World of X

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Pregnant

von Eve

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Hübsche, bequeme, nobel ausgestattete Einzimmerwohnung, gut isoliert,

mit allem erdenklichen Komfort.



Eigenem Ein- und Ausgang, für den Zeitraum von 9 Monaten ab sofort an



Interessierte zu vermieten, ein Traumappartement mit vielen Möglichkeiten.



Jederzeit unverbindlich zu besichtigen.





******



Moment mal! Was geht hier eigentlich vor? Ich komme da jetzt wirklich nicht ganz mit, ich bin ziemlich verwirrt. Ich dachte mir, da kannst du ja mal vorbeischauen!



Einzimmerwohnung. Pah! Da wird eh keiner vorbeischauen! Weil ja jetzt jeder auf mehr Raum fixiert ist, um seine Individualität zu erweitern, und weil sich jeder zu modern vorkommt, als eine Einzimmerwohnung zu mieten, so habe ich mir gedacht.



Junge, Junge, da habe ich mich aber gewaltig getäuscht!



Ich werde vorwärtsgerissen wie aus einer Kanone geschossen. Meine Güte, hier geht es zu wie im Irrenhaus! Überall, wohin du auch schaust, ist da jemand, der es genau auf diese Wohnung abgesehen hat. Na klasse!



Hilfe! Alle anderen drängeln, schubsen und versuchen als erster anzukommen, aber die kennen mich nicht! Hah, denen werde ich’s zeigen. Ich gebe noch einmal alles. Volle Kraft voraus!



Und jaaa! Ich habe es geschafft, ich bin da.





****



Wir waren mindestens drei bis vierhundert Millionen potentielle Mieter, und wirklich jeder wollte der erste sein, aber eine Million nach der anderen fiel zurück.



Und schließlich blieb noch ein einzelner übrig. Der Winzling namens ICH. (Wenn Sie mich sehen wollen, dann müssen Sie sich schon ein Elektronenmikroskop besorgen. Ich bin nämlich, na ja, etwas klein).



Jetzt brauche ich nur noch mit der Hausverwaltung Kontakt aufnehmen, dann wird das mit dem Mietvertrag schon in Ordnung gehen.



Hoffe ich zumindest....





****





Yipiie, der Mietvertrag ist also unterschrieben. Vor ein paar Wochen habe ich mich mit der Hausverwaltung getroffen. Wie man sieht, war unser Gespräch sehr fruchtbar.





****



Wir mussten natürlich eine Unmenge von Formularen durcharbeiten. Was überaus stressig war, für so ein kleines Kerlchen wie mich. Aber das ist ja immer nötig, um eventuelle spätere Reibereien vorzubeugen.



Doppel- oder Mehrfachvermietung zum Beispiel.



Pah! Als würde ich so etwas machen. Wer bin ich denn?



Außerdem war die Frage mit dem weiblichen und männlichen Mieter auch noch zu klären. Doch zum Glück regelte sich das genauso schnell, da man sich da nur an das Kleingedruckte auf der zweiten Seite des Mietvertrages halten musste. Da stand das alles mit dem X- und Y-Chromosomen.



Jedenfalls sind diese Startprobleme gelöst. Und wie Sie sehen, bin ich bereits eingezogen. Und ich bin wirklich total glücklich darüber. Die neue Wohnung ist sehr gemütlich, auch wenn sie ziemlich groß für mich ist.



Aber mir wird schon etwas einfallen, um den vielen Platz optimal zu nutzen.



Schließlich bin ich gerade mal acht, neun Millimeter groß, und für diese Größe muss ich schon mogeln und mich auf die Zehen stellen.





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Hier kann man sich wirklich nur noch wundern.



Echt. Manche Leute sind schon wirklich komisch. Da wohne ich nun schon mehr als einen Monat hier und bin auch vollkommen legal eingezogen, und jetzt erst rennt meine Vermieterin zu einem Fachmann, um festzustellen, ob ich da bin oder nicht.



Natürlich bin ich da! Wo sollte ich denn sonst sein?



Der Fachmann (meine Vermieterin nennt ihn Herr Doktor) musste nicht viel mehr machen als einen Blut- und Urintest, um festzustellen, dass wirklich jemand eingezogen ist.



Er vermaß die ganze Wohnung und blickte sogar in den Korridor! Was der sich alles erlaubt?



Pah, ich habe ihn nicht einmal hereingebeten, und der schaut einfach mal so rein. Na, wenigstens hat er MICH in Ruhe gelassen. Was wohl auch das Klügste von ihm war, wenn ich mir das jetzt so überlege.



Dann lächelte er meine Vermieterin an und sagte:



„Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Es geschehen wohl doch noch Wunder!“



Womit er mich meinte. Aber, hey, ich bin doch kein Wunder!



Ich bin wirklich total legal, und keineswegs illegal oder sonst was in diese Wohnung gekommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich jemand entführt und hier ausgesetzt hat.



Na, auch gut. Ich kann ja mal ein Wörtchen mit diesem Fachmann reden. Doch das ist im Moment nicht so wichtig.



Denn nun habe ich also die offizielle Bestätigung eines Fachmannes, dass ich ein Recht auf meine Wohnung habe. Sie steht mir also wirklich voll und ganz zu. Nun gut, das wusste ich schon längst.



Übrigens weiß es jetzt auch der Mann meiner Vermieterin. Die beiden waren total verrückt, sprangen wie die Irren in der Wohnung herum, bis sie sich aufs Bett fallen ließen, und dort weiter machten.



Was sie genau machten, möchte ich hier lieber nicht verraten. Ich sage nur soviel, dass ich die Nacht über nicht geschlafen habe. Oder bzw. es einfach nicht konnte.





****





Okay, Sie können mich jetzt auslachen, aber was ich Ihnen jetzt mitzuteilen habe, habe ich mir wirklich sehr gut durchdacht!



