World of X

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Juliette

von Jenna Tooms

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Das Auto kam rollend zum Stillstand und Doggett öffnete seine Augen. Die Airbags hatten sich eingesetzt, was gut war. Da gab es überall zerbrochenes Glas, Schnee wehte vom Sturm herein und Doggett spürte Blut auf seinem Gesicht. Schlimm, Scully war eingedreht im ruinierten Metall der Tür und des Lenkrads.



„Scully“, er bewegte sich zu ihr, um sie an der Schulter zu berühren, „Scully, sind Sie in Ordnung? Sprechen Sie mit mir.“



„....kalt.“



„Sagen Sie mir, wo Sie verletzt sind.“



„Bein. Knie. Rippen.”



„Sie werden wieder in Ordnung. Ich verspreche es“, Doggett suchte nach seinem Handy. Hilfe musste kommen. Er hat es ihr versprochen.



Keine Verbindung, zeigte sein Handy an.



„Verdammt.“



Ihre Atmung beschleunigte sich. „Doggett? Sagen Sie mir-“



„Machen Sie sich keine Sorgen. Jemand wird kommen. Auf diesem Highway gibt es eine Streife.“



„Bei diesem Wetter?“, sie versuchte ihren Kopf ihm zuzudrehen und stöhnte vor Schmerz.



„Nicht bewegen, Scully“, die Notruflichter sind bereits an: er konnte ihr gleichmäßiges „Klick-Klick“ hören. Sein Training schaltete sich ein: Scully war in einem Schockzustand, sie brauchte Wärme und Beruhigung. Doggett stieß den Sitz zurück, sodass er sich frei bewegen konnte. Er arbeitet sich selbst aus seinem Mantel und breitete ihn über Scully aus.



„Ihnen wird auch kalt werden“, protestierte sie.



„Dann teilen wir ihn“, er passte seinen Körper an ihren unter dem Mantel an. „Wie ist das?“



„Besser.“



Er legte behutsam seinen Arm auf ihre Hüfte. „Wir werden bald gerettet“, sagte er, „Ich verspreche es“.



„Ich kann hier nicht sterben, Doggett. Mein Baby braucht mich.“



„Sie werden nicht sterben. Eine Streife wird bald kommen.“ Bitte, bevor sie beide erfroren oder sie an ihren Verletzungen starb.



„Doggett, sprechen Sie mit mir. Falls ich eine Gehirnerschütterung habe, muss ich wach bleiben.“



„Mit Ihnen sprechen?“, wiederholte er ausdruckslos, „Über was?“



„Irgendwas. Erzählen Sie mir eine Geschichte. Erzählen Sie mir von – von Ihrem ersten Kuss.“



„Das ist keine gute Geschichte“, begann er, aber er fühlte ihr tiefes Zittern und hörte ihr dünnes Wimmern, das sie nicht halten konnte. Also sagte er: „Okay. Mein erster Kuss. Da ist die Ironie: Ihr Name war Juliette. Juliette mit zwei T’s. Sie war das hübscheste Mädchen in der Schule. Braunes Haar, immer in perfekten Locken. Jeder Junge in unserem Jahrgang war verliebt in sie – ich ebenfalls.“



Er hielt inne, sich erinnernd. Hübsch beschrieb sie nicht annähernd: Wie sie nach irgendeinem Babypuder – Parfüm geduftet hatte, wie sie immer ein Farbband in den Haaren getragen hatte, wie Sommersprossen ihre Nasen geschmückt hatten.



