World of X

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Someday

von Claudia Krell

Kapitel 1

Durch das verschmutzte Fenster fielen, auch wenn es geöffnet war, nur wenige Strahlen der Mittagssonne, in denen man kleine Partikel tanzen sehen konnte. Dumpfes Stimmengewirr und gedämpfte Schritte drangen vom Flur in das kleine Büro ein, in dem niemand etwas sagte. Nur das monotone Surren der Computer war zu hören. Scully und Mulder gingen der ungeliebten Arbeit nach Abschlußberichte für einige Fälle, die schon vor langer Zeit gelöst worden waren, zu schreiben.

Jedenfalls tat Scully das.

Doch allmälich konnte sie sich nicht mehr auf das konzentrieren, was sie schrieb. Alles war schon vor so langer Zeit passiert, sie hatte nur noch eine verschwommene Vorstellung der damaligen Ereignisse und fühlte sich außerdem schon seit geraumer Zeit beobachtet. Sie blickte zum ersten Mal von ihrer Arbeit auf, um der Ursache für dieses Gefühl nach zu gehen.Ihr Blick traf unweigerlich auf Mulder, der sie anstarrte und dies, seinem abwesenden Gesichtsausdruck zu folgen, auch schon länger getan hatte. Sie sah ihm direkt in die Augen, wollte nach einer Antwort auf die Frage, warum er das tat, suchen. Aber sie verlor sich in ihm, bevor sie die Frage stellen konnte.

Direkt vor ihrer Tür entwickelte sich ohrenbetäubender Lärm, doch beide nahmen es nicht wahr. Es schien, als befänden sie sich in einer anderen Dimension von Raum und Zeit, versunken im Blick des anderen. Nichts außer ihnen spielte mehr eine Rolle.

"Ich liebe dich.", hörte Scully Mulder neben sich flüstern. Erschrocken sah sie ihn an, doch er saß ihr immer noch gegenüber, hatte nicht den Mund geöffnet, nichts wirklich gesagt. Nur sie hatte es hören können.

Auf die selbe lautlose Art antwortete sie ihm.

"Ich liebe dich auch - viel mehr, als ich je geglaubt hätte jemanden zu lieben."

"Warum können wir nicht zusammen sein, obwohl wir so fühlen?"

"Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich dich brauche."

"Du bist so stark - dein Leben wäre dasselbe ohne mich."

"Sag das nicht. Du bist der einzige Mensch, bei dem ich nicht so tun muß, als ob ich stark bin. Wenn ich sage, es geht mir gut, dann weißt du, dass es nicht so ist. Du tröstest mich. Ich fühle mich geborgen und wohl, wenn ich weiß, dass du bei mir bist. Du bist derjenige von uns beiden, der alles, was wir hier erleben, auch ohne den anderen überstehen könnte."

"Nein. Ohne dich an meiner Seite, wäre mein Leben grausam. Ich habe so unendlich vieles gesucht und nichts gefunden. Ich weiß nicht, wo ich heute wäre, wenn es dich nicht geben würde. Ich will immer an deiner Seite sein und dich beschützen. Ich will, dass du immer an meiner Seite bist und mich beschützt."

"Du beschützt mich schon. Und ich versuche es."

"Das ist nicht genug. Du weißt, dass da mehr ist."

"Ich weiß auch, dass ich Angst habe."

"Wovor?"

"Davor, dass wir uns zu sehr in dieser Liebe verlieren, dass du dich zu sehr verlierst."

"Was ist, wenn ich mich mit dir zusammen darin verlieren will?"

"Das ist es, wovor ich mich fürchte. Du würdest den Weg zurück nicht gehen."

"Und wenn ich ihn nicht gehen will?"

"Du mußt ihn gehen. Denn du bist der Einzige, der die Wahrheit sucht - die absolute Wahrheit. Eines Tages wirst du ihr gegenüberstehen und in ihr auch dich selbst finden; du bist ein Teil von ihr. Du hast es schon lange erkannt, nur hast du es noch nicht akzeptiert."

