World of X

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You'll never walk alone

von Kjaelle

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Monica Reyes lächelte still, als der kleine William, den sie auf dem Arm hatte, auf einmal anfing an ihren Haaren zu ziehen, die so verlockend über seinen Händchen hangen. Schnell zog sie ihre Haare nach hinten und schaute in Richtung Küche, da dort Scully gerade dabei war Tee zu kochen und Monica wusste, dass sie eventuell noch viel zu bereden hatten, obwohl eigentlich schon alles gesagt war, was gesagt werden sollte, doch da war noch mehr, denn sie konnte nicht glauben, dass Scully wirklich dachte, dass der Gott, so wie die Menschheit sich ihn vorstelle, in Wirklichkeit nur ein paar dahergelaufene Außerirdische waren, die die Menschheit als ihren Spielball benutzte. Das konnte sie doch nicht wirkliche glauben, aber letztlich wusste Monica nicht, ob Scully überhaupt noch an etwas glaubte, da sie zu viele Dinge gesehen hatte, die sich gegenseitig widerlegten. Wie schwer mochte das sein? Wie schwer war es für sie noch irgendetwas zu glauben? Monica konnte ein bisschen der Vorstellung erhaschen, wie es wohl war, wen man an nichts mehr glaubte, aber nachempfinden konnte sie es nicht. Nein, das war zuviel verlangt. Da trat Scully wieder ins Wohnzimmer und lächelte Monica etwas müde an, auch wenn sie sich freute, dass sie da war, war es dennoch sehr, sehr viel für sie gewesen, das, was in den letzten Tagen passiert war, hatte sie sehr mitgenommen. Das Netz der Lügen und der Intrigen, das sie immer enger umspannte und ihr fast du Luft zum Atmen nahm. Das ihr hatte erklären wollen, dass Mulder tot war, was er aber nicht ist. Die ganze Verwirrung um ihren Sohn, die sie auf jedem Schritt begleitete. Doch dann lächelte sie wieder und setzte sich zu Monica, das Tablett mit den Teetassen und der Kanne auf den Tisch stellend. Sie schaute Monica aus ihren großen blauen Augen an, Augen, sie soviel Trauer und Schmerz in sich trugen, ihre Hände in ihren Schoß legend, senkte sie ihren Kopf und verkniff sich ein bitteres Lachen. Reyes schüttelte den Kopf und dann hob sie den ihren wieder. „Es ist alles so verkehrt.“, murmelte sie leise, doch Monica verstand die an sie gerichteten Worte, die so verloren klangen. „Warum, Dana?“, fragte sie leise und William schaute seine Mutter auch groß an. Scully schüttelte den Kopf, „Ich verstehe diese Welt nicht mehr, aber das brauche ich Ihnen jawohl nicht zu erklären.“, meinte sie resignierend und blickte zu William, der sich auf Monicas Arm wohl zu fühlen schien. Scully schaute verloren in Richtung des Fensters und klammere sich an der Sofalehne fest. „Als Kind habe ich geglaubt, dass es wirklich einen Gott gibt, der uns bewacht und darauf aufpasst, dass uns nichts passiert, ich habe geglaubt, dass wir geborgen sind, in seiner Hand und dass mir nichts passieren kann solange ich nur fest genug glaube. Und jetzt? Ich meine, die gleiche Frage hat mich auch schon vor zwei Jahren beschäftig, ist es so, dass nichts mehr so ist, wie es scheint.“ Zögernd schaute sie zu Reyes auf, die sie besorgt musterte und dann schüttelte sie den Kopf, „Ja, ich weiß, dass sich das verrückt anhört.“ Doch Reyes war nicht bereit ihr zu sagen, dass alles wieder gut werden würde und dass sie ihren Glauben schon wieder finden würde, nein, sie war genauso betroffen von dem, was Scully gesagt hatte. Denn, auch wenn sie fest daran glaubte, dass es eine höhere Macht gibt, die vielleicht nur aus Energie besteht, aber dennoch da ist. Und die Möglichkeit, dass die ganze Menschheit seit vier Jahrtausenden einfach nur verarscht worden sein sollte, machte sie wütend und sehr, sehr, traurig zugleich. Ihre grün-braunen Augen fixierten Scullys und diese drückte ein paar Tränen aus den ihrigen, die sie nicht zulassen wollte, da es das auf eine komische Weise nicht Wert war. „Aber vielleicht gibt es doch einen Gott, Dana. Wir haben ihn dort gefunden und alle Menschen um ihn herum waren verbrannt.“ Scully nickte und hob ihren Sohn, den Monica freigab, zu sich auf den Schoß und strich ihm über den Kopf und er plapperte vor sich hin. „Und was ist, wenn das alles von den Außerirdischen, von den Göttern so abgesprochen war, dass er nicht sterben darf sondern weiterleben soll, wenn die genau wollten, dass wir ihn dort finden, um ihren Plan nicht zu verändern. Wenn es Absicht von „denen“ war, dass er überlebt hat?“ Monica schüttelte den Kopf, „Lassen wir das, wir werden jetzt keine Antwort dafür finden.“ Immer wieder liebkoste sie ihren Sohn und schwieg während sie wieder in die Ferne starrte, in eine andere Welt, die Welt ihrer Gedanken, der sie im Moment so schutzlos ausgeliefert war, denn etwas fehlte ihr, und was ihr fehlte, dass wusste Monica ganz genau, ihr fehlte der Halt, den sie die sieben Jahre zuvor immer vom Mulder erhalten hatte. Er war ihr Halt gewesen, jemand, der ihr gesagt hatte, dass das alles zwar da draußen vor sich ging, dass es aber auch Konstanten im Leben gibt und sie waren diese Konstanten füreinander gewesen. Aber nun versteckte er sich, um nicht getötet zu werden und ließ sie allein. Ja, sie kam zurecht, gut sogar, aber dennoch fehlte ihr jemand, der sie nicht einfach stehen ließ, wenn sie gerade einen Mann angeschossen hatte, der ihren Sohn hatte umbringen wollen. Reyes wusste allerdings gewiss, dass niemand Mulder ersetzen konnte und dass sie damit allein fertig werden musste. Monica schenkte den Tee ein und Scully lächelte wieder ein bisschen. „Zuerst müssen wir den Tatsachen ins Auge blicken, wir haben ihn gefunden und ich denke, dass das ist, was jetzt, in diesem Moment, zählt, was das ist, was zählt. Diese Lügen und die Wahrheit, der wir und besonders Sie so leidenschaftlich auf der Spur sind, das alles ist doch zweitrangig, wenn es um Menschenleben geht.“ Scully schüttelte den Kopf, „Früher haben wir alles für die Wahrheit gegeben. Ich bin mehr als einmal entführt worden und das alles nur wegen dieser unergründlichen Suche Mulders. Deswegen habe ich wahrscheinlich Krebs bekommen und deswegen wurde ich unfruchtbar.“, als sie diesen Satz aussprach, lächelte sie auf ihren Sohn hinab und schaute dann Reyes an, „Aber irgendwie wurde das dann doch alles rückgängig gemacht. Und auch Mulder hatte eine schwere Krankheit, die ihn das Leben gekostet hätte, wenn er nicht entführt worden wäre. Aber dennoch bereue ich es nicht, mir dieses Leben ausgesucht zu haben.“ Monica lächelte und ihre weißen Zähne blitzen kurz auf, dann legte sie eine Hand auf Scullys Schulter, „Sie müssen mir keine Rechenschaft ablegen, Dana, und Sie sind niemandem verpflichtet das zu tun.“ Scully nickte leicht und schloss für einen kurzen Moment lang ihre Augen. Sie ruhte in sich und wollte endlich wieder klar werden, ohne das Netz von Gedanken, dass sie umzingelte und voll in Anspruch nahm. „Ja, aber ich habe Angst davor, die Wahrheit über William zu finden. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn ich genau weiß, dass er irgendwie genmanipuliert ist und er wirklich hier ist um die Welt zu retten. Es ist so verdammt blasphemisch daran auch nur zu denken, denn ich bin weiß Gott nicht die heilige Mutter Maria, die bin ich nicht. Und wenn William, wie Agent Comer nun gesagt hat, eben der neue Messias ist, dann werde ich automatisch in die Rolle der heiligen Mutter gedrängt.“

