World of X

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Sunlight hits the Snow

von Astarte

Kapitel 2

Recall the deeds as if they're all

Someone else's

Atrocious stories.





Er hatte das Kellerbüro durchquert und setzte sich an Mulders Schreibtisch.



Abwesend holte er Mulders Namensschild aus der Schublade, in die Scully es vor sieben Monaten gelegt hatte. Diese simple Geste hatte Krycek berührt, auch wenn er es nicht gerne zugab. Ihm wurde bewusst, dass er Skinner gerade deutlich gemacht hatte, dass er über jede Kleinigkeit Bescheid wusste, die sich in diesem Büro abspielte. Sich über seine Fahrlässigkeit ärgernd, warf er das Schild auf den Tisch und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart und die vor ihm liegende Aufgabe.



„Auf der Straße heißt es, er sei zurück von den Toten. Er ist ein richtiger Houdini."



„Sag mir, was du willst."



Diese unterdrückte Aggressivität passte in Kryceks Bild von Skinners Gefühlslage. Es war nicht leicht zwischen allen Fronten zu stehen. Vor allem dann nicht wenn man Partei ergreifen wollte. Persönliche Sympathien machten das Leben nicht einfacher.



Krycek erging es zwar im Grunde in diesem einen Fall ähnlich. Nur hatte er inzwischen den Luxus und die Position, diejenigen ohne Schwierigkeiten zu eliminieren, die sich ansonsten mit ihm anlegten. Oder ihm einfach im Weg standen. Ein unschätzbarer Vorteil, der ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte. Skinner dagegen war sich nur zu genau über seine illoyale Schwäche bewusst. Sie widerte ihn an und machte ihn wütend. Beides Emotionen, die Krycek dienen konnte. Der Mann vor ihm hatte seine Wahl zu spät getroffen und als er sie traf, war ihm bereits eine neue Position von dem Raucher zugeteilt worden.



„Was ich will, ist dir die Chance geben, um Mulders Leben zu retten."



Wäre er sich über die Wahrheit in diesen Worten klar, würde Skinner wahrscheinlich in eine ernsthafte Sinnkrise rutschen im Bezug auf seine Weltanschauung. Aber die Wahrheit war nicht für ihn bestimmt. Sie würde nicht in sein beschränktes Weltbild aus Schwarz und Weiß passen. Der Ex-Marine sah ihn sprachlos an, sein Misstrauen war augenfällig. Alles lief nach Plan.



Skinner wusste, dass ihm nichts ohne Preisschild geschenkt wurde.



Krycek genoss dieses Spiel mit Skinner, es war nicht mehr als Ablenkung von seiner Spur. Auch wenn sein Gegenüber diesbezüglich anderer Meinung war. Verdammt, glaubte der Mann tatsächlich, dass er jemals auf Videobänder mit Aufnahmen seines Büros angewiesen war? Die wichtigen Diskussionen fanden woanders statt. In Skinners Abwesenheit.



Sarkastisch hakte Krycek nach: „Du glaubst mir nicht?"



„Nein, das tue ich nicht."



„Ich kann einen kleinen Knopf betätigen und bewege damit Tausende von ruhenden Nanobots, die in deinen Blutkreislauf zirkulieren, dazu dein Stammhirn zu brutzeln und alles was ich mit dieser Macht erreichen will, ist einem Mann das Leben zu retten."



Die sinnlosen Argumentationen mit Skinner verloren nie an Reiz. Krycek hatte keine Ahnung, warum er ausgerechnet ihn so blind durchschaute, aber die Rädchen in Skinners Kopf waren zweckdienlich gehalten. Problemorientiert und sauber. Es war faszinierend, wie er von seinem Gewissen geplagt wurde und verzweifelt nach einer Lösung suchend, genau dorthin marschierte, wo Krycek ihn haben wollte. Er konnte ein Grinsen nicht ganz unterdrücken, bei dem Gedanken, auf wie viele verschiedene Arten Skinner ihn innerlich schon umgebracht hatte.



Niedergeschlagen von eben diesem: „Ich denke nicht, dass sein Leben gerettet werden kann."



„Ich habe eine Ampulle, die einen Impfstoff enthält. Mulder weiß davon. Sein Vater entwickelte ihn, um damit das Alienvirus zu bekämpfen."



