World of X

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C'Mere

von Anne Hedonia

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"Komm her."

Die Wörter kamen unvorsichtig aus Agent Doggett's Mund, ohne dass er ihnen große Aufmerksam schenkte oder wirklich registrierte, was er von sich gab. Sie waren weder zweideutig, noch enthielten sie einen ironischen oder sarkastischen Unterton. Sie waren nur für A.D. Skinner bestimmt, und bedeuteten nichts anderes als das, was sie aussagten: Agent Doggett wollte, dass A.D. Skinner näher zu ihm kam, so dass dieser besser sehen konnte, was Agent Doggett auf seiner Karte gefunden hatte.

Die andere Hälfte seiner Stimme klang unkontrolliert.

Agent Scully versuchte, sich auf den speziellen Klang der Stimme ihres Partners zu konzentrieren: vermutlich machte die niedrige rauhe Melodie seiner Stimme es für viele *Frauen* einfach, in seinen direkten, gerade heraus gerichteten Art etwas zu lesen... doch ihr gelang es nicht. Gott, manchmal wünschte sie sich, dass sie das auch konnte.

Doggett’s Stimme war so alt wie sein Gesicht und beide zusammen wirkten älter als der Rest von ihm. Seine Stimme war das optische Äquivalent zu den Falten um seine Augen, und beide sprachen von der selben Müdigkeit, der selben Hoffnung – Hoffnung, die einst nicht hätte größer sein können, doch vom Leben zurückgeschlagen worden war. Aber dennoch war er ehrlich, und aufrichtig, und bemüht, seinen Besten zu tun. Er war ein guter Mann, durch und durch. Andere Frauen konnten aus der Kombination seiner Körpersprache und dem Klang seiner Stimme den Schmerz und die Chance, alles besser zu machen, heraus hören.

Scully hatte es live erlebt, während sie im Einsatz gewesen waren, doch sie hatte nie gedacht, einmal eine dieser Frauen sein zu wollen. Sicher, sie hatte ebenfalls registriert, dass keine dieser Frauen irgendwann einen Blick erhascht hätte - süß, traurig, verlangend - wie die Blicke, die Doggett ihr schenkte. Und vielleicht rannte sie ihm deshalb nicht nach: das untrügliche Wissen, dass sie ihn bereits hatte und nicht um ihn kämpfen musste. Oder tat sie es doch? Im Grunde war sie sich nicht so sicher. Welches der Grund für ihr derzeitiges unkontrolliertes Verhalten war.

Während Skinner und Doggett eine Karte ansahen und besprachen, wohin das "Monster der Woche" geflüchtet sein konnte, projizierte Scully die letzten Ereignisse und ihre Gedanken vor ihrem inneren Auge. Sie konnte sich nicht stoppen und betete zu Gott, dass man ihre Gedanken nicht in ihrem Gesicht lesen konnte.

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Es geschah nicht ganz zwei Tage zuvor, nach einem dieser Tage im Außendienst, wo Stunden endlos erschienen und das Gewicht, was man trug, untragbar erschien. Der Fall, der vor ihnen lag, war ein Wirrwarr aus blutigen, unaussprechlichen Fotos, erfolgloser Suche und der Geheimniskrämerei der guten alten örtlichen Polizei. Doch nicht nur das, die lokale Außenstation wurde von einem Mann geleitet, der beides in sich vereinte: klein *und* dumm, eine Kombination, die Scully liebte. Gleichgültig, wohin sie sich drehte, Doggett's Stimme schien die einzig geistig gesunde innerhalb eines 50-Meilenradius zu sein.

An diesem Tag standen Doggett und einer der Sheriffs aufgrund einer Meinungsverschiedenheit dicht beieinander. Scully hatte ihre Hand auf Doggett's Brust gelegt, um ihn zurück zu halten, ihn zu beruhigen bis der Sheriff schließlich den Raum verlassen hatte.

Doggett beruhigte sich langsam, seinen Blick sanft in ihren gesenkt. Scully realisierte in diesem Augenblick, dass ihre Hand noch immer auf seiner Brust lag, lange, nachdem er sich bereits beruhigt hatte.

Es schien wie ein erstes Anzeichen für etwas, was sie noch nicht deuten konnte.

