World of X

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Never be the same again

von Nina

Kapitel 1

Verdammt, wer war nur auf die Idee gekommen sich zu trennen? Das konnte ja nichts werden. ‚Das war eine blöde Idee, Dana’ schimpfte sie sich selbst. Sie hatte vorgeschlagen sich zu trennen, damit es schneller ging. Sie sollten einen Jungen finden, eigentlich fiel das ja nicht gerade in ihre Aufgabenbereiche, allerdings sollte dieser Junge besondere Kräfte haben. Zumindest laut Mulder. Er könne Gegenstände nur mit seinem Willen bewegen. Er sprach von Telekinese, was denn sonst? Der Junge war entführt worden, die Eltern hatten noch keine Lösegeldforderung erhalten, daraus schloss Mulder allerdings gleich, dass jemand den Jungen entführt hatte, um seine Kräfte zu missbrauchen. Der Junge war erst 5 Jahre alt. Vielleicht war das ein Grund für Scully gewesen diesem Fall nachzugehen, sie wollte diesem Kind helfen. Und seinen Eltern, die große Angst hatten um ihren Sohn Tony.

Mulder hatte einen Tipp bekommen, wahrscheinlich von einem seiner Informanten, dass der Kidnapper den Jungen hier versteck haben sollte.

Es war eine alte Fabrik, die schon lange still gelegt worden war. Es war dunkel, so etwas wie Strom gab es hier nicht und selbst wenn, sie konnten nicht riskieren den Entführer aufzuschrecken. Also gingen sie im Dunkeln, nur eine Taschenlampe spendete ihnen Licht.

Es waren noch zwei weitere Agents die nach dem Jungen suchten, sie hatten sich schon zuvor von Mulder und Scully getrennt.

Nach einer Weile, hatte Scully vorgeschlagen dass sie sich ebenfalls trennen sollten, damit es schneller ginge.

Mulder war zuerst nicht besonders begeistert gewesen, stimmte dann jedoch zu. Er ging im nächsten Gang nach links, sie nach rechts.

Die Waffe auf den Boden und die Taschenlampe auf den Weg vor ihr gerichtet, ging sie langsam und leise den Gang entlang. Sie hörte ihr Herz laut pochen, fühlte die Anspannung die jede Faser ihres Körpers ergriffen hatte. Das Blut rauschte in ihren Ohren, das war immer so. Sie versuchte so leise wie möglich zu sein.

Leise schlich sie weiter, bei der nächsten Abzweigung bog sie wieder nach rechts. Dort waren mehrere Türen. Vorsichtig ging sie auf eine zu, öffnete sie so leise wie möglich und betrat den leeren Raum. ‚Niemand da’, dachte sie sich, leuchtete aber vorsichtshalber noch mal durch den Raum, er war leer. Sie ging zum nächsten, wieder leer. Genauso war es mit den anderen Türen, langsam glaubte sie, dass Mulder falsche Informationen erhalten hatte. Ihre Anspannung war etwas gewichen, sie lief den Gang zurück, da er sich als Sackgasse erwiesen hatte.

An der Gabelung lief sie nun geradeaus, an ein paar Kartons vorbei, als ihre Taschenlampe anfing zu flackern. ‚Mist, warum ausgerechnet jetzt?’ fluchte sie in Gedanken. Sie versuchte ihre Taschenlampe durch schütteln wieder in Gang zu bekommen, wodurch sie nicht bemerkte, dass sich jemand an sie heranschlich. Zu spät merkte sie es, versuchte sich noch umzudrehen, doch da wurden ihr schon die Waffe und die Taschenlampe aus der Hand geschlagen. Gleich darauf spürte sie einen heftigen Schlag ins Gesicht. Sie holte aus, schlug jedoch ins Leere. Sie konnte nicht sehen wer sie angriff, sie konnte eigentlich nur sehr wenig sehen, nur einen schwarz gekleideten Mann, der wieder zuschlug, diesmal in den Magen. Sie versuchte sich zu wehren, geriet langsam in Panik, nur sehr wenige Tritte und Schläge trafen ihr Ziel, der Angreifer war zu schnell, es war als konnte er jeden ihrer Versuche schon im Voraus sehen und sie dann abwehren, oder ausweichen.

Plötzlich sah sie etwas aufblitzen, konnte jedoch nicht erkennen was es war. Dann, mit einer Wucht die sie zu Boden schlug, wurde ihr ein Messer in den Bauch gerammt. „Ahhhhhhhhhhhhhhh!“ schrie sie auf. Sie blieb liegen, konnte sich nicht mehr bewegen, zu stark war der Schmerz im Moment. Der Angreifer packte das Messer und zog es aus ihrem Bauch heraus. „Er ist hier“, flüsterte er zu ihr und dann war er weg.

Scully hatte sich schützend die Hand auf die Wunde gedrückt, Blut klebte an ihren Fingern. Doch sie rappelte sich auf, ‚Er ist hier’ hatte er gesagt, der Junge war hier, sie musste ihn finden und Mulder warnen. Sie stöhnte auf, die Wunde tat höllisch weh, aber sie hatte jetzt einen Job zu erledigen, sie konnte nicht hier liegen bleiben wie ein Häufchen Elend und darauf warten, dass sie jemand fand.

Sie nahm ihre Waffe und die Taschenlampe, die ihren Dienst wieder aufnahm.

Die Hand mit ihrer Waffe um ihren Bauch geschlungen, ging sie den Gang entlang. Sie musste Mulder finden. Ihre Handys hatten sie ausgestellt, eine weitere blöde Idee die ihnen nun anscheinend zum Verhängnis wurde.

Sie wusste, was eine Bauchwunde bedeutete, aber es war ihr Job den Jungen zu finden, alles andere war vorerst nebensächlich. Sie bog um eine weitere Ecke und sah Mulder. Er kam gerade aus einer Tür als er sie erblickte. Sie richtete sich auf, wollte nicht, dass Mulder ihre Wunde sah, sie mussten den Jungen finden, das könnten sie nicht wenn er sich um sie sorgte.