Ich habe einen wichtigen Entschluss gefasst. Ich werde meine Vermieterin nicht mehr meine Vermieterin nennen, sondern Mami. Ich habe mir das wirklich äußert gut überlegt. Anfangs wusste ich nicht recht, ob ich sie Mami oder Papi nennen soll, aber irgendwie scheint es mir richtiger, sie Mami zu nennen, denn eben das ist sie, meine Mami, daran besteht kein Zweifel, und deshalb werde ich sie ab sofort so nennen.



Meinen Papi werde ich dann logischerweise auch Papi nennen, weil er mein Papi ist, obwohl ich ihn eigentlich weniger kenne, als ich schon meine Mami kenne. Sie können mich darin vielleicht nicht verstehen, vielleicht versteht die Mami mich nicht ganz, und vielleicht verstehe ich mich selbst nicht.



Ich bin noch so winzig klein!



Richtig zu Hause fühle ich mich auch noch nicht, aber soviel ist sicher.



Mami ist Mami!





****



Mit der Mami ist es irgendwie sonderbar. Ganz zu Anfang, als ich gerade erst eingezogen war, ging sie herum, als wäre nichts passiert. Na gut, nicht so, als wäre gar nichts passiert – nur beinahe.



Wahrscheinlich kam ihr der undeutliche Verdacht, es könne jemand eingezogen sein, weil sie immer auf ihrem Bauch herumdrückte, wie um herauszukriegen ob...



Mir war dann immer zumute, als käme eine ganze Wand meiner schönen Wohnung auf mich herunter, anfangs ängstige mich das sehr, aber dann habe ich mich daran gewöhnt. Fragen Sie mich bloß nicht warum.



Und als sie dann beim Doktor war und der gesagt hatte, dass alles in bester Ordnung sei und ich sei tatsächlich eingezogen, stand sie den ganzen Tag vor dem Spiegel.



Und zwar seitwärts....



Seitwärts!



Hat sie denn erwartet, ich würde mich so schnell wie möglich auf eine meiner Wohnungswände stürzen und sie somit einbeulen? Ich? Ich mache doch keine Beule in meine hübsche kleine Wohnung. Gar nicht nötig. Besten Dank auch.



****



Wissen Sie was? Ich glaube, es wird während meines Aufenthaltes hier eine Masse Probleme mit meiner Mami geben.



Warum?



Nun. Kaum bewege ich mich, schon wird ihr schlecht. Und manchmal fängt sie auch an zu weinen. Und fünf Minuten später tanzt sie schon wieder vor lauter Freude im Zimmer herum.



Und dann wird ihr wieder schlecht. Und ich kann mich auf nichts Vernünftiges konzentrieren. Ich halte sie für sehr labil. Im Ernst. Und ohne jeden Grund.



Eigentlich sitze ich die meiste Zeit einfach nur so da, und kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten. Also warum kann sie das nicht auch machen?





****





Psst! Jetzt seien Sie doch mal still! Horchen Sie mal ganz genau hin. Hören Sie etwas? Es ist was ganz Unglaubliches. Wenn die Mami ganz ruhig ist, und ich ganz ruhig bin, und die ganze Welt ganz ruhig ist, hört man mein Herz klopfen! Ich habe überhaupt nicht gewusst, dass ich ein Herz habe, bis ich plötzliche was klopfen hörte und spürte.



Na nu, dachte ich mir, was ist denn das? Was klopft denn da?



Und wie ich dann noch genauer hinhörte, merkte ich, dass das Klopfen von meinem eigenen kleinen Herzen kommt. Ein Kerlchen mit einem eigenen kleinen Herzen.



Phantastisch, was?



Kerlchen?



Tja, bin ich nun Junge oder Mädchen? Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das muss ich noch herausfinden.



Es ist nämlich nicht dasselbe, wissen Sie.





****



Also wissen Sie. Es ist schon komisch. Meine Wohnung scheint mir irgendwie nicht normal zu sein. Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich mag meine Wohnung wirklich sehr, aber wissen Sie. Ich glaube sie schrumpft. Lachen Sie mich jetzt bitte nicht aus! Aber vor über zwei Monaten war sie noch wirklich groß, die Wohnung, und jetzt? Sie wird immer kleiner! Es ist schon wirklich komisch. Aber wissen Sie, was ich neulich bemerkt habe?



Ich habe eigene Lungen!



Und sogar Nasenlöcher, durch die man einatmen kann!



Und Knochen, ja, ja, so etwas habe ich auch.



Sie mögen jetzt vielleicht schmunzeln, aber für mich ist das was ganz neues.



Ich kann auch schon mit Armen und Beinen stoßen. Das macht richtig viel Spaß! Manchmal stoße ich sogar ein bisschen an die Wände meiner Wohnung, (Nein! Ich will mein schönes Appartement nicht zerstören), nur, um der Mami Klopfzeichen zu geben.



Aber bis jetzt wollte sie noch keinen richtigen Kontakt zu mir haben. Fragen Sie mich nicht warum!



Ach ja, wissen Sie, was ich noch kann?

Ich kann mit meinen Zehen wackeln!



Können Sie das auch?





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Über meine Mami kann ich manchmal wirklich nur lachen. Da behauptet sie doch, sie passe nicht mehr in ihre Klamotten; die würden ihr alle zu eng sein. Weil ich zuviel Platz brauche. Ha, ha! Ich berühre ja noch nicht einmal die Wände, also wie soll ich das denn bitteschön sein? Aber Papi sagt, und mein Papi ist ein kluger Mann, und vielleicht werde ich ihn ja irgendwann einmal kennen lernen, meinen Papi, na jedenfalls hat er gesagt, dass das alles nur Einbildung ist, solange sie noch nicht weiter ist.



Weiter? Wohin eigentlich weiter?



