World of X

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Wahrheiten

von Eilan

1/1

“Though no one can go back and make a brand new start, anyone can start from now and make a brand new ending.” ~ Anonymous





Marita:



Irgendwie scheint das Bett so leer zu sein. Dabei bin ich es gewohnt, dass Alex nicht oft hier ist. Doch jetzt hat er die letzten zwei Monate hier verbracht und ich habe mich schon fast daran gewöhnt, das rechts von mir jemand schläft. Alex liegt immer auf der rechten Seite des Bettes, weil sein linker Arm amputiert ist und er mich sonst nicht im Arm halten kann. Viele Leute, allen voran Mulder und Scully, denken wahrscheinlich Alex wäre nicht der Typ für so etwas. Sie könnten sich nicht mehr irren. Krycek, wie sie ihn immer nur abfällig nennen ist vieles: Ein Mörder, ein Betrüger, ein Egoist.

Alex ist anders. Alex ist einfühlsam, romantisch und rücksichtsvoll. Aber so kennt ihn kaum jemand, wahrscheinlich höchstens eine handvoll Leute, vornehmlich Frauen. Ich habe das Glück dazuzugehören. Wir beide kennen uns schon viel länger, als wir den Rest der Welt glauben lassen. Die Männer vom Konsortium haben zu ihren Treffen oft ihre Familien mitgenommen und Alex und ich waren zwei Kinder davon.

Zu Anfang habe ich ihn gehasst, diesen russisch sprechenden, für sein Alter viel zu ernsthaften Jungen, dessen Vater nur eine kleine Rolle in der Verschwörung spielte. Und er verachtete mich, als das griechische, verzogene Kind, das ich damals war.

Doch was hatten wir für eine Wahl? Als den Kolonisten jeweils ein Kind von jedem Konsortiumsmitglied gegeben wurde, blieben nur noch wir in unserem Alter übrig und so mussten wir lernen uns zu verständigen. Ich lernte von ihm russisch, er ein besseres Englisch und irgendwann wurden wir Freunde. In der Pubertät waren wir mehr als Freunde. An den wenigen Gelegenheiten, an denen wir uns sahen und nicht beobachtet wurden, verzogen wir uns so schnell wir möglich und ließen unseren Hormonen freien Lauf.

Ich erinnere mich gerne an diese Zeit, in der er noch zwei Hände hatte, mit denen er mich liebkosen konnte.

Nach meinem siebzehnten Geburtstag habe ich ihn dann nicht mehr gesehen. Seine Eltern waren getötet worden, mehr sagte man mir nicht. Ich konnte mir allerdings denken, wer hinter dem Mord steckte.

Als ich ihn dann wiedertraf fühlte ich, wie Neid in mir aufstieg. Er schien irgendwie etwas aus seinem Leben gemacht zu haben, er war unabhängig, arbeitete nur für sich, während ich dem Konsortium ausgeliefert war. Inzwischen war meine Mutter tot und ich wie er Waise.

Und da war sie wieder, diese Anziehung nur diesmal nicht mehr zwischen zwei pubertierenden Teenagern, sondern zwischen zwei Erwachsenen, die beide mit dem Feuer spielten.

Sicher haben wir uns teilweise gegenseitig nicht gut behandelt. Als ich ihn aus dem Gefängnis holte, sagten wir beide Dinge, die in keinster Weise darauf schließen ließen, dass wir uns noch lieben. Und doch tun wir es.

Er sagt es nicht ausdrücklich, genau wie ich, aber wir wissen es. Ich glaube sogar der Tag, an dem wir es laut aussprechen, würde es zerstören. Genau wie der Tag, an dem wir jemals über unsere frühere Arbeit sprechen.

Natürlich sprechen wir miteinander, nur eben nicht über das, was wir die letzten Jahre getan haben, wie wir teilweise sogar gegeneinander gearbeitet haben. Darüber, was jetzt passiert ja. Aber nicht über die Zeit, in der ich für den Raucher arbeitete, in der Alex und ich mit dem Purity infiziert waren oder darüber, ob er Bill Mulder umgebracht hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es getan hat. Aber wir reden nicht über die Vergangenheit.

