracht ein: „Sir, wollen Sie mich etwa aus den Ermittlungen ausschließen?“ Der A.D sah ihn erstaunt an und erwiderte: „Ich denke, es ist klar, dass Sie an diesem Fall zu stark emotional beteiligt sind. Ich befolge nur die Vorschriften!“ Um Mulders Fassung war es nun vollständig geschehen und er debattierte heftig: „Das können Sie nicht machen! Ich denke, Sie wollen Agent Scully finden?“ Er stand auf und stützte sich mit den Armen auf Skinners Schreibtisch ab, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen: „Sir, ich bin einer der besten Profiler, die Sie beim FBI finden werden. Ich kenne zudem Agent Scully besser als jeder andere und ich werde es nicht akzeptieren, wenn ich von dem Fall ausgeschlossen werde. Ich gebe zu, dass mir die Sache sehr nahe geht, aber das beeinflusst in keiner Weise meine Leistungsfähigkeit! Verstehen Sie doch, ich will Agent Scully finden, mehr als alle anderen Agenten bei diesem Fall und ich werde sie suchen, das bin ich ihr schuldig.“ Skinner schien eine Zeit lang mit sich selbst zu ringen und nickte schließlich: „In Ordnung, Agent Mulder. Aber beim kleinsten Fehltritt, bei dem kleinsten Anzeichen von Unprofessionalität werde ich Sie von diesem Fall wieder abziehen!“ „Tun Sie das!“

Mittlerweile waren auch die anderen Agenten eingetroffen und die Ermittlungen begannen.



Vor einer kleinen Holzhütte, irgendwo im Wald bei Washington D.C.

17:25 Uhr

Samstag



Larry hievte Scully vorsichtig aus seinem Lieferwagen, den er etwas weiter von der Hütte entfernt im Dickicht geparkt hatte. Erst jetzt sah sie die Fotos von sich an den Wänden und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Wie lange verfolgte dieser Mann sie schon? Einige der Bilder mussten schon älter als einen Monat sein. Was war das für ein Irrer? Was wollte er von ihr? Mittlerweile hatte Scully aufgehört zu weinen und blickte angsterfüllt vor sich hin. Ihr Entführer trug sie sanft in das Innere einer kleinen Holzhütte. Es roch nach Mief und drinnen war es stickig. Larry legte Dana auf einem Eisenbett an der Wand des Raumes ab und kettete ihre Hände und Füße mit Handschellen an die Metallpfosten. Scully konnte ihr Zittern nicht verhindern, als Larry sich an ihrer Bluse zu schaffen machte. Langsam öffnete er den obersten Knopf, dann den zweiten, den dritten, bis er schließlich alle aufgeknöpft hatte. Eine Gänsehaut lief über Scullys Rücken, als seine Finger über ihre nackte Haut glitten. Sanft und vorsichtig strich Larry über ihre Schrammen und blauen Flecken, was Dana schmerzhaft aufstöhnen ließ. „Meine süße, kleine Suzanne!“, flüsterte er heißer. Sie sah die Beule in seiner Hose und Tränen der Furcht rannen wieder über ihre Wangen. Sie wollte nicht vergewaltigt werden, es durfte nicht geschehen. So etwas passierte nur anderen Frauen, schwächeren, nicht solchen starken Persönlichkeiten wie ihr. Nicht ihr... Sie schloss entsetzt die Augen, als Larry langsam ihre Brüste mit seiner Zunge liebkoste und die Konturen ihres BHs nachfuhr. Angeekelt spürte sie seine nassen Lippen ihren Hals hochfahren und flehte mit der Stimme einer hilflosen Frau, nicht der einer professionellen FBI-Agentin: „Bitte nicht. Tun Sie mir das nicht an!“ Sofort stoppte Larry seine Zärtlichkeiten und blickte ihr liebevoll in die Augen. „Du hast Recht, kleine Suzanne. Ich werde warten, bis du auch bereit dazu bist!“ Damit ließ er von ihr ab und Scully seufzte voller Erleichterung und Unglaubwürdigkeit auf. Er hatte es nicht getan. Sie hatte noch ihre Würde und ihre Selbstachtung. Und in diesem Augenblick wusste Dana, dass sie alles schaffen würde, wenn er ihr dies nicht nehmen würde.