Spät in dieser Nacht waren sie zurück in ihre Zimmer gegangen und hatten über den Fall gesprochen. Sie hatten vor ihrer Tür gestoppt. Und in einem Moment der Frustration hatte sich Scully über den Sheriff ausgelassen, was Doggett so sehr amüsierte, dass er ein tiefes, ehrliches Lachen von sich gab, welches sie ansteckte.

Mit einem Kichern hatte Scully realisiert, wie wahr ihr Kommentar gewesen war. Und als sie ebenfalls in ein lautes herzhaftes Lachen ausbrach, da war die Anspannung der gesamten Woche wie durch Magie verflogen.

Sie lehnte ihren Kopf gegen seinen sich sanft hebenden Brustkorb und seine Hand legte sich auf ihren Nacken, während sie gemeinsam weiter lachten.

Als ihr Lachen verebbt war, sah sie auf und sah seine Augen erneut über ihr Gesicht gleiten. Mehr noch, sein Blick brannte regelrecht. Und als diese Emotion nicht schwächer wurde, wusste sie, dass sich diese Emotion auch in ihren Augen widerspiegelte.

Sie hatte versucht dem auszuweichen, weil... sie diese Dinge kannte.

Sie wusste, dass es keine Invasion von Aliens oder russische Doppelagenten benötigte, um einen Partner zu verlieren, seine Seele, die ihren Lebensatem mit seiner Präsenz ernährte. Manchmal brauchte es nur Unsicherheit, Selbsthass, Schuldzuweisungen. Manchmal brauchte Liebe nicht gestohlen werden - manchmal wechselte sie die Spur und floh, ließ einen blind vor Ärger und Hass über die unentdeckten, verräterischen Schwächen der fortgehenden Person zurück.

Es gab keine Sicherheit in der Welt. Nirgends. Sie wusste, dass sie das bereits gewusst hatte, doch jetzt waren die Dinge komplett anders. Nun wusste sie es mit jeder Faser ihres Köpers.

Aber das bitter gewonnene Wissen hatte sie unbekümmert werden lassen, so wie sie selten war. Wie ein Kamikaze-Pilot - gewinne den Hauptpreis oder stirb.

Es waren die Augen. Ein Blick in die jetzt lodernde Tiefe darin und es war einfach den Weg zu wählen, den sie wollte.

Irgendwie wusste Doggett, dass es seine Aufgabe war, ihr den Schlüssel aus der Hand zu nehmen, die Tür mit ihm zu öffnen und zu warten, bis sie den Raum betreten hatte, ehe er den Raum hinter ihr betrag.

Für einen langen Herzschlag standen sie einander im Halbdunkeln gegenüber, sich beobachtend, ohne Bewegung, als ob sie bewusst die herrschende Spannung steigern wollten. Schließlich, als das Knistern zwischen ihnen so stark war, dass sie dachte, ohnmächtig zu werden, streckte er seine Arme aus und brachte es in zwei Silben zum Ausdruck, was sie beide fühlten.

"Komm her...", murmelte er mit schleppender Stimme.

Plötzlich - so, als ob man die Brille aufsetzt und die Welt klarer sieht - konnte Scully all die anderen Frauen verstehen, konnte das, was sie in ihm sahen, erkennen und noch viel mehr. Alles focusierte sich auf das Wesentliche, verwirrend direkt, direkt auf sie.

Es schien, als war sie in seinen Armen, augenblicklich danach, ohne einen Schritt getan zu haben. Sie wusste nur noch, dass sie ihn küsste und er ihren Kuss erwiderte, so süß und hungrig, dass sie glaubte schon allein von dem, was ihr die Berührung vermittelte, einen Orgasmus zu bekommen.

"Oh, Dana...", raunte er kehlig. "Oh Jesus, Dana..."

Das Gefühl war so neu, wie ein großer Schatz. Sie wollte alles, was sie kriegen konnte.

Eilig zog sie sein Shirt aus seinen Hosen, ungeduldig, ihre Hände darunter zu schieben und den Weg ihrer Hände seinen Rücken hinauf gleiten zu lassen, die Haut zu spüren.

Er bedachte ihre Gesten mit seiner Mimik, ihre Bluse ausziehend, während sein Mund ihren weiter verschloss.