Wir haben eine Art von Ritual. Wenn wir über die Kolonisierung oder die Verschwörung oder sonstiges, was mit unserer Aufgabe zu tun hat sprechen, dann nicht in seiner oder meiner Wohnung sondern in einem öffentlichen Park oder mitten in der Nacht in einen Fast-Food Laden, irgendwo, wo nicht viele Menschen und wir abhörsicher sind. Noch vorgestern war wieder so eine Gelegenheit. Sofort, als er mich ansah, wusste ich, wir mussten reden. Also stieg ich ins Auto und fuhr während er mich anwies wohin. Wir landeten schließlich außerhalb der Stadt auf einer Lichtung mitten im Wald. Und dann erzählte mir Alex von Scullys Schwangerschaft und dass er für die nächsten Wochen verschwinden müsse, um unsere Sache weiterzuführen.

Unsere Sache ist nach dem Tod des Konsortiums, das Verhindern der Kolonisation. Wir sind die einzigen, die vom eigentlichen Konsortium noch übrig sind. Die Liste derer, die von der Kolonisation in allen Einzelheiten wissen ist sehr kurz, eigentlich besteht sie nur aus mir und Alex und manchmal habe ich das Gefühl selbst nur Bruchstücke zu kennen.

Der letzte, der die Bruchstücke hätte zusammenfügen können, war der Raucher. Und den haben wir getötet.

Vielleicht war diese Tat für Außenstehende nicht nachvollziehbar und unlogisch, aber Alex und ich haben keinen Zweifel, dass wir das Richtige getan haben. Ich versuche nicht, es zu verleugnen, es sind persönliche Gründe, aus denen ich es tat und für Alex galt wohl das gleiche, aber das macht unsere Tat nicht verwerflich.

Meine Gründe waren zahlreich. Die Tests, die an mir durchgeführt wurden. Der Tod meiner Mutter. Der Tod meiner Schwester. Der Tod meines Vaters.

Genau wie Jeffrey hatte ich lange Zeit keine Ahnung, wer mein Vater ist. Das einzige, wobei ich mir sicher war, war das er etwas mit dem Konsortium zu tun hatte, das ich kenne seit ich ein Kind bin. Der Raucher und der Brite wurden für mich sogar teilweise zu Vätern, denn meinen eigenen kannte ich damals noch nicht. Also vertraute ich ihnen.

Bis ich erfuhr, dass der Raucher den Tod meines Vaters befohlen hatte. Kurz bevor ich Alex aus Tunesien holen sollte, erfuhr ich dann, wer es war.

Mein Vater ist Bill Mulder.

Der Mann, den mein Verlobter sehr wahrscheinlich getötet hat. Das ist auch der Grund dafür, dass ich ihn nie gefragte habe, ob er diesen Mann ebenfalls getötet hat.

Bill Mulder wusste genau, dass meine Mutter ihm zwei Kinder geboren hat, nachdem er und Teena Mulder sich in ihrer Ehe entfremdet hatten und er sich auf der Suche nach Liebe, meiner Mutter zuwandte. Das Ergebnis waren meine Zwillingsschwester und ich. Sie wurde zu den Aliens geschickt und ich nicht, eine Tatsache für die ich mich manchmal schuldig fühle und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an dieses einzige große Desaster denke, das sich meine Vergangenheit nennt.

Ich habe den falschen Menschen getraut, habe mein Leben in die falschen Hände gelegt. Genau wie es Alex getan hat, allerdings definitiv nicht so oft und nicht so lange wie ich. Er hat früh erkannt, dass es nur eine Seite gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt: Die eigene.

Ich habe es versäumt, die richtigen Menschen wachzurütteln. Ich war immerhin Mulders Informantin, ich hätte ihn einweihen können. Jetzt ist es zu spät, er ist entführt, Scully ist schwanger und die Beiden werden keine Hilfe mehr sein.

Das waren sie eigentlich auch nie, sie haben mehr verschlechtert als besser gemacht. Als Mulder von der Kolonisation erfuhr und Scully auch so gut wie überzeugt war, was haben sie da gemacht?

