World of X

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Als die Hölle gefror...

von Karin Ropers, Steffi Raatz

Kapitel 7

"Halte mich nicht für dumm, Kleines! Ich habe euch am Steg gesehen und ich habe dich gestern mit ihm beobachtet, wo ihr euch vor deinem Partner versteckt habt!", sprudelte es aus Jack heraus.

"Ach du spionierst uns nach. Das muss ich unbedingt Alex erzählen!", Scully fing bei diesen Worten an zu kichern.

Jack´s Gesicht lief rot an, als er sah wie Scully ihn auslachte: "Du wirst bald nicht mehr lange zu lachen haben, dafür werde ich schon sorgen."

"Willst du mir drohen, Jacob? Willst du mir eine Falle stellen, so wie du Melissa eine Falle stellen wolltest?", erwiderte sie kühl.

"Falle?" Jacob wurde bleich.

"Ganz recht mein Lieber! Wir haben deine Konstruktion entdeckt. Du wolltest Melissa ertrinken lassen, gib es doch zu!", zischte sie.

"Warum sollte ich?", brummte er erstaunt.

"Weil du mich..." begann sie und wurde von seinem Lachen unterbrochen.

"Wenn ich dich will, dann werbe ich um dich. Melissa will die Scheidung, das kann mir doch nur Recht sein!"

Scully sah ihn entgeistert an. Natürlich machte das Sinn was er sagte. Warum sollte er sie mit einem Mord versuchen aus dem Weg zu schaffen, wenn er doch nur einfach die Scheidungspapier unterzeichnen mußte?

Sprachlos sah sie zur Seite; sie hatte den falschen beschuldigt! Aber eine Frage hatte sie noch: "Warum das Seil am Steg?"

"Die Planken vom Steg sind lose. Ich vermute, sie brechen bald, ich wollte ein Schild an das Seil hängen, damit niemand ins Wasser gerät. Als ich jedoch heute morgen nach dem Steg sehen wollte, war dieser bereits defekt."

Scully sah verlegen zu Boden, während Jack erzählte und dachte an die letzte Nacht.

"Wenn ich nur wüßte, wer den Steg demoliert hat..." grübelte Jack laut und Scully sah ihn mit großen Augen an.

Als ihre Augen sich trafen, zuckte sie nur mit der Schulter und wunderte sich, wie leicht ihr eine Lüge über die Lippen kam: "Du, ich habe wirklich keine Ahnung."

Er zog die Schultern hoch und seufzte, dann verließ er ihr Zimmer.

Erstaunt sah sie ihm hinterher. Er hatte nun schon so viel angestellt, um an sie heranzukommen und nun ließ er sie einfach in Ruhe. Er hatte fast so auf sie gewirkt, als ob es ihm leid täte, dass Melissa ihn verlassen wollte. Sollte es möglich sein, dass dieser Mann seine Frau wirklich liebte?

Vielleicht sollte sie ja nur als Ablenkung, als Eifersuchtsfaktor dienen? Scully schüttelte den Kopf und beschloß, unter die Dusche zu gehen. Sie mußte nach diesem Gespräch erst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen.

Das heiße Wasser rann ihren Körper hinab, benetzte ihre Haut und spülte alle Vorwürfe, die sie sich machte, hinfort.

"Dana?", erschrocken horchte sie auf. War da jemand?

Dann hörte sie ihren Namen noch einmal wesentlich klarer. Krycek stand an der angelehnten Badezimmertür.

"Alex!", sie zog den Duschvorhang halb um ihren Körper.

"Ich muß mit dir reden!", es klang dringlich.

"Ausgerechnet jetzt!", schimpfte sie leise und deutete auf eines der großen Frotteehandtücher, "reichst du mir das bitte?"

Alex tat ihr den Gefallen und wartete, bis sie sich das Tuch umgeschlungen hatte, dann reichte er ihr seine Hand und half ihr aus der Duschwanne.

"Worum geht es Alex, ich bin naß und ich friere!", platzte es ungeniert aus ihr heraus.

"Um gestern abend", erwiderte er und legte ihr ein weiteres Handtuch um die Schultern.

"Um gestern abend", wiederholte sie und atmete tief durch. Ihre Augen blickten ihn von unten herauf an und ihre seidigen Wimpern verdeckten diese zur Hälfte. Krycek fragte sich, ob sie sich bewußt war, wie verführerisch sie war.