Er sagte: „Wir nahmen denselben Bus zur Schule. Ich hatte hinten und sie vorne gesessen. Wir hatten nie viel zueinander gesagt. Sie war ein gutes Kind – ich war dabei, ein Straftäter zu werden.“



Scully gluckste schwach: „Sie müssen das irgendwann einmal geändert haben.“



„Das ist eine andere Geschichte. Wie auch immer. Der letzte Schultag, ich wurde in diesem Sommer dreizehn. Wir stiegen aus dem Bus an unserer Haltestelle aus. Mein kleiner Bruder rannte voraus und ich begann nach Hause zu laufen. Juliette ging immer ein kleines Stück Weg mit, bis die Straße sich gabelte und sie die eine und wir die andere Richtung einschlugen.“



„Ich habe sie niemals über den Sommer hinweg gesehen: Unsere Eltern gehörten verschiedener Kirchen an und sind ging auf Camps oder besuchte Verwandte den ganzen Sommer über. Ich verbrachte die Sommer am Badeteich und half meinem Vater auf den Feldern.“



„Wie auch immer, ich sagte ‚Tschüß, hab’ einen schönen Sommer’ zur ihr, als sich die Straße teilte und ging den Weg zu unserem Haus. Sie sagte ‚John, warte eine Minute’ Ich hielt an – sie kam zu mir und ließ ihre Büchertasche in das Gras neben der Straße fallen, legte ihre Hände auf meine Schultern und küsste mich.“



„Hm“, murmelte Scully leicht zitternd.



„Es war sehr unschuldig. Sehr süß. Sie schmeckte so gut. Das ist das, woran ich mich am meisten erinnere. Sie duftete immer nach einem sauberen Baby. Sie küsste mich und sagte dann ‚hab einen schönen Sommer, John’, nahm ihre Tasche und rannte den Pfad zu ihrem Haus entlang. Ich war zu geschockt, um mich zu bewegen, bis mein Bruder nach mir schrie, um aufzuholen. Den ganzen Sommer über konnte ich es nicht erwarten, sie wieder zu sehen. Ich wollte sie heiraten, wenn wir älter geworden sind. Ich hatte unsere ganze Zukunft geplant. Ich hätte sie mit in die Stadt genommen, wir hätten vier Kinder gehabt – zwei Jungen und zwei Mädchen – und ich wollte endlich herausfinden, weshalb sie so gut duftete. Ich konnte es nicht abwarten, dass die Schule wieder begann.“



Er fühlte Scullys Finger leicht auf sich, beruhigend, als würde sie wissen was kommen würde. Er schloss seine Augen.



„Der erste Schultag, wir gingen wie immer zur Bushaltestelle. Ich trug mein bestes T-Shirt und Jeans. Hoffend, dass ich Juliette imponierte – obwohl ich dachte, dass ich ihr nicht zu imponieren brauchte. Ich hatte sie ja schon gewonnen. Endlich kam sie zur Bushaltestelle – ein bisschen größer, ein bisschen runder als sie am Beginn des Sommers war. Aber genauso hübsch. Sogar hübscher.“



„Ich sagte: ‚Hey Juliette. Wie war dein Sommer?’ Sie sah mich an, als hätte ich ihren Hund getreten. Sie sagte: ‚Ich rede nicht mit Abfall’ und drehte sich weg.“



„Das tut mir leid“, murmelte Scully.



„Ich war so sauer an diesem Tag. So enttäuscht. Dachte daran, wenn alle Mädchen so sind, würde ich mich nie verlieben, sondern lieber alleine bleiben.“



„Aber es gab ein neues Mädchen an der Schule. Ihr Name war Barbara.“



Scully sagte für ein paar Minuten nichts. Ihr Zittern hatte aufgehört und ihre Hand fühlte sich wärmer unter seiner an. Sie sagte: „Juliette... sie klingt nicht danach, als sei sie eine gute Person gewesen.“



„Sie können sie nicht für ihre Entscheidung, dass es eine schlechte Idee war einen schlechten Jungen zu küssen, anklagen.“



„Aber Sie so zu behandeln, als wären Sie nicht gut genug für sie – das ist nicht richtig.“



„Wir waren Kinder. Ich bin darüber hinweg. Wie geht es Ihnen?“ Er strich seine Hand über ihr Haar: „Halten Sie durch?“



„Ja. Ich werde leben“, kicherte sie trocken.



„Ja, das werden Sie.“



Sie beide waren still. Scully flüsterte: „Ich hätte Sie wieder geküsst.“



Doggett wollte ihr zu antworten, aber da erschien blaues und rotes Licht im Rückspiegel.

Es würde warten müssen.



*****



Ende
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