Die Alarmglocken mussten jetzt bei Skinner klingeln. Mehr Hinweise durfte er ihm nicht geben, wenn Krycek sich selbst nicht ins Kreuzfeuer bringen wollte. Statt eines Funkens von Erkenntnis wurde diese Aussage von Resignation empfangen.



„Es gibt keinen Impfstoff, der dem Mann helfen kann, den ich in dem Grab gefunden habe."



Gottverdammt.



„Du hast ihn gefunden, und du weißt noch immer nicht, was du hast?"



Unglaube über soviel Unwissenheit brach den Damm nach außen, bevor er die Worte zurückhalten konnte. Verflucht, war er nur von unfähigen Idioten umgeben? Oder hätte er doch lieber Scully mit offenen Karten manipulieren sollen? Nein, Skinner war der passende Mann für diesen Auftrag, auch wenn er heute nicht gerade in geistiger Bestform war.



Sie hatten noch Zeit, um Mulder zu retten.



Skinner blieben ein paar Stunden um das Puzzle zusammenzusetzen, bevor er selbst zu drastischen Maßnahmen greifen musste. Sein Gegenüber begann das Büro zu verlassen, nur um hastig umzukehren und nach dem Gerät zu greifen, das ihn kontrollierte. Diese Aktion war so verzweifelt, wie töricht. Aber sie bestätigte seine ohnehin geringe Meinung von Skinner. Dieser Mann funktionierte in einem absolut beschränkten Muster, sodass sein Plan gelingen musste.



Ein siegessicheres Lächeln konnte er sich nicht verkneifen. „Nur der Druck eines Knopfes, Walter."



Mit diesen Worten machte er sich auf den Weg aus dem Büro. Skinner würde sich wahrscheinlich selbst damit umbringen, dachte Krycek zerstreut, wenn er das Steuermodul jemals benutzen würde.



Now you stand reborn

Before us all -





Mulders Besucher war bereits wieder gegangen. Ohne Aufsehen zu erregen oder seine Anwesenheit irgendjemand außer Krycek zu verraten. Es hatte seine Vorteile, wenn man nicht nur Wunderheiler sondern zusätzlich Gestaltenwandler war. Mulders Immunsystem hatte den nötigen Kickstart von dem Alien bekommen, ohne seinen Zustand zu drastisch zu verbessern.



Unauffälligkeit war das Schlagwort der Stunde.



Das monotone Geräusch der medizinischen Geräte erfüllt das Krankenzimmer.



Die Gestalt im Bett sah besser aus, als man es nach drei Monaten im Grab erwarten konnte. Zu gut. Er hatte angenommen, dass Mulders Impfung in Tunguska einen besseren Schutz gegen diese Form des Alienvirus darstellte, aber sie war doch nicht ausreichend.



Leise fluchend griff Krycek in die Tasche seiner Jacke.



Der verbesserte Impfstoff mit Retroviren würde die Infektion stoppen, aber zurückgehen würde sie dadurch nicht zwangsläufig. Antiviriale Medikamente waren immer ein Glückspiel, gerade wenn außerirdische DNA die Wirtszellen lahm legte. Sie hatten einfach noch nicht genügend Testreihen mit dem Wirkstoff durchgeführt, um ihn zum Allheilmittel zu deklarieren. Vor allem nicht bei einer so fortgeschrittenen Infektion wie in Mulders Fall.



Ein paar Zimmer weiter markierte Billy Miles das Endprodukt des Vermehrungszyklus.



Eine vollständig neue Lebensform aus dem menschlichen Wirt.



Es passte Krycek nicht Mulder als Versuchskaninchen zu missbrauchen, anstatt als Sandsack. Er hatte ihn schon einmal beerdigt oder dieses Trauerspiel aus angemessener Distanz beobachtet. Und Krycek würde nicht zögern, Mulder ein zweites Mal und endgültig unter die Erde zu bringen, wenn diese Therapie kein angemessenes Resultat brachte. Er war es ihm schuldig, ihn nicht so enden zu lassen, als leere Hülle aufgefüllt von dem schlimmsten Feind und der dadurch in der Lage, Scully zu manipulieren.



Es wäre das Ende einer Ära und Mulders erster Beerdigung nur der Anfang des Alptraumes seiner Partnerin. Scully hatte sich damals besser gehalten, als von denen vermutet worden war und Krycek dachte an ihr Eisfeuer.