Seine Hand glitt über ihre Wange und einen Augenblick verweilte sie an ihren Lippen. Er mußte sich stark zusammenreißen, um sie nicht zu küssen.

Scully hielt den Atem an, doch Alex bekam sich wieder unter Kontrolle und zog seine Hand weg.

Die FBI-Agentin war eine sehr gefährliche Frau, beruflich perfekt und sexuell das verführerischste, was ihm je unter die Finger gekommen war. Es war nicht einfach zu widerstehen.

Nur ein Kuß, dachte Scully, dann konnte sie für nichts mehr garantieren. Was auch immer da zwischen ihr und Krycek geschah, war gefährlicher als jeder Kampf, den sie bisher ausgefochten hatte und es war gewaltiger als jeder Schneesturm.

Nicht nur, dass er ein gefährlicher Profikiller war, seine sexuelle Anziehungskraft wirkte auf sie unwiderstehlich. Sie beide zusammen waren wie eine tickende Bombe, die jeden Augenblick hochgehen konnte.

Krycek räusperte sich als erstes wieder und deutete wortlos zur Tür. Sie nickte und folgte ihm in ihr Schlafzimmer, wo beide sich auf das Bett setzten.

Er spielte nervös mit seinen Fingern, während sie einige Minuten zu Boden starrte. Keiner brachte ein Wort heraus.

"Es ist nicht geschehen!", platzte es mit einem Male aus ihm heraus und sie wirbelte zu ihm herum. Ihr Handtuch um die Schultern verrutschte ein wenig durch den Schwung.

"Nein, ist es nicht, auf keinen Fall!", entgegnete sie ganz seiner Meinung.

Alex schluckte; sie wußte ja gar nicht, wie schön sie war. Er griff nach dem Handtuch und legte es ihr wieder vorsichtig über die Schultern: "Und es wird nie wieder passieren?" Seine Stimme klang rauh und verklärt.

"Nie wieder!", hauchte sie, doch sie beugte sich Alex entgegen und seine Lippen berührten ihre voller Inbrunst.

Sie spürte, wie er sie umarmte und mit sich auf das Bett zurückfallen ließ. Scullys Hände wanderten über seinen Oberkörper und suchten nach den Knöpfen seines Hemdes. Es war so verwirrend, es ging so schnell.

"Nie wieder", murmelte er zwischen zwei Küssen und sie bestätigte es atemlos. Seine Hand glitt über ihren nackten Oberschenkel, den sie an ihn preßte.

'Nie wieder' klang es in ihren Ohren nach, doch zeigte es keine Wirkung...

Die Decke hatte Risse, stellte sie fest und versuchte für einen Augenblick ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.

Ein Rascheln neben ihr brachte sie jedoch wieder zurück in die nüchterne Realität.

"Es war ein Fehler!", ertönte es leise neben ihr.

"Ein großer Fehler!", bestätigte sie und drehte ihren Kopf in Alex Richtung.

Einen Augenblick sahen sie sich an, dann sah sie wieder zur Decke: "Und nun?"

"Ich weiß es nicht..." murmelte er.

"Vergessen?", sie seufzte.

"Kann ich nicht", erwiderte er und strich ihr mit der gesunden Hand über den nackten Arm.

Ein Kribbeln zog durch ihren Körper und ließ sie erschauern. Nein, vergessen konnte sie auch nicht.

"Ignorieren? Dementieren?", ihr Blick wanderte wieder zu Alex.

"Halte ich für das beste", murmelte er und versank wieder in ihren Augen.

Sie schloß die Augen und holte tief Luft: "Wir müssen das für uns behalten. Keiner darf je davon erfahren!"

Er nickte und ließ seine Hand über ihre Wange gleiten. Sehnsüchtig reckte sie sich ihm entgegen und genoß den bittersüßen zarten Kuß, den Alex ihr gab.

Sie wußte, dies mußte der letzte Kuß sein, der je zwischen ihnen stattfand. Es durfte nicht noch mehr unüberlegtes geschehen.

Er wußte, was sie dachte und war genau ihrer Meinung. Schließlich ließ er sie los und kletterte über sie hinweg aus dem Bett.

Mit seinem Stapel Kleidungsstücke im Arm wanderte er in ihr Badezimmer, um sich anzukleiden.