„Er ist hier Mulder!“, rief ihm Scully zu nachdem sie ein paar Schritte aufeinander zugegangen waren.

„Woher wissen sie das?“

„Ich weiß es einfach, Mulder“, behauptete Scully, sie konnte ja schlecht die Wahrheit sagen.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“ fragte er besorgt. Er hatte Scullys bleiche Gesichtsfarbe gesehen und machte sich jetzt etwas Sorgen.

„Ja, alles in Ordnung, mir geht es gut“, sagte sie ihren Standardsatz auf.

„Das sieht...“, fing Mulder an, wurde jedoch von ihr unterbrochen „Wir müssen den Jungen finden“, sagte sie energisch.

„Er ist nicht hier, ich habe einen Zettel gefunden“, sagte Mulder nach kurzem Zögern und hielt ihr einen Zettel hin.



Ihr seid zu spät.

Ich habe ihn immer noch.



Scully las den Zettel durch. ‚Verdammt, warum hatte sie ihrem Angreifer auch geglaubt?’ Ihr war kalt, sie fror. Sie wusste was das bedeutete, sie hatte Blut verloren, zu viel.

„Mulder, ich...“, fing sie an, doch dann wurde ihr komisch, ihre Beine fühlten sich ganz wackelig an, ihr Blickfeld wurde eingeschränkt, es wurde immer kleiner. Dann war alles schwarz.

„Scully!“ Mulder schrie schon fast, er eilte zu ihr, hatte ihren Sturz nicht mehr verhindern können. Er kniete sich neben sie, strich ihr einige Strähnen aus dem Gesicht. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Außerdem war sie eiskalt. ‚Sie hat einen Schock’ begriff Mulder.

Schnell versuchte er die Ursache festzustellen, er fand sie auch schnell, ihre hellblaue Bluse die sie unter dem schwarzen Blazer trug, hatte sich dunkelrot gefärbt, auch ihre Finger waren blutig. Wie hatte er das vorhin nicht sehen können? Noch immer blutete die Wunde stark, also zog er sein Jackett aus und drückte es auf die Wunde. Sie musste so schnell es ging in ein Krankenhaus.

‚Verdammt, warum hatte sie nichts gesagt?’

Vorsichtig, um die Wunde nicht zu berühren, nahm er sie auf den Arm. Er musste aus dieser Halle raus und einen Krankenwagen rufen.

Er trug sie so schnell es ging nach draußen. Draußen angekommen legte er sie vorsichtig auf den Boden. Dann suchte er so schnell es ging nach seinem Handy um den Notarzt zu verständigen. Jetzt hieß es warten, er legte Scully flach auf den Boden, nur die Beine hielt er hoch. Mehr konnte er im Moment nicht für sie tun, er sprach noch beruhigend auf sie ein, glaubte aber nicht, dass sie ihn hörte.
Die anderen beiden Agents waren noch nicht aus der Halle gekommen ‚Vielleicht sind sie tot?’, überlegte Mulder, immerhin hatte der Entführer auch Scully angegriffen, warum also nicht auch die anderen wenn sie ihm begegnet waren?
Es schien ihm wie eine Ewigkeit, bis er die Lichter sah und die Sirene des Krankenwagens hörte. Sein Jackett war schon ganz vollgesogen mit Scullys Blut.
Zwei Männer stiegen aus dem Wagen aus und rannten mit einer Trage auf sie zu. Schnell verschafften sie sich einen Blick über Scullys Verletzung und hievten sie dann auf die Trage.
„Wollen sie mitkommen?“, fragte einer der beiden im Laufen.
„Ja“, sagte Mulder und stieg ebenfalls in das Fahrzeug.
Die Türen waren gerade zu, da fuhr der Wagen auch schon los.
„Wird sie es schaffen?“, fragte Mulder unsicher, er war sich nicht sicher ob er eine Antwort haben wollte, vielleicht würde diese ihm nicht gefallen.
„Sie hat ziemlich viel Blut verloren“, wich der Sanitäter aus.
„Was heißt das?“, hakte Mulder nach.
„Ich weiß nicht, ob sie es schaffen wird, Sir. Die Sauerstoffmaske versorgt sie mit zusätzlichem Sauerstoff und im Krankenhaus muss sie sofort operiert werden, alles Weitere hängt davon ab wie stark sie ist“, gab der andere Auskunft.
Mulder konnte nur nicken, er sah zu der Frau auf der Trage hinunter. Sie war so wunderschön, jetzt, in diesem Moment kämpfte sie um ihr Leben. Wie oft hatte sie das schon tun müssen? Wenn sie es nicht schaffen würde... er würde es nicht überleben, er würde daran zu Grunde gehen. Er liebte sie so sehr, aber noch nie hatte er es ihr gesagt, was wenn er jetzt nie die Chance dazu bekommen würde?



Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass sie schon am Krankenhaus waren. Der Wagen stoppte und die Sanitäter stiegen aus und schoben Scully ebenfalls raus. Mulder kam hinterher. Sie wurde schnell in die Notaufnahme geschoben, dort war schon ein OP-Raum vorbereitet worden.

Mulder musste draußen bleiben, erschöpft ließ er sich auf einen der vielen Plastikstühle fallen. Jetzt hieß es warten.

Nach einiger Zeit stand er wieder auf, er musste Skinner und Mrs. Scully informieren. Außerdem brauchte er einen Kaffee.



Er brauchte nicht lange um ein Telefon zu finden, die hingen überall rum. Er schmiss ein bisschen Kleingeld rein und wählte die Nummer von Scullys Mum. Ob es an seinem fotografischen Gedächtnis lag oder aber an der Tatsache, dass er die Nummer schon zu oft gewählt hatte und sie darum auswendig konnte, wollte er gar nicht wissen. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.

Er ließ es eine ganze Weile klingeln, aber es ging niemand ran. ‚Bestimmt ist sie einkaufen oder bei einer Nachbarin’, überlegte Mulder.