Und übrigens hat Mamis Doktor gesagt, dass sie jetzt nicht, wie sonst üblich, ein, zwei große Mahlzeiten zu sich nehmen soll, sondern über den Tag verteilt mehrere kleinere. Von mir aus!



Ist, glaub ich, auch besser so, denn wenn sie immer so viel isst, könnte ich glatt aufstoßen. Ja, das kann ich schon. Wussten Sie das noch nicht?



Ich habe einen Mund, und alles, ....und da, ... das war eben einen Bäuerchen!





****





Soll ich Ihnen mal was ganz Interessantes erzählen?



Ich kann spucken! Okay, nicht gerade so toll wie die Weltmeister, aber immerhin. Hier drin ist sowieso kein Platz fürs Fernspucken.



Und überhaupt habe ich mitbekommen, dass meine schöne Wohnung eine Macke hat.



Sie wollen wissen welche?



Nun, nach näherer Betrachtung, ist mir schon wieder aufgefallen, dass sie kleiner geworden ist. Ist das zu fassen? Das stand nicht einmal im Mietvertrag!



Ich wohne jetzt fast drei Monate hier, bin aber nach wie vor sehr zufrieden. Auch wenn sie diese kleine Macke hat.



Hier passiert jeden Tag etwas neues. Sollte es mir je langweilig werden, könnte ich ja immer noch Nägel kauen.



Oh ja, das ist was ganz tolles. Diese Nägel...



Außerdem habe ich Saugmuskeln in den Backen, mit denen kann ich richtig toll saugen, wenn mir etwas begegnet, woran ich gerne saugen möchte. Kann ja mal sein, nicht wahr?



Und wissen Sie, was ich noch kann?



Ich kann auf den Fußboden pinkeln! Okay, ich weiß, nicht die feine Englische von mir, aber da meine Wohnung mit dem besten High-Tech ausgestattet ist, das wirklich eine ganz feine Sache ist, sollten Sie sich auch mal zulegen, na, jedenfalls, ist das schnell wieder sauber.





****



Heute bin ich schlechter Laune. Meine Mami ist schlicht blöd.



Wenn sie so weitermacht, werde ich wohl kaum hier bleiben können. Dann kündige ich, ohne Vorwarnung. Liegt ganz bei ihr.



Ich war fast die ganze Nacht, wie sie nannte, bei einer Überwachung. Es war eiskalt, und Mami und ich froren erbärmlich.



Aber meine Mami sagte die ganze Zeit, dass es ihr gut gehe. Typisch Mami!



Ich dachte mir dann nur „ Yeah, Mami, dir vielleicht!“



Auf jeden Fall, musste meine Mami dann ganz schnell rennen, weil es aus einem Haus heraus ganz viele laute Knaller gab.



Und meine Mami hatte dann auch so ein komisches Ding in der Hand, das noch lauter knallte.



Und dann war es nur noch laut, laut, laut!



Plötzlich ist meine Mami hingefallen, zum Glück hat uns mein Papi noch rechtzeitig gerettet! Wenn er das nicht gemacht hätte, dann wäre ich wirklich ausgezogen!



Meine Mami erlaubt sich wirklich viel. Soll ich bei so einem Aufruhr wirklich schlafen können?



Aber dann ist meine Mami ziemlich schnell in ihr Bett gegangen und ist auch gleich eingeschlafen. Ich auch!



Und ich denke wirklich ernsthaft ans Ausziehen!





****



Heute morgen kam Mamis Doktor zu uns. Sie erzählte ihm etwas von leichten Blutungen. Vermutlich hat sie sich wieder einmal in den Finger geschnitten! Das macht meine Mami öfters. Warum sie deshalb aber ihren Arzt gerufen hat, ist mir schleierhaft.



Der Doktor hat dann meine Mami geschimpft, da sie ja selbst Doktor ist, müsste sie doch eigentlich bescheid wissen, und nicht so unvernünftig sein.



Bitte schön? Meine Mami Doktor? Das ist neu für mich, aber trotzdem eine feine Sache.



Aber das Schimpfen war mir wenigstens ein Trost. Der Doktor hält zu mir.



Na gut, meine Mami auch. Denn sie hat sich dann den ganzen Tag hingelegt und sich fast nicht bewegt, um es mir so gemütlich wie nur möglich zu machen.



Und wissen Sie was?



Ich habe mir das jetzt noch einmal überlegt. Mit dem Ausziehen und so.

Ich habe mich entschieden.



Ich bleibe!



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Im übrigen tut sich bei mir einiges. Das kann ich Ihnen jetzt voller Stolz flüstern.



Ich habe Augenlider. Ganz wunderprächtige Lider, pro Auge eines.



Und wenn ich mich mit der flachen Hand an der Wand abstütze, und etwas drängt sich dagegen, dann mache ich automatisch eine Faust.



Nicht, weil ich wütend auf meine Mami bin.



Nein, nein. Einfach nur so, um was zu tun zu haben.



Mein Gesicht wird auch von Tag zu Tag besser. Ich sehe allmählich aus wie ICH, und das ist auch gut so. Damit jeder, der einen Blick auf mich wirft, gleich weiß, dass ICH es bin, und nicht irgendjemand anderes.



Und sollte meine Mami mich je zu Gesicht bekommen, kann ja mal sein, dann weiß sie gleich, dass ICH es bin.



Auch meine Ohren sitzen jetzt genau dort, wo sie hingehören. Wirklich eine solide Arbeit, mit Gehörgängen und allen möglichen Windungen und lauter solchen Sachen.





****



Natürlich ist die Mami die allerbeste auf der Welt, schon allein, weil sie meine Mami ist, aber alles, was recht ist, einfach ist es nicht mit ihr.



Bei ihr weiß man nie, was sie gleich wieder Dummes anstellen wird.



