World of X

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First Love

von Anna

Kapitel 1

Es war ein warmer, sonniger Tag mitten im Juni. Die Sonnenstrahlen fielen durch mehrere Fenster auf das alte Holz und tauchten die Kisten und Kästen in ein warmes Gelbbraun. Draußen sangen die Vögel, und irgendwo in der Ferne bellte ein Hund. Doch hier oben war es still. Erinnerungen aus vergangenen Tagen erzählten sich gegenseitig ihre Geschichten und alles war überzogen mit einer dicken Staubschicht. Nichts wies hier auf die moderne, hektische Welt von draußen hin - bis auf eine kleine rothaarige Person, die eine nach der anderen der Kisten durchstöberte und den Staub, das Siegel der Zeit, aufwirbelte...

„Ich weiß doch genau, dass ich die Kanne hier irgendwo versteckt hatte...“
Sie räumte gerade den Dachboden ihrer Mutter auf, schaffte einige Dinge nach oben und holte einige herunter. Sie konnte sich keine schönere Beschäftigung in ihrer Freizeit vorstellen, als in Erinnerungen zu wühlen.
Sie hatte gerade eine weitere Kiste geöffnet, als sie plötzlich stutze. Sie nahm das Foto, welches oben auf dem restlichen Inhalt der Kiste lag, in die Hand. Es zeigte einen etwa 13jährigen Jungen auf einem Jahrmarkt. Eine einsame Träne lief ihr über das Gesicht und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie an einen sommerlichen Tag auf einem Jahrmarkt zurückdachte...


„Komm schon, Dana, wir wollten doch noch auf das Riesenrad!“ Melissa grinste sie an. „Hey, warum kommst du denn nicht? Du hast doch nicht etwa Höhenangst?“ „Ha, ha, Dana hat Höhenangst.“ Bill kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen. „Hab ich nicht!“, protestierte Dana trotzig. Doch Bill hörte nicht auf zu lachen, und nun fingen auch noch Charles und Melissa an. „Mami“, Dana war den Tränen nahe, „Missi und die Jungs ärgern mich!“
„Aber so etwas macht man doch nicht.“ Miss Scully sah die Drei vorwurfsvoll an.
„Bäh“, machte Dana und streckte ihren Geschwistern die Zunge raus.
Da sah sie ihren Vater. „Papi!“ Mr. Scully kam mit vier Stangen Zuckerwatte angelaufen. „Entschuldigung, dass ihr so lange warten musstet. Also, was machen wir jetzt?“ „Riesenrad, Riesenrad!“ schrien Melissa, Bill und Charlie im Chor und grinsten ihre Schwester dabei frech an
„Ich möchte aber nicht aufs Riesenrad!“ Dana war sauer.
„Dann gehen wir eben woanders hin, Kleines.“ Mr. Scully nahm sie an die Hand und wandte sich dann zu seiner Frau „Schatz, gehst du bitte mit den anderen zum Riesenrad?“ „Natürlich! Kommt, Kinder.“ Ms Scully zog mit Charles auf dem Arm, Melissa an der Hand und Bill vorneweg los.
„Und wo gehen wir jetzt hin, Papi?“ Dana sah ihren Vater erwartungsvoll an.
„Was hältst du davon, wenn ich dir einen Teddy schieße?“ Das plötzliche fröhliche Aufblitzen ihrer Augen genügte als Antwort, und sie schlenderten los. Mr. Scully erzählte eine lustige Geschichte nach der anderen, und Dana kugelte sich vor Lachen. Sie war froh, ihren Vater mal ganz für sich zu haben und ihn nicht mit ihren Geschwister teilen zu müssen. Sie sah ihn ohnehin nicht sehr viel am Tag, und dann musste sie noch gegen ihre Mutter und ihre viel lebhafteren Geschwister ankämpfen. Aber jetzt war sie allein mit ihm, und er schenkte ihr seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit.
Ja, sie war glücklich.
Mittlerweile waren sie an der Schießbude angekommen und ihr Vater legte das Gewehr an.
Peng!
Der erste Schuss ging daneben. Dana hielt sich die Ohren zu.
Peng!
Der zweite verfehlte den Teddy wieder.
Aber - peng!
Der dritte saß. Fröhlich nahm Dana den Teddy entgegen und lächelte ihren Vater an. Dann schaute sie an sich runter, den Teddy fest gegen ihren Bauch gedrückt. Das warme Braun des Teddys passte perfekt zu dem strahlend blauen Kleid, das sie anhatte. Dann drückte sie den Teddy an ihre Wange und schloss die Augen. Er war so schön weich... .
„Hey, Kleines, nicht einschlafen!“
Dana lachte. Dann schaute sie an ihm vorbei zu einer Eisbude, die nicht weit entfernt stand. Ihr Vater sah, wohin ihr Blick ging, und sagte lachend: „Das ist meine Dana! Warte hier, ich hole dir ein Eis!“ Damit zog er auch schon los. Dana blieb stehen, den Teddy immer noch im Arm, schaute sie sich um. Die vielen lachenden Leute, die Musik diverser Sraßenorgeln und der Geruch von den ganzen Süßigkeiten machten sie fröhlich. Plötzlich entdeckte sie einen Jungen in der Menge. Er war ungefähr 13 und fiel ihr auf, weil er der einzige war, der traurig schaute, abgesehen natürlich von den ganzen Kindern, die heulten, weil sie ihr Eis hatten fallen lassen oder ihren Luftballon verloren hatten. Aber der Schmerz dieses Jungen war weit us größer. Er musste tief in ihm sitzen. Sie betrachtete ihn näher, und plötzlich schaute er in ihre Richtung. Dieser Blick traf sie mit einer solchen Intensität, dass sie glaubte, sie müsse umkippen. Sie war ja noch so klein, und deshalb war dieses Gefühl völlig fremd für sie.
Aber trotzdem fühlte sie sich auf irgendeine Art und Weise mit ihm verbunden. Was sie genau fühlte, wusste sie nicht, aber wie sie später gemerkt hatte, war es Liebe. Doch Liebe war ein voreiliges und doch zu mildes Wort für ihre Gefühle. Dieser Blick... so traurig und doch so gefühlvoll...
Auf einmal erinnerte sich Dana daran, was sich in ihrem kleinen Täschchen befand, welches sie von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte, und heute, an diesem besonderen Tag, um ihre Schulter gehängt hatte. Ohne sich richtig bewusst zu sein, was sie tat, zog sie den Fotoapparat hervor, hielt ihn sich vor die Augen und drückte ab. Der Junge schien etwas verwirrt zu sein, aber lächelte sie dann an. Sie lächelte zurück und sah, wie er gerade einen Schritt auf sie zu machen wollte, als ihn seine Mutter am Arm packte und ihn wegzog. Sie hatte ihn nie wieder gesehen...