Dana Scullys Apartment, Washington D.C.

18.17 Uhr

Samstag



Von der Gemütlichkeit in Dana Scullys Wohnung war schon längst nichts mehr zu erkennen. Überall wuselten FBI-Agenten in blauen Jacken durch die Gegend, fotografierten, suchten Fingerabdrücke und nahmen Beweismaterial in Gewahrsam. Es herrschte ein geschäftiges Treiben und in Mitten alledem stand Mulder und gab Anweisungen. Nachbarn sollten befragt werden, die Videos aus der Überwachungskamera in der Tiefgarage sollten ausgewertet werden und, und, und. Nachdem jeder Agent wusste, was er zu tun hatte, beteiligte Mulder sich endlich auch selbst aktiv an den Nachforschungen. Er beschloss den Hausmeister, Mr. Coeben, zu vernehmen und klopfte lautstark an dessen Haustür. Der ältere Mann öffnete nur eine Millisekunde später die Tür, da er durch den Spion das Treiben auf den Hausfluren beobachtet hatte. „Guten Tag! Mein Name ist Agent Mulder, ich arbeite beim FBI!“, begrüßte Mulder in professionellem Tonfall und zeigte seinen Ausweis. „Ich weiß, wer Sie sind!“, entgegnete der Hausmeister, „Sie sind ein Freund von Miss Scully.“ „Richtig, wir sind Kollegen! Miss Scully ist heute Mittag entführt worden und ich leite die Ermittlungen.“ „Oh mein Gott!“, erwiderte Mr. Coeben betroffen. „Kann ich reinkommen?“ „Aber natürlich!“ Der ältere Mann trat zur Seite, um Mulder einzulassen. „Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen!“ Mr. Coeben nickte und Mulder begann: „Ist Ihnen in der letzten Zeit irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?“ Der Hausmeister wippte unruhig auf und ab, als er an sein letztes Gespräch mit Scully dachte und antwortete schließlich zögernd: „Nun ja, eigentlich schon!“ Der Agent war sofort wir elektrisiert und schoss dazwischen: „Was?“ „Ähm...na ja, wissen Sie, vor kurzem, genau gesagt gestern Mittag, kam ein Mann zu mir, der behauptete Miss Scullys Bruder zu sein und mich bat ihm für ein paar Stunden den Nachschlüssel zu ihrer Wohnung zu geben, da er eine Überraschungs-Geburtstagsparty geplant hatte. Normalerweise mach ich so was ja nicht, aber wissen Sie, Miss Scully ist so eine vorbildliche Mieterin, bezahlt immer pünktlich, macht nie Radau und da wollt ich ihr den Spaß halt nicht verderben. Also hab ich ihm den Schlüssel gegeben. Er hat ihn mir auch bald darauf wieder gebracht, aber heute morgen, als ich Miss Scully auf die Party angesprochen habe, da sagte sie, sie wisse nichts von einer Feier und hätte gar nicht Geburtstag!“ In Mulder machte sich ein Gefühl der Erregung breit, das er immer empfand, wenn er kurz davor war etwas wichtiges zu erfahren. „Können Sie mir eine Beschreibung des Mannes geben?