Neuerdings hat sie sich in den Kopf gesetzt, mich auf die sonderbarste Weise herumzuschwenken. Ich muss mich an sie klammern und weiß oft nicht mehr, wo oben und unten ist. Gymnastik für werdende Mütter, nennt sie das.



Um alles in der Welt, gute Frau, hör auf damit!



Zu allem Überfluss behauptet sie schamlos es wäre für mich.



Hockt sich plötzlich auf alle viere und macht ein Hohlkreuz, schwenkt das Hinterteil hin und her, rollt sich dann auf den Rücken und lässt die Beine kreisen und lauter solches Zeug.



Aber manchmal macht es auch Riesenspaß. Zum Beispiel, wenn sie solchen Unsinn macht, und auf allen vieren rumkriecht und ihr Hinterteil von links nach rechts schwenkt, dann muss ich einfach lachen, das ist nämlich richtige kitzelig.



Da, jetzt macht sie es schon wieder.



Hihi! Hör bloß auf damit!





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Ich habe es urgemütlich hier. Also von mir aus, braucht sich überhaupt nichts zu ändern. Jetzt habe ich sogar schon meinen eigenen Blutkreislauf, und ich fühle mich wirklich rundum einfach prima.



Meiner Mami geht es auch wieder besser. In letzter Zeit kommt sie mir sogar wesentlich ruhiger vor.



Und wenn sich die Mami nicht aufregt, rege ich mich nicht auf. Und wenn Mami und ich uns nicht aufregen, dann regt sich der Papi nicht auf, und wenn wir alle drei uns nicht aufregen, regt sich kein Mensch auf.



Also regen wir uns nicht auf.



Es ist einfach himmlisch: Jeden Abend, wenn die Mami im Bett ist, streichelt mich der Papi. Nicht direkt natürlich. Er streichelt ja nur die Außenwände meiner Wohnung. Wozu das gut sein soll, weiß ich allerdings auch nicht. Weil MICH spürt er eh nicht, aber mir macht das im Grunde nichts aus.



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Wissen Sie, was ich mir jetzt wünsche? Einen Spiegel! Mein Kopf hat nämlich Haare bekommen. Ganz wunderschöne. Die sind ganz weich, und ich würde doch so gerne sehen, wie ich mit Haaren aussehe. Und wenn meine Mami mich jetzt sehen könnte, würde sie es ganz bestimmt gut finden.



Außerdem habe ich, - hick -, Wimpern bekommen. Und wenn ich jetzt mit meinen Augen blinzle, dann blinzeln die sogar mit! Ganz lustige Sache, finden Sie nicht? Und drittens, - hick -, habe ich eine wirklich sehr gute Schlafstellung entdeckt.



Die ist so richtig wunderbar erholsam.



Die Beine angewinkelt, ganz fest an meinen Bauch gedrückt. Das Kinn auf der Brust, und einen Daumen im Mund. In dieser Lage kann ich, - hick -, na, das ist doch zu blöd.



Ich weiß nicht mal, was es ist, aber, - hick -, jetzt habe ich es schon wieder!



Manchmal geht das stundenlang so weiter, als würde mein Zwerchfell Purzelbäume schlagen, - hick.

Diese ganze Hickerei tut mir dann immer furchtbar leid, weil ich meine Mami nicht ärgern will. Denn es ist gerade so gemütlich warm und friedlich hier.



Aber zum großen Glück meinerseits habe ich eine Methode entwickelt, wie man diese überaus dumme und lästige Hickerei wieder loswerden kann.



Ich muss einfach nur ganz tief und gleichmäßig atmen, dann – HICK!



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Na, ich habe heute vielleicht einen Schrecken bekommen! Das kann ich Ihnen sogar schriftlich geben. Ob Sie’s glauben, oder nicht, aber es gibt Menschen, die haben einen ganz eigenartigen Namen. Hebamme, nennt meine Mami diese sehr sonderbaren Menschen.



Na, jedenfalls hat mich das so sehr erschreckt, dass es mich ängstlich in die Zukunft blicken lässt. Und Sie können sich darauf gefasst machen, dass ich aufpassen werde wie ein Schießhund, um der nicht noch einmal zu begegnen.



Weil mit dieser Sorte Mensch will ich nichts zu tun haben! Und falls die sich noch einmal so aufdringlich an mich ranmacht, dann drehe ich ihr einfach den Rücken zu! Wenn Sie jetzt wissen wollen, warum ich diese Frau nicht mag, dann kann ich Ihnen eigentlich auch keine richtige Antwort geben. Ich mag sie eben nicht.



Und, wie Sie sehen, ich zittere immer noch, obwohl sie mir, wenn ich mir das so recht überlege, ja gar nichts getan hat. Sie hat ja nur der Mami eine Blutprobe entnommen und dann halt noch auf mich gehört. Ich habe aber ganz still gelegen. Aber mein dummes Herz hat so laut geklopft, dass sie es ja hören musste. Ja, auch so ein kleines Herz hat seine Vor- und Nachteile.



Dann hat diese Frau zu meiner Mami gesagt, wenn sie zwei verschiedene Herztöne hören könnte, dann wäre ich ja ein Zwilling.



Ich?



Zwilling?



Ich weiß ja nicht einmal, was das ist.



Und ich kann Ihnen sagen, dass ich so etwas ganz und gar nicht bin.



Denn ich bin ja ICH; und wäre ich, laut dieser Hebamme, ein Zwilling, dann wäre ich ja nicht mehr ICH.



Nein, meine Liebe, da täuschen Sie sich aber gewaltig.





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Also wissen Sie noch etwas? Meine Mami ist absolut keine Durchschnittsmami.



Okay, eigentlich wussten wir das schon von Anfang an, als ich eingezogen bin, aber in letzter Zeit macht sie wieder etwas absolut Chaotisches.