Scullys Herz stoppte an jenem Punkt, als seine Hände sie berührten, nicht jedoch wegen der Überraschung. Es lag so viel mehr in dieser Reaktion - sein Mund blieb still auf ihrem, während sich seine Augen in unendlicher Zufriedenheit schlossen, sein sanfter glücklicher Seufzer, als er das erste Gefühl ihrer Haut genoss.

Sie biss sich auf die Lippen, als eine Welle von Erregung durch ihren Unterkörper lief - sie konnte sich keinen erotisierenderen Moment vorstellen.

Sie war so verloren in diesem Augenblick, dass sie regelrecht verblüfft war, als seine Hände ihren BH-Verschluss öffneten. Überrascht über seine Schnelligkeit keuchte sie auf und sah sein teuflisches Grinsen aufgrund ihrer Reaktion.

Er lehnte sich dicht neben ihr Ohr und sein Atem streifte die sensible Haut ihres Nackens in einer Art, die sie nur aus Büchern kannte. "Spielen wir, Kleines?" schnurrte er frech.

Trotz zittriger Knie, blieb sie widerstandsfähig, konnte sie so leicht nicht... genommen werden, dachte sie. Es war ein Gedanke, der nicht lange andauerte. Irgendwelche potentiell klugen Antworten wurden nacheinander aus ihrer Kehle gelöscht, nur durch das Gefühl seiner Hände, die unter dem gelösten Büstenhalter glitten, über ihren Brüste streichten, ihre Nippel reibend.

Jesus, Maria und Joseph. Er hatte *die verblüffendste* Art jemanden anzufassen – fest genug, um keine Verzweiflung hervor zu rufen, sanft genug, um eine Flut von Nadelstichen über jeden Zentimeter ihres Körpers zu verursachen. Sie wusste nicht, wie sie noch mehr davon ertragen konnte. Sie wusste aber ebenfalls nicht, wie sie es überstehen sollte, wenn er irgendwann aufhören würde.

Und der Gedanke, dass *er* sie berührte, schien irgendwie für alles die Lösung zu sein.

All diese kleinen Moment während der gemeinsamen Monate schienen sich aufzusummieren: heimlich seine Bewegungen studierend, bedacht unentdeckt zu bleiben... die Nächte auf Überwachung, wenn sie ihn beobachtete, während er in die Ferne starrte und sie sich wunderte was er tat, wenn er allein war, allein zu Hause... die Verwirrung von ihm in ihrer Nähe, das plötzliche Bedürfnis, das Thema zu wechseln... es hätte sie nicht überraschen sollen und jetzt passte alles zusammen, brachte alles in eine richtige Position so wie die Rädchen eines Schlosses, sich ihr öffnend.

Sich ihren geheimen Phantasien ergeben, war wie ein Rausch und sie erkannte, dass sie dabei war, süchtig zu werden.

Aus ihren Kleidern zu kommen, war plötzlich der Schlüssel zu ihrem Seelenheil. Ungeduldig zog sie ihre Bluse über ihren Kopf – bemüht, ihre Hände von den zugeknöpften Ärmeln zu befreien - und legte seine Hände zurück auf ihre Brüste. Inmitten ihrer Eile, schenkte sie Doggett nur einen kurzen Blick, fing sein selbstzufriedenes von Hormonen geprägtes Grinsen auf.

"Entfern diesen Ausdruck aus deinem Gesicht," brachte sie atemlos hervor.

"Entfern du ihn", brummte er sanft zurück. Sein Grinsen verschwand im Nichts.

Er setzte sich auf das Bett hinter sich, seine Mission mit einer Hand fortführend, während er mit kleinen Küssen ihren Bauch hinunter wanderte und seine freie Hand den Verschluss an ihrem Rock öffnete.

Er hatte sie einfach bis auf ihren hellblauen Slip entkleidet, glitt vom Bett hinunter, um auf seinen Fersen zu sitzen. Langsam ließ er seine Zunge zärtlich aber bestimmt über ihren Schambereich gleiten, machte sie damit gänzlich verrückt.

Für Scully wurde die Realität plötzlich zu einem Ort, von dem man Postkarten bekam. Weit entfernt.

Sie vergaß vorsichtig zu sein, vergaß alles, bis auf seinen Kopf festzuhalten, der ihre so viel Wonne bereitete; vergaß alles bis und inklusive ihres eigenen Namens.