Scully schloß noch einmal die Augen und ließ den Vormittag auf sich wirken. Erst hatte Jack sich in ihr Zimmer geschlichen, dann hatte sie festgestellt, dass Jack gar nicht ihr gesuchter Mörder war und zu guter letzt hatte sie sich mit Krycek aussprechen wollen und war mit ihm im Bett gelandet.

Zu ihrem Glück hatte niemand während dieser Zeit ihr Zimmer betreten, niemand hatte nach ihnen gefragt und sie hoffte, niemand würde nach ihnen suchen.

In der letzten Stunde hatte sie soviel Leidenschaft erfahren... sie hatte nie geglaubt, dass soviel Leidenschaft möglich war.

Aber sie wußte auch, dass diese Leidenschaft rein sexueller Natur war. Das hatte alles nichts mit Liebe zu tun.

Liebe empfand sie nur für einen Mann und den hatte sie soeben betrogen.

Krycek kam wieder aus dem Bad und stellte sich das Hemd zuknöpfend ans Fenster. Sein Blick schweifte zuerst über die Wasseroberfläche, dann stockte er.

Scully hatte sich erst zur Hälfte angezogen, da zog er sie zum Fenster und deutete auf etwas dunkles unter dem Eis: "Siehst du das?"

Sie knöpfte ihre Jeans zu und sah an ihm vorbei auf die Eisfläche: "Was kann das sein?"

"Ist das vielleicht das oder der, der uns letzte Nacht angegriffen hat?", er sah sie fragend an.

"Gut möglich!", erwiderte sie und wurde bereits wieder von ihm am Arm gezogen. Er steuerte schnurstracks auf die Tür zu, so dass sie nur noch mit einer Hand nach ihrer Bluse greifen konnte und diese während ihres Weges die Treppe hinab überstreifte.

Sie gaben sich nicht die Mühe, sich Jacken anzuziehen. Kryceks Hemd war sogar nur halb zugeknöpft und ihres gänzlich offen, doch die Aussicht einer Lösung nahe zu sein, trieb sie voran.

Mulder späte aus seinem Zimmer und sah ihnen fragend hinterher. Er registrierte ihre Kleiderordnung und dass Krycek Scullys Hand hielt, während er sie hinter sich herzog.

Scullys Blick traf ihn und sie schien nicht peinlich berührt oder entsetzt, dass er sie beide so zusammen sah, nein, ihre Augen leuchteten, waren aufgeregt, genau wie ihre Stimme, als sie ihm etwas zurief: "Unter dem Eis... ich glaube, wir haben das Wesen von letzter Nacht gefunden!"

Er vergaß sofort den Zustand der beiden und eilte zurück in sein Zimmer, um seine Jacke zu holen und sich Schuhe anzuziehen.

Als er einen kurzen Blick aus dem Fenster warf, sah er, dass Scully und Krycek bereits auf das Eis schlitterten, doch keine Jacken am Leib trugen.

Mulder schüttelte den Kopf und holte für Scully und Krycek Jacken, dann eilte er ihnen hinterher.

Draußen war es bitter kalt und Scully merkte sehr bald, dass sie einen Fehler begangen hatte, ihre Jacke im Haus zu lassen. Wenn sie nur nicht so aufgeregt gewesen wäre.

Während sie die Knöpfe ihrer Bluse schloss, hämmerte Alex mit einer kleinen Axt, die er dem naheliegenden Holzstapel entnommen hatte, auf dem Eis. Kleine Stücke splitterten in ihre Richtung und stachen sie an den Beinen.

"Paß auf, dass du keine Risse verursachst und wir in dem kalten Wasser landen. Einmal reicht mir!", warnte sie ihn und er sah sie nur grimmig an.

Dann stieß er durch die Eisschicht. Mit kleinen präzisen Schlägen vergrößerte er das Loch und etwas Pelziges kam darunter zum Vorschein.

Scully hatte den Abstand zu Krycek verringert und starrte entsetzt und erfreut zugleich auf ihren Fund.

Alex hämmerte weiter und legte den Kopf frei. Zwei mächtige Hörner entwuchsen einer hohen Stirn und Scully jubelte vor Glück.

"Wir haben es!", freute sich Krycek euphorisch und griff Scully am Kragen, zog sie zu sich hinab und drückte ihr einen überschwenglichen Kuß auf die Lippen.