"Ich habe akzeptiert. Ich habe akzeptiert, dass ich die Wahrheit niemals sehen werde; nicht einmal ein Bruchstück von ihr. Und ich habe erkannt. Ich habe erkannt, dass ich meine Wahrheit schon längst gefunden habe: dich. Du bist ein Teil von mir. Und diesen Teil werde ich nicht gehen lassen."

"Du mußt mich nicht gehen lassen. Ich könnte gar nicht gehen. Ich kann nicht verleugnen, dass du auch ein Teil von mir bist und ich mir schon lange sicher bin, dass ich dich liebe. Es ist aber auch sicher, dass es mit uns nicht funktionieren würde."

"Wie kannst du das sagen, wenn wir es nicht probieren?"

"Du weißt, dass es im Moment unmöglich ist."

"Ich weiß es. Du weißt, dass es nicht sie ist, die ich will, dass ich nur das letzte Stück Hoffnung meine Schwester zu finden nicht aufgeben durfte?"

"Ich habe es verstanden. So wie ich dich immer verstehe. Du sollst wissen, dass ich mich nicht verletzt fühle, weil ich mit dir hoffe."

"Womit hab ich das Glück verdient das du mich liebst?"

"Ich glaube nicht, dass es Glück ist zu lieben, die Liebe aber nicht leben zu können."

"Werden wir eine Chance bekommen?"

"Nicht jetzt."

"Nicht jetzt. Irgendwann?"

"Irgendwann."

"Dann ist jetzt eine neue Hoffnung in mir."

"Ich werde dich immer lieben."

"Ich liebe dich - egal was jemals passiert."

Durch das Fenster fielen die warmen Strahlen der Nachmittagssonne. Das Surren der Computer erfüllte immer noch den Raum. Auf dem Flur war es still geworden. Nichts war mehr zu hören. Alles war still. Nichts war da, das die tiefe Verbindung hätte stören können.

Die Tür öffnete sich schlagartig. Diana Fowley kam stürmisch herein und ging direkt auf Mulder zu, den sie unsanft in die Realität zurückholte und vorwurfsvoll ansah. "Fox, du wolltest mich vor einer halben Stunde abholen. Sag bloß du hast unser Date vergessen? Wir sind heute seit einem Monat zusammen und ich wollte einen schönen Abend mit dir verbringen."

"Was, ..., ähm, ..., nein, ..., natürlich habe ich es nicht vergessen.", antwortete er noch immer nicht ganz zurückgekehrt. "Ich hatte nur noch etwas Wichtiges zu erledigen. Gib mir noch ein paar Minuten, um die Akten wenigstens ein bisschen zu ordnen."

"Gehen Sie ruhig, Mulder, ich räume nachher auf.", erklang Scullys Stimme aus dem Hintergrund. Mulder blickte zuerst sie und dann Scully, die sich wieder den vor ihr liegenden Akten gewidmet hatte, traurig an. Er wollte ihr noch etwas sagen, doch Diana wartete bereits mit ungeduldigem Gesichtsausdruck an der Tür. Bevor er sich zu ihr umdrehte, um mit ihr zu gehen, murmelte er noch schüchtern "Danke, dass du da bist, Dana." Scully erstarrt in ihrer Bewegung.

Sie sah beiden, noch lange nach dem sie gegangen waren, hinterher. Als der Himmel langsam begann in leuchtenden Farben zu schimmern, sank sie in sich zusammen und legte ihren Kopf schützend in ihre Arme. Ihr Körper wurde von Schluchzen erschüttert. Sie wusste, dass nichts Einbildung gewesen war, doch dieses Wissen half ihr nicht über die Traurigkeit und die Leere hinweg. Tränen rollten ihr Gesicht hinunter, während der leichte Wind durch ihre Haare, die von den letzten Sonnenstrahlen wie entflammt erschienen, strich. Sie konnte nicht immer stark sein.

"Someday, when we are wiser, when the world`s older, when we have learned, ..."

ENDE
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