Sie hat wirklich kein Gespür dafür, wie man auf andere Rücksicht nimmt.



Das allerschrecklichste, was meine Mami, seit wir uns kennen, macht, ist, dass sie mitten in der Nacht aufsteht und anfängt, aus einem Maschinengewehr zu feuern.



Und das tut sie jetzt fast jede Nacht, und der Papi meint auch, dass sie ein paar sehr dumme Gewohnheiten angenommen hat.



Sie ist jetzt wie versessen auf etwas, das man Popcorn nennt, und beharrt steif und fest darauf, ohne diese Sache könne sie nicht mehr leben. Dann steht sie um halb zwei Uhr nachts auf, schüttet eine Packung Maiskörner in eine Schüssel und macht Popcorn, und wenn der Mais im Kochtopf explodiert, dann geht es PENG!, PENG!; PENG! Und ich werde aus dem süßesten Schlaf gerissen und zittere dann vor Schreck.



Also, man braucht schon starke Nerven, um ICH zu sein!



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Jetzt wissen wir’s!



Von nun an bin ich lebensfähig, was das jetzt im Klartext heißt, weiß ich allerdings nicht so genau, doch es hört sich ziemlich gut an, schon allein, weil es Mamis Doktor gesagt hat.



Meine Mami ist im sechsten Monat und wenn irgendetwas passieren sollte, hat auch wieder der Doktor gesagt, habe ich die prima Chance, im Brutkasten durchzukommen.



Nein, besten Dank auch. Ich geh in keinen Brutkasten, ich fühl mich hier immer noch ganz wohl, da, wo ich jetzt bin.



Und wissen Sie, was ich am komischsten finde? Dieser Doktor hat mich noch nie gesehen, und trotzdem weiß er alles über mich.



Ich bin jetzt 600 cm lang und wiege 35 Gramm. Oder, halt. Moment, ich glaube das war umgekehrt. Ich habe da nicht so richtig aufgepasst.



Denn viel interessanter fand ich, als er sagte, dass ich eine Schutzschicht um mich herum habe. Eine Lage weißes Fett, die mich gegen Stöße schützt, wenn ich trampele oder mich umdrehe. Das gefällt mir wirklich sehr!



Denn von nun an kann ich soviel um mich treten wie ich will, ohne mich dabei zu verletzen. Und wissen Sie, wenn die Mami auf dem Bett liegt und der Papi schaut aufmerksam auf ihren Bauch, kann er mich sehen, wie ich kicke und dribble.



Er wird mir Fußballstiefel kaufen, sagt er.



Auf ja, fein!



Nur, wie ich die je anziehen soll, ist mir schleierhaft.



****



Juchhu! Meine Mami hat endlich angefangen mit mir zu reden. Sie nennt mich jetzt ihren kleinen Liebling, oder ihr Schätzchen.



Manchmal sagt sie, bin ich ein Wirbelwind, und manchmal sagt sie, wenn ich jetzt nicht sofort aufhöre zu kick boxen, wird sie ernsthaft böse.



Und wenn sie das sagt, nennt sie mich auch nicht ihr Schätzchen.



Wissen Sie, wo es ziemlich ulkig ist? In der Badewanne!



Denn wenn meine Mami in der Badewanne liegt, hält sie manchmal ganz still und wartet darauf, dass ich ihr jetzt, in dem Moment, einen Tritt verpasse. Ich strampele dann ein bisschen, um ihr den Gefallen zu machen. Und dann runzelt sie die Stirn und sagt:



„Na, na. Kleines, mach nicht solche Wellen!“



Aber sie meint das nicht wirklich ernst.



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Der Papi hat jetzt angefangen eine Unmenge Bücher über mich zu lesen. Eigentlich ein komischer Gedanke, denn ich halte mich nicht für etwas Außergewöhnliches, und trotzdem sind, allem Anschein nach, ganz dicke Bücher in allen erdenklichen Sprachen über mich geschrieben worden.



Irgendwie fühle ich mich geehrt, es gibt Bücher über mich, man kann mich sogar studieren. Und die wissen wirklich alles, obwohl sie mich noch nie zuvor gesehen haben. Und manchmal ist mein Papi so begeistert von einem Text, dass er es unbedingt meiner Mami vorlesen will.



Meine Mami hört dann immer nie zu, sie lächelt dann immer nur, und wenn mein Papi das bemerkt, dann ist er nicht eingeschnappt, sondern sagt dann, dass Mamis Lächeln das schönste auf der Welt ist.



****

Die Mami ist doch schon wieder zu dieser Hebamme gegangen! Natürlich ist mein Papi auch mitgekommen, wenn er das nicht gemacht hätte, dann hätte ich mich wahrscheinlich auch gesträubt.



Auf alle Fälle hat mich das wirklich sehr geärgert. Ich habe mich dann trotzdem mal vorsichtshalber versteckt und ihr den Rücken zugedreht, damit diese blöde Frau nicht merkt, dass ich auch mit gekommen bin.



Zum Glück sprachen die nur über Hecheln, Brust- und Bauchatmungen; meiner Mami wurde gezeigt, wie sie das alles machen muss. Denn wenn sie das alles kann, dann wird ihr das sehr nützen.



Wofür weiß ich allerdings nicht. Und, ehrlich gesagt, die Hechelei scheint mir reichlich irre.



Die Mami musste sich mit angezogenen Knien auf den Rücken legen und hecheln was das Zeug hält.



Jedenfalls habe ich mich dann auf dem Heimweg reichlich gewundert, dass die Mami genau das tut, was ihr so ulkige Leute sagen.



****



Heute kam die Mutter von meiner Mami, also in einem Wort meine Großmutter, vorbei.



Die zwei haben darüber gesprochen wie sonderbar doch die Vorstellung ist, dass ich im Bauch meiner Mami liege und eben jetzt an den Fingern lutsche.



An den Fingern lutschen?



