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Ghost - A Love Story

von Jenna Tooms

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Sie ist so wunderschön, sogar noch nach all den Jahren.



Ihr Haar ist grau und ihr Gesicht ist von der Zeit gezeichnet, aber ihre Augen strahlen immer noch und ihr Mund ist noch genauso schön geschwungen wie der Bogen eines Liebesgottes. Ihre Stimme hat ein leichtes Zittern, aber es erinnert mich immer noch an Sirup über Pfannkuchen, heiser, warm und beruhigend. Ihre Hände sind nicht mehr so standhaft wie sie einmal waren, daher sie hatte schon seit Jahren kein Skalpell mehr in der Hand. Heutzutage kocht sie und hütet ihre Großnichten und -Neffen, züchtet ihre Rosen und schaut ihre alten Photos an.



Ich beobachte sie und sie weiß es nicht einmal. Ich beobachte sie, wenn sie liest oder wenn sie im Garten ist oder wenn sie ihre alten geliebten Filme anschaut. Ich beobachte sie, wenn sie langsam ihre Haare kämmt, währenddessen schaut sie nachdenklich und verträumt. Ich schaue ihr beim Essen zu und beim Schlafen und wenn sie redet, und ich wundere mich wie wenig sie sich doch verändert hat.



Ich weiß es, wenn sie an mich denkt. Sie lächelt dann so bittersüß und sie schaut aus dem Fenster und seufzt. Manchmal klopft sie mit ihren Finger auf dem Lenkrad einen Song, den nur sie hören kann, aber ich erkenne ihn. Ihr Großneffe Danny erinnert mich an sie, und manchmal sagt er was oder er hat den gleichen Blick auf seinem Gesicht, und ich weiß, dass man sich an sie erinnert wird. Sowie sie sich liebevoll an mich erinnert.



Ich hasse es, dass ich sie nicht berühren kann. Ich will es. Ihre Haut ist so zart, ihr Haar wie Zuckerwatte. Wenn sie schläft, küsse ich ihr Gesicht und sage ihr, wie sehr ich sie vermisse. Ich erzähle ihr, wie ich Dinge anders machen würde, wenn ich es könnte, und was ich niemals ändern würde. Ich denke, vielleicht, dass ich ihr schöne Träume gebe.



Ihre Familie ist besorgt um sie, weil sie alleine lebt, und sie sagt ihnen, „Ich bin niemals alleine. Ich habe zu viele Erinnerungen.“ Sie spürt mich, aber natürlich glaubt sie nicht was ich wirklich bin. Ich bin nur eine Erinnerung. Die Erinnerung an meine Finger auf ihrem Rücken, meine Lippen auf ihrem Haar, meine Hände in ihren. Sie erinnert sich daran, dass ich vor langer, langer Zeit einmal ein Versprechen gegeben habe, dass ich sie niemals verlassen werde. Sie glaubt nicht daran, dass ich es eingehalten hatte und immer tun werde.



Ich frage mich, ob das eine Jagd ist, oder ob ich im Himmel bin. Jeden Moment eines jeden Tages mit ihr. Ich beobachte sie, wie sie in ein hohes Alter kommt, wo sie sicher ist, und geliebt wird, und man sich um sie sorgt. Ich frage mich, ob ich ein Schutzengel bin.



Manchmal sehe ich einen flüchtigen Blick von mir im Spiegel, und es erschreckt mich immer wieder, wie wenig ich mich doch verändert habe. Keine Flügel. Ich glaube das macht einen Engel auch nicht aus.

Es ist nicht fair, dass sie alt geworden ist und ich nicht. Sie sollte die ewig Junge sein. Clyde Bruckman hat ihr gesagt, dass sie niemals sterben würde. Ich wünschte es wäre wahr.



Es gibt ein Bild von uns, eines ihrer Lieblingsbilder, dass sie neben ihrem Bett stehen hat. Ich erinnere ich nicht mehr daran, wann es aufgenommen wurde, aber es war ein sonniger Tag, draußen auf dem Gras. Ich halte sie an ihrer Taille und wir Beide lachen. Wir sehen glücklich aus. Wir passen zusammen.