Sie sah ihn verdutzt an und umschloß dann sein Gesicht mit ihren Händen und küßte ihn noch einmal, aber leidenschaftlicher.

Sekunden später starrten beide wieder auf das Wesen und während Krycek weiter mit der Axt auf das Eis einschlug, betastete Scully das Wesen.

Mulder, der gerade als Scully ihren Jubelschrei los ließ, das Haus verließ und zum Steg wanderte, beobachtete verletzt, wie Krycek und Scully sich küßten. Sein Herz drohte auszusetzen und doch ging er weiter auf die beiden zu.

Scully sah ihn kommen und ließ sich dankbar in ihre Jacke helfen. Unterdessen hatte sie wirklich das Gefühl, erfroren zu sein.

"Was war das denn eben?", brummte Mulder in ihr Ohr und warf Krycek seine Jacke hin, der diese dankend entgegen nahm.

"Nichts... es war nichts, Mulder!", lächelte sie. Sie war viel zu euphorisch, als dass sie die schwere der Situation begriff oder ein schlechtes Gewissen hatte.

Mulder zuckte nur zurück und schluckte schwer, dann folgte er ihr zu dem Loch im Eis und versuchte in seiner Eigenschaft als Agent des FBI an die Sache heranzugehen.

Krycek unterdessen füllte sich unwohl, hatte er doch den Seitenblick von Mulder wie einen Hieb verspürt. Aber er half Mulder, als dieser ihn aufforderte das Wesen mit anzupacken.

Gemeinsam hievten sie das Monster auf das Eis und starrten es an.

Alex wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Zwar war es draußen bitterkalt, doch durch die Kraftanstrengung war ihm sehr warm geworden.

"Und was nun?", erklang Mulders Stimme.

Eine berechtigte Frage und keiner wußte darauf wirklich eine Antwort.

"Das Ding, es ist gefroren", Scully war in die Knie gegangen und tippte mit den Fingern an das Wesen.

"Ja und?", kam es aus Kryceks und Mulders Mund gleichzeitig.

"Ich weiß ja nicht was es ist und eigentlich will ich das auch gar nicht wissen, aber es könnte gut möglich sein, dass es wieder lebendig wird, sobald es auftaut. Es handelt sich schließlich nicht um ein menschliches Wesen, es... ohhhh, ich weiß auch nicht", entgegnete Scully aufgeregt.

"Solche Theorien aus deinem Mund. Dass ich so etwas noch erleben darf", lächelte Mulder verhalten.

"Ja und was zum Teufel tun wir jetzt?", erklang Alex' Stimme neben ihm, "warten, bis das Ding auftaut?"

"Auf keinen Fall!", japste Scully und wich automatisch ein Stück von dem Wesen zurück.

"Und wenn wir es in das Bootshaus einsperren?", Mulder sah Scully fragend an.

"Das ist niemals stabil genug! Wenn ich an die Kraft denke, die mich hinab in die Tiefe zog... nein, das Bootshaus ist nicht sicher!", sie schüttelte energisch den Kopf.

"Irgendwas müssen wir tun, sonst hätten wir es auch unter dem Eis lassen können!", fuhr Alex sie an.

"Schon gut!", fauchte sie zurück, "ich werde es untersuchen!"

Mulder sah mit großem Interesse dem Zwist der beiden entgegen.

"Tut mir leid", kam es jedoch dann von Alex und Mulder registrierte erneut mit befremden, dass er seine Hand auf ihre Schulter legte.

Sie legte ihre Hand auf seine und sah ihn an: "Schon okay, wir sind beide eben sehr aufgeregt."

"Das ist gar kein Ausdruck dafür", lächelte er vorsichtig und wich sofort einen Schritt zurück, als er Mulders Gesichtsausdruck sah.

Was wurde hier eigentlich gespielt? Langsam wurde es Mulder zu viel. Scully ging viel zu vertraut mit Krycek um. Vor kurzem hatte sie noch geschimpft, weil er diesen Kerl hatte entkommen lassen und jetzt das! Ärger und Mißtrauen stiegen in ihm auf.

Nichts desto trotz half er Krycek das Wesen an Land zu befördern, während Scully ins Haus eilte und ihre Arzttasche holte.