Monica schüttelte den Kopf, „Ja, das stimmt, aber schmeichelt Ihnen der Vergleich nicht, ich meine betrachten Sie die ganze Geschichte doch mal objektiv, Dana; Mulder war tot, und er war wirklich tot, wir haben ihn begraben und nach drei Monaten taucht dieser Billy Miles auf und lebt, woraufhin Skinner Mulders Grab öffnen lässt und er lebt, auch wenn er ohne ihre Antivirenbehandlung wohl zu einem mutierten Supersoldaten geworden wäre. Ich meine nur, dass auch Mulder sozusagen wieder auferstand, auch wenn ich da keine Verbindung sehe, außer der offensichtlichen, dass er von den Toten wieder auferstand.“ Scully schüttelte den Kopf und das Entsetzen machte sich in ihren Augen breit. „Ja, aber Mulder ist erst nach drei Monaten wieder auferstanden und Jesus nach drei Tagen und außerdem ist das bei Mulder von den Außerirdischen verursacht worden und bei Jesus…“ Monica sprach ihren Satz weiter, „Kann man es nicht nachweisen, rein theoretisch wäre es sogar möglich, wenn man bedenkt, wie lange das Raumschiff an der Küste von Afrika schon lag. Das wäre nur der Gedanke des Bibeltextes auf dem Raumschiff weitergedacht, aber dennoch glaube ich es nicht.“ Tränen hatten sich in den Augen der beiden Frauen gebildet, die, wie ein Mosaik die Fakten zusammensetzten, die sie kannten. Sie wollten es nicht glauben und konnten es auch nicht, weil so alles, wirklich alles, was jemals erreicht worden war, in Frage gestellt wurde. Der Glauben und seine Auswirkungen. Der Krieg in Israel, wo schon seit tausend Jahren gestritten wurde, wem das Land wohl gehöre. Alles, was als wahr galt. „Und William, Dana? Ich möchte nur dass wir die Gedanken mal laut weiterdenken, auch wenn es weh tut. Weißt du wirklich, wie er gezeugt worden ist?“ Scully schaute sie weiter entsetzt an und sie zog William noch dichter zu sich heran, ihr war bewusst, dass Monica sie eben geduzt hatte, aber es war ihr recht, da in so einem Gespräch das Sie mit Sicherheit fehl am Platze gewesen wäre. Sie blickte Monica melancholisch an und küsste dann William Köpfchen. „Falls du jetzt eine definitive Antwort haben möchtest. Ja, wir hatten Sex und wir waren ein Paar und wenn ich gutgläubig bin, dann hat es dort geklappt, aber das kann ja eigentlich nicht sein. Also und Mulders Theorie wäre jetzt wahrscheinlich, dass ich, wenn unser Kind paranormale Kräfte hat, entführt wurde und dort mit einem modifizierten Embryo geschwängert wurde. Ich muss die Antwort auf diese Frage finden, auch wenn das an der Liebe zu meinem Sohn nichts ändern wird.“ Monica Reyes nickte und meinte dann angespannt, „Maria hatte eine unbefleckte Empfängnis. Aber lassen wir diesen Vergleich, das ist nicht gut, denn du hast Recht, auch wenn wird das noch so nüchtern betrachten, verletzen wir damit die Gefühle einer ganzen Religion und ich hoffe, bei Gott, dass das nicht wahr ist. Es darf nicht wahr sein.“ Scully nickte und William quakte auf ihrem Arm herum. „Ich glaube, dass hier jemand mal ganz schnell ins Bett muss, wartest du?“ Monica nickte, „Klar, ich bin doch fast die Patentante.“ Scully lächelte müde und meinte dann gelassen, „Nein, du bist doch die Patentante und das weißt du auch.“ Beide lächelten still und Scully brachte William ins Bett.