Und dann, als sie so kurz vor der Erfüllung war... ließ dieser Hundesohn von ihr ab.

Scully gab aufgrund des Verlustes einen jammervollen Ton, einem Tier gleich, von sich, ein Monument von Sprachunfähigkeit: "Gaa...!"

Sie war sprachlos, als sie in seine feurigen Augen blickte und den Teufel darin erkannte. Er bewegte seinen Mund langsam, stand auf und blieb dicht vor ihr, sein Gesicht nahe ihrem, während Scully hilflos vor Ärger und blindem Verlangen war. Sie drängte ihm entgegen, versuchte den Kontakt zwischen ihren Lippen wieder herzustellen, doch er wich zurück, verwehrte ihr die Möglichkeit ihn zu küssen.

"Möchtest du etwas?" Er lächelte.

Scully lächelte schwach und ärgerte sich ein wenig, versuchte ihn das aber nicht merken zu lassen, damit er nicht noch mehr Befriedigung erlangte. Seine Augen glitten über ihr Gesicht, grinsend, lüsternd.

"Keine Angst, ich beende, was ich anfange... so oft wie du kannst.", neckte er. Seine Finger zogen sanfte Bahnen, wo zuvor seine Blicke entlang gewandert waren. "Ich liebe es, zu sehen, wie kurz davor bist, langsam die Kontrolle zu verlieren."

Scully kniff ihre Augen gefährlich zusammen, einen tiefes Brummen in ihrer Stimme. "Dann wirst du das lieben." Sie stieß ihn schwungvoll zurück auf das Bett.

Doggett war höllisch erregt. Er stützte sich auf seine Ellbogen und seine Augen tanzten, als sie über das breite Doppelbett kroch, ihren Körper entlang. Er ließ zu, dass sie ihn feurig küsste und ließ seine Hände über jede Körperstelle gleiten, die er ereichen konnte. Dann half er ihr, sein Shirt auszuziehen, während sie sich bereits an Gürtel und Hose zu schaffen machte.

Sie liebte es, seinen straffen, harten Körper aus dem Anzug zu schälen. Den Körper, den sie immer nur angedeutet unter den Kleidungsstücken gesehen hatte. Sie liebte es, jeden Zentimeter von ihm zu küssten, sich selbst damit zu befriedigen, ihn zu befriedigen. Sie liebte den ersten Anblick seiner nackten Hüfte, fühlte die Aufregung, als sie seine Erregung spüren und sehen konnte und nahm seine Länge in ihren Mund.

Sie genoss es, ihn Ächzen, Stöhnen und nach einem Gott rufen hören, von dem sie nicht wusste, dass er an ihn glaubte.

Momente lang war er noch angespannter, konnte sich kaum davon abhalten weiter in ihren Mund zu stoßen, ihr zu widerstehen. Ein Gentlemen in allen Dingen, dachte sie. Dann betrachtete sie es von einer anderen Seite und ein breites Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Sie hatte gute Arbeit geleistet.

Sie wählte diesen Augenblick, um ihn zu erlösen und lehnte sich verführerisch zurück, ihre Haut mehr als fasziniert betrachtend. John ließ einen Schrei los, der an ihren erinnerte, nur ein wenig maskuliner.

Sie grinste ihn durch ihre zerzausten Haare an. "Revanche kann so schön sein."

Er keuchte und sein Grinsen war gefährlicher als zuvor. Schnell packte er sie an ihren Hüften und murmelte: "Ich zeige dir Revanche..."

Sie schrie erstaunt auf, als er sie über seinen Körper schob und in eine Position brachte, direkt über seinen Lippen. Einen Moment lang lachte sie sanft, doch dann begann die Erregung sie erneut zu durchfluten. Kurz darauf war ihre Fassung gänzlich verschwunden und sie war ein Sklave, besessen allein von dem Pulsieren in ihrem Körper, das immer mehr anstieg, sich selbst kontrollierend, und in einer unglaublichen Explosion gipfelte.

Der nächste Moment verschwand im Nebel der Erregung. Und das nächste, was sie realisierte, war, dass sie in einer anderen Position war und sein Gesicht und seinen Körper mit Küssen übersäte.

Er versuchte seinen Atem zu kontrollieren, dicht an ihrem Körper glucksend, als sie ihn überraschte, indem sie sich schnell und hastig bewegte, um ihn in ihren Körper aufzunehmen. Er schnappte nach Luft.