"Was ist zwischen ihnen und Scully?", packte er die Gelegenheit am Schopf, erntete jedoch nur Schweigen von der anderen Seite.

"Krycek, sie können mir nicht erzählen, dass sie sich ganz urplötzlich so gut miteinander verstehen. Scully hat sie gehaßt!", versuchte er es ein zweites mal.

"Hören sie Mulder", Krycek richtete sich auf und sah seinen Gegenüber direkt an, "vielleicht ist sie mir dankbar, dass ich sie aus dem kalten Wasser gezogen habe und vielleicht bin ich ihr dankbar, dass sie das Wesen von mir abgelenkt hat. Vielleicht ist es einfach nur das! Okay?!"

"Das wären sie quitt und es gäbe keinen Grund weiter so freundlich zu sein", setzte Mulder an, wurde jedoch von Krycek unterbrochen.

Abwehrend hob dieser die Hand: "Mulder, Agent Scully ist eine wunderbare Frau und wenn sie sich keine Mühe geben, ihr zu gefallen, dann werde ich mein Glück versuchen. Habe ich mich klar ausgedrückt?"

Mulder schluckte. Krycek hatte ihm gegenüber eine offene Kampfansage gemacht, doch diesmal ging es nicht um Verschwörungen oder Mord, diesmal ging es um Scully - um seine Scully!

"Sie..." er schnappte nach Luft, "sie glauben doch nicht ernsthaft, dass sie Chancen bei ihr hätten?!"

"Wollen sie es drauf anlegen?", kam es spitz zurück und Mulder mußte einsehen, dass er Krycek nicht unterschätzen durfte.

Als Scully wenige Augenblicke später wieder zu ihnen stieß, herrschte Stille, doch die Blicke beider Männer waren aufeinander fixiert.

Müde rieb sich Diana die Augen. Sie haßte es, wenn Alex sich ihr nicht widmete. Nun waren sie geschlagene zwei Tage in dieser Hütte und nur einmal hatte er sich um sie gekümmert. Wütend hatte sie ihn zur Rede gestellt, einen Streit angefangen und hinter sich die Tür abgeschlossen, doch er war die ganze Nacht nicht gekommen, hatte nicht nach Einlaß gefragt oder eine Versöhnung gesucht. War sie ihm auf einmal so gleichgültig?

Oder steckte Dana Scully dahinter? Sie hatte schon mit Mißfallen registriert, wie er sie vor ihr in Schutz genommen hatte, als das Thema Kind zur Sprache gekommen war. Steckte da etwa mehr dahinter?

Nein, eigentlich konnte sie das nicht glauben. Alex war nicht der Mensch, der sich mit Dana Scully einlassen würde. Sie konnte ihm viel zu gefährlich werden, und außerdem würde sie doch auch gar nicht mitspielen... oder etwa doch?

Schließlich hatte sie ihn zu ihrem Beschützer erkoren, schließlich waren die beiden ständig bei einander.

Sie öffnete nachdenklich die Tür zur Vorratskammer und zog ihrem Gefangenen den Knebel aus dem Mund.

"Verdammt, Diana, ich dachte schon, du läßt mich hier verrotten!", tönte es ihr entgegen.

"Ich konnte nicht eher hierher kommen, Joseph", erwiderte sie und schnitt die Fesseln ihres Gegenübers los.

"Wenn du mich nächstes mal fragst, ob ich dir einen Gefallen tue, dann erinnere mich bitte an dieses mal und ich werde es mir gründlich überlegen!", zischte er und rieb sich die Handgelenke.

"Schon gut, es ist halt nicht so gelaufen, wie geplant! Weder Alex noch ich sollten hier sein", erwiderte sie ärgerlich und löste seine Fußfesseln.

"Und warum seid ihr nun hier?", fragte Joseph Martin gelangweilt.

"Weil Alex meinem Ex-Mann hinterher reisen mußte! So, nun troll dich, aber denk an deinen Auftrag!", zischte sie und drückte ihrem Gegenüber eine Waffe in die Hand, "ich will die Rothaarige heute abend nicht mehr lebend sehen!"

Später am Nachmittag saß man beisammen und beratschlagte sich. Wider Scullys Erwartungen, aber zu ihrer Erleichterung, war das Wesen nicht wieder auferstanden. Vermutlich hätte sie dann auch mit dem Skalpell zu gestochen, welches die ganze Zeit neben ihr gelegen hatte. Zumindest hätte sie es versucht...