Ja, das, was Monica gesagt hatte stimmte schon so halbwegs, auch wenn dass ein ziemlicher Quervergleich war, denn man nie in der Öffentlichkeit anstellen durfte und der auch auf den ersten Blick sehr absurd war, aber beim näheren Hinsehen immer klarer wurde. Sie wusste das, aber wenn sie das jemanden anders als Monica, ihrer Freundin, erzählen würde, dann würde dieser jemand ihr den Kopf abreißen. Auch ihre Mutter würde ihre Tochter für diese Blasphemie schelten, aber dennoch, ein kleines Fünkchen Wahrheit war dran an der These.



Monica lächelte kurz und dann fuhr sie wieder in sich zusammen, das leuchtende Objekt, dass in der Nacht von Williams Geburt am Himmel gestanden hatte, direkt über dem Haus und, wenn sie wirklich so dachte, dann war dies, auch die biblische Geschichte übertragen, der Stern von Bethlehem, auch wenn es unmöglich war, dieses Detail sprach auch dafür, und diese ganze Theorie wurde immer komplexer. Was kommt noch?



Nach kurzer Zeit schlief William und sie kehrte ins Wohnzimmer zurück und Monica lächelte. Sie seufzte, als sie sich zurück aufs Sofa setzte und Monica schaute sie besorgt an. „Du vermisst ihn mehr, als du zugeben würdest, oder?“ Scully nickte kurz und guckte dann auf ihre Finger. „Ja, aber das ist es nicht. Es war schon immer so, dass sich anscheinend die ganze Welt gegen uns verschworen hatte, doch wir waren zusammen und ein Team, es hat uns nichts ausgemacht, aber nun habe ich das Gefühl allein zu sein, wenn ich, wie eben jetzt, William allein suchen will, weil ich keinem mehr traue.“ Monica Reyes schüttelte den Kopf, „Nein, Dana, das siehst du vollkommen falsch, ich weiß zwar nicht die Dinge, die du gesehen hast und ich kann deine Gedankengänge auch nicht immer nachvollziehen, aber dennoch bist du nicht allein, ich bin doch mitgekommen.“ Scully nickte leicht und schaute sie dann dankbar an, „Ja, wahrscheinlich hast du Recht, aber trotzdem.“ Monica zuckte mit den Schultern, „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man seinen Weg macht und dass man, wenn man nur die Augen aufmacht, immer jemanden hat, der einen auf einem Stück des Weges begeleitet. Bei manchen Menschen wechseln die Gefährten öfter und andere teilen ihr ganzes Leben. Aber dennoch ist man nie allein, wenn man die Augen öffnet.“



Laß warm und still die Kerze heute flammen,

die Du in unsre Dunkelheit gebracht,

führ, wenn es sein kann, uns wieder zusammen

Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.



(Aus „Von Guten Mächten“ Dietrich Bonhoeffer)



Fin
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