Als ich starb hielt sie meinen Körper fest und schrie mich an. „Verlass mich nicht, Mulder. Du kannst mich nicht verlassen. Ich kann das nicht ohne dich machen, Mulder. Kämpfe, Mulder, kämpfe für mich. Bitte. Bitte geht nicht, Mulder.“ Aber ich konnte nicht bleiben. Nicht mal für sie. Mein Blut war an ihren Händen, auf ihrem Kostüm. Als die vom Emergency Team sagten was sie schon längst wusste, fühlte ich wie niedergeschlagen sie war. Sie verzog keine Miene. Sie kehrte in sich, zu irgendeinem Ort in ihrem Inneren, um meinen Tod zu ertragen.



Sie war so ruhig an meiner Beerdigung. Sie trug schwarz, und sie weinte nicht. Sie legte eine weiße Rose auf meinen Sarg.



Sie legt immer noch weiße Rosen auf mein Grab. Jeden Samstag kommt sie. Manchmal spricht sie zu mir, meistens mit einem Ausdruck auf ihrem Gesicht, als ob sie sich lächerlich macht und weiß, dass sie sich lächerlich vorkommt, aber es hoffnungslos ist sich selber stoppen zu wollen.



„Mulder,“ erzählt sie mir, „Ich höre immer noch von den Leuten aus dem Büro wie sehr es ihnen leid tut. Sie behandeln mich wie deine Witwe. Es ist komisch. Ich gehe ins Büro und warte darauf, dass du hinter deinem Schreibtisch auftauchst und mir wie damals Geschichten erzählst, wo du warst und was du erlebt und gesehen hast. Ich vermisse dich die ganze Zeit.“



„Mulder,“ sie lehnt ihren Kopf an den Grabstein. Ihre Schultern zittern mit Schluchzen. „Mulder. Ich brauche dich. Ich vermisse dich so sehr. Ich hasse es ohne dich zu sein. Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr. Ich wünschte ich könnte glauben, dass du irgendwo glücklich und sicher bist, aber ich weiß gar nichts. Ich brauche dich. Ich muss mit dir zusammen sein.“



„Mulder, ich werde kündigen. Ich kann es nicht selber machen. Ich habe Angebote im privaten Bereich bekommen. Ich werde hier in Baltimore bleiben. Ich bin so froh, dass deine Mutter mich dich hier in Maryland beerdigen lassen hatte. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn sie dich irgendwo anders beerdigt hätte. Oder wenn sie dich hätte einäschern lassen. Ich hätte es gehasst. Obwohl,...“ sie lächelt. „Ich denke es hätte mich nicht gestört, deine Asche auf meinem Kaminsims. In einer geschmackvollen Urne... oder sogar einer geschmacklosen. Aus Graceland. Mit Elvis-Engeln drauf.“



„Mulder, du wirst es nicht glauben. Skinner hat mir einen Antrag gemacht. Ich kann es selber kaum glauben. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll. Ich kümmere mich um ihn, aber es ist nicht... es ist keine Heirat aus Sorge. Wir sind beide einsame Menschen, aber... Ich kann nicht. Ich kann es nicht.

Nicht einmal, wenn ich nicht mehr allein sein will. Es ist nicht richtig, nicht wenn ich ihn nicht liebe. Es wäre ihm gegenüber nicht fair. Du hasst mich doch nicht, weil ich ihn geküsst habe, oder?“ Sie lacht sanft. „Nein, ich glaube du wärst nicht böse. Jeder erzählt mir, dass ich weitermachen muss...

Ich fühle, dass ich das schon gemacht habe, wirklich. Ich habe einen Job und ein Haus und Freunde... aber ich kann dich nicht verlassen. Mein Leben besteht aus zwei Teilen: Einmal, aus der Zeit bevor ich dich kannte und zum zweiten aus der Zeit danach. Okay, ich denke jetzt sind es drei.“



Ich werfe ihr mit dem Wind Küsse zu und sie schließt dann ihre Augen und steht im Wind. Das ist meine Scully. Sogar als sie sich an meinen Grabstein lehnt und schluchzt, sie bewahrt immer ihre Haltung. Ich weiß wie schwach sie sich manchmal fühlt, aber sogar an ihren tiefsten Punkten ist sie immer stark.



Ich vermisse sie auch.



Das sind die schlimmen Tage. Sie geht um ihr Haus, hebt ein paar Verziehrungen auf und legt sie wieder hin, bis in die frühen Morgenstunden. Sie liegt gekrümmt ihrem Bett und schluchzt unkontrollierbar. Sie zappt stundenlang durch die vielen Fernsehkanäle, und bleibt bei einem Kanal nicht länger als ein oder zwei Minuten. Sie isst zuviel Eiscreme und geht nicht ans Telefon. Ich folge ihr, wenn sie um ihr Haus geht, oder ich lege mich neben sie und breite mich über sie aus. Ich tröste sie so gut es geht.



