World of X

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Warten

von Emily

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Warten! Immer nur warten! Das ganze Leben wartet man. Zuerst wartet man auf seine Geburt. Oder wartet man schon auf sein gezeugt werden?

Dann wartet man auf das Windelnwechseln, das Fläschchenbekommen. Und wenn es nicht schnell genug geht, weint man. Das ist schön einfach. Und man kann ja auch nix anderes!



Später wartet man sehnsüchtig auf die Mutter, die einen aus dem Kindergarten befreien soll. Dann wartet man auf seinen 4. 5. 6. Geburtstag, zudem man sich ein Puppenhaus, Fahrrad, Puppenwagen und Legosteine wünscht.



Dass man dann später auf seine Einschulung wartet, ist ganz logisch. Noch logischer ist jedoch, dass man zwangsläufig auf seinen Schulabschluss wartet. 5, 6, 7, 8, Jahre. Je nach Typ.

Zwischendurch wartet man noch auf den Schulbus, den ersten Kuss, die neue Ausgabe der Lieblingszeitschrift, die erste Periode und und und!



Das Treffen des ersten Dates (und alle folgenden!), das erste Mal, die Ausgabe der Klausuren, wie auch der 18. Geburtstag lassen auf sich warten.



Das erste Auto, eine eigene Bude, ein fester Freund, ein Ausbildungsplatz und schließlich der erste Gehaltsscheck stehen in den Top 100 der Warteliste ganz weit oben!



Wenn man nicht sein Leben lang auf Mr. Right wartet, folgt eine Hochzeit. Dann wartet man (vergeblich?) auf das Schwangerwerden.



Wenn es dann geglückt ist, wartet man Stunden im Stau, um schließlich zu einem Arzt zu kommen, der einem die frohe (?) Botschaft bestätigen kann. Wenn man dann sein Ziel erreicht hat, kommt man in einen Raum, der seinem Namen alle Ehre tut: Wartezimmer.

Nach 1, 2, 3 Stunden dann wird man von einer Arzthelferin in ein Arztzimmer geliefert, mit den Worten: „Warten sie noch einen Augenblick. Der Doktor kommt gleich!“



Neun Monate wartet man, um neues Leben auf die Welt zu bringen. Neun Monate, in denen man darauf wartet, dass die Morgenübelkeit verschwindet, man wartet auf das Wachsen des Bauches und natürlich auf das erste Strampeln des Babys. Man wartet auf diverse Arztbefunde, die einem bestätigen, dass mit dem Kind alles in Ordnung ist und man wartet verzweifelt auf den Ehepartner, damit er einen liebevoll in den Arm nehmen kann, um Trost zu spenden, wenn die Wehen einsetzten.



Dann irgendwann wartet man darauf, dass der Bauch wieder an Volumen verliert, dass dem Baby die ersten Zähnchen wachsen und auf die Nacht, in der es das erste Mal durchschläft. Und irgendwann dann fängt der Kreislauf wieder von vorne an: Einschulung, Dates, Schwangerschaften, Oma werden...



Doch ich bin noch weit von all diesen meinen Träumen entfernt... Leider!

Ich warte vergeblich auf meinen Partner, der sich jetzt seit Stunden in Skinners Büro aufhält. Normalerweise könnte ich ja sauer sein, aber der Befehl, dass sich Mulder mal bei Skinner blicken lassen müsste, kam von ganz Oben. Außerdem hätte ich schon früher fahren können, nur ich möchte mit ihm zusammen fahren.



Obwohl es mir noch immer nicht leicht über die Lippen geht, hat er sich langsam aber sicher in den letzten Jahren zu meinem Mr. Right entpuppt. Leider!!



Nein, nicht leider. Ganz im Gegenteil.



Es ist nur alles so kompliziert. Mal abgesehen davon, dass ich mit den Jahren aufgehört habe an die einzige, wahre, große Liebe zu glauben und sie nun doch Einlass bei mir gefunden hat, ist das ganze Drumherum zu kompliziert.

Früher, in der „Anfangszeit“ meiner Liebe, war es noch einfacher. Ich habe es mir einfach nicht eingestehen wollen und es verdrängt.