“ Er zückte seinen Notizblock und einen Kugelschreiber. „Nun, er war nicht sehr groß!“ Mr. Coeben zeigte mit der Hand ein paar Zentimeter unter seinen Haaransatz. „Etwas sooo. Er hatte sehr dunkles Haar, fast schwarz, das er sich mit Gel nach hinten an den Kopf geklatscht hat, wie man es heutzutage manchmal trägt. Furchtbar, wenn Sie mich fragen. Dann war er recht gut gebaut, kleiner Bierbauch und so. Aber besonders auffällig waren seine blauen Augen. So was stechendes hab ich erst selten gesehen!“ Mulder hatte sich zufrieden alles aufgeschrieben, wenigstens hatten sie jetzt eine Beschreibung des wahrscheinlichen Täters und hackte weiter: „Haben Sie in den letzten Tag sonst noch etwas auffälliges bemerkt?“ Mr. Coeben dachte eine kleine Weile nach. Da fiel ihm der weiße Lieferwagen wieder ein und er meinte: „Ja, aber ich weiß nicht, ob das was mit Miss Scully zu tun hat. Aber, wenn Sie Zeit fänden, könnten Sie sich ja darum kümmern.“ Der ältere Mann trat zum Fenster und Mulder folgte ihm. „So was!“, meinte Mr. Coeben kopfschüttelnd. „Das verstehe ich nicht! Ich könnte schwören, heute morgen hätte er noch dagestanden!“ „Wer?“ „Ach, seit Freitag stand vor dem Haus immer so ein weißer Lieferwagen ohne Aufschrift. Ich habe meinen Vetter bei der Polizei schon angerufen, aber der meinte, ich solle nicht so paranoid sein. Aber, was soll ich machen? Das ganze war mir eben nicht geheuer!“ Mulder beschloss jedes noch so unwichtige Detail zu beachten, dass er auch ja nichts übersah und fragte: „Haben Sie ein Kennzeichen?“ „Ja!“, entgegnete Mr. Coeben stolz. „Warten Sie einen Augenblick!“ Der Hausmeister kramte etwas in seinen Papieren herum und murmelte: „Es müsste doch irgendwo hier sein...Das versteh ich nicht!“ Er dachte einen Moment angestrengt nach und plötzlich erhellte sich sein Gesichtsausdruck, verfinsterte sich jedoch gleich wieder. „Ich habe es mit Bleistift auf die Geburtstagskarte für meine Mutter geschrieben. Sie lebt in Kansas, in einem Altenheim, wissen Sie. Aber ich habe die Karte gestern abgeschickt! Tut mir wirklich leid!“ „Oh!“, meinte Mulder verzagt . „Wo genau ist denn dieses Altenheim?“ „In Wichita! Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Adresse geben! Und noch Mal: Tut mir wirklich leid!“ „Ist schon in Ordnung!“ Mr. Coeben gab ihm einen Zettel mit der Adresse des Altenheims und Mulder bedankte sich leicht lächelnd: „Viele Dank, Mr. Coeben. Sie haben uns sehr weitergeholfen.“ Damit verabschiedete er sich und fuhr auf direktem Weg in die FBI-Zentrale.