Sie haben um die X-Akten gekämpft, statt um die Welt.

Sie haben Mutanten gejagt, statt die Kolonisten.

Sie haben den Falschen getraut und die Richtigen ignoriert oder getötet.

Offensichtlich sind die Beiden sich ihrer Verantwortung dieser Welt gegenüber überhaupt nicht bewusst oder wollen nicht glauben, das im Moment alles auf dem Spiel steht. Und deswegen haben sich die Beiden meinen Respekt verspielt. Nur kurz habe ich erwogen sie um Hilfe bei der Abwendung der Kolonisierung zu bitten, aber selbst wenn ich es wollte, könnte ich es jetzt nicht mehr. Mulder war so einfältig nach dem UFO zu suchen und ist jetzt verschollen und Scully ist zu sehr mit ihrer Suche nach Mulder beschäftigt, als dass sie eine Hilfe für uns wäre. Sicher, sie hat ihre Hilfe angeboten, aber für sie hat die Rettung Mulders oberste Priorität und wir können niemanden in unserer Reihe gebrauchen, der, wenn wir Mulder tot oder lebendig finden, aufhört, weil er erreicht hat, was er wollte. Oder mit uns darüber diskutiert, ob Mulder es überhaupt wert ist, unser Leben für ihn zu riskieren. Denn obwohl er mein Halbbruder ist, was ich ja noch nicht sehr lange weiß, die Zukunft der Erde steht auf dem Spiel und die ist mir wichtiger als Mulder. Wir brauchen Leute, die bereit sind durchzuhalten bis alles vorbei ist, und in der Hinsicht traue ich ihr nicht. Außerdem ist sie jetzt schwanger, wahrscheinlich von Mulder. Glaube ich zumindest.

Scully hat mich von Anfang an für nicht vertrauenswürdig eingeschätzt, dabei kannte sie mich vor unserer Begnung kurz bevor Mulder verschwand noch gar nicht persönlich. Meiner Meinung nach hatte sie sowieso starke Minderwertigkeitskomplexe und hat diese dann auf das Konsortium projiziert, welches immer ihr Leben dominierte. Wir waren schuld an allem für sie. An ihrem Krebs, dem Tod ihrer Schwester, der verzweifelten Suche Mulders. Dabei hat sie nur eine Kleinigkeit übersehen: Wir haben Mulder geholfen Scullys Krebs zu heilen, wir haben dafür gesorgt, dass Scully ihm überhaupt zugeteilt wurde, wir haben sie mit Informationen versorgt. Und letzten Endes war es ihr freier Wille, der sie bei Mulder und den X-Akten hielt, kein Konsortium, keine außenstehende Macht hat sie gezwungen, dort zu bleiben, wo ihr Schmerz zugefügt wurde, sondern ihre eigene Entscheidung und ihre Neugier. Das haben Scully und ich gemeinsam, obwohl wir uns auch hierin unterscheiden. Ich gebe niemanden die Schuld für mein überstandenes Leid, stattdessen bekämpfe ich den Grund und vergrößere mein Wissen über die Kolonisten.

Dabei muss ich aber zugeben, dass Alex sehr viel mehr über das Projekt weiß als ich. Ganz einfach deswegen, weil er nicht nur auf einer Seite gearbeitet hat, sondern dort wo er gerade am meisten Informationen herausschlagen konnte. Keine schlechte Strategie.

Jetzt gerade wendet Alex wieder diese Strategie an. Er ist unterwegs um irgendetwas zu tun, was genau wollte er mir nicht sagen. Mir hat er aufgetragen mich weiterhin über den Fortgang des Krieges zwischen Kolonisten und Rebellen zu informieren und ihm alles Wichtige mitzuteilen. Wohin er gegangen ist, hat er nicht gesagt. Sorgen mache ich mir aber irgendwie nicht um ihn. Alex scheint mehr Leben als eine Katze zu haben. Er hat genau wie Mulder das Talent, irgendwie immer aus ausweglosen Situationen zu kommen.