Es war außerhalb ihrer Vorstellungskraft, ihn zu fühlen, wo noch nie jemand hatte sie berühren dürfen, an Punkten, die sie selbst nicht fähig war zu beschreiben. Seine Augen zu sehen, wie sie in ihren versanken, sich senkten und sich dann schlossen, zu sehen, wie sie sich wieder öffneten und sie anstarrten, voller Erfurcht - jeglicher Schalk verschwunden. Sich mit ihm zu bewegen, dicht an ihm zu lehnen, die Signale des anderen zu lesen, wie Blindenschrift, wie Zeichensprache, zu lernen, wie Delphine zu schwimmen.

Sein Gesicht wirkte plötzlich so viel jünger, obwohl seine Stimme so rau klang, während sein süßer schöner Körper unter der Erregung erbebte. Ihn die Kontrolle verlieren zu sehen, war fantastisch. Sie wollte es ansehen, doch es war unmöglich. Er stieß tief in sie und wenige Bewegungen später erreichte sie ihren Orgasmus, nur einen Herzschlag nach ihm.

Bevor sich ihre Augenlider schlossen, sah sie wie er angestrengt ihren zweiten süßen Moment herauszögerte.

Als sie wieder einen klaren Kopf hatte, war es still im Raum. Nur ihr langsamer Atem war zu hören.

Sie lehnte sich über ihn, während sie versuchte ihr verschwitztes Haar aus ihrem Gesicht zu streifen. "Ich habe dein Grinsen vom Gesicht entfernt", murmelte sie schwach, aber glücklich.

Er gluckste, ebenso schwach wie glücklich. "Das hast du...", seufzte er. Er strich über ihre Seite, seine Berührung schwach, wie sein Blick. Er steuerte sie mit seinen Händen in eine andere Position und als ihr Körper die Einladung akzeptierte, zog er sie auf sich und drang in sie ein. "Ohhhhh..." atmete er schwer. "...Komm her."

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Der nächste Morgen war im Vergleich zur vergangenen Nacht purer Stress.

Er hatte mit einem widerlichen Klingeln des Motelzimmer Telefons begonnen. Doggett hatte mit der Stimme eines aus dem Winterschlaf erwachenden Grizzlys geantwortet: "mmmRRRDoggett."

Augenblicklich war Scully hellwach und lag lauschend und sich wundernd neben Doggett, weil der Anrufer scheinbar nicht realisierte, dass der Raum, in dem er anrief rein technisch gesehen, nicht Johns war. Zwei Sekunden später war es egal. Der Hauptverdächtige in ihrem Mordfall war in einem Appartementhaus von Polizisten eingekreist worden, wie ein Tier auf der Jagd. Es gab keine Zeit mehr für Scully und Doggett etwas anderes zu tun, außer hinzufahren.

Sie schwang sich, die Neuigkeiten hörend, aus dem Bett, völlig im Bewusstsein was geschehen war, jedoch ohne einen Gedanken daran, dass sie vollkommen nackt war.

Ehe sie entscheiden konnte, ob es das war, was sie wollte, stand sie bereits.

Einen Moment später, als sie Doggett's Reaktion sah, erstarrt und mit schweren Lidern, verträumt zu ihr blickend, wusste sie, dass sie es wollte. Sie war gerührt, ertappte sich aber dabei, wie sie ihn auch anstarrte, seinen langen kräftigen Körper, schamlos und so wunderschön im Morgenlicht, dass ihr Herz stillzustehen schien.

Sein Blick wandte sich keine Sekunde von ihr ab, als er das Bett umrundete und zu ihr hinüber kam, sein Gesicht sich ihrem näherte und seine Bartstoppel ihre Wangen streiften, während er sie für einen langen süßen Kuss an sich zog und dann, anschließend mit einem signifikanten Lächeln bedachte. Seine Augen waren erfüllt mit etwas - einer Art Dankbarkeit, bemerkte sie.