Jetzt, so viele Jahre später, sah Scully ihn immer noch vor sich. Wie er sie anlächelte. Sie schaute wieder auf das Foto. Leider hatte sich, als sie das Foto schoss, schon ein leichter Ausdruck der Verwirrung in seine Augen gemischt. Aber trotzdem konnte sie immer noch ein Rest dieses Blickes in seinen Augen sehen. Dieser Blick... Sie hatte so etwas niemals mehr gesehen. Ähnliche Blicke schon, aber nicht genau „diesen“ Blick. Irgendwie wusste sie, dass er der einzig wahre Mann für sie gewesen wäre. Aber damals war sie einfach nur zu klein gewesen, um ihn einfach so nach seiner Telefonnummer zu fragen.

„He, Scully!“ Sie drehte sich um. Mulder schaute durch die Dachluke, vollgepackt mit Kartons, und grinste sie an. „War ja wieder klar! Mich anflehen, Ihnen zu helfen, ein paar Kisten auf den Boden ihrer Mutter zu bringen, und mich dann alles alleine machen zu lassen!“ Scully grinste zurück, warf einen letzten Blick auf das Foto und ging dann an Mulder, der inzwischen ganz raufgekommen war, vorbei und verschwand nach unten.

Neugierig schaute Mulder sich an, was Scullys Aufmerksamkeit so eingenommen hatte. Als er den Jungen erblickte, wunderte er sich. Wo hatte Scully das Foto her? Von seiner Mutter? Er wusste gar nicht, dass sie damals, auf dem Jahrmarkt, so ein Foto von ihm gemacht hatte. Oh ja, der Jahrmarkt. Er hatte dort dieses Mädchen gesehen. In einem strahlend blauen Kleid, mit strahlend blauen Augen, roten Haaren und diesem Teddy im Arm. Es war etwa ein halbes Jahr nach der Entführung seiner Schwester gewesen, und noch immer hatte seine Welt in Scherben gelegen. Aber als er dieses kleine Mädchen angeschaut hatte, waren für ein paar Augenblicke jeder Schmerz vergessen gewesen. Obwohl sie so viel jünger als er gewesen war, hatte er sich doch total und hoffnungslos in sie verliebt. Und obwohl er es sich als 13 Jähriger verboten hatte, in eine etwa 8 Jährige verliebt zu sein, hatte er immer an sie denken müssen. Sie hatte ein Foto von ihm gemacht, jedenfalls glaubte er, dass sie ihn fotografieren wollte. Aber er hatte sein fotografisches Gedächnis. Deshalb sah er sie immer noch vor sich. Er hatte nie jemandem davon erzählt, aber seit diesem Tag hatte er nicht nur nach seiner Schwester gesucht, sondern auch nach diesem Mädchen, nach der Frau seiner Träume. Würde er sie jemals finden?

„Mulder, na kommen Sie schon, wir sind fertig und können jetzt fahren!“
Traurig legte Mulder das Foto in die Kiste, aus der es Scully wohl geholt hatte, und stieg die Dachbodentreppe herab.
Die Luke schloss sich, Ruhe kehrte wieder ein, und das Siegel der Zeit legte sich wieder auf die Kiste.


ENDE
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