Mulder und Krycek haben viele Gemeinsamkeiten. Beide sind schlau und haben immer ein Ziel vor Augen. Sie führen eine Art ‚Kreuzzug‘, jeder für sich. Frauen lassen sie zwar daran teilhaben, aber eigentlich ist es ihr persönlicher Feldzug. Wobei Alex meiner Meinung nach das deutlich bessere Ziel hat als Mulder, dieser aber Methoden, die sehr viel humaner sind. Aber Alex hat mehr geschafft als Mulder, der nach mehr als sieben Jahren genauso viel von der Verschwörung weiß, wie Alex mit ungefähr acht- oder neunzehn und jetzt nur die Gewissheit hat, dass seine Schwester wohl tot ist. Und selbst das ist nicht hundertprozentig sicher. Manchmal frage ich mich, wie Mulder reagieren würde, wenn er plötzlich mit dem Wissen konfrontiert wäre, dass seine Halbschwester ihn mit Informationen versorgt hat, während er nach seiner Schwester suchte.

Mulder selbst hat wahrscheinlich keine Ahnung, dass ich und Krycek tiefer mit ihm verbunden sind und soviel über ihn und seine Suche wissen und das soll auch so bleiben.

Ich werde mich morgen im Krankenhaus oder beim FBI über Scullys Gesundheitszustand informieren. Man muss eben so seine Quellen haben in dem Geschäft.



Noch steht mir allerdings eine lange Nacht bevor und ich hoffe, ich kann einschlafen und wenigstens im Traum das Bevorstehende vergessen.



„Andere beherrschen erfordert Kraft. Sich selbst beherrschen erfordert Stärke“ ~ Laotse



Alex:



Fliegen ist nicht gerade meine bevorzugte Art der Fortbewegung. Ich musste mir noch einen gefälschten Pass besorgen, bevor ich die Flugkarte kaufen konnte. Jetzt heiße ich für die Dauer dieser Reise Michail Share. Nicht sehr gut, aber besser als die Namen, die mir sonst gegeben werden, wie Ratboy oder Hurensohn. Ich denke an die einzige Person, die mich Alex und nicht Krycek nennt, wofür ich ihr dankbar bin.

Immerhin kenne ich sie jetzt schon, seit ich ein kleiner Junge war. Damals wussten wir gar nicht, wie wir mit Nachnamen heißen. Einmal fragte ich meinen Vater, warum alle im Syndikat sich nicht mit Namen anreden. Seine Antwort hat sich mir in mein Gehirn gebrannt.

„Den Namen eines Menschen zu wissen, bedeutet Macht über ihn zu haben.“

Er hatte verdammt Recht. Ich weiß noch, dass Mulder als er den Namen CGB Spender herausfand, etwas gegen seinen mächtigsten Feind in der Hand hatte. Schließlich war Jeffrey FBI-Agent und wusste gar nichts von den Machenschaften seines Vaters. Dadurch wusste Mulder, dass Cassandra Spender die Frau des Rauchers war und an seiner eigenen Frau Experimente der Kolonisten durchführen ließ. So hätte er Jeffrey Spender auf seine Seite ziehen oder CGB Spender mit seinem Wissen konfrontieren und erpressen können. Eine mächtige Waffe für so einen bedeutungslosen Menschen, die er nicht richtig einsetzte.

Mulder widerspräche mir sicher aufs heftigste, würde ich es ihm ins Gesicht sagen, wie unwichtig er ist. Immerhin hat er ja die Verschwörung aufgedeckt. Und wofür? Dafür, dass jetzt die drei Menschen Scully, Mulder und Skinner, sowie die gesamte Institution FBI Bescheid wissen und trotzdem nichts dagegen tun können oder wollen. Wieso applaudiere ich ihm nur nicht oder falle ihm vor die Füße? Immerhin hat er einen nicht gerade kleinen Anteil daran, dass das Konsortium jetzt tot ist, unser letzter Widerstand gegen die Kolonisation.

Bravo, Mulder! Toll gemacht!