In der kleinen Holzhütte, irgendwo im Wald bei Washington D.C.

18.55 Uhr

Samstag



Summend stand Larry in der kleinen Kochnische der Hütte. Sie war kaum größer als zwei Quadratmeter und es befand sich nur ein ziemlich mitgenommener, alter Gasherd, ein kleines Waschbecken und ein spärlicher Küchenschrank darin. Vom Bett aus sah Scully ihrem Entführer angewidert zu, wie er gutgelaunt Eier briet und eine ihr bekannte Melodie sang. Erst nach einigen Minuten erkannte sie, dass es „Annie’s song“ von John Denver war und zum ersten Mal machte ihr der Text (*1)Angst! Zwischendurch sprach Larry immer ein paar Worte zu ihr. „Na, kleine Suzanne, bist du schon hungrig? Ich wette, dein Magen knurrt wie verrückt. Aber keine Sorge, Larry weiß noch genau, wie du deine Eier gerne hast! Bald gibt’s was zu futtern!“ Scully wandte den Blick ab und drehte ihren Kopf zur Seite. Ihre Gedanken schweiften zu Mulder. „Wo bist du?“, murmelte Dana kaum verständlich. „Hilf mir!“ Die gebratenen Eier verströmten einen fast anheimelnden Duft in dem kleinen Zimmer, aber Scully war nicht hungrig. Ihr Appetit war längst vergangen, als sie dachte, Larry wollte sie vergewaltigen, wenn nicht sogar schon eine ganze Weile vorher. Immer noch schmerzten ihre Schrammen und Verletzungen bestialisch und Dana wünschte sich nichts sehnlicher als eine Schmerztablette. Auch ohne die Handschellen hätte sie sich kaum bewegen können. Erschrocken fuhr Scully herum, als Larry plötzlich an ihrem Bett saß und einen Teller dampfender Rühreier in den Händen hielt. „So, meine kleine Suzanne, jetzt gibt’s Essen! Mach schön den Mund auf!“ Scully dachte nicht daran und drehte widerwillig ihren Kopf zur Seite. „Suzanne, Suzanne!“, meinte Larry tadelnd und versuchte es weiter. „Jetzt mach doch nicht solche Zicken! Ich weiß, dass du Hunger hast!“ Dana rührte sich nicht und langsam wurde er ungeduldig. Seine Tonfall wurde schärfer. „Jetzt sieh mich an und iss! Die hab ich extra für dich gemacht, also wirst du sie jetzt gefälligst auch essen!“ Scully wusste, dass es besser wäre, ihm zu gehorchen, doch sie wollte sich nicht unterordnen lassen. Sie wollte sich nicht einschüchtern lassen, sie wollte stark sein, sie wollte ihm zeigen, dass er sie mal konnte und keine Macht über sie besaß! Das missfiel Larry jedoch gewaltig und er griff unsanft nach ihrem Kinn. Grob drehte er ihren Kopf zu sich, ungeachtet Danas Wehrversuche und funkelte sie böse an: „Ich sagte, du sollst essen! Suzanne, Suzanne! Meine Geduld ist langsam am Ende! Hab ich dir die Regeln noch nicht deutlich genug gemacht, vorhin?“ Scully sah ihn eiskalt und voller Hass an, erwiderte aber nichts. Das war zuviel für ihn. Mit einem lauten Klirren stellte er den Teller auf dem kleinen Tisch neben dem Bett ab und ging kurz ins Nebenzimmer. Scully hoffte schon die Schlacht für dieses eine Mal gewonnen zu haben und dass er sie nun in Ruhe lies, doch da irrte sie sich. Nach einer halben Minute kam er wieder zurück an Danas Bett und riss ihren Kopf an den Haaren zurück. Dann band er diese stramm mit einer Schnur, die er geholt hatte, an einer der unteren Latten des Bettgestells fest. Ihr Kinn zerrte er derweil in die entgegen gesetzte Richtung, um ihren Mund zu öffnen. Sämtliche Versuche sich zu wehren waren aussichtslos, da Larry eine unglaubliche Kraft hatte. Mit der freien Hand schaufelte er den halben Teller in Scullys Mund, ungeachtet ihres Hustenanfalls. Dana dachte, sie müsste ersticken. Sie konnte kaum noch atmen, hatte sich verschluckt und Larry hörte nicht auf zu stopfen. „Da friss, du kleine Schlampe! Wenn du es nicht freiwillig tust, werde ich dir eben dabei helfen!“ Als Scully leicht bläulich anlief und wirklich kurz vorm Erstickungstod war, hörte er schließlich auf und schlug ihr mit voller Wucht in die Magengegend, dass ihr Essen wieder hochkam und sie sich erbrach. Vor Schmerz gekrümmt lag Dana nun inmitten ihres Erbrochenen und weinte. Wieder hatte er es geschafft ihren Willen zu brechen. Langsam drohte sie zu verzweifeln. Wo war Mulder nur?



