World of X

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Reality

von XS

Chapter 17

Einen Augenblick lang stand Scully in der offenen Tür ihrer Wohnung und blickte stumm ins Innere. Dann schloss sie die Augen, atmete tief ein und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

Mulder stand direkt hinter ihr und wartete einfach. Er hatte keine Ahnung, was in Scully vor ging, aber der zufriedene Gesichtsausruck beruhigte ihn. Als Scully dann schließlich ihre Wohnung betrat, folgte er ihr und schloss die Tür hinter sich.

Scully machte nur zwei Schritte in die Wohnung hinein, blieb stehen, drehte sich dann einmal um ihre eigene Achse und musterte den Raum kritisch. Schließlich blieb sie zu Mulder gewandt stehen und musterte nun ihn. Nach einigen Sekunden fühlte sich Mulder unter dem prüfenden Blick unwohl.

„Was ist los?“

„Nichts“, lächelte Scully, „Ich war nur in Gedanken“.

Mulder nickte nur und setzte die Tasche ab, in der sich die wichtigsten Utensilien, die Scully im Krankenhaus gebraucht hatte, befanden. Dann ging er auf Scully zu und schloss sie in seine Arme. Zunächst ein wenig erschrocken, aufgrund der ungewohnten Geste, entspannte Scully sich jedoch sofort wieder, als sie Mulders Rasierwasser roch. Einige Sekunden standen sie einfach nur da und genossen die Nähe des anderen.

„Sie glauben ja gar nicht, welche Sorgen ich mir um Sie gemacht habe, Dana“, flüsterte Mulder leise. „Ich hätte nicht... ich hätte es nicht ausgehalten, wenn Sie... wenn Ihnen etwas zugestoßen wäre.“

Mulders Stimme erstarb. Er wagte es nicht den Gedanken weiter auszuführen. Scully schluckte, denn sie wusste, wie knapp sie diesem Schicksal dieses Mal entkommen war. Sie konnte darauf nichts erwidern, so sagte sie gar nichts und hielt Mulder weiter fest. Schließlich löste sich Mulder von ihr, sah sie kurz an und bugsierte sie dann zu ihrem Sofa, auf dem sie Platz nehmen musste.

„Sie setzen sich jetzt erst einmal hin und lassen sich von mir eine Suppe kochen. Sie müssen erst einmal wieder zu Kräften kommen.“

Scully nickte, obwohl die Tatsache, dass Mulder für sie Kochen sollte doch ein recht ungewöhnlicher Gedanke war, an den sie sich erst noch gewöhnen musste. Auch wenn es sich nur um eine einfache Tütensuppe handeln sollte.

Sie lehnte sich also einfach zurück und schloss erneut die Augen. Mulder hatte sich bereits in die Küche begeben und öffnete wohl alle Schränke. Er schien wohl einen geeigneten Topf zu suchen. Dann war es einen Moment still. Schritte. Der Wasserhahn wurde geöffnet und ein Behälter, wohl ein Messbecher wurde gefüllt. Wasserhahn zu. Wasser umfüllen. Den Herd einschalten. Topf auf den Herd stellen. Wieder eine Pause. Deckel auf den Topf. Wieder das Türgeklapper. Vielleicht suchte er jetzt nach der Suppe?! Sollte sie ihm sagen, wo er sie finden konnte? Sie tat es nicht. Vielleicht war sie zu müde, vielleicht war es auch einfach zu schön, Mulder beim ’Herumwerkeln’ in der Küche zuzuhören. Weitere Geräusche waren zu hören. Noch einmal Wasser in einen Behälter füllen. Türengeklapper, Teller, Besteck, Topf, umrühren, Schritte, Türen, Stoß, leiser Fluch, Herd ausschalten, Schublade...

„Dana?“, leise hauchte Mulder in ihr Ohr.

Erschrocken öffnete Scully ihre Augen und setzte sich abrupt auf. Sie war nicht wirklich eingeschlafen. Es war dieser Zustand zwischen Wachen und Schlafen gewesen, in dem man nur einen kleinen Schritt vom endgültigen Schlaf entfernt ist.

Jetzt sah sie zu Mulder auf, der gerade einen Teller vor ihr auf dem Tisch abgesetzt hatte.