Bei Skinner hingegen nahm schon nach dem 3. Klingeln jemand ab. Allerdings seine Sekretärin, die ihm mitteilte, dass der Assistant Director schon auf dem Weg war.

Also holte er sich einen Kaffee aus dem Automaten um die Ecke und ging zum Warteraum vor dem OP-Raum zurück.

Ungeduldig warf er einen Blick auf die Uhr, sie war erst eine Stunde da drinnen. Für eine OP war das nicht viel. Er beschloss die nächste Schwester die ihm über den Weg lief zu fragen, wie ihr Zustand sei.

Gerade als er es nicht mehr aushielt und eine Schwester suchen wollte kam der AD um die Ecke. Er sah ernst aus, wie immer, aber da war noch etwas anderes, Sorge. Er sorgte sich um Scully.

Er lief geradewegs auf seinen Agenten zu und blieb dann vor ihm stehen.

„Was ist passiert?“, forderte er ihn auf zu erzählen.

„Ich weiß es nicht Sir, wir hatten uns aufgeteilt um schneller voran zu kommen. Nach einer Weile kam sie, sagte, dass der Junge noch dort sei. Sie sah blass aus und ich fragte ob alles okay sei, sie versicherte mir, dass alles in Ordnung war und dann zeigte ich ihr diesen Zettel“, erzählte Mulder und zeigte Skinner den Zettel den er gefunden hatte.

„Dann brach sie zusammen, ich habe sie raus getragen und einen Krankenwagen angefordert“, endete Mulder.

„Sie wird momentan operiert, sie hat eine Stichverletzung am Bauch“, erklärte er dann noch.

„Ich werde den Zettel mitnehmen und untersuchen lassen. Vielleicht finden wir Fingerabdrücke oder sonst etwas das uns weiterbringt“, meinte Skinner und nahm den Zettel an sich.

„Sir“, fing Mulder an „ich habe vorhin versucht Mrs. Scully zu erreichen, aber es ging niemand ans Telefon…“

„Ich kümmere mich darum Mulder“, versicherte der Assistant Director.

„Ich werde später nach Scully sehen. Auf Wiedersehen Mulder“, verabschiedete sich Skinner.

Der Special Agent nickte nur. Er suchte eine Schwester, die ihm Auskunft über Scullys Zustand geben könnte, er fand auch eine, allerdings meinte diese, er solle sich noch etwas gedulden, es würde nicht mehr allzu lange dauern.

Widerwillig setzte sich Mulder wieder hin.

Es kam ihm vor wie Stunden, bis ein älterer Arzt mit grauen Haaren und Brille, aus dem Raum heraus kam und auf ihn zukam.

„Agent Mulder?“, fragte er.

„Ja, wie geht es Scully?“

„Sie hat die OP gut überstanden, wir haben sie in ein Einzelzimmer verlegt, wenn sie wollen können sie zu ihr. Aber sie darf sich nicht aufregen, ihre Verletzungen waren gefährlich, aber sie ist stark, sie hat gekämpft“, erklärte der Arzt die Situation.

Mulder atmete erleichtert aus. Es ging ihr gut, zumindest den Umständen entsprechend.

„Welches Zimmer?“

„210, im 3. Stockwerk. Sie schläft aber noch“, gab der Arzt Auskunft.

Mulder bedankte sich und machte sich auf den Weg. Schnell hatte er das Zimmer gefunden und trat leise ein. Da lag sie, eine Maschine die ihre Herzfunktionen überwachte und eine Infusion an ihrem rechten Handgelenk.

Er ging zu ihr, nahm sich einen Stuhl der an der Wand stand und stellte ihn neben sie. Vorsichtig, als wäre sie zerbrechlich, nahm er ihre Hand in seine, strich beruhigend darüber und schaute sie an.

Nach einer Weile, begannen ihre Augenlider zu flattern und sie öffnete langsam ihre Augen.

„Scully?“, fragte Mulder zärtlich.

Ganz langsam drehte sie ihren Kopf in die Richtung aus der sie die Person die ihren Namen rief vermutete. Sie brauchte einen Moment bis sich ihre Augen wieder an das Licht gewöhnt hatten und sagte dann mit rauer Stimme: „Mulder?“

„Ja. Wie geht es Ihnen?“, fragte er immer noch ganz leise und zärtlich.

Sie schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

„Ganz gut, schätze ich. Können Sie mir etwas zu trinken holen?“, fragte sie.

Mulder nickte und stand auf, holte ein Glas und eine Wasserflasche. Er schenkte ein und half ihr vorsichtig in eine sitzende Position. Scully verzog schmerzvoll das Gesicht. Dann hob er das Glas vorsichtig an ihre Lippen, so dass sie ein paar Schlucke trinken konnte.

„Danke“, sagte sie, ihre Stimme nun schon wieder weicher.

Mulder blieb noch eine Weile bei ihr und ging dann, mit dem Versprechen, sie morgen wieder zu besuchen.



Als er am nächsten Morgen wieder aufstand wurde ihm bewusst, dass er nicht sonderlich viel geschlafen hatte. Er hatte immer wieder denselben Alptraum gehabt. Scully wie sie angegriffen wird, mit einem Messer, wie sie zu ihm kommt, ihm nichts sagt und dann zusammenbricht. Anschließend verblutet sie in seinen Armen. Das letzte was sie zu ihm sagte, bevor sie ihre Augen für immer schloss war: „Warum hast du mich nicht beschützt Mulder? Warum muss ich sterben?“ Dann war er schweißgebadet aufgewacht. Er hatte den Traum ganze zwei Mal in der Nacht gehabt. Ein weiterer Alptraum, den er auf seiner Liste der sich ständig abwechselnden, quälenden Träume verbuchen konnte. ‚Wenigstens gibt’s Abwechslung’, dachte Mulder mit einem Anflug von trockenem Humor. Nachts allerdings, war daran gar nichts mehr lustig. Die Alpträume waren so real, man fühlte den Schmerz und das Schlimmste war, man konnte sie nicht vergessen, sie waren allgegenwärtig. Die schönen Träume wurden häufig schon bald wieder vergessen, doch an Alpträume erinnert man sich.