Das sind die guten Tage. Die Kinder kommen zu ihr, sie ist dann immer im Mittelpunkt , das Haus ist voll mit Krach und Lachen und Licht. Sie spielen Spiele in ihrem Garten oder erzählen sich Geschichten vor dem Lagerfeuer, und manchmal erzählt sie ihnen von unseren verrückten Zeiten. Sie denken, dass sie übertreibt.

Oder sie wacht mit einem Lächeln auf, nimmt einen Mopp und einen Staubwedel und putz ihr Haus, oder geht in den Garten und versinkt bis zu ihren Ellenbogen in die Erde. Manchmal wenn sie im Garten arbeitet und ich nah bei ihr stehe, neigt sie ihren Kopf nach hinten und schaut da hin, wo ich stehe. Und ich könnte schwören - schwören bei alles was mir heilig ist - dass sie mich sehen kann, auch wenn es nur ein kurzer Blick auf meinem Schatten ist. Aber deswegen werden wir doch Schatten genannt, oder ?



Es hat nicht weh getan, als ich gestorben bin, nicht so wie ich dachte. Ich hatte Schmerzen, und war atemlos, mir war schwindelig und alles um mich herum wurde schwarz. Und Scully’s Stimme flehte mich an sie nicht zu verlassen. Und dann hatte ich keine Schmerzen mehr. Ich stand in der Straße und schaute hinunter zu Scully wie sie meinen Körper fest hielt, und ich fühlte... nichts.



Das dauerte nur einen Moment. Meine Sorge und Bedauern, dass ich niemals mehr etwas mit Scully tun könnte wie ich es wollte, sie halten und lieben und beschützen... Ich hatte nicht genug Zeit ihr zu sagen, dass ich sie liebe bevor ich starb. Meine letzten Worte galten dem Scheißkerl, der mich erschossen hatte und mir damit mein Leben nahm.



Aber es war auch friedlich. Ich wusste, dass ich ein gutes Leben hatte und ich fortfahren kann, wenn ich wollte. Ich stand in der Straße und wollte Scully halten und ihre Tränen wegwischen. Und dann sah ich ein anderes ich, das mir seine Hände entgegen streckte. Er sagte, „Es ist Zeit zu ruhen, Fox“. Sein Lächeln ist freundlich.



Ich ging auf ihn zu, er empfing mich und nahm mich in die Arme. Er sagte, „Komm nach Hause, Fox. Du kannst jetzt nach Hause kommen“.



„Nein“, sagte ich, selbst als ich seine Berührung genoss. „Ich kann sie nicht verlassen.“

Er verstand es und verließ mich wieder, durch den Tunnel aus hellem Licht. Mir war von diesem Moment an klar, dass ich tot bin.



Also blieb ich bei Scully. Ich beschütze sie so gut es geht. Manchmal tue ich etwas, obwohl es wenig ist, was ich machen kann. Öffne Türen. Bewege Bilder. Ich muss mich sehr darauf konzentrieren und danach bin ich geschlaucht. An einem ihren Tiefpunkte versuche ich eine Rose aus ihrem Garten zu pflücken und lege sie auf ihr Kopfkissen wenn sie schläft. Ich muss mich danach immer für Wochen ausruhen, so sehr strengt es mich an. Aber ihr Lächeln ist es mir wert. Ich glaube es ist das erste Mal, glaub ich, dass sie bemerkt, dass sie nicht alleine ist.



Ich liege neben ihr wenn sie schläft und ich streichle ihr graues Haar. „Ich liebe dich so sehr. Ich werde dich niemals verlassen. Ich liebe es dich jeden Tag zu beobachten, Dana. Wenn ich leben würde, denkst du wir wären richtig zusammen?“ Im Schlaf lächelt sie und dreht ihr Gesicht zu mir.



Ich sehe andere wie mich die ganze Zeit. Manche sind verbittert und wütend, wollen unbedingt noch am leben sein, und gehen weiterhin ihr Leben durch, werden immer mehr frustriert. Manche sind sich ihres Todes nicht bewusst. Manche spielen den Lebenden Streiche, haben Spaß daran. Und manche sind wie ich, schauen nach ihren Liebsten, weil wir sonst hilflos sind.



Ich sehe auch einige, die die Wahl getroffen haben weiterzumachen. Ich bin nicht neidisch.