„Danke“, sagte sie, als er ihr auch noch einen Löffel in die Hand drückte.

Dann nahm Mulder ein Tablett in die Hand, das er neben das Sofa gelegt hatte und setzte es auf Scullys Schoß ab. Er griff nach dem randvoll gefüllten Teller Hühnerbrühe und stellte diesen dann auf das Tablett.

„Und Sie werden nicht eher aufstehen, bis Sie nicht die ganze Suppe aufgegessen haben“, meinte Mulder mit zwinkernden Augen und nahm neben ihr Platz.

„Wollen Sie denn nichts essen?“, hakte Scully nach und tauchte den Löffel in die dampfende Suppe.

„Ich esse später etwas“, meinte Mulder nur und sah Scully stillschweigend beim Essen zu.

Eine angenehme Stille breitete sich aus, bis Scully schließlich das Tablett auf den Tisch zurückstellte, nachdem sie den Teller bis auf den letzten Rest ausgelöffelt hatte.

„Möchten Sie noch etwas?“

Scully schüttelte stumm den Kopf und wieder breitete sich eine Stille aus. Dieses Mal jedoch war es eine unangenehme Stille, in der deutlich eine Spannung zu spüren war, die sich langsam aufbaute.

Mulder wollte Scully nicht drängen, zu erzählen, was passiert war oder wenigstens die Dinge, an die sie sich erinnern konnte. Er wusste, dass es schwierig für sie war und doch spürte er auch, dass sie sich davon befreien wollte.

Scully selber wollte tatsächlich darüber reden, aber sie wusste nicht, ob sie das jetzt schon konnte. Vielleicht war es besser einige Nächte darüber zu schlafen: Gleichzeitig wollte sie es sich so schnell wie möglich von der Seele reden, denn das alles lastete, wie ein schweres Gewicht auf ihrer Brust. Und sie spürte deutlich: je länger sie wartete, desto schwerer würde dieses Gewicht werden. Sie musste sich also so schnell wie möglich davon befreien. Aber vielleicht doch noch eine Nacht...?

„Mulder...?“, flüsterte sie leise.

„Ja?“, flüsterte er ebenso leise zurück.

„Ich... ich weiß nicht... wie ich...“, sie stockte.

Mulder legte fürsorglich einen Arm um sie und zog sie näher zu sich heran.

„Sagen Sie einfach, was Ihnen gerade in den Sinn kommt, auch wenn es keinen Sinn ergeben mag.“

Scully nickte zwar, aber sie zögerte noch. Wo sollte sie bloß anfangen? Es klang alles so fantastisch und vieles von ihren Erinnerungen sah sie nur noch so verschwommen vor sich. Das Krankenhaus. Ja, vielleicht sollte sie dort anfangen, damit Mulder verstand, warum sie so eilig dieses Krankenhaus hatte verlassen wollen.

„Das erste Mal, als ich merkte, dass etwas nicht stimmte, war, als ich in einem Krankenhaus aufgewacht bin. Alles war... relativ normal. Der Arzt war nett, jedoch schien er nicht gewillt zu sein, mir genaue Auskunft darüber zu geben, wieso genau ich denn in diesem Krankenhaus lag. Ich... ich wollte also Sie sprechen, was er mir zunächst verweigern wollte. Erst nach nachdrücklichem Drängen meinerseits, erklärte er sich schließlich bereit, Sie in mein Zimmer zu bringen. Und als ich mich dann mit Ihnen unterhielt, ... Sie... Sie waren nicht Sie selbst. Sie waren so anders... so vertrauensselig, trotz des merkwürdigen Verhaltens des Arztes und obwohl weder ich noch Sie sich an etwas Genaues erinnern konnten. ...“ Scully holte kurz Luft und fuhr dann fort. Sie erzählte alles so genau sie konnte. Von den Beruhigungsmitteln, von dem zweiten Krankenhaus, davon dass er, Mulder, nicht existieren sollte; die verschwundene Narbe; der merkwürdige Traum; die Rettung, die sich als falsch herausstellte, als ihre Mutter angeblich tot gewesen war; die Gerüche, die nicht da waren; dann, als sich alles langsam aufgelöst hatte; der Mann, der sich über sie gebeugt hatte; der Traum, der sich wiederholt hatte, jedoch anders ausgegangen war, bis zu ihrem Erwachen im richtigen Krankenhaus.