Hey, danke! Auf den Gedanken wäre ich bestimmt nie gekommen. Ich lag ja nur so da und habe wirklich an nichts besonderes gedacht. Aber seit meine Großmutter das erwähnte, na ja, da habe ich es halt mal ausprobiert. Nur um festzustellen, ob ich das auch kann.



Aber leider funktionierte es mit den Fingern nicht so recht, bis ich meinen Daumen fand. Mit dem ging es wirklich bestens. Ich finde, dass so ein Daumen gemacht wurde, um an ihm zu lutschen. Ich finde das wirklich phantastisch. Aber meine Mami scheint kein bisschen stolz darauf zu sein, dass ich an meinen Fingern lutschen kann.



Was meinen Sie, sollte ich mir das vielleicht doch nicht angewöhnen?





****



Wissen Sie, was meine Mami und mein Papi heute schon wieder gemacht haben?



Nun, ich werde es Ihnen sagen. Etwas ganz komisches haben sie für mich gekauft. Sie nennen es eine Kinderwiege.



Zuerst wollte mein Papi eine ganz andere haben, aber meine Mami hat so lange gesagt, dass sie diese hier schöner und besser findet, da hat mein Papi schließlich doch aufgegeben und sie haben die Wiege gekauft.



Meine Mami meinte, dass die für mich sei. Dort könnte ich dann himmlisch schlafen. Und wunderschöne Träume haben.



Nur, wie sie mich da jemals reinbekommen wollen, ist mir wirklich schleierhaft.



****



Meine Mami sagt, sie ist jetzt endlich im siebten Monat. Aber wirklich entspannt und glücklich ist sie nicht gerade damit, eher sehr angespannt und nervös. Sie weiß nicht, wie sie die nächste Zeit überstehen soll.



Und ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht, wie ich das machen soll. Ich sorge mich nämlich auch ein bisschen um meine Zukunft. Denn wissen Sie, mir ist da wieder ein Satz in den Sinn gekommen, über den ich eigentlich noch nie so richtig nachgedacht habe.



In meinem Mietvertrag steht nämlich, dass ich nur neun Monate ein Recht darauf habe hier zu wohnen. Und mich beunruhigt das ein bisschen, denn ich weiß wirklich nicht, was ich machen kann, um den Mietvertrag um weitere neun Monate zu bekommen.



****





Hah! Wissen Sie. Heute war ein sehr lustiger Tag. Da werden Sie bestimmt lachen können, wenn ich es Ihnen erzählen werde.



Denn ich habe die Frau, die meine Mami Hebamme nennt, ordentlich reingelegt. Mami und ich waren wieder mal bei ihr. Und irgendwie denke ich, dass diese sonderbare Frau ziemlich gescheit ist. Was sie auch sagt, meine Mami macht es.



Aber was ich ziemlich komisch finde, ich zählte bisher überhaupt nicht. Sie hat mich immer nur als Fötus bezeichnet, jetzt hat sie wenigstens mal damit begonnen, mich Baby oder Kind zu nennen. Und ich finde wirklich, dass sich das schon besser anhört.



Jetzt sage ich Ihnen aber mal, warum ich so sehr lachen musste. Also, das war so. Diese Frau hat doch glatt behauptet zu wissen, wo ich liege. Da ich jetzt schon über 40 cm groß bin, ist das nicht sehr schwer, hat sie noch gesagt. Sie weiß, welche Körperteile von mir unten oder oben liegen.



Dann lächelte sie plötzlich und meinte, dass sie meinen Kopf spüren kann. Da habe ich mich aber blitzschnell umgedreht und ihr das genau Gegenteil entgegengestreckt.



****



Lachen Sie nicht, aber meine Mami wird immer dicker. Das hat mein Papi neulich zu ihr gesagt.



Meine Mami hat das nicht so witzig gefunden, glaube ich, weil sie ihn dann ganz finster angesehen hat. Außerdem ist meine Mami zurzeit sowieso nicht so glücklich, habe ich festgestellt. Wenn sie sich auf einen Stuhl setzt, kann sie nicht mehr ordentlich sitzen.



Mein Papi meint, dass sie eine richtig komische Sitzstellung hat, die wirklich sehr ulkig aussieht. Darauf meinte meine Mami, dass dies die einzige mögliche ist, um auch mir genügend Platz zu geben. Aufstehen kann sie auch nicht mehr. Wenn sie sich auf das weiche Sofa setzt, ist es wirklich eine harte Arbeit, sie da wieder hoch zu bekommen.



Manchmal muss mein Papi ihr auch helfen. Und dann schimpft sie, weil ich mich so schwer mache. Das finde ich dann nicht so toll, weil ich eigentlich nicht genau weiß, warum sie mich denn ausschimpft. Ich meine, ich bin doch nicht wirklich furchtbar schwer.



****



Also wissen Sie. Mein Papi ist doch wirklich dumm.



Jetzt hat er sich doch wieder mal ganz glücklich eine Ohrfeige eingefangen. Aber wenn er auch nie nachdenkt, bevor er etwas sagt, kann ich ihm auch nicht weiterhelfen.



Und da meine Mami auch wirklich sehr nervös und schlimm gereizt ist, versteht sie auch keinen Spaß mehr. Sie rennt jetzt durch die Gegend in so etwas, was sie Umstandskleid nennt. Sieht wirklich schlimm aus.



Meine Mami seufzt dann immer frustriert, wenn sie in ihren Kleiderschrank sieht und die eng geschnittenen Kostüme sieht, die sie zuvor angezogen hatte. Und wenn sie jetzt versucht, etwas anzuziehen, dann passt ihr nichts mehr. Es ist ihr zu klein oder zu eng.



Jedes Mal, wenn sie vor dem Spiegel steht und ihr Spiegelbild beobachtet, mache ich mich dann ihr zuliebe extra ganz klein.