J. Edgar Hoover – Building, Washington D.C.

19.02 Uhr

Samstag



Mulder rauschte an einigen Agenten in den Fluren vorbei und betrat dann den Raum mit den Leuten, die ebenfalls an der Ermittlung beteiligt waren. Vor einem etwas jüngeren Mann, der gerade frisch von der Akademie gekommen und dessen erster Fall dies war, blieb er stehen und knallte ihm den Zettel mit der Adresse des Altenheim vor die Nase. „Ich möchte, dass Sie mich mit der FBI-Zentrale in Wichita verbinden und mir für ein paar Minuten ihr Telefon überlassen.“ „J...ja, Sir!“, stotterte er eingeschüchtert und suchte verzweifelt nach der Nummernliste der verschiedenen FBI-Zentralen. Währenddessen tippte Mulder ungeduldig mit dem Fuß auf der Stelle und zermalmte seinen Sonnenblumenkerne zwischen den Zähnen. Endlich wurde der junge Agent fündig und tippte hastig die Nummer ein. Dann reichte er Mulder den Telefonhörer und dieser riss ihn ihm förmlich aus der Hand. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine Frauenstimme. „FBI-Zentrale Wichita?!“ „Hallo. Hier ist Special Agent Mulder aus der FBI-Zentrale in Washington D.C. Wir ermitteln in einem Entführungsfall und brauchen Ihre Hilfe.“ „Einen Augenblick, ich verbinde Sie mit der Abteilung Gewaltverbrechen.“ Gewaltverbrechen, schoss es Mulder durch den Kopf. Seine Scully war einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen und er hatte es nicht verhindert. Aber im Augenblick war keine Zeit für Selbstvorwürfe.



FBI-Zentrale, Wichita

Abteilung für Gewaltverbrechen

20.36 Uhr (1 ½ Std. Zeitverschiebung J)

Samstag



Agent Carrington saß müde an seinem Schreibtisch und überarbeitete ein paar Akten. In letzter Zeit waren keine interessanten Fälle hereingekommen und sein Job war wirklich langweilig. Nahm man es genau, war diese Tatsache eigentlich beruhigend. Dann gab es im Augenblick nicht mehr ganz so viele irre Serienkiller da draußen, die ihnen Arbeit bescherten. Er freute sich schon, endlich nach Hause zu kommen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass seine kleinste Tochter schon schlief, aber er würde noch rechtzeitig heimkommen, um seiner älteren Gute Nacht zu sagen. Vorausgesetzt es würde weiterhin so ruhig bleiben, doch nach den letzten Tagen zweifelte er daran nicht mehr. Das Ringen des Telefons riss Carrington aus seinen Gedanken und er nahm mürrisch ab. Bitte kein Fall, ich will nach Hause!!! „Agent Carrington? Ein Agent Mulder aus D.C. möchte mit Ihnen wegen eines Falls sprechen!“ Scheiße... „Ok, verbinden Sie ihn!“ Nach einigen Sekunden ertönte eine dunkle Stimme am anderen Ende der Leitung. Der Mann nuschelte ein wenig und schien auf irgendetwas herumzukauen. „Hier ist Special Agent Mulder von der FBI-Zentrale in Washington D.C.! Wir arbeiten hier im Moment an einem Entführungsfall und brauchen Ihre Hilfe!“ Carrington seufzte und fragte dann: „In Ordnung. Was gibt es?“ „Kennen Sie das St. Mercy – Altenheim?“ „Ja, wieso?“ Seine Mutter wohnte dort seit kurzem. Annie, seine Frau, hatte sich geweigert sich um sie zu kümmern, seit sie ein Pflegefall war. Sie hatte gemeint, er sei schon selten genug zu Hause und sie hätte alle Hände voll zu tun, alles alleine zu machen, da bräuchte sie nicht noch einen Pflegefall. Er konnte Annie ja verstehen. „Dort liegt eine ältere Frau, Mrs. Coeben!“ „Und?“ „Sie hat heute oder morgen Geburtstag und ihr Sohn hat ihr eine Geburtstagskarte geschickt, auf der sich möglicherweise eine Information, die für unseren Fall sehr wichtig ist, befindet.“ „Was für eine Information?“ „Ein Auto-Kennzeichen. Es ist mit Bleistift darauf notiert worden.“ „Und was soll ICH jetzt machen?“ Carrington hatte zwar schon eine leise Ahnung, hoffte aber, dass diese sich nicht bestätigte. „Können Sie dieses Kennzeichen bitte ausfindig machen und uns zusenden?“ Das kann doch wohl nicht denen ihr Ernst sein? Ich soll ins Altersheim fahren und Geburtstagskarten untersuchen? Ich bin FBI-Agent, kein Laufbursche!, dachte er ärgerlich. „Ich glaube nicht, dass das in meinen Zuständigkeitsbereich fällt, Agent Mulder!“ Am anderen Ende der Leitung konnte Carrington ein wütendes Schnauben hören. „Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Das Leben einer jungen Frau hängt möglicherweise davon ab und möchten Sie wirklich mit der Schuld leben, sie auf dem Gewissen zu haben, weil ‚es nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt’? Wir brauchen, verdammt noch mal, ihre Hilfe!“ „Okay, okay! Ist schon klar. Ich werde Ihnen das Kennzeichen zufaxen. Kann aber etwas dauern, bis ich alle Geburtstagskarten untersucht habe!“, konterte er bissig. „Danke! Ich gebe Ihnen die Faxnummer durch!“ „In Ordnung!“ Arschloch! Einen Augenblick hörte er Stimmengemurmel im Hintergrund, dann ertönte wieder Mulders Stimme: „Haben Sie was zum Schreiben?“ „Ja!“ „Ok. Also, die Nummer lautet: 804 786-6227 (*2)! Haben Sie das?“ „Ja!“ „Beeilen Sie sich!“ Carrington wollte gerade noch eine feindselige Bemerkung machen, doch da ertönte schon das Freizeichen. Idioten!, dachte er und machte sich auf den Weg ins Altenheim.