„Ich denke, dass diese Leute irgendwelche Mittel ausprobiert haben, um das Gedächtnis einer Person zu manipulieren. In Verbindung mit einer Virtual Reality Umgebung könnte man dies dazu ausnutzen an jede beliebige Information heranzukommen. Nur hat bei mir wohl diese Gedächtnismanipulation nicht so funktioniert, wie sie gehofft hatten“, schloss Scully ihre Erklärungen mit ihrer Theorie, mit welcher sie versuchte, das, was mit ihr geschehen war, zu erklären.

Nach diesen fünfzehn Minuten, in denen sie nur mit kleinen Unterbrechungen alles erzählt hatte, schwieg sie und wartete auf Mulders Reaktion, der sie nicht durch ein einziges Wort oder eine einzige Geste unterbrochen hatte. Sie wagte nicht, ihn anzusehen. Sie war sich eigentlich sicher, dass dies jetzt die Realität und der richtige Mulder waren, aber... was wenn nicht?

Schließlich räusperte sich Mulder und er sagte sehr leise: „Es tut mir leid“.

Irritiert sah Scully nun doch zu ihm auf. Mit traurigen Augen blickte Mulder sie an.

„Es tut mir leid, dass ich nicht da war. Ich... ich hätte sie aufhalten müssen. ...Aber..., aber ich konnte nicht. Ich hab’s versucht.“

„Mulder hören Sie auf damit. Machen Sie sich keine Vorwürfe. Sie sind nicht Schuld daran. Sie haben schließlich keine Experimente an mir durchgeführt. Sie wissen genau, dass es beinahe unmöglich ist, etwas gegen DIE auszurichten. Sie haben schon so viel erreicht, indem Sie mich nur gefunden haben.“

Mulder sah sie noch immer an. Er war noch nicht vollends überzeugt.

„Als wir diesen Fall in Pennsylvania untersucht haben und wir uns auf dem Rückweg befanden, da sind Sie während der Fahrt eingeschlafen.“

Scully nickte. Das erklärte, warum Sie sich an nichts was danach folgte erinnern konnte.

Mulder senkte seinen Blick und starrte nach unten auf den Fußboden, während er seine Erzählung fortsetzte.

„Es wurde bereits dunkel und plötzlich sah ich auf dieser vollkommen leergefegten Strasse im Licht der Scheinwerfer etwas mitten auf der Fahrbahn liegen. Ich konnte gerade noch rechtzeitig bremsen. Ich bin sofort aus dem Wagen gesprungen und während ich auf dieses Etwas zugerannt bin, habe ich erst erkannt, dass es sich um einen Menschen handelte. Ich rief Ihnen zu, dass ich Ihre Hilfe brauchte, sah mich aber nicht um. Ich dachte mir, Sie wären bereits durch das abrupte Bremsen aufgewacht. Als ich die Person erreichte und mich zu ihr herunterbeugte, sah ich dann..., dass es sich nur um eine Puppe handelte. ...Sie sah einem echten Menschen so verteufelt ähnlich, dass man dies erst erkennen konnte, wenn man sie von Nahem betrachtete. Ich... ich hätte es wissen müssen. Ich hätte vorsichtiger sein sollen. Als ich mich dann umdrehte, war es bereits zu spät.“ Mulder musste schlucken, bevor er fortfahren konnte. „Ich habe keine Ahnung, wie sie es so schnell geschafft haben, aber... aber als ich zum Wagen sah, da waren Sie bereits verschwunden und es war nicht die geringste Spur von Ihnen oder Ihren Entführern zu sehen.“

Mulder vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

„Ich habe gesucht. Ich habe neben der Strasse gesucht. In den Gräben an beiden Seiten der Straße. Ich habe die Polizei angerufen und auch die haben die ganze Gegend durchkämmt. Innerhalb einer halben Stunde vielleicht war das ganze Gebiet im Umkreis von einigen Meilen abgesperrt.“ Er schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, dass es unmöglich gewesen wäre, so schnell zu verschwinden.