Mulder fuhr sich erschöpft mit der Hand durch das Haar und sein Blick wanderte immer wieder aus dem Fenster. Seine Wunde an der Schulter schmerzte immer mehr und er hatte das Gefühl, die Kugel wandern zu spüren. Scullys besorgter Blick lastete auf ihm, doch er konnte und wollte ihr seine Schwäche nicht eingestehen.

"Dieses Wesen... es ist, na ja, wie soll ich es ausdrücken? Es ist nicht existent. Ich kann euch nicht einmal sagen, wie es leben konnte. Es gibt kein Herz, keine lebenswichtigen Organe in seinem Inneren... ich kann es einfach nicht erklären", erläuterte Scully ihre Obduktionsergebnisse.

"Wer auch immer dieses Wesen erschaffen hat, muß über sehr viel Macht verfügen", kommentierte Krycek das Gesagte.

Mulder hielt sich zurück und starrte weiterhin aus dem Fenster. Das Pochen in seiner Schulter wurde schier unerträglich. Vermutlich hätte er dieses Wesen nicht tragen sollen, aber wer hätte es denn sonst getan.

Scully betrachtete ihn nachdenklich. Er sah nicht gut aus, viel zu blaß. Warum sagte er ihr nicht, dass es ihm schlecht ging, sie konnte ihm doch vielleicht helfen?

Sie lächelte Alex an und legte ihm ihre Hand auf seine: "Wir reden nachher weiter, ja?"

Alex warf einen Blick auf Mulder und nickte, dann stand er auf und ging.

Leise setzte sie sich neben ihn und sah ihn eine Weile stillschweigend an, dann strich sie ihm sanft über den Arm. Er zuckte zurück und sie konnte den Schmerz in seinem Gesicht sehen - die Schulter!

"Mulder, laß mich deine Schulter ansehen", sagte sie leise.

"Laß, es geht schon", erwiderte er und rückte ein Stück von ihr ab.

Sie seufzte: "Hör auf mit dem falschen Stolz und laß mich deine Schulter sehen."

Spürbar ließ seine Anspannung ein wenig nach und er drehte seinen Körper so weit, dass sie problemlos an seine Schulter heranreichen konnte. Sein Blick jedoch war noch immer von ihr abgewandt und aus dem Fenster gerichtet.

Traurig registrierte sie es, öffnete sein Hemd und schob es in Höhe der Schulter so weit hinab, dass sie sich den Verband ansehen konnte.

"Ich muß den Verband lösen, Mulder", sie sah zu ihm auf, "die Wunde scheint sich entzündet zu haben."

Zum erstenmal seit langem sah er ihr wieder in das Gesicht. In seinen Augen stand Verzweiflung und Schmerz. Scully schluckte.

"Kannst du die Kugel entfernen?", sie hörte es aus seinem Mund, obgleich es sehr leise war, doch sie wollte es nicht hören.

"Ich könnte dir mehr schaden als helfen", seufzte sie.

"Tu es!", kam es relativ ruhig von ihm und sie nickte.

"Wenn du willst, dass ich sie entferne, dann werde ich es tun, aber dir sollte klar sein, dass ich Nerven verletzen könnte oder dein Arm nicht mehr beweglich ist anschließend."

"Tu es einfach!", war sein einziger Kommentar.

Sie akzeptierte seine Entscheidung und gab ihm Anweisung, den Oberkörper frei zu machen.

Während sie in der Küche ihr Skalpell und einige weitere Utensilien erhitzte und somit desinfizierte, konnte sie sehen, wie stark die Schmerzen in Mulders Schulter wirklich waren. Er schien nicht einmal in der Lage, sein Hemd richtig auszuziehen.

"Warte, ich helfe dir", sie legte ihre medizinischen Instrumente sorgsam zur Seite und half ihm aus dem Hemd.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dass sie sich so nah gewesen waren, dabei war es kaum 2 Tage her.

Sie spürte wie ihr Puls sich beschleunigte, als sie mit geübten Fingern die Wunde abtastete. Seine Nähe war ihr so deutlich bewußt, wie noch nie.

Sie spürte seine Hand an ihrer, hielt in ihrer Bewegung inne und sah ihn an. Dieses Knistern war wieder zwischen ihnen, setzte die Luft in Brand und ließ ihre Herzen schneller schlagen.