Dass die meisten alten Herren ihr glücklicherweise nie nah genug gekommen waren, um sich unter der Wucht ihres Blickes unwillkürlich zu ducken. Sonnenlicht das auf Schnee traf und er hatte die Autopsieergebnisse bereits erhalten, die Mulders Grablegung als gute temporäre Lösung einstuften, um die Infektion diskret aus seinem System zu kriegen. Es war trotzdem ein zu surreales Gefühl für Worte gewesen, auf dem Friedhof in North Carolina gegen einen Baum gelehnt zu stehen.



Und später mit Mulders Grab zu Füßen. Krycek hatte keinen Freudentanz veranstaltet. Das war seine Art Respekt zu zollen, als der Rest der zu kleinen Trauergesellschaft endgültig verschwunden war.



Denn Krycek wusste, dass da noch mehr Leiden auf Mulder in diesem Leben warteten.



Den Impfstoff mit der Prothese haltend, griff er mit der anderen Hand nach der Spritze, die er vorsorglich mitgenommen hatte und zog mit den Zähnen die Schutzhülle von der Nadel. Manchmal hasste er diese Einschränkung, die nur eine voll funktionsfähige Hand mit sich brachte. Es war eine Behinderung im wahrsten Sinne des Wortes. Es hatte ihn langsam gemacht zu Beginn. Er hatte mit alltäglichen Schwierigkeiten zu kämpfen, an denen er beinahe verzweifelte.



Knöpfe, wer machte sich über Knöpfe Gedanken, wenn man zwei Hände hat? Oder die Entsicherung einer Waffe? Aber er hatte gelernt damit umzugehen, wie mit allem. Das Töten war einhändig nie ein Problem und das war seine größte Herausforderung im Schmerzdelirium in den sibirischen Wäldern gewesen. Die restlichen Hindernisse ließen sich mit etwas Grips überwinden. Es war von Nutzen, wenn man tagtäglich um die Ecke denken musste. Es machte einen letztendlich schneller.



Die Spritze an Mulders Oberarm ansetzend, drückte er den Kolben gleichmäßig bis zum Anschlag durch. Danach packte er seine Utensilien sorgfältig ein und trat in den Schatten des Zimmers zurück. Skinner würde hier bald auftauchen, so präzise wie ein verkorkstes Uhrwerk, das man überzogen hatte.



Bewundernswert in dem Versuch, das Richtige zu tun.



Wie immer zu spät, aber mit den besten Absichten.



Seinen Plan zu ende bringend, einmal mehr Skinners Verstand auf die Probe stellend und dann zurück nach New York in sein überwachtes Büro verschwinden. Mulder mit dem Hauch von Glück würde zu seinem hart erkämpften Platz zurückkehren - das Kellerbüro. Ohne die geringste Ahnung, wem er seine wundersame Heilung zu verdanken war und das war in Kryceks Sinne.



Der Ausweg war gefunden und ein kleiner Teil seiner Schuld abgetragen.



Unerwartet kam ihm Spenders letzter Satz in den Sinn, „Wie Sie Mulder und mich behandeln, so behandeln Sie die ganze Menschheit, Alex."



Der rauchende Bastard hatte damit Recht, wenn auch nicht auf die Weise, die er angedeutet hatte. Er bestrafte und rettete die, die es verdient hatten. Eine Selektion, die in seiner Verantwortung lag. Er fühlte sich gegenüber dem scheintoten Mann, der vor ihm lag verpflichtet das Richtige zu tun. Ihr Schicksal war so eng miteinander verflochten, dass Aktion und Reaktion eine scheinbar endlose Kette von Ereignissen ergab, die fast zehn Jahre in die Vergangenheit reichte.



Ihm kam in den Sinn, das seine Rettungsaktion vielleicht nicht nur Mulder schützte, sondern auch ihn selbst. Er würde heute nicht hier stehen, ohne Mulder. An der Spitze der Schattenregierung mit dem Impfstoff in der Hand und der berechtigten Hoffnung, dass die Kolonisation abgewendet werden konnte. Krycek musste nicht die Zukunft bekämpfen, sondern konnte sie gestalten, wenn auch unbemerkt von der Öffentlichkeit.



Er hatte in den vergangenen Jahren zu viel von den alten Männern gelernt.



Seine Aufmerksamkeit wurde von Skinner in Anspruch genommen, der den Raum betrat und ihn im Schatten noch nicht bemerkt hatte. Zeit für die letzte Schaurunde im Kampf um Mulders Leben.



„Es ist schwer zu glauben, oder nicht? Das überhaupt die Möglichkeit besteht, dass Mulder aus diesem Bett kommen könnte?", sprach er den überraschten Skinner leise an.