Ich sollte wirklich mit diesem Zynismus aufhören. Ganz richtig ist es ja auch nicht, dass das ganze Konsortium tot ist. Marita und ich sind noch übrig, aber wir haben beide nur zeitweise dafür gearbeitet. Marita weiß noch weniger als ich über die Kolonisationspläne, was aber immer noch deutlich mehr ist, als Mulder weiß.



„Die Gefahr bei der Suche nach der Wahrheit besteht darin, dass man sie manchmal findet.“ ~ William Faulkner



Diesen Spruch habe ich gestern gelesen, ich weiß nicht mehr wo und genau wie der Kommentar meines Vaters kurz vor seinem Tod kriege ich ihn nicht mehr aus meinem Kopf. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Marita und ich beschlossen hätten aus dem Projekt auszusteigen, als wir noch jung waren und nicht so tief drinsteckten, dass man uns wegen unserem Wissen umgebracht hätte.

Oder wenn mein Vater gar nicht erst in das Projekt involviert gewesen wäre. Dann würde ich jetzt vielleicht in Russland leben, verheiratet sein und ein normales Leben führen.

Oder, was viel wahrscheinlicher ist, ich wäre tot, weil die Kolonisation dann schon begonnen hätte. Ich denke nicht, dass ich so wichtig war, dass ich die Kolonisierung bis jetzt verhindert habe, aber ohne meine Beteiligung wäre einiges sehr viel anders gelaufen im Konsortium. Was alles, kann ich aber nicht sagen, denn die Verflechtungen der Personen und Handlungen waren immer sehr kompliziert.

Der Raucher und Bill Mulder würden zum Bespiel noch leben. Nein, das stimmt nicht. Der Raucher hätte einen anderen Auftragsmörder gefunden.

Der Raucher würde noch leben. Ich gebe zu, vielleicht war der Mord an ihm nicht gerade zum Vorteil unserer Sache, aber wohl auch nicht zum Nachteil. Und außerdem hatte ich noch eine persönliche Sache mit ihm zu klären.

Marita und ich reden nicht über unsere Vergangenheit. Vermutlich denkt sie deswegen, dass ich nicht weiß, wer ihr Vater ist und dass ich ihn umgebracht habe. Da liegt sie leider falsch, ich wusste es sogar vor ihr. Ein Jahr nachdem ich Bill Mulder umbrachte, erfuhr ich es von CGB Spender höchstpersönlich.

Schuldgefühle plagen mich wegen des Mordes nicht. Sie scheint es ebenfalls nicht sehr zu berühren und wieso sollte es mir anders gehen? Ich habe in meinem Leben mehr als vierzig Leute willentlich getötet und wenn einer davon der biologische Vater meiner Verlobten ist, na und? Sie kannte ihn sowieso kaum. Und da sie nie davon angefangen hat zu sprechen, werde ich es auch nicht tun.

Stattdessen trage ich doch lieber dazu bei, dass wir beide irgendwann an Altersschwäche sterben und nicht weil Aliens uns töten oder das Purity mutiert und einen von uns übernimmt. Marita ist durch ihre Impfung ja dagegen immun, genau wie ich. Aber eben nur in seiner jetzigen Form, doch es ist schon einmal mutiert und es könnte wieder geschehen, dann wären wir hilflos ausgeliefert. Ich hoffe, die Geschehnisse in Tunguska hatten wenigstens einen positiven Effekt und waren nicht völlig sinnlos.

Tunguska. Unwillkürlich berühre ich mit meinem rechten Arm die Prothese. Es ist kein sehr modernes Gerät, ich brauche alles Geld, das ich beschaffen kann, um jemanden zu finden, der mir helfen kann, den Impfstoff in großen Mengen herzustellen. Genau deswegen sitze ich auch in diesem Flugzeug nach Texas. Um ein paar Wissenschaftler dazu zu bringen den Impfstoff herzustellen. Das Problem an der Sache ist nur, dass sie nicht zu genau wissen dürfen, woran sie arbeiten. Das Geld wird sie hoffentlich zum Schweigen bringen. Das Geld, das Marita mir beschafft.