Dann, als das nicht mehr funktionierte, habe ich einen eben so leichten Weg gewählt: Ich redete mir ein, dass er ja meine Gefühle eh nicht erwidert, warum ihm also die Wahrheit sagen?

Heute liegen die Dinge ganz anders. Ich weiß, dass er derjenige ist, mit dem ich alt werden möchte. Er ist Jemand, der mich zum Lachen bringen kann, bei ihm fühle ich mich geborgen und er gibt mir den nötigen Schutz und Halt, den ich so sehr brauche, obwohl ich mir und ihm das früher nicht eingestehen wollte. Doch heute sehne ich mich richtig nach ihm. Ich durste nach jeder noch so kleinen, noch so platonisch gemeinten, Berührung, die mir so viel Kraft gibt, die in mir ein Fest der Gefühle auslöst, dass ich ihm am liebsten um den Hals fallen möchte.



Doch das geht nicht. So sehr ich es möchte.



Ich weiß, dass er mich ebenfalls liebt. Ich spüre es in jenen flüchtigen Berührungen, in seinem liebevollem Blick, in seiner zarten und so verdammt anturnenden Stimme und in seiner Art, wie er sich um mich kümmert.



Ich weiß, dass es dumm ist zu denken eine Beziehung zwischen uns zerstöre die Freundschaft. Denn die Freundschaft zerstört sich bald selbst, wenn nicht langsam eine Beziehung folgt.

Es ist nur so, dass ich einfach Angst habe, jemand nehme mir das weg, was ich am meisten brauche: ihn.

Klar, jetzt würde es mir auch wehtun, wahrscheinlich noch mehr, weil ich ihm dann nie gesagt hätte, was er mir bedeutet. Um ehrlich zu sein, ich würde mitsterben. Ein Leben ohne ihn? Unmöglich. Jede Stunde, jede Minute, die wir nicht miteinander verbringen, fehlt er mir. Es ist so, als fehle dann ein Teil von mir.

Nur wenn ich nicht mit liiert bin, kann ich meinen Schmerz verstecken. Hinter der Mauer, die für ihn schon lange nicht mehr existiert. Er hat sie schon nach den ersten Monaten zerstört. Nur ich habe sie immer wieder versucht aufzubauen, um mir nicht wehtun zu lassen.



Diese Angst ihn zu verlieren, egal auf welche Art und Weise, wiegt nichts im Gegensatz dazu, was mich in einer Beziehung mit ihm erwarten würde.



Also warum sage ich es ihm nicht einfach? Was habe ich denn zu verlieren?



In diesem Moment öffnet sich die Tür von Skinners Büro und Mulder kommt heraus. Er kommt direkt auf mich zu. Gott, sieht er gut aus. Eine seiner Haarsträhnen weht bei jedem Schritt, den er tut. Seine braunen Augen schauen mich an. Sie elektrisieren mich, mein ganzer Körper ist starr vor Anspannung. Mit seinem Lächeln verzaubert er mich jedes Mal aufs Neue. Einige Schritte vor mir bleibt er stehen. Noch immer lächelt er mich an. Und ich zurück. In solchen Situationen könnte ich wirklich schwach werden.



Das Knistern in der Luft, zwischen uns, ist deutlich zu erkennen.



„Kommen Sie, Scully, ich bringe Sie nach Hause.“



Mit diesen Worten legt er seine Hand auf meinen Rücken und wir schlagen den Weg zu den Aufzügen ein.



Irgendwann werde ich ihm alles sagen. Er bedeutet mir so verdammt viel. Irgendwann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Wir haben alle Zeit der Welt.



Irgendwann ist es soweit. Vielleicht schon heute Abend, wenn wir in meiner Wohnung Pizza essen und uns über X-Akten streiten werden.





Warten kann so schön sein, wenn man weiß, was auf einen zukommt. Ein sehr schlauer Mensch sagte mal: „Vorfreude ist die schönste Freude.“ Das trifft den Nagel auf den Kopf.





„Mulder, haben sie heute Abend schon was vor?“



Habe ich das gerade wirklich laut gesagt??






The End
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