In der kleinen Holzhütte, irgendwo im Wald bei Washington D.C.

19.36 Uhr

Samstag



Larry hatte sich wieder beruhigt und saß nun an Scullys Bett, um ihr liebevoll Salbe auf ihre Schrammen zu schmieren. Diese hatte ihren Kopf angeekelt zur Seite gedreht und sich gefragt, wieso das Schicksal nicht so gnädig gewesen ist sie ersticken zu lassen. Ihre Bluse hatte er ausgezogen, um sie auszuwaschen, da sie immer noch voller Erbrochenem war. Sie konnte Larrys heißen Hände auf ihrem Körper fühlen. Am liebsten hätte Dana die nächsten drei Stunden geduscht und sich solange mit Seife eingerieben, bis ihre Haut aufgescheuert war, nur um seinen Gestank endlich loszuwerden. „Süße, kleine Suzanne. Du bist so schön...“, krächzte er und sie konnte seine Erektion spüren, die gegen ihren Oberschenkel drückte. Dana wollte sich nur noch übergeben. Sie schloss die Augen, als sie wieder seine nassen Lippen und seine ekelhafte Zunge auf ihrer Brust spürte. Diesmal nahm er seine Hände noch zu Hilfe und strich sanft über ihren Körper. Sie bemerkte furchtsam, wie er ihre Jeans öffnete und sie langsam nach unten zog. Seine Finger strichen über Scullys Slip und sie begann sich in ihren Fesseln zu winden. „Nicht...“, flüsterte sie, doch diesmal ließ Larry sich davon nicht beeindrucken. Er zog langsam ihre Höschen nach unten und begann mit seinem Finger in Dana einzudringen. Schmerzerfüllt schrie sie auf und bäumte sich ihm widerwillig entgegen. „LASSEN SIE MICH IN RUHE!“, rief sie und Tränen der Angst rannen über ihre Wangen. Larrys Finger verschwand und er sah betroffen zu ihr auf. „In Ordnung, kleine Suzanne. Die Zeit ist noch nicht reif.“ Mit diesen Worten verschwand er im Nebenzimmer und voller Ekel konnte Dana sein Stöhnen hören, als er sich selbst befriedigte. Sie trug nur einen BH und begann zu frösteln. Sich in ihrer Haut unwohl fühlend, wandte sie sich etwas in ihren Fesseln, wusste jedoch von vorneherein, dass es ein aussichtsloser Kampf war.