Na, jedenfalls. Sie wollen doch jetzt wissen, warum meine Mami meinem Papi eine kleine Ohrfeige verpasste.



Das war so. Heute Abend musste mein Papi wegen seiner Arbeit ganz schick aussehen und meine Mami musste da mit. Ich glaube, sie wurde geehrt, oder so was. Jedenfalls, da sie jetzt ja eine ganze zeitlang nicht mehr arbeiten wird, gingen sie wo hin.



Und meine Mami wollte natürlich ganz fein aussehen, aber sie hatte gar nichts Tolles.



Mein Papi hat dann einen Moment lang nichts gesagt, aber dann hat er gesagt.



Wie wäre es mit dem Zelt?



****



Wissen Sie.



Mein Papi ist wirklich sehr ulkig. Er erzählt immer wieder die komischsten Dinge. Er sagt dann, dass das alles wahr ist und er das schon alles wirklich erlebt hat.



Ich glaube ihm dann natürlich kein Wort, schon allein deswegen, weil mir meine Mami mal flüsterte, dass er manchmal ein bisschen verrückt ist. Und ich auch nicht immer auf ihn hören soll.



Und ich vertraue meiner Mami.



Aber trotzdem.



Eines Tages würde ich meinen Papi ganz gern mal kennen lernen.



****



Meine Mami ist jetzt im achten Monat. Das sagt sie wenigstens, wenn man wissen möchte, wann es denn soweit wäre.



Fragen tun die Leute viel, obwohl ich das nicht möchte, weil jedes Mal, wenn sie es tun bekomme ich eine Gänsehaut. Denn ich bekomme das Gefühl nicht los, dass das alles irgendetwas mit mir zu tun hat.



Und das will ich nicht. Ich sage das jetzt einmal klar und deutlich.



Mit mir braucht niemand zu rechnen!



****



Wissen Sie, ich rate Ihnen, nicht in die Nähe von meiner Mami zu geraten.



Denn die ist nämlich gar nicht gut drauf. Das kann ich Ihnen sogar schriftlich geben, wenn Sie es wollen.

Es ist nur ein kleiner Tipp unter uns. Nein, eigentlich eine riesige Warnung.



Meine Mami flucht. Unglaublich ist das! Unglaublich.



Sie flucht, wenn sie morgens aus dem Bett aufstehen will, aber nicht hoch kommt.

Sie flucht, wenn sie versucht ihre Schuhe zu binden, aber nicht nach unten kommt.

Sie flucht, wenn sie versucht ihren Mantel anzuziehen, aber es alleine nicht schafft.

Sie flucht, wenn sie versucht etwas aus den Schränken zu holen, die über ihrem Kopf sind, und sie da nicht rankommt.



Im Kurztext. Sie flucht eigentlich den ganzen Tag über.



****



Der Doktor sagt, dass meine Mami jetzt im neunten Monat ist. Ich wiege jetzt sechs Billionen Mal soviel wie damals, als ich in Mamis Bauch einzog.



Über diese Aussage bin ich wirklich sehr erschrocken. Stellen Sie sich das mal vor!



Mit zehn Jahren werde ich dann 600 kg wiegen, wenn das so weiter geht.

Da werde ich ja wie in Hefeklos aussehen. So kann das doch nicht weitergehen.



Aber zum Glück hat mich der Doktor gleich wieder beruhigt. Denn er sagte, dass ich in den letzten Wochen vor der Geburt kein bisschen mehr wachsen werde. Auf der einen Seite hat es mich natürlich beruhigt, aber auf der anderen wieder aufgeregt. Was soll das heißen? In den letzten Wochen vor der Geburt?



****



Oh man, es ist doch wirklich nicht mehr auszuhalten.



Alle Welt redet von Geburt. Sie sagen, ich soll geboren werden.



Ich will aber nicht geboren werden!



Meine Mami, mein Papi und der Doktor sprechen von nichts anderem mehr. Wie das sein wird, mich zur Welt zu bringen, weiß ich nicht, aber Mamis Doktor meint, dass alles gut gehen wird. Momentan können wir nichts anderes machen, als auf die Wehen warten, hat er gesagt.



Meine Mami hat meinem Papi dann noch zu Hause erklärt, dass ich einen Schock bekommen werde, wenn es dann soweit ist und ich in eine Temperatur hinaus muss, die immerhin knapp 17 Grad kälter ist, als ich jetzt gewohnt bin. Dass ich Angstzustände bekommen werde, wenn ich das erste Mal versuche zu atmen und dass dieser erste Reflexschrei meine Atemwege öffnen wird.



Und außerdem meint meine Mami noch, dass ich anfangs ohne Tränen auskommen muss.

Und dass ich auch nicht besonders gut hören kann, da meine Ohren noch ein bisschen zu sind.



Na Danke auch! Mehr als das hier will ich auch nicht hören. Das reicht mir vollkommen.



Warum vergessen wir das ganze eigentlich nicht? Denn ich habe wahrhaftig nicht vor, geboren zu werden. Ich wohne hier, ich bin hier entstanden. Ich bin hier groß geworden.



Und das eins klar ist.



Ich BLEIBE HIER!

Und damit Ende der Diskussion!





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Tz, die denken doch wirklich, dass ich bei dieser grausamen Mission mit mache!



Die Mami war heute wieder bei dieser Hebamme. Und jetzt habe ich die Gewissheit, auf meine Vermutung. Denn den Verdacht hatte ich ja schon von Anfang an. Sie können sich bestimmt noch erinnern, dass ich Ihnen mal sagte, ich mag diese Sorte Mensch nicht besonders.



Also, diese Frau will mich irgendwie zu fassen kriegen. Das ist jetzt sonnenklar. Aber solange ich bei der Mami bleibe, wird ihr das ja nicht gelingen. Da kann sie noch so viele Pläne ausklügeln.