"Dana, es ist mir egal, was mit Krycek passiert sein mag, aber ich will dich nicht verlieren!", murmelte er, so dass sie es kaum verstehen konnte.

Ihr Finger legte sich auf seine Lippen und brachte ihn zum Schweigen: "Shhh... du wirst mich nie verlieren!"

Vorsichtig beugte sie sich vor und küßte ihn sanft. Trotz aller Schmerzen, spürte sie wenig später seine Arme um ihren Körper. Ihr Kuß wurde wärmer, intensiver und immer leidenschaftlicher. Und sie begriff endlich, wie sehr sie ihn liebte.

Mit Schmerzen im Rücken, aber glücklich, machte sie sich eine halbe Stunde später daran, die Wunde zu versorgen.

Hochprozentiger Alkohol floß über seine Wunde und löste in ihm den Wunsch aus, sie auf der Stelle umzubringen.

Sie lächelte verhalten, gab ihm eine zärtlichen Kuß und zückte dann das Skalpell.

"Achtung", warnte sie ihn vor, "gleich wird es sehr schmerzhaft."

Grimmig sah er sie an: "Ich habe jetzt schon den Drang, dich umzubringen, wenn ich also im Delirium verletzende Worte zu dir sage, dann nimm es bitte nicht persönlich."

"Und wenn, dann bohr ich halt ein wenig tiefer hiermit", entgegnete sie verschmitzt und hielt ihm das Skalpell vor Augen.

"Na super!", quetschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor

"Denk einfach an eben!", war ihr einziger Kommentar.

Mulder zog eine Augenbraue in die Höhe: "Glaubst du wirklich, ich kann bei diesen Schmerzen noch an Sex mit dir denken?"

Sie zuckte nur mit den Schultern und begann mit der Entfernung der Kugel.

Die Terrasse hatte es ihr mal wieder angetan. Hier hatte sie die Freiheit, ungestört ihren Gedanken nach zu gehen. Noch immer hallte der Schmerzensschrei ihres Freundes in ihren Ohren nach. Sie konnte nur hoffen, dass sie ihm keine bleibenden Schäden zugefügt hatte.

"Alles okay?", erklang Alex' Stimme neben ihr und sie nahm dankend den dargebotenen Kaffee an.

"Ich fühle mich so schuldig..." sie sah wieder weg.

"Wegen uns?", fragte er vorsichtig nach.

Ihr Blick wanderte wieder zu ihm zurück: "Nein, nicht wirklich. Ich schäme mich für meine eigene Falschheit."

Er sah sie fragend an und sie antwortete auf seine nicht gestellte Frage: "Ich liebe ihn, aber ich schlafe mit dir, doch ich bereue es nicht."

Er fuhr ihr liebevoll mit der Hand über den Unterarm, doch Scully schob ihn weg: "Das ist es, was ich meine, ich kann dir nicht widerstehen. Ich sollte ein schlechtes Gewissen deswegen haben..."

Alex' Lippen verschlossen ihren Mund. Sie versuchte sich erst gar nicht zu wehren, sondern schlang ihre Arme um seinen Nacken.

Dann hörte sie plötzlich einen Schuß. Sie riß die Augen auf und spürte zeitgleich wie Alex' Körper einer Wucht ausgesetzt war.

"Nein", kam es ihr leise über die Lippen, dann sackte er in ihre Arme und sie spürte sein gesamtes Gewicht auf ihrem Körper lasten.

"Alex... Alex, bitte, hörst du mich?", sie ließ ihn auf die Holzdielen nieder und fühlte seinen Puls.

Sein Atem ging flach, doch regelmäßig, sein Puls war noch zu spüren. Scully wußte, es waren an sich gute Zeichen, dennoch wußte sie, dass dies hier draußen nichts bedeuten mußte.

Sie blieb neben ihm in Deckung, zog ihre Waffe und sah sich um.

Woher war der Schuß gekommen? Ihre Hand zitterte, während sie die Waffe vor sich hielt und den Wald absuchte.

Dann sah sie eine winzige Bewegung, hörte ein leises Rascheln und etwas rotes aufleuchten. Ihre Sinne reagierten blitzschnell und ließen sie jeden Kugel aus ihrer Waffe abfeuern bis das Magazin leer war.