Da heute Samstag war, musste er nicht arbeiten und konnte so Scully im Krankenhaus besuchen. So wie er es versprochen hatte.



Als er an ihrem Zimmer angekommen war, klopfte er und wartete.

„Herein“ kam es von drinnen. Mulder ging herein und fand Scully in sitzender Position und mit einem neugierigen Blick auf ihn vor. ‚Wahrscheinlich freut sie sich über Ablenkung’, dachte er bei sich, er wusste wie langweilig es sein konnte, in einem Krankenhausbett zu liegen und nichts tun zu können. Die langweiligen weißen Wände, die immergleiche Einrichtung, die gar nichts Frohes an sich hatte.

Er überreichte ihr die mitgebrachten Blumen, Lilien. Sie nahm sie dankend an und schenkte ihm ein Lächeln. ‚Wie lieb von ihm mir Blumen mitzubringen’, dachte sie erfreut. Sie schien sich schon gut von der OP erholt zu haben. Zwar fühlte sie noch ein Stechen in ihrer Magengegend, aber sie hatte sich irgendwie daran gewöhnt. Außerdem bekam sie ja auch noch Schmerzmittel.

Sie roch an den Blumen und gab sie dann Mulder zurück, sie dürfte noch nicht aufstehen und die Blumen brauchten Wasser.

Nach einer Weile kam er mit einer Vase mit Wasser wieder und stellte diese samt den Blumen auf ihren Nachtisch. Dann nahm er sich den Stuhl vom Vortag und setzte sich.

„Und, wie geht es ihnen?“, fragte er in der Hoffnung eine ehrliche Antwort zu bekommen.

Scully überlegte einen Moment, sie war ganz nah dran gewesen ‚Es geht mir gut’ zu sagen, aber das wäre nicht fair. Er wusste, dass es nicht so war, außerdem hatte er nach all den Jahren in denen sie nun schon zusammenarbeiteten, die Wahrheit verdient, zumindest die, die sie ihm geben konnte.
„Ich spüre nur ein leichtes Stechen in der Magengegend, ich bekomme Schmerzmittel, deswegen ist es nur ein leichtes Stechen. Eigentlich geht es mir gut“, antwortete sie.
Er sah sie prüfend an und schenkte ihr dann ein Lächeln, sie hatte sich ihm geöffnet. Sie erwiderte sein Lächeln.
„Wann kommen sie hier wieder raus?“, fragte Mulder.
„Keine Ahnung, ich denke so in ein bis zwei Wochen. Die Ärzte wollen bestimmt noch ein paar Tests machen, Sie kennen das ja.“
Mulder nickte. Und ob er das kannte, er hatte schon oft genug im Krankenhaus gelegen, um das zu wissen.
„Werden sie am Montag einen neuen Fall untersuchen?“, fragte Scully ein bisschen wehmütig. Eigentlich wollte sie nicht, dass er ohne sie ermittelte, er brachte sich meistens in Gefahr und dann könnte sie ihn nicht beschützen. Außerdem würde ein neuer Fall ohne sie bedeuten, dass er sie nicht brauchte und das wollte sie nicht.
„Ich werde erst mal den anderen abschließen, der Junge ist noch nicht gefunden. Aber werden sie nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden sind, nicht noch ein paar Tage frei nehmen?“, fragte er erstaunt, er hielt es für besser, da ihre Verletzungen lebensbedrohlich gewesen waren und sie das nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.
„Nein, ich kann mich hier genug ausruhen“, sagte Scully. Noch länger ohne ihn würde sie nicht aushalten, auch wenn sie es nicht gerne zugab, aber sie hatte sich in ihn verliebt. Sie hatte keine Ahnung wann das geschehen war, aber es war passiert. Außerdem hatten sie bestimmt Arbeit.
Mulder sah sie an, wiedersprechen würde nichts bringen, das wusste er, deswegen ließ er es erst einmal ruhen.

Er blieb noch eine ganze Weile, musste dann aber gehen, da der Arzt noch einige Untersuchungen machen wollte. ‚Wahrscheinlich gehe ich ihr eh auf die Nerven’, dachte Mulder.

Zwei Wochen später
Scully ließ sich von ihrer Mutter abholen. Sie hatte sich selbst entlassen, die Ärzte wollten sie noch eine Woche da behalten, aber das würde sie nicht aushalten. Außerdem ging es ihr gut, sie war selbst Ärztin, sie wusste was sie sich zumuten konnte und was nicht. Ab Montag würde sie dann auch wieder anfangen zu arbeiten, Mulder war in den vergangenen zwei Wochen zwar fast jeden Tag bei ihr gewesen, aber das war etwas anderes. Sie brauchte Ablenkung von dem, was in dieser Lagerhalle passiert war. Durch die Arbeit würde sie das schaffen, da war sie sich ganz sicher. Eigentlich hatte sie Mulder bitten wollen sie abzuholen, aber er war heute bei einem UFO-Kongress oder sowas in der Art. Sie hatte nicht weiter nachgefragt, er hatte keine Zeit, also, warum weiter nachfragen? ‚UFOs waren nun mal wichtiger als ich’, dachte sie betrübt. Von Mulder hatte sie auch erfahren, dass der Fall mit dem Jungen noch immer nicht abgeschlossen war. Das FBI hatte jedoch die besten Agents auf den Fall angesetzt, da die Presse sich besonders gern auf Fälle mit entführten Kindern stürzte und das FBI wollte gut dastehen. Mulder wie Scully, sobald sie wieder anfing zu arbeiten, waren dem Fall ebenfalls zugeteilt und sollten diesem absolute Priorität geben.

So würden sie am Montag wieder voll im Einsatz sein. Mulder gefiel das zwar nicht, aber sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass das nicht zu diskutieren war, es war ihre Entscheidung und diese hatte er zu respektieren.