Ich habe solche Angst. Ich verdränge sie zwar, aber dennoch bin ich mir ihrer Anwesenheit bewusst. Sie ist zu meinem ständigen Begleiter geworden und ich merke langsam, wie alles außer Kontrolle gerät. Nicht, dass ich je Kontrolle über diese Situation gehabt hätte, aber Larry geht immer weiter. Erst hat er mich nur am Bauch und an meiner Brust geküsst, jetzt ist er schon mit dem Finger in mich eingedrungen. Was kommt als nächstes? Wann werde ich mein letztes bisschen Würde verlieren? Ich will hier weg, ich will zu Mulder. Ich stelle mir sein Bild vor, versuche mich an die schönen Augenblicke meines Lebens zu erinnern. Augenblicke mit Mulder, Augenblicke voller Glück und Zufriedenheit, Augenblicke, die ich hätte festhalten sollen! Tief in meinem Inneren höre ich eine kleine Stimme, die ich zu überhören versuche, fragen, ob ich je wieder solche Augenblicke erleben werde.



Dana Scullys Apartment, Washington D.C.

20.05 Uhr

Samstag



Mulder betrat leise Scullys Wohnung. Von dem Trubel, der vor einer Stunde noch hier geherrscht hatte, war nichts mehr zu erkennen. Alles lag in tiefer Stille und er ließ sich müde auf das Sofa fallen. Mulder hatte dem jungen Agenten, John Ferell, befohlen, ihn sofort auf dem Mobiltelefon anzurufen, wenn ein Fax aus Wichita käme. Bis dahin wollte er sich ausruhen...und noch ein sehr unangenehmes Telefonat hinter sich bringen. Er musst Maggie Scully endlich benachrichtigen, schließlich war ihre Tochter bereits vor mehreren Stunden entführt worden und sie hatte ein Recht dies zu erfahren. Fast blind tippte er ihre Nummer in Scullys Telefon und wartete, dass ihre Mutter sich am anderen Ende der Leitung meldete. „Scully?!“ Einen Augenblick zögerte Mulder, nicht recht wissend, wie er beginnen sollte und meinte dann mit belegter Stimme: „Mrs. Scully, hier ist Fox Mulder!“ „Fox! Welch eine Überraschung, dass Sie hier anrufen, was gibt es denn?“ Ihr fröhlicher Tonfall ließ schließen, dass sie keine Ahnung hatte, weswegen er anrief. Wie sollte sie auch? „Es geht... es geht um Dana!“ Mulder brachte die Worte fast nicht heraus und das ängstliche Fragen Maggies, ließ ihn abermals stocken. „Was ist mit ihr, Fox? Ist etwas passiert?“ „Sie... sie...oh verdammt, Mrs. Scully, Dana ist heute Nachmittag entführt worden!“ „Was?“, klang es fast tonlos aus dem Hörer. „Es tut mir so leid. Ich verspreche Ihnen, wir werden Dana finden. Das FBI hat schon einen Suchtrupp der qualifiziertesten Profiler zusammengestellt und wie verfolgen bereits eine viel versprechende Spur.“ Mulder wusste, dass Maggie diese Worte keinen Trost spendeten. Sie hatte das alles schon einmal durchgemacht, damals bei der Sache mit Duane Barry und wusste, wie erfolglos die Suchen des FBI manchmal bleiben konnten. „Danke für Ihren Anruf, Fox!“ Ihre Stimme zitterte und Mulder wusste, dass sie jetzt ihre Ruhe brauchte. „Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, wenn wir etwas finden!“, versprach er. „Danke.“ Das Freizeichen ertönte und Mulder legte den Hörer zur Seite. Während ihm Tränen in die Augen stiegen, stützte seinen Kopf in die Hände. Wenn er sich umblickte, war alles so, wie es immer war. Es fühlte sich so an, als würde Dana gleich zur Haustür hereinspaziert kommen, ihn angrinsen und sagen: „Hey, Mulder, was gibt’s? Sie sehen irgendwie mitgenommen aus!“ Es war, als könnte er sie noch riechen, als hörte er sie in der Küche rumoren. Doch er wusste, dass dem nicht so war. Und der beängstigende Gedanke, diese Geräusche vielleicht niemals wieder in der Realität zu hören, machte sich unaufhaltsam in Mulder breit.