Sie hörte Geräusche im Haus und wenige Augenblicke später standen Mulder, mit Waffe im Anschlag, Diana und Jack in der Tür.

Dianas Augen weiteten sich und ein gellender Schrei entfuhr ihrer Kehle, als sie Alex sah.

Scully kniete neben ihm, ihr Hand auf die Wunde im Rücken gepreßt, hoffend, betend. Ihre Augen trafen die ihres Partners und sie las dort Unverständnis über ihre Qual.

Ihre Augen wurden feucht und sie wandte den Blick wieder von ihm ab. Diana war wie erstarrt, starrte auf die rothaarige Frau, die neben ihrem Mann kniete und dessen Wange bedacht zärtlich streichelte.

War es doch wahr. Hatte sich Scully doch mit ihrem Mann eingelassen, war wirklich das geschehen, was sie nie zu fürchten gewagt hatte?

Wütend fuhr sie zu Mulder herum und zeigte auf Scully: "Deine Freundin hat mir meinen Mann genommen!"

"Sie ist nicht meine Freundin", kam es kalt von Mulder und Scully brach in Tränen aus.

Während Jack als einziger mit anfaßte und Alex ins Haus trug, folgte Mulder den Spuren im Schnee und Danas Schüssen. Zwar war er gekränkt und verletzt bis zu einem Maße, dass er nicht mehr nennen konnte, dennoch mußte er die Sache aufklären. Schließlich konnten sie alle in Gefahr sein.

Wenige Meter in den Wald hinein entdeckte er eine rote Jacke. Keine zehn Meter weiter lag der tote Besitzer, niemand anders als Joseph Martin.

Mulder ging in die Knie und sah, dass Scully ihn mit jeder ihrer Kugeln getroffen hatte.

Nachdenklich betrachtete er den Leichnam. Scully hatte selten so über reagiert. Sie mußte wirklich etwas für Alex Krycek empfinden. Er konnte nur nicht verstehen, wann es begonnen hatte. Was hatte zwischen ihnen den Ausschlag gegeben, dass sie sich von ihm abgewandt hatte? Und wie hatte Krycek es geschafft, ihr Vertrauen zu gewinnen, wo sie ihn doch bis vor kurzem so gehaßt hatte.

Verzweifelt fuhr er sich mit der Hand durch das Haar. Seine Schulter schmerzte bitterlich, doch es war besser, seit sie die Kugel entfernt hatte.

Einen Augenblick lang hatte er gehofft, alles wäre wieder zwischen ihnen im Reinen, doch ihr Blick, als Krycek getroffen am Boden lag, er hatte soviel Qual und Verzweiflung ausgedrückt, dass ihm fast schlecht geworden wäre.

Krycek hatte ihn gewarnt und er hatte ihm nicht geglaubt.

Doch wo zum Teufel lag sein Fehler? Was hatte Dana in die Arme seines Feindes getrieben, was machte er vielleicht noch immer falsch?

Er wischte für einen Augenblick die Gedanken an Dana beiseite und widmete sich nochmals der Leiche.

Neue Fragen stiegen in ihm auf. Wie war Joseph Martin aus der Vorratskammer entkommen? Wie hatte er zu einer Waffe gelangen können?

Wer waren seine Auftraggeber und was war sein Ziel? Krycek zu töten? Nein, das konnte nicht sein.

Mulder blickte zum Haus zurück und sah Diana im oberen Stock am Fenster stehen. Als sie ihn sah, verschwand sie wieder.

Diana - schoß es Mulder in den Kopf. Das war sein Fehler. Er hatte sich zu sehr seiner Exfrau gewidmet und Scully links liegen gelassen. Er hatte mit ihr über das ungeborene Kind gesprochen, er hatte...

Ein unglaublicher Gedankenblitz schoß n seinen Kopf. Er schüttelte den Kopf und wollte das ganze vergessen, doch es gelang ihm nicht. Hatte sie Joseph Martin beauftragt? Sollte dieser Krycek töten und ihr die Möglichkeit geben, mit ihm glücklich zu werden? Sie wußte, er hätte ihr nicht abschlagen können, das Kind mit ihr großzuziehen. Er hätte den Vater gespielt, dem Kinde zu liebe.

Oder aber... nein, das konnte wirklich nicht sein, oder?

Diana - Dana... Diana - Dana...
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