Margaret Scully brachte ihre Tochter heim. Sie bot an über Nacht da zu bleiben, das Angebot wurde jedoch fast sofort von ihrer Tochter ausgeschlagen. „Ich komme schon klar, Mum“, hatte sie gesagt. Wie immer wollte sie sich nicht helfen lassen, aber Margaret machte sich Sorgen. Ihrer Tochter schien es zwar physisch wieder relativ gut zu gehen, aber sie war so anders als sonst. Sie wusste nicht wie sie es beschreiben sollte, aber vielleicht war es auch nur auf ihre eigene Erschöpfung zurückzuführen. Nach dem Abendessen machte sich Scullys Mutter also wieder auf den Heimweg.

Scully hingegen nahm eine heiße Dusche und kuschelte sich dann in ihr Bett. Es war ein langer Tag gewesen und sie war müde.



Sie ging in ihr Büro, wie die vielen anderen Tage zuvor auch. Mulder war noch nicht da, also kochte sie sich einen Kaffee und setzte sich an Mulders Schreibtisch. Ablegen konnte man dort nichts mehr, obwohl mehr Ordnung als sonst herrschte. Dann stand sie noch mal auf um etwas zu holen, als sie auf einmal jemanden hinter sich spürte, sie versuchte sich umzudrehen, es ging aber nicht. Sie war wie gelähmt. Ihr Herz raste. Dann spürte sie einen unbeschreiblichen Schmerz und...... wachte schweißgebadet auf.



Sie saß kerzengerade in ihrem Bett. Ihr Puls raste und sie atmete schwer. ‚Ein Alptraum Dana, das war nur ein Alptraum’, versuchte sie sich zu beruhigen. Doch viel brachte es nicht. Sie wusste, dass das nicht nur ein Alptraum gewesen war. Es war passiert, wenn auch etwas anders. Sie warf einen flüchtigen Blick auf den Wecker. 04.55 Uhr zeigten die roten Ziffern ihres Weckers. Normalerweise wäre es noch lange nicht Zeit zum Aufstehen gewesen, doch nach diesem Traum, da war sie sich sicher, würde sie nicht mehr schlafen können. Also stand sie auf und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer. Sie sah noch eine Weile fern und schlief dabei auch wieder ein. Es war ein traumloser Schlaf, aber der kam ihr gerade recht.



Als sie gegen 10.30 Uhr wieder aufwachte tat ihr so ziemlich alles weh, sie hatte in einer ziemlich unbequemen Position geschlafen. Sie stand also auf und machte sich Frühstück und duschte anschließend. Den restlichen Tag verbrachte sie mit Lesen und etwas putzen; da die ganze Zeit in der sie ihm Krankenhaus gewesen war, sich jede Menge Staub angesammelt hatte. Kurz hatte sie auch überlegt Mulder anzurufen, hatte diesen Gedanken aber wieder relativ schnell verworfen, da er wahrscheinlich noch nicht zuhause war.



In dieser Nacht schlief sie ohne Alpträume und machte sich nach dem Frühstück auf den Weg ins FBI-Hauptquartier. Sie hatte Glück und kam zur Abwechslung mal in keinen Stau.

Sie war vor Mulder im Büro und schaute sich ein wenig um. Mulder hatte es geschafft in den zwei Wochen in denen sie nicht da gewesen war, etwas aufzuräumen. Nicht viel, aber es hatte schon schlimmer ausgesehen.



Mulder kam auch im Büro an und sah wie Scully ihr gemeinsames Büro musterte. Er hatte für sie ‚aufgeräumt’. Leise schlich er sich an sie ran. Er wollte sie überraschen, mit ihrer Reaktion hatte er allerdings nicht gerechnet. Sie zuckte stark zusammen und zog die Luft scharf in ihre Lungen. Dann drehte sie sich blitzschnell um und schon spürte er ihre Faust im Gesicht. Er hatte keine Chance gehabt ihr auszuweichen.



Scully spürte wie sich ihr jemand näherte, sie erinnerte sich an ihren Traum und ihr schnürte sich der Hals zu. Obwohl sie etwas vorgewarnt war, zuckte sie zusammen und zog scharf die Luft ein. Reflexartig drehte sie sich um und schlug ihren ‚Angreifer’ ins Gesicht. Im Gegensatz zu ihrem Traum konnte sie sich jetzt wehren. Zu spät hatte sie erkannt, dass es bloß Mulder gewesen war.



„Oh Gott“, entfuhr es ihr. Das hatte sie nicht gewollt. Sofort kniete sie sich zu Mulder herunter, da er sich auf den Boden hatte gleiten lassen. Scully hatte einen verdammt kräftigen Schlag gehabt.

„Es tut mir leid Mulder, das wollte ich nicht, ich dachte... ich dachte Sie wollten mich angreifen, ich habe Sie nicht erkannt. Ich... es tut mir Leid“, entschuldigte sich Scully.

„Schon gut“, brachte Mulder hervor, „Ich hätte mich nicht so anschleichen dürfen.“

„Es ist nichts gebrochen“, stellte Mulder fest nachdem er seine Nase abgetastet hatte.



Scully hatte ihm in der Zwischenzeit einen Kühlbeutel besorgt.

„Haben Sie den jetzt aus der Leichenhalle geklaut?“, versuchte Mulder zu spaßen.

Scully lächelte leicht „Nein, ausnahmsweise nicht.“



Mulder richtete sich wieder auf und nach ein paar Minuten entledigte er sich des Eisbeutels. ‚Das gibt einen ganz schönen blauen Fleck’, dachte er. ‚Warum ist sie so erschrocken? Das ist doch sonst nicht ihre Art’. Er beschloss sie ein anderes Mal danach zu fragen, im Moment würde sie ihm bestimmt wieder ausweichen.



„Gibt es Neuigkeiten über den Jungen?“, fragte Scully.