Ich frage ich, ob es wahr ist, dass es Wiedergeburt gibt? Wenn meine Zeit abgelaufen ist, Scully und ich dann in diesen Kreis kommen und wieder zurückkehren... Sind wir dann wieder zusammen, aber diesmal anders. Vielleicht sind wir dann wieder zusammen, wie ein wirkliches Paar, körperlich wie auch seelisch.



Sie ist müde. Sie braucht morgens lange bis sie aufsteht. Wenn Besuch da ist, muss sie öfters ausruhen. Ihre Familie ist besorgt, und sie denken über ein Altersheim oder einer Pflegehilfe nach. Sie weigert sich. Sie sagt, dass es ihr gut geht.



Danny, ihr Liebling von allen, kommt jetzt jeden Tag rüber. Er sorgt dafür, dass sie genug zu essen hat und dass sie auf sich aufpasst. Sie akzeptiert seine Treiben mit Fassung, lässt ihm im Glauben, dass er sich um sie kümmert. Sie ist langsamer, es ist wahr, aber Beide wissen, dass sie es noch alleine schaffen würde.



Sie bekommt von mir auch mehr Aufmerksamkeit. Sie hält inne, wenn ich ihren Nacken streichle, lächelt wenn ich ihr zuflüstere. Sie spricht freier zu mir, und öfter.



„Mulder, ich denke wir essen heute Abend Pfirsiche und Hüttenkäse. Ich bin froh, dass ich noch meine Zähne habe. Kannst du dir vorstellen nur von Apfelmus zu leben ? Oder mit einem Gebiss? Nee.“



„Mulder, ich hab heute morgen einen sehr interessanten Artikel gelesen. Es gibt eine Debatte, wer das Land regieren wird, wenn der Präsident gebären wird. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch erleben darf. Ich denke CNN wird die Geburt übertragen. Das erste Baby, eines weiblichen Präsidenten. Aber die Verfassung hat keinen Mutterschaftsurlaub vorgesehen.“



„Mulder, du musst wissen, dass ich nichts bereue. Das musst du wissen. Nichts. Hm, vielleicht ein paar Dinge... Ich bereue, dass wir nie ..., hör mich nur mal an. Eine alte Frau mit zu vielen Erinnerungen.“



Sie ist so gebrechlich. Ihre Familie hat Angst, dass sie hinfällt und sich etwas bricht. Sie benutzt einen Spazierstock. Manchmal hat sie ein Flackern um ihr Gesicht, und ich denke, dass der Tod nah ist. In der Nacht halte ich sie und sage ihr, dass sie keine Angst zu haben braucht, dass sie dem mutig entgegentreten soll.



Ich weiß, dass sie keine Angst hat. Nicht meine Scully.



Ich komme vom Herumwandeln in ihr Schlafzimmer, und sie lächelt mich an. Etwas ist heute anders.



„Scully?“



„Hi, Mulder.“



„Scully, du - du kannst mich sehen?“



„Natürlich kann ich das, Mulder.“ Sie hält mir ihre Hände entgegen. Ich gehe auf sie zu, ich halte sie. Ich kann sie berühren, und das verschlägt mir den Atem, und ich lache. „Mulder,“ sagt sie einfach und küsst mich.



„Scully?“ Meine Hände gleiten über ihr Haar. Und dann bemerke ich es. Ihr Haar ist wieder rot. Ihr Gesicht glatt. „Scully, bist du - bist du-“



„Ich denke, ich bin tot, Mulder.“



Wir schauten beide auf ihr Bett, wo ihr Körper ruhig liegt. Sie sieht aus als ob sie schlafen würde. Sie lächelt.



Und in meinen Armen lächelt sie auch, fröhlich.



„Mulder? Lass uns gehen.“



„Wohin gehen?“



„Da.“ Sie schaut hinter mich, und ich dreh mich um. Es ist der Tunnel, der weiße. „Bist du bereit zu gehen?“

„Bist du es?“



„Ich bin bereit. Ich bin seit langer Zeit bereit.“



Ich halte ihr Gesicht in meiner Hand und küsse sie vorsichtig. „Ich bin bereit.“



„Ich habe dich so sehr vermisst.“



„Ich bin immer bei dir gewesen.“



„Ich will nie wieder von dir getrennt sein.“



Ich sehe, dass das Licht auf uns wartet. Es sieht freundlich und ruhig aus. Ich küsse sie wieder und sage, „Ich denke, dass wir das sein werden.“



Und dann gehen wir.




Ende
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