Marita weiß nichts davon, was ich hier mache. Eigentlich ein Armutszeugnis, wir sind jetzt seit einem Jahr verlobt und ich sage ihr nicht einmal mit welchem Flugzeug ich unter welchem Namen wohin fliege. Aber es ist besser so, sie würde sich sonst nur Hoffnungen machen, die ich vielleicht enttäuschen müsste.

Marita ist eine viel sensiblere Person, als ich immer dachte. Ich kannte sie als verzogenes, kleines Mädchen, rebellierende Teenagerin, starke Frau. Doch bevor wir zum dritten Mal in unserem Leben zu Liebhabern wurden, kannte ich sie nicht wirklich.

Sie ist eine starke Frau, ohne Zweifel. Sonst hätte sie niemals für das Syndikat arbeiten können oder die Tests mit dem Purity durchhalten können. Aber ich hätte nie gedacht, dass sie davon träumt in einem kitschigen Haus mit Garten und einer Familie zu leben. Dazu kommt, dass ich bis vor kurzem nicht wusste, wie gläubig sie ist. Religion war niemals etwas, das ich mit ihr in Verbindung brachte. Doch vor einem Monat erzählte sie mir, sie habe mit dem Raucher über Gott geredet. Und erst vor zwei Wochen kam ich auf die Idee, wohin sie jeden Sonntag Morgen verschwindet. Sie geht in eine evangelische Kirche ein paar Blocks von ihrer Wohnung entfernt.

Ich selbst war nie gläubig. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich getauft bin. Wenn, dann russisch-orthodox, aber viele Kirchen habe ich noch nicht von innen gesehen. Marita begann nachdem sie begriffen hatte, was vor sich geht, ihren Glauben an Gott zu intensivieren, so ähnlich wie Scully. Ich hingegen glaubte damals schon nicht.

Scully und Marita haben sowieso mehr gemeinsam, als sie denken. Sie sind beide religiös, sind beide beinahe an etwas gestorben, das das Syndikat zu verantworten hat, bei Scully war es Krebs, bei Marita das Schwarze Öl. Auch Maritas Schwester und Vater sind tot. Sie wissen über die Aliens Bescheid, die eine mehr, die andere weniger. Und sie haben beide vor anderen Menschen manchmal diese ätzende Überheblichkeit. Marita hat sie wohl von mir, Scully von Mulder.

Was beweist, dass auch Mulder und ich uns ähnlicher sind, als wir bereit sind uns einzugestehen.

Eigentlich wollen wir nämlich beide das selbe: Die Welt retten und die Frau, die uns dabei hilft flachlegen – das ist nicht abwertend Marita gegenüber gemeint.

Einen gravierenden Unterschied gibt es zwischen uns dennoch: Ich erreiche meine Ziele. Marita und ich sind verlobt, während Scully zwar schwanger ist, aber ich nicht glaube, dass sie Mulders Kind austrägt. Ich sitze in einem Flugzeug, um die Kolonisation zu stoppen, während Mulder eben im Auftrag dieser entführt wurde. Und ich denke, ich habe bessere Überlebenschancen als er.



Auch deswegen hasse ich fliegen. Ich mache mir einfach zu viele Gedanken. Ich sollte besser irgendetwas lesen. Ein Magazin liegt neben mir, ich schlage es auf und lese einen ‚Spruch der Woche‘



“ Life is a series of experiences, each one of which makes us bigger, even though it is hard to realise this. For the world was built to develop character, and we must learn that the setbacks and grief’s, which we endure help us in our marching onward. ~ Herne Fort.



Wie wahr.

Ende
Wenn ich es schon schaffe am Anfang auf Autorenbemerkungen zu verzichten, dann müssen wenigstens am Ende welche sein ;-).

Ich hoffe meine Pseudo-Intellektuellen Sprüche nerven niemanden, ich dachte nur, sie passen zur Atmosphäre.

Zur Geschichte: Die Mythologie von Akte X kann man auf sehr unterschiedliche Weisen auslegen und ich habe hier meine dargestellt. Hoffe es hat euch gefallen, obwohl Scully und Mulder nicht so gut dabei wegkommen.
Rezensionen