„Ich wünschte ich hätte sie nicht einfach dort im Auto gelassen. Ich hätte doch merken müssen, dass etwas nicht stimmt, wenn eine Person mitten in der Nacht auf einer einsamen Landstrasse liegt.“

„Ssscht“, beruhigend strich Scully ihm übers Haar. „Sie konnten nichts tun. Ich hätte auch so gehandelt. Woher hätten Sie denn wissen sollen, dass das eine Falle war? Sie konnten es unmöglich erahnen. ... Außerdem bin ich ja wohlbehalten wieder hier. Und das nicht zuletzt durch Ihre Hilfe.“

Mulder blickte wieder auf und lächelte ein wenig.

„Sollte ich nicht derjenige sein, der Sie wieder aufbaut und nicht umgekehrt?“

Jetzt lächelte auch Scully.

„Es kann ja nicht schaden, wenn wir uns gegenseitig ein wenig aufbauen, oder?“

Mulder nickte und schloss sie zum zweiten Mal an diesem Tag in seine Arme.

„Irgendwann werden wir diese Mistkerle erwischen, Dana. Ich weiß es genau. Und dann werden sie für das bezahlen, was sie uns angetan haben. Und wir werden ihnen nicht die Genugtuung geben, dass wir aufgeben.“

Scully nickte nur stumm. Sie hatte die Augen geschlossen und sich gegen Mulder gelehnt. Sie war zu müde, um darüber nachzudenken, ob sie weiterkämpfen wollte. Jedenfalls konnte sie es jetzt definitiv nicht. Sie war einfach zu müde und wollte nur schlafen. Sie spürte wie sie bereits wegdriftete, während Mulder noch etwas sagte. Doch sie hörte nur seine Stimme, nicht aber die Worte.

Plötzlich rutschte Scullys Kopf zur Seite und Mulder stellte fest, dass sie eingeschlafen war. Er traute sich nicht sich zu bewegen, da er sie nicht aufwecken wollte und versuchte, es ihr so bequem wie möglich zu machen. Er angelte nach einem Kissen vom Sessel und legte es unter Scullys Kopf, auf seine Brust. Dann nahm er die Decke, die immer über die Lehne des Sofas gebreitet war und breitete sie über sich und Scully aus. Er betrachtete sie eine Weile, so froh darüber, dass er sie wieder hatte. Er hatte dies zwar schon einmal erlebt, aber erst jetzt erkannte er, wie viel sie ihm bedeutete. Er hätte es sich nie verzeihen können, wenn ihr etwas zugestoßen wäre. Aber sie lag jetzt wohlbehalten hier an ihn gelehnt. Er musste bald etwas unternehmen, ihr sagen, wieviel sie ihm bedeutete, wie sehr er sie vermisst hatte, denn wer wusste schließlich, ob sie nicht schon bald erneut auseinandergerissen würden? Vielleicht mit einem weniger glücklichen Ausgang. Mulder verdrängte den Gedanken so schnell er konnte. Er wollte jetzt nicht an so etwas denken. Nicht jetzt, wo er doch gerade so glücklich war, sie wiederzuhaben. So froh, alles gut überstanden zu haben. Sanft drückte Mulder ihr einen Kuss auf die Stirn und streichelte sie behutsam. Sie sah so friedlich aus, wie sie so da lag. Zu dem, was er danach tat, hätte er vielleicht gesagt, dass er nicht darüber nachgedacht hatte, aber das stimmte nicht. Er hatte sehr wohl über eben jene Tat nachgedacht. Und er war sich so sicher, wie nie zuvor, dass er bei dieser Sache das Richtige tat. Er beugte er sich zu ihrem Ohr hinab und flüsterte so leise, dass er es selber kaum verstand:

„Ich liebe dich, Dana.“

Dana gab keine Antwort. Sie war bereits in einen so tiefen Schlaf gefallen, dass sie nichts von dem Gesagten mitbekommen hatte.

Und... vielleicht war das auch besser so...

Jedenfalls vorerst..


Ende


Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bisher mit Feedback versorgt haben. *g* Ich versuche zwar immer, allen persönlich zu danken, aber manchmal kann ich das auch schon mal vergessen. Also hier noch einmal danke an alle!

Besonderen Dank auch an meine Betaleserin, *mit-feedback-Versorgerin* und *Homepage-zur-Verfügung-Stellerin* Nadia. *g*
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