„Nicht direkt, das FBI hat einen Hinweis bekommen, da der ganze Fall an die Presse gegangen ist. Wir sollen überprüfen ob was dran ist. Deswegen bin ich auch etwas später gekommen, ich habe uns noch die Flugtickets besorgt.“

Innerlich stöhnte Scully etwas auf, sie wollte ja Ablenkung, jetzt bekam sie sie. „Wohin?“, fragte sie nur.

„Nicht weit weg, wir fliegen nach Georgia. Ich hab gehört da soll ausgezeichnetes Wetter sein.“

„Na gut, ich hab ja keine andere Wahl. Wann geht’s los?“

„Heute um 14.00 Uhr, wenn sie wollen hole ich sie um 12.30 Uhr ab. Dann können sie noch in Ruhe Ihre Koffer packen. Skinner war so nett und hat uns vom Dienst freigestellt, zumindest bis heute Mittag.“

Scully nickte nur und machte sich dann wieder auf den Heimweg.



Dasselbe tat auch Mulder, nachdem er sich noch eine Akte aus dem Büro geholt hatte. Irgendwas war anders an Scully, nur was? Sie schien ihm nicht besonders erfreut über die Reise nach Georgia zu sein. Aber eigentlich war sie das nie. Für gewöhnlich versuchte sie ihm die Reise immer auszureden, aber in diesem Fall... ‚Wahrscheinlich will sie diesen Jungen retten, genau wie ich.’

In seinem Apartment angekommen, suchte er sich einen kleinen Koffer in den er seine Sachen verstauen konnte. Anzüge, Unterwäsche, Socken, Hemden, Rasierzeug und solche Sachen packte er alles ein. Im Gegensatz zu Scully die ihre Kleider immer feinsäuberlich zusammenlegte, schmiss er seine einfach in den Koffer. Nur die Anzüge versuchte er einigermaßen zu falten, sodass sie nicht ganz so verknittert aussahen.

Anschließend machte er sich eine Kleinigkeit zu essen und duschte noch schnell. Dann war es auch schon Zeit zu Scully zu fahren, wenn er nicht zu spät kommen wollte.



Gemeinsam fuhren sie an den Dulles Airport. Dort unterzogen sie sich den Sicherheitskontrollen und durften dann anschließend ins Flugzeug.

Er überließ Scully den Fensterplatz. Sie hatten die ganze Fahrt nicht viel miteinander gesprochen, das war zwar nichts Ungewöhnliches, aber diesmal war es anders.



Nachdem sie schon einige Zeit in der Luft waren, sah Scully zu Mulder hinüber. Er hatte sich, soweit es ihm möglich war, bequem hingesetzt. Er schlief. ‚Warum kann er überall schlafen aber ich nicht?’, fragte sich Scully.

Sie beobachtete ihn eine Weile und schloss dann auch die Augen. Dana wollte versuchen zu schlafen und irgendwie klappte das auch.



Nach einer Weile öffnete Mulder seine Augen wieder, er hatte nicht geschlafen. Aber er wollte es sie nicht wissen lassen, er hatte ihre Blicke gespürt, wie sie ihn beobachtet hatte. Doch dann war er irgendwann doch kurz eingedöst. Jetzt musterte er sie, wie sie schlief. Die Augen geschlossen und den Mund ganz leicht geöffnet. Sie sah friedlich aus und so wendete er seinen Blick wieder ab, auch wenn es ihm schwer viel.

Es würde noch circa 25 Minuten dauern bis sie landen würden. Er veränderte seine Position, da ihm sein Bein eingeschlafen war. Als er es bewegte schien es wie tausend kleine Nadelstiche. Es war unangenehm.

In Gedanken war er bei dem Fall, er hoffte dass dieser Tipp sie zu dem Jungen führen würde. Der Junge war jetzt schon seit 4 Wochen in der Gewalt der Entführer. Sie mussten ihn finden.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm er wahr, dass Scully unruhig wurde. Sie rutschte in ihrem Sitz hin und her und atmete nicht mehr ruhig und gleichmäßig wie zuvor, sondern ungleichmäßig.

Er beschloss sie zu wecken. Leicht rüttelte er an ihrem Arm und flüsterte dabei ihren Namen. Nachdem sie nicht darauf reagierte, sprach er ihren Namen lauter und rüttelte etwas fester. Mit einem Ruck öffnete sie die Augen und sah sich um.

„Sie haben geträumt“, versuchte Mulder Scully etwas Orientierung zu verschaffen, da sie anscheinend nicht wusste was geschehen war.



Die Agentin versuchte sich wieder etwas zu beruhigen, sie wusste nicht mehr genau was sie geträumt hatte, die Erinnerungen verblassten mit jedem Atemzug den sie tat.

Als sie sich wieder beruhigt hatte drehte sie sich zu Mulder „Danke, dass Sie mich geweckt haben“.

„Kein Problem“, antwortete er. Er bohrte nicht weiter, spürte, dass sie jetzt ihre Ruhe haben wollte.



Bis zur Landung hing dann jeder seinen eigenen Gedanken nach.



Auch auf dem Weg ins Hotel sprachen beide nur das Nötigste miteinander, jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.

Im Motel sagten sie sich „Gute Nacht“ und jeder ging in sein Zimmer.

Scully sah sich prüfend um. Ein Bett, eine kleine Kommode, ein Tisch, zwei Stühle, das Bad mit Dusche, Toilette und einem kleinen Waschbecken. Außerdem besaß dieses Zimmer eine Verbindungstür, die zu Mulders Zimmer führte.

Ihren Koffer stellte sie in eine Ecke, öffnete ihn und holte die Sachen, die sie für heute Nacht brauchen würde heraus. Sie wollte sich nicht die Mühe machen alles in die kleine Kommode zu räumen, so wie sie Mulder kannte, konnte es sein, dass er schon morgen früh etwas neues gefunden hatten wo sie unbedingt hin mussten.

Eigentlich hatte sie noch duschen wollen, aber sie war auf einmal unglaublich müde. So ging sie nur in das kleine Bad, putzte sich die Zähne und machte sich bettfertig. Und schon kroch sie in das für sie allein, ziemlich große Motelzimmerbett. Fast sofort schlief sie ein.