Als er ins Badezimmer verschwand, fragte sie sich wofür die Dankbarkeit in seinen Augen stand - für letzte Nacht? Oder für mehr als das? Sie begriff, dass sie es nicht wusste und es erschreckte sie. Dann realisierte sie, dass sie beide Möglichkeiten erschreckend fand und das ängstigte sie noch mehr. All diese Gedanken durchfuhren sie innerhalb von Sekunden, doch sie würden noch länger in ihrem Kopf bleiben, da die Zeit, sich Klarheit darüber zu verschaffen, nicht da war und so sollte sie auch in den nächsten Tagen keine Zeit dafür finden…

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Von diesem Augenblick an rannte der Tag an ihnen vorbei. Der Fall wurde brenzlig und die beiden Agenten gingen für lange Zeit ihre eigenen Wege, ohne eine Möglichkeit über das Geschehene zu sprechen, selbst, wenn Scully dazu geneigt gewesen wäre. Jedes Mal, wenn ihr John über den Weg lief, fühlte sie sich komplett unfähig, etwas zu sagen. Das ganze machte sie verrückt, so dass sie hinter jedem Ton und jeder Geste ihres Gegenübers versuchte die Emotionen des anderen zu lesen. Doch blieb sie schweigsam.

Sobald John ihrem Blick begegnete, veranlasste ihn etwas in ihrem Blick, sich von ihr zurückzuziehen, ein wenig nur, doch sie konnte es spüren. John achtete sie noch immer, zweifellos. Er drängte sie nicht. Doch was sie ärgerte, war, dass... er es scheinbar nicht für nötig hielt, mit ihr zu sprechen. Bedeutete ihm das Ganze nichts? War es für ihn in dem Moment vorbei, als er realisierte, dass er "aus seinen Regelmäßigkeiten raus war"? Immer wenn sie ihn sah, war er - von seinen verärgerten Reaktionen bezüglich des Falles abgesehen - ausgezeichnet gelaunt. Doch etwas in seiner "ausgezeichneten Laune" machte sie rasend. All das gab ihr noch mehr Nahrung und umso mehr Impuls sich selbst zu quälen, und sich ihr eigenes Versagen und seine Gleichgültigkeit einzureden.

Irgendwo in ihrem Inneren, wo noch ein Funke Rationalität vorhanden war, wusste sie, dass sie verrückt war, so etwas zu glauben. Sie wünschte sich, dass sie das dem Rest ihres Gehirnes und auch ihrem Herzen ebenso klar machen hätte können. Aber es war hart, weil eine Reaktion aus dem Impuls heraus einfacher war, – wer gab einem die Sicherheit, wenn etwas nicht permanent blieb, sondern eine einmalige Angelegenheit war? – es quälte sie augenblicklich, ihr zynisches Ich, welches sich mit dem Teil in ihr stritt, der mehr wollte.

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"Agent Scully?"

Huh? Jemand redete mit ihr?

Scully sah auf und fand sich in Skinner’s Büro wieder, wo er und Doggett sie fragend ansahen. Sie realisierte, dass man sie nach ihrer Meinung gefragt hatte und sie sie bis jetzt noch nicht gegeben hatte.

Scully versuchte ihre Position zu bestimmen, doch es gelang ihr nicht. Sie hätte zu sehr darüber nachdenken müssen, also tat sie es nicht. "Ich muss mich entschuldigen, ich hatte vermutlich… einen Blackout…", versuchte sie mit einer Bewegung ihrer Hand zu verdeutlichen. Ohne weitere Erklärungen stand sie auf und verließ den Raum.

Doggett beobachtete sie mit scharfem Blick. Skinner beobachtete Doggett, wie er Scully beobachtete. Er runzelte die Stirn, deutlich frustriert, dass er die Situation nicht richtig einzuschätzen wusste. Doggett hingegen entschuldigte sich bei Skinner und folgte ihr.

John schloss in der Halle zu Dana auf, fiel in einen Schritt mit ihr und nach einem kurzen Blick auf ihr Profil, entschied er, nichts zu sagen. Sie steuerten nebeneinander zielstrebig und völlig wortlos ihr Büro an. Und nach einem langen Augenblick waren sie endlich allein hinter der verschlossenen Tür.

Er drehte sich zu ihr im Halbdunkeln um und sein Gesicht wirkte frustriert, jedoch freundlich. "Sprich mit mir." Es klang bestimmender als eine Frage, dennoch freundlicher als eine Aufforderung.