Und ehrlich gesagt, ich werde bald zum Schreien anfangen, wenn die nicht endlich aufhören von dieser Geburt zu reden.



Denken Sie doch mal ein bisschen darüber nach. Schon allein die Wörter klingen doch reichlich brutal. Geburt, Wehen, Pressen.



Ich lege wahrhaftig keinen Wert darauf, da dabei zu sein. Auf mich können die verzichten. Wenn es soweit ist, verschwinde ich einfach. Ich verstecke mich und keiner wird mich je finden.



Da können die noch so viel machen, mich kriegen die nie zu sehen!



****



Ach wissen Sie. Es ist friedlich. Ich sitze hier so herum und beobachte meinen Papi. Er ist ziemlich nervös. Das merkt man sofort, wenn man ihn ansieht.



Er zappelt hin und her. Rennt in die Richtung, läuft kurze Zeit später in die andere Richtung.



Murmelt dauernd von irgendwelchen Erledigungen, die er noch machen muss.

Termine, die er vielleicht verschieben muss, oder sogar absagen.



Die Mami hat gemeint, dass es jetzt nicht mehr lange dauert.



Und da hat mein Papi ein noch mehr ängstlicheres Gesicht gemacht.



Meine Mami meint, er soll sich beruhigen. Und ich glaube, sie macht sich sehr viel Sorgen um ihn.



Auf diesen Ratschlag hat er nur gemurrt.



Du hast gut reden, du wirst ja auch nicht zum ersten Mal Vater.



****



Ui, ui.



Hier geht es ganz schön wild zu.



Meine Mami fängt plötzlich an, sich desöfteren zusammenzuziehen. Eigentlich ist es gar nicht mehr recht gemütlich hier.



Eben jetzt ist die Mami mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Schlafzimmer gekommen und sagte, dass sie doch lieber fahren sollten.



Mein Papi hat die Wagenschlüssel nicht finden können, aber nach ein paar Sekunden hat er sie dann doch liegen sehen.



Er hat sich die gepackte Tasche geschnappt und war auch schon wie ein Wirbelwind aus der Wohnung. Meine Mami schrie ihm nach, dass er doch warten sollte.



Hätte ein Nachbar ihn nicht aufgehalten, hätte die Entbindung wahrscheinlich noch ohne uns stattgefunden.



****



Hier ist es aber ziemlich ungemütlich. Laut und hell und nicht schön. Der Arzt meint, dass das hier jetzt der Kreissaal ist und mein Papi sich keine Sorgen machen soll. Außerdem sei meine Mami ja auch Ärztin und sie wisse, was da auf sie zukommt. Mein Papi steht neben meiner Mami und hält ihre Hand, aber wissen Sie, so ganz gesund sieht er nicht gerade aus, mein Papi.



Er ist ganz weiß im Gesicht und atmet auch komisch. Meine Mami lächelt ziemlich gemein, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkt.



Und, Sie werden es nicht glauben, aber die Hebamme ist auch hier.

Das hat mir gerade noch gefehlt.



Sie hat die ganze Zeit über etwas von einem Geburtsweg geredet. Bis ich merkte, dass sie durch meine Haustür zu mir wollten.



Aber ich habe die ganz schön reingelegt. Pah!



Ich habe meinen Ausgang verbarrikadiert. Ich habe mich einfach herumgeworfen und stemme mich jetzt mit meinem Kopf gegen die Tür. So können die nicht rein.



Der Arzt meinte jedoch, dass das nicht besser sein könnte. Es wäre alles in Ordnung und es gibt überhaupt keinen Grund zur Sorge.



Was die nicht alles sagen.



Ich bin nämlich nicht ganz so dumm, wie die meinen!



****



Allmählich bekomme ich es doch mit der Angst zu tun. Mir wird ganz schwindelig und meine Lage scheint mir auch nicht gerade zu passen. Sie ist wahrlich unbequem, aber was tut man nicht alles, um bei seiner einzigen Mami zu bleiben?



Und plötzlich fängt meine Mami an zu pressen, ich flehe sie an, das lieber nicht zu tun, weil ich denke nicht, dass mein Kopf das über längere Zeit hinweg einfach aushalten wird.



Aber ich bin auch ziemlich wütend auf mich. Hätte ich mich bloß nicht umgedreht, so könnte ich mich jetzt wenigstens mit gespreizten Beinen dagegen stemmen.



Also wirklich. Es ist nicht auszuhalten. Jetzt hört mal alle zu! Das ist doch Schwachsinn. Die Mami presst und presst und sie spannt ihre Bauchmuskeln wirklich ganz fest an.



Tut das vielleicht weh.



Passt doch um Himmels Willen auf!



Autsch! Mein Kopf!



Autsch! Mein Hals!



Autsch! Meine Stirn!



So etwas ist doch eine Unverschämtheit. Ich werde mich beschweren. So etwas gehört polizeilich verboten. Ich werde alle verklagen. Ich werde mich beim Amt für Menschenrechte beschweren.



Autsch!



Nein, ich will nicht!



Lasst meinen Kopf los! Lasst ihn doch los! Ich will nicht! Ich sagte, ich will nicht geboren werden!

Ich will hier bleiben!



Autsch!



Passt doch auf!



Autsch! Meine Schultern!



Autsch! Mein Körper!



Passt doch auf meinen Körper auf!



Passt doch auf, auf mich!



Als unabhängiger, nicht vorbestrafter Mensch habe ich ein Recht darauf in Frieden gelassen zu werden!



Ich schreie, wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst!



Autsch!



Wuähh! Wuähh! Wuähh!....





Oh, wow. Ich glaube, ich bin geboren worden!



Irgendwie, wenn ich mir das so recht überlege.



Eine feine Sache.



Hallo Mami, Hallo Papi!









++Ende++
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