Mulder unterdessen, dachte noch lange nicht ans Schlafen. Er hatte sich zwar bequemere Sachen angezogen und lag auf dem Bett, aber er hatte die Akte von ihrem Fall in den Händen und las diese konzentriert durch. Er hoffte etwas zu finden, das ihnen helfen würde. Doch er fand einfach nichts. Er wusste nicht wirklich, ob er noch daran glauben sollte, dass der Junge paranormale Fähigkeiten besaß. Er wusste nur eines: sie mussten diesen Jungen finden. Wer auch immer ihn entführt hatte, hatte dies eventuell in dem Glauben getan, der Junge verfüge über außergewöhnliche Kräfte. Wenn er oder sie herausfand, dass dies nicht so war, könnte der Junge sich in einer noch größeren Gefahr befinden.

Er sah sich auch die Akten der Eltern durch, beide hatten weder Vorstrafen noch sonstige Auffälligkeiten. Ein ganz normales Ehepaar. Er würde wohl nie so normal sein, nie eine normale Arbeit haben. Aber für eine Frau wäre er bereit alles zu tun. Er würde sein Leben für ihres geben. Diese Frau, schlief wie jeder normale Mensch zu dieser Zeit, nur ein Zimmer neben ihm. Noch etwas das an ihm nicht normal war. Früher war er ein Langschläfer gewesen, doch dann hatte man seine Schwester entführt. Von da an hatte er Alpträume. Er versuchte so wenig wie möglich zu schlafen, um ihnen zu entkommen. Weder seine Mutter noch sein Vater schienen sich um seine Qualen, die er seit Samanthas Verschwinden ertragen musste, zu kümmern. ‚Sie gaben mir damals die Schuld, wahrscheinlich tun sie es noch heute. Ich war bei ihr gewesen und hatte sie nicht beschützt’, dachte er. Noch eine ganze Weile dachte er über verschiedene Dinge in seinem Leben nach, über Scully und letztendlich über sich selbst. ‚Was wäre gewesen, wenn...’, überlegte er immer wieder, obwohl ihm durchaus bewusst war, dass es sinnlos war.

Er wurde von einem leisen Klopfen geweckt. Mulder machte sich erst gar nicht die Mühe zu fragen wer da war, schließlich war Scully die einzige die im Zimmer neben ihm war. „Herein“, rief er nur.

Die Tür wurde geöffnet und wie erwartet kam Scully zum Vorschein.

„Ich weiß wo der Junge ist“, sagte sie nur.

Er hatte sie wohl ziemlich komisch angeschaut, da sie anfing zu erklären: „Er ist in einem Haus, im Wellspringdrive 16 in dieser Stadt. Wir müssen dort sofort hin, der Junge ist in Gefahr.“

„Woher wissen Sie das?“, fragte ihr Partner.

„Reicht es nicht, dass ich es weiß?“, wollte sie wissen. Mulder würde ihr das nicht glauben, obwohl er so ziemlich alles glaubte und sie glaubte es ja selbst nicht so richtig.

Nachdem er nichts sagte, sondern sie nur weiter durchdringend anstarrte, gab sie auf.

„Ich habe es geträumt“, gab sie zu.

„Sie haben es geträumt?“ Zur Abwechslung wurde sie mal skeptisch von ihm angestarrt.

„Ja, Mulder, ich habe es geträumt. Aber ist es nicht so, dass Sie auch schon mal so was gehabt hatten? Damals, als Sie glaubten, den Mörder ihrer Schwester gefunden zu haben? Wo sie in Ihren Träumen die ‚Gräber’ der Mädchen gesehen haben? Außerdem hören Sie auch immer auf ihr Gefühl, jetzt mache ich das auch mal... Bitte Mulder.“ Sie konnte es ihm nicht verübeln, dass er es ihr nicht glaubte, immerhin hatte sie eine halbe Stunde im Bett gelegen, bevor sie sich entschieden hatte zu ihm zu gehen. Sie hatte darüber nachgedacht.

Fox Mulder schien einen Moment zu überlegen, dann nickte er „Machen wir uns fertig, in 10 Minuten am Auto, okay?“ fragte er.

Sie warf ihm im Gehen ein flüchtiges „Ok“ zu und war dann schon in ihrem Zimmer verschwunden. Sie zog sich ihre Kleider an, prüfte ihre Waffe und steckte zur Sicherheit noch ein zusätzliches Magazin ein. Man konnte nie wissen, außerdem war Vorsicht ja bekanntlich besser als Nachsicht.

Als sie fertig war machte sie sich auf den Weg zum Auto, wo Mulder schon wartete.

Beide stiegen ein und fuhren los.

Mulder fuhr, weil er angeblich den Weg kannte. Scully hatte nicht weiter nachgefragt, im Moment war es ihr egal.

Sie parkten ein paar Häuser vor dem eigentlichen Haus, in dem der Junge sein sollte. ‚Was wenn da niemand ist? Oder jemand der mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte?’, fragte sie sich. ‚Wie soll ich das erklären?’ Von außen sah man nichts auffälliges, ein ganz gewöhnliches Haus, wie die anderen in dieser Straße auch. Im Gegensatz zu denen, brannte in diesem jedoch Licht. In der obersten Etage im zweiten Fenster. Da mussten sie hin und sie hatten nur eine Chance.

Mulder sah seine Partnerin prüfend an. Er erinnerte sich noch allzu gut an den Haken den sie ihm im Büro verpasst hatte. War sie wirklich schon bereit für so was?

Sie schien seine Blicke gespürt zu haben, da sie sich zu ihm drehte und ihn fragend ansah. Als er nichts sagte, fragte sie: „Was ist?“, es klang etwas bissig, sie war angespannt.

