World of X

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Whatever you and I may differ on...

von Karin Ropers, Steffi Raatz

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Vorsichtig stecke ich ihr die Genesungskarte zwischen die Hände, vorsichtig und sacht, damit sie nicht aufwacht.

Obwohl sie das störrischste und kratzbürstigste Wesen ist, das ich kenne, beginne ich sie langsam zu verstehen.

Wie kann ein Mensch nur so viel Leid ertragen? Sie wirkt so zerbrechlich, so ungeheuer schwach und doch ist sie all das nicht. Sie trägt so viel Kraft in sich.

Sie öffnet die Augen und ich setze mich auf den Stuhl, den ich eigens hierfür an das Bett gezogen habe. Ihre Augen fliegen über die Karte, über meine Genesungswünsche, die recht hilflos hingekritzelten Zeilen, in denen ich mein Verständnis versuche auszudrücken. Sie legt die Karte beiseite und sieht mich überrascht an. Sie sieht meine Hilflosigkeit ihr und der Situation gegenüber und ihr halb fragend und sprachloser, und doch noch immer anklagender Blick scheint mich zu erdrücken, weil ich ihr nicht hundertprozentig vertraute, so scheint sich die Verzweiflung ihrer Seele auf mich zu übertragen.

Sie fragt mich nach meinem Kommen, nach meiner Anwesenheit und einen Augenblick schweige ich. Dann sieht sie mich an, intensiver als zuvor und ich habe das Gefühl vor der Anklagebank eines Richters zu stehen.

"You still don't believe me!"

Oh doch Agent Scully, ich glaube ihnen. Ich glaube ihnen alles und auch wieder nichts, gerade das ist mein Manko. Ich begreife all das nicht, doch ich glaube es. Glaube es, weil sie es sagt.

"What I don't believe is how long they're keeping you here. "

Mehr bringe ich nicht über die Lippen. Mehr nicht. Ich kann ihr nicht ins Gesicht sagen, daß ich ihr glaube, vielleicht versteht sie es so. Vielleicht.

Doch ich spüre, daß ich mit meinem Satz noch etwas anderes getroffen habe und habe wieder verspielt, und ich verstehe noch nicht einmal warum!

"Oh, it's just some things they have to check out... make sure of."

Ihre Blicke bohren sich in meine Seele und ich weiß, daß sie in mir versucht zu lesen.

Ich weiche ihren Augen aus, hole eine Akte hervor und schlage sie auf. Es ist ein verzweifelter Versuch meinerseits, mit der Situation klar zu kommen, meine Schuldgefühle zu bekämpfen. Schuldgefühle, die ich wegen ihr habe. Die sie mir einimpft, weil ich nicht in der Lage war, Mulder zu finden.

Und so erkläre ich ihr was geschehen ist, weiche einer weiteren Konfrontation aus und lese aus der Akte vor.

"What are you doing here, Agent Doggett?"

Ihre Worte treffen mich, verunsichern mich und ich sehe sie an.

"Keeping you apprised of the case."

Ich versuche mich mit diesem Satz aus der Affäre zu ziehen, doch schnell merke ich, daß sie nicht dumm ist, dumm genug, um das, was ich sage, als gegeben hinzunehmen.

"That's not your job."

Ihre Stimme tönt in meinen Ohren und unsere Blicke treffen sich erneut. Schweigen breitet sich zwischen uns aus und die Stille ist erdrückend.

Ich kann ihr nicht lang in die Augen sehen, sonst verliere ich die Kraft ihr zu sagen, daß ich mich habe zu den X-Akten zuteilen lassen. Oh je, nun fangen meine Hände auch noch an, feucht zu werden. Aber ich muss es ihr sagen, besser ich, als jemand anderer aus der Abteilung oder einer unserer Vorgesetzten.

"It is, actually. And officially. I'm... assigned now to the X-Files."

Sie hört sich fassungslos mein Geständnis an, meine Worte. Ich kann den Unglauben in ihren Augen lesen und die leise Anklage. Sie denkt wirklich, ich will den Platz von Mulder streitig machen, aber das stimmt nicht.

Jetzt liegt es an mir, an mir, mich zu beweisen und Agent Scully vom Gegenteil zu überzeugen.

Ich gebe ihr keine Möglichkeit mehr, mich zu denunzieren, mich mit Blicken zu strafen. Weiß Gott, ich mag diese Frau, ich mochte sie schon vom ersten Augenblick an, auch wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Sie hat eine Kraft in sich, die ich faszinierend finde. Eine Kraft, die ich damals bei Luke's Tod gebraucht hätte.

So stehe ich auf, kehre ihrem ungläubigen Blick den Rücken zu und gehe zur Tür. Doch so wirklich läßt mich das Ganze noch immer nicht in Ruhe.

Verdammt, ich will nicht, daß sie glaubt, ich wollte Mulder ersetzen.

Einen kurzen, verschwindend kleinen Augenblick bleibe ich in der Tür stehen, überlege, was ich sagen will und drehe mich dann nochmals zu ihr um.

Noch immer sieht sie mich anklagend an und der Blick schmerzt mich.

"Whatever you and I may differ on, I'll find him, Agent Scully."

kommt es über meine Lippen und ihr Blick wechselt von Anklage zu Unglaube.

Agent Scully, wußten sie denn noch nicht, daß ich ihnen zugetan bin? Haben sie wirklich geglaubt ich wäre ihr Feind?

Ich hoffe, sie versteht endlich, daß ich auf ihrer Seite stehe. Daß ich ihr nicht das Leben schwer machen will und daß ich schon gar nicht den Platz ihres ehemaligen Partners einnehmen möchte. Und auch nicht einnehmen kann.

Ich werde ihr Zeit geben, Zeit, um über meine Worte nachzudenken, Zeit, um sich daran zu gewöhnen, daß ich nicht ihren Feind darstelle.

So gehe ich. Lasse sie in ihrem Unglauben und ihrer Verzweiflung allein und hoffe, sie möge die richtigen Schlüsse ziehen.

Immer glaubte ich alles zu wissen, stets dachte ich mein Wissen sei fundiert und ausreichend, doch jetzt weiß ich, daß ich alles Dagewesene zurückstellen muß, um noch einmal zu beginnen. Zu beginnen mit einer Wahrheit, die ich nie für möglich gehalten habe. Ich bete dafür, daß sie mich auf diesem Weg unterstützt und mir hilft, einen neuen Glauben zu finden. Einen Glauben, den ich brauche, um Mulder zu finden und zu ihr zurück zu bringen.





Ende
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