Ich bin an allem Schuld! Wo war ich, als Dana mich so dringend gebraucht hatte? Ich hätte sie niemals alleine zu mir fahren lassen sollen, das war doch klar. Wieso habe ich mir nicht gedacht, dass das Telefon verwanzt ist? Jeder Idiot hätte das gewusst! Ich hätte sofort zu ihr fahren sollen, vielleicht hätte ich dann alles verhindern können. Gott, was macht dieser Irre wohl jetzt gerade mit ihr? Schlägt er sie? Ver...ver...vergewaltigt er sie? Nein, bitte, oh, nein, ich bin an allem Schuld. Ich hätte das alles verhindern müssen. Wieso bringe ich allen Menschen, die ich liebe, Unglück? Warum nur? Ich beginne zu weinen, die Tränen lassen sich nicht aufhalten. Ich verberge sie mit meinen Händen, doch sie sind da. Klar, jetzt wein doch noch, du Weichei! Bemitleide dich selbst! Ich hasse mich! Wieso bin ich zu nichts gut? Warum kann ich die Menschen nicht schützen, die ich liebe? Wozu bin ich eigentlich da? Was bin ich nur für ein Versager? Samantha, Dad, Melissa, Emily, Mom und jetzt Scully. Bei allen habe ich versagt! Ich habe mein Büro im Keller verdient, den Hohn und Spott der anderen. Aber wieso nur, lässt mich das Schicksal immer alles überleben, dass ich jeden morgen mit dieser Schuld aufwachen muss? Aber NEIN! Ich darf jetzt nicht sterben. Nicht solange Scully da draußen in den Händen dieses Irren ist! Ich muss sie retten, ich muss es einmal richtig machen. Ich muss nachdenken, ich muss kombinieren, ich muss verdammt noch mal meine Qualitäten als Profiler endlich mal für mich selbst benutzen, um Dana zu retten. Meine geliebte Scully, meine Konstante, meine Freundin, mein Schatz, mein Halt...Ich darf dich nicht verlieren. Niemals. Ohne dich kann ich nicht mehr leben, ohne dich ist diese Welt so leer. Bitte halte durch, egal, was dieser Irre mit dir macht. Sei stark, lass dich nicht unterkriegen. Ich beeile mich auch, ich werde machen, so schnell es geht. Verdammt, ich kann hier nicht klar denken! Diese Wohnung unterstützt nur noch meine ständigen Gedanken an dich und das macht mich unkonzentriert, unprofessionell und das kann ich mir diesmal nicht leisten. Nicht jetzt. Bei diesem Fall muss alles klappen, alles muss wie am Schnürchen laufen. Ich muss hier raus. Ich muss meinen Kopf freikriegen. Ich muss Dana Scully vergessen und an „das Opfer“ denken. Ich muss den verrückten Irren vergessen und an „den Täter“ denken. Ich muss mich selbst vergessen und an den Fall denken. Das Ringen des Telefons reißt mich aus meinen Gedanken. Schnell wische ich mir mit der Hand über die Augen und nehme das Gespräch entgegen. „Agent Mulder, hier ist Agent Ferell!“, höre ich die unsichere Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ist das Fax da?“ „Es ist gerade gekommen. Wir haben das Kennzeichen. Es suchen schon einige Agenten am Computer, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist.“ „In Ordnung! Danke, ich komme so schnell ich kann!“ „Keine Ursache!“ Mulder legte auf, schnappte sich seine Jacke und machte sich wie schon so oft an diesem Tag auf den Weg ins FBI-Gebäude.
Rezensionen