„Halten Sie das für eine gute Idee?“ Als sie ihn nur weiter ansah, versuchte er zu erklären was er meinte: „Ich meine da drin wird es dunkel sein, wie in der Lagerhalle. Jemand könnte sie überraschen, so wie ich heute Morgen im Büro.“ Ich habe mich bereits entschuldigt, es war ein Versehen“, unterbrach sie ihn unsanft. Ohne auf ihren Kommentar einzugehen sprach er weiter: „Denken Sie, Sie sind schon soweit?“

„Es ist mein Job, Mulder, und ich werde ihn erledigen!“ Ihre Stimme hatte jetzt nichts mehr von dem bissigen Ton von Sekunden zuvor. Sie klang fest, auch wenn sie sich in ihrem Inneren nicht so sicher war. Doch das musste sie ausblenden.

Demonstrativ stieg sie aus und lief auf das Haus zu. Sie versuchte sich dabei immer im Schatten zuhalten und nicht unter den Lampen durchzulaufen. Mulder tat es ihr gleich.

An der Haustür angekommen bemerkten sie, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Wurden sie bereits erwartet?

Sie zogen ihre Waffen und gingen leise ins Haus. Mit einem Handzeichen gaben sie sich zu verstehen, dass Scully nach oben ging und dort nachsehen würde, während Mulder vorsichtshalber unten nachsah.

So leise wie es ging schlich sich Scully die Treppe hoch. Ihr Herz schlug heftig und sie schwitzte, jedes noch so kleine Geräusch ließ sie zusammenzucken. ‚Hatte Mulder recht gehabt? Bin ich noch nicht soweit?’, überlegte sie. Sie versuchte ihre Aufmerksamkeit und Konzentration auf ihre Aufgabe zu richten, aber es gelang ihr nicht ganz. Die SigSauer in ihrer Hand wurde rutschig, ihre Hände waren nass. Ein Angreifer hätte leichtes Spiel.

Dann endlich hatte sie das Stockwerk erreicht in dem sie vorher Licht gesehen hatten. Sie atmete noch mal durch und ging dann auf die geschlossene Tür zu, unter der man einen Lichtschein erkennen konnte. Sie öffnete die Tür ruckartig und zielte mit der Waffe in das Zimmer. Am anderen Ende des Zimmers, neben dem Fenster, stand ein etwa 40-jähriger, großer und durchtrainierter Mann. Er hatte eine Glatze. In seiner Hand hielt er ein Messer, welches er an den Hals von Tony hielt, er hielt den Jungen wie ein Schutzschild vor sich. Stumm liefen dem kleinen die Tränen die Wangen hinunter, die Augen waren vor Angst weit aufgerissen und er zitterte am ganzen Leib. Der Mann sah Scully an. Sie war wie gelähmt.

„Haben sie sich wieder erholt?“, fragte er mit einem Grinsen. Scheinbar erwartete er gar keine Antwort, da er gleich weitersprach: „Na ja, auf jeden Fall sind Sie diesmal zu spät gekommen.“ Bevor Scully begriff was passierte hatte der Entführer dem Jungen die Kehle aufgeschnitten.

„Nein!!!!“ schrie Scully, die nun aus ihrer Starre erwacht war. Sie richtete die Waffe auf den Mann, hörte ein: „Sie sind schuld“ und drückte ab. Sie wusste nicht ob sie getroffen hatte, aber der Mann war weg. Schnell lief sie zu dem kleinen Tony.

Er lag in einer Blutlache, überall Blut. Sie kniete sich neben den Jungen und nahm ihn in den Arm. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie nichts mehr tun konnte, er war tot, dieser kleine unschuldige Junge, gerade 5 Jahre alt, war ermordet worden und es war ihre Schuld. Sie zog ihren Blazer aus und drückte ihn auf den blutüberströmten Hals des Opfers.

Sie hätte gleich schießen müssen, sie hätte gleich herkommen müssen nachdem sie den Traum hatte. „Nein“, flüsterte sie immer wieder, er durfte nicht tot sein.

Mulder, von den Schüssen alarmiert, rannte die Treppen hoch. Im Zimmer angekommen, fand er Scully auf dem Boden sitzend, den Rücken ihm zugewandt, vor.

Sie flüsterte irgendwas, dass er nicht verstehen konnte. Vorsichtig um sie nicht zu erschrecken, rief er ihren Namen. Doch sie reagierte nicht. Er ging weiter auf sie zu und sah die Blutlache, die sich gebildet hatte. Sie hatte den Jungen im Arm, er war tot, dieser Bastard hatte ihm die Kehle aufgeschlitzt. Scully versuchte die Blutung mit ihrem Blazer zu stoppen, aber es war zu spät, sie konnte nichts mehr tun.

Er kniete sich neben Scully, er musste sie hier wegbringen. Leicht schüttelte er sie, doch sie reagierte immer noch nicht. Vorsichtig nahm er ihre Hände, die sie um den Jungen geschlungen hatte, sie waren eiskalt. Sie musste hier weg, er nahm den leblosen Körper aus ihren Händen und legte ihn beiseite. Sie ließ es geschehen.

Der Special Agent zog Scully hoch, sie schien überhaupt nichts mitzubekommen, ihre Augen waren leer. Während er mit ihr zur Treppe ging, rief er einen Notarzt und das FBI.

Unten angekommen, setzte er sie auf einen Stuhl, sie war noch immer eiskalt, also zog er sein Jackett aus und legte es ihr um. Sie musste warm bleiben, es würde noch ein bisschen dauern bis der Notarzt hier eintraf. Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hände in seine, sprach beruhigende Worte. Sie schien ich nicht wahrzunehmen. ‚Was war da oben passiert, das sie so sehr aus der Bahn geworfen hatte?’, fragte er sich. Er wusste, dass es ihr sehr wichtig gewesen war, dass sie den Jungen fand und jetzt da er ermordet worden war...

Würde sie das verkraften können? Würde sie sich wieder vor ihm verschließen? Wie so oft, niemanden an sich heranlassen?




Fortsetzung folgt…
PS: Wenn ich genügend Feedback bekomme, schreibe ich weiter ;)
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