„Ich brauche den Impfstoff, Alex."



„Ja?", fragend sah er ihn an. Er war also bei Scully gewesen und hatte das Puzzle zusammengesetzt, das ihm aufgetragen worden war. Vorwurfsvoll, „Zeit wurde verschwendet."



„Was werde ich machen müssen?"



„Oh, es ist einfach, wirklich. Scully darf nicht niederkommen."



Skinner starrte ihn geschockt an.



„Du hast den Verstand verloren."



Nein, ganz sicher nicht. Ich ficke nur deinen, Walter.



„Sie darf dieses Baby nicht bekommen."



Für Skinner gab es keine Entscheidung, die er treffen musste.



Die Unmöglichkeit der Erfüllung dieser Forderung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Wie immer hatte er keine Wahl, doch Krycek fragte sich erneut, warum Skinner ihm Glauben schenkte. Wieso setzte dieser Mann nicht seine Gehirnzellen ein und begriff, wie einfach es für ihn wäre, die Geburt zu verhindern.



Wenn dazu Grund bestanden hätte, hätte er sie schon in dem Militärkrankenhaus beenden können, kurz nach der Befruchtung. Doch die Rebellen waren nachdem sie die Untersuchungsergebnisse der Kolonisten von der bewusstlosen Scully eingesehen hatten, von dem Nutzen des Kindes überzeugt. Was für Krycek noch wichtiger war, es hatte keinen Nutzen für die Kolonisten.



Die Bedrohung für sie würde erst mit den Jahren schleichend entstehen.



Durch Scullys Impfung, kombiniert mit Mulders in Tunguska war die DNA eine einzigartige Verbindung eingegangen, ähnlich wie die von Gibson Praise nur in einem noch vollkommeneren Maße. Scullys Ärzte und die Kolonisten erkannten die Veränderung, nur waren sie nicht in der Lage, den Sinn, der dahinter stand zu durchschauen. Sie konnten nicht abschätzen, inwieweit diese Mutation positiv oder negativ war. Im Gegensatz zu den Rebellen und deren überlegener Technologie. Es wurde Zeit für den Umschwung in der Schattenregierung.



Die Kolonisten mit Hilfe der Rebellen zu bekämpfen, war ein längst überfälliger Schritt.



„Nein. Die Antwort ist nein."



Natürlich, alter Freund.



Aber Skinner musste noch einen Schritt weiter gepusht werden. Dadurch dass Mulder an die lebenserhaltenden Geräte angeschlossen gewesen war, hatte sich die Virusinfektion schon weiter ausgebildet als von ihm zunächst angenommen. Das antiviriale Medikament würde schneller seine volle Kraft entfalten können, wenn der Brutkasten für die Viren vorerst abgestellt würde.



Die Beschleunigung war letztlich unnötig, nur die Erhöhung von Mulders Chancen, die sich bereits deutlich zum Guten gewendet hatten. Skinners Selbstgerechtigkeit brenne zu sehen, war dagegen nur reizvoll. Und Krycek war ein Bastard. Er hatte den inneren Schweinehund in den letzten Dekaden zum Bluthund abgerichtet.



Die Grausamkeit gut in seiner Branche und Böse stets relativ.



Sadistische Anwandlung, die ohne Blut an seinen Händen auskommen würde.



Boshaft. „Wir haben alle Leben in unseren Händen. Ich habe deines - du hast Mulders und Scully hat ihr ungeborenes Kind. Es geht um den, der bereit ist, das Opfer zu bringen."



Welche Personen Skinner nicht opfern würde war klar, diejenigen mit den besten Chancen. Scully und ihr Kind. Er hielt Mulders Gesundheitszustand für hoffnungslos, also würde es für Skinner nur eine logische Schlussfolgerung geben. Auch wenn er dabei sein Gewissen niederringen musste. Krycek hatte sein Werk vollendet, es gab für ihn nichts mehr hier zu tun, außer sicher zu gehen, dass Mulder keine neue Mutation des Virus in sich herumschleppte und das hieß abwarten in den Schatten.



Die Zufriedenheit verdient, alles war nach Plan gelaufen und die Prognose positiv.



Nach einem letzten Blick auf Mulders komatöse Form war er aus der Tür.





So glad to see you well.

~A Perfect Circle – The Noose~

~*~Fini – Sunlight hits the Snow~*~
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