Sie klang in ihren eigenen Ohren verdrießlich, als sie den Mund öffnete: "Ich dachte, da gäbe es nichts zu besprechen."

Seine Augenbraue wanderte nach oben. "Was meinst du?"

"Nun ja, in den letzten paar Tagen hast du kein Wort darüber verloren... was mit uns passiert ist. Du wirktest als wäre alles klar." Sie hasste es, wie sie klang, aber sie konnte es nicht verhindern.

Doggett lehnte sich gegen die Ecke seines Tisches und wirkte verwirrt. Er seufzte schwer. “Um.... das könnte sein, doch... I weiß wirklich nicht, ob wir auf der gleichen Seite stehen.“

Sie fühlte sich völlig frustriert und dermaßen verblüfft, dass sie hätte weinen können. Er betrachtete ihr Gesicht mit einem Ausdruck von Sorge und dem Bedürfnis sie zu trösten, doch gerade das brachte sie dem Weinen noch näher. Dann jedoch sah sie eine Veränderung an ihm, wie er seinen Körper fast unmerklich straffte. Sie sah die Nachricht in seinen Augen: dass sie nur ein Wort sagen musste und er es akzeptieren würde. Es war die freundlichste und selbstloseste Veränderung, die Scully je bemerkt hatte und sie war sich sicher, dass seiner Reserven an Kraft unerschöpflich waren.

"Dana", sagte er sanft, "erzähl mir, was du denkst."

Sie schmolz dahin, fühlte sich schuldig für ihre Anschuldigungen. "Nun, ich will… ich, uh…“ Oh, verdammt! Sie spielten mit offenen Karten und es war an ihr etwas zu sagen, doch sie konnte nicht die richtigen Worte finden. Also sah sie ihn nicht an, sondern hasste ihre Lippen, weil sie versagten und ihr Gehirn, weil es streikte. „Ich will nur wissen, wie…“

Schließlich gab sie es auf erwachsen zu klingen und sah in seine Herzensbrecher-Augen. Die Wahrheit brach aus ihr hervor, klang klein und nichts sagend wie das Gerede einer Fünfjährigen. "I-Ich will nur wissen, wie du für mich empfindest, jetzt!"

Doggett’s vom Wetter geprägtes Gesicht, wirkte erstaunt, dann erheitert und schließlich einfach erleichtert. Er sah nach unten, schüttelte seinen Kopf und lachte leise in sich hinein, dann hob er seinen Kopf wieder und sah sie an. Ein Lächeln erwärmte seine Gesichtszüge. Scully pendelte zwischen einer Mixtur aus Angst und Erheiterung, als sie eine weitere Entdeckung machte: sein Blick war nun unmissverständlich erfüllt von Liebe.

Er berührte ihr Kinn sanft und fragte: "Warum weißt du das nicht?"

Scully begriff nicht so recht, da lehnte er sich bereits vor und küsste sie zärtlich auf die Lippen. Einen Moment später zog er sich zurück und sah sie mit solcher Scully Zuneigung an, dass sie kaum mehr atmen konnte. Wenn sie nicht falsch lag – und sie war sich sicher genug, um das zu glauben – sah die ganze Welt auf sie hinab.

Lächelnd.

Sie schwankte, aus einem Gefühl heraus, irgendwo zwischen Atmen und Lachen. Jesus, sie war eine X-Akte – war die Idee, dass jemand sie liebte – und es so aufrichtig tat – so fremd, dass sie diese Gefühle nicht erkennen oder erwidern konnte?

Eine Entscheidung fiel schnell, als er sie anlächelte. Sie lächelte mit leuchtenden und verliebten Blicken zurück. Den Augenkontakt mit ihm haltend, so lange es möglich war. Die Kamikaze beenden und den richtigen Weg einzuschlagen. Weiter zu gehen.

Und auch noch etwas anderes zu tun.

Ihre Tränen mit einer Hand wegwischend, eilte sie aus einem Impuls heraus von ihm weg und begab sich zur Tür des Kellerbüros. Sie schloss sie mit einem einschnappenden *click*, sah John an und zog die Augenbrauen mit einem weiteren Lächeln hoch. Doggett sah sie mit einiger Erheiterung an und – wenn Dana nicht falsch lag - mit einer deutlichen Reaktion im Lendenbereich.

Sie löschte das Licht.

"Komm her."

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Ende
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