World of X

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Changer d’avis

von Tess

Kapitel 1

Wieder einmal erkenne ich, dass das Wochenende zu schnell vergangen ist. Ich hatte kaum Zeit gehabt, mich von den Anstrengungen der letzten Woche zu erholen. Aber ich bin trotzdem froh, dass eine neue Woche beginnt. Ich liebe meine Arbeit, ich habe ihr alles gewidmet, ich habe kein anderes Leben mehr. Ich beobachte immer mehr, wie sie Tag für Tag mehr von meinem Leben einnimmt. Für meinen Partner würde ich alles tun, und ich bin mir sicher, das wegen ihm, die Arbeit ein Teil meines Lebens geworden ist, dass er der Teil meines Lebens ist. Nein, das ist falsch, er ist mein Leben. Ich kann mich kaum an einen Tag erinnern, an dem ich nicht mit ihm zusammen gewesen bin, meine Kindheit ausgenommen.
Und ich bin mir sicher, dass er nicht anders empfindet. Und dennoch sind wir uns nicht nah genug. Wir reden uns mit unseren Nachnamen an, am Anfang unserer Partnerschaft war es ziemlich schmerzvoll. Er hatte damit angefangen, um die nötige Distanz zu erhalten. Wir waren nur Partner, sonst nichts. Jeder hatte nach der Arbeit sein eigenes Leben, so haben wir uns das beide vorgestellt. Und wir haben uns beide ziemlich getäuscht. Mittlerweile würde ich die Art und Weise, wie er mich anredet, wahnsinnig vermissen. Ich weiß nicht viel über ihn, doch das, was ich weiß, offenbart mir sein ganzes Leben. Ich weiß, warum er so ist, wie er ist, und das ist wundervoll. Wir sind die besten Freunde, ohne je richtig miteinander zu reden. Unsere Freundschaft ist etwas Außergewöhnliches. Ich hätte nie gedacht, dass eine solche Bindung zwischen zwei Menschen entstehen kann. Würde ich nicht selber ein Teil dieser Freundschaft sein, ich würde es nicht glauben. Wir respektieren einander, würden für den anderen sterben. Wir lieben uns, ohne es dem anderen gesagt zu haben. Es ist eine ganz besondere Liebe, und ich würde es nie riskieren, diese Liebe zu verlieren. Dennoch überkommt mich manchmal das Gefühl der Sehnsucht, ihm auch auf körperliche Art und Weise zu zeigen, was ich für ihn empfinde, und ich bin mir sicher, ihm geht es auf keinen Fall anders. Und doch wissen wir beide das es nicht gutgehen würde. Alle diese Kleinigkeiten, wie er mich berührt, wenn er an mir vorbei geht, wenn er mich tröstet, weil er einfach nur spürt, dass etwas nicht stimmt. Er tut es auf eine so wundervolle Weise, die an Bedeutung verlieren würde, wenn wir uns unseren Gefühlen hingeben würden. Er weiß, was ich denke, wenn er nur in meine Augen guckt. Wenn ich ihn ansehe, und das tue ich oft, dann lasse ich ihn in meine Seele sehen. Und er tut das gleiche für mich. Ich kann in seinen Blicken versinken und in ihnen lesen, wie in einem offenen Buch. Und ich weiß, dass das nicht viele Leute können. Genaugenommen glaube ich, dass ich sogar die Einzige bin, die das kann. Das Gefühl, dass einer da ist, der sich um dich kümmert, es überwältigt mich. Die Art, wie wir einfach nur nebeneinander sitzen und nichts sagen, ohne das Gefühl zu haben etwas sagen zu müssen.
Ich habe versucht, mich auf andere Männer zu konzentrieren, aber schon sehr bald gab ich diese Idee auf. Es gab keinen, absolut niemanden, der sich mit ihm messen konnte. Außerdem blieb mir nicht die genügende Zeit, um einige genauer unter die Lupe zu nehmen, da ich mit meinem Partner unterwegs war, um mysteriöse Fälle zu bearbeiten. Und wenn dann doch einer in die engere Wahl gekommen war, dann verlor er, da ich Tag und Nacht nur eine Person im Kopf habe: Mein Leben.
Genauso denke ich nun schon seit fünf Jahren darüber, bis ein Tag mein Leben gewaltig verändern sollte.
Ich war also nach meinem viel zu schnellen Wochenende auf dem Weg zur Arbeit.
Alles war so gewöhnlich wie immer. Mein Partner und ich zogen uns gegenseitig mit ein paar Spötteleien auf und fuhren dann zusammen los, um eine Spur zu verfolgen. Wir waren an diesem Fall schon eine ganze Weile dran, es war ein Projekt, das neben den X-Akten nebenher lief, und heute sollte endlich die Falle zuschnappen.
Während der Autofahrt redeten wir nicht viel miteinander. Wir besprachen unsere Vorgehensweise, wie wir den Täter stellen wollten. Ich verkroch mich in eine Akte, um seinen Blicken zu entgehen. Ich wollte mich gut auf die Arbeit konzentrieren und nicht kurz vor der Verhaftung abgelenkt werden. Das hier war unsere einzige Chance, wenn wir die vermasselten, wer weiß, wann sich uns je wieder so eine Gelegenheit bieten würde.
Dann war es endlich soweit. Mulder und ich schlichen vorsichtig in das Lagerhaus hinein. Ich konnte schon einen dunklen Schatten sehen und deutete Mulder mit meinem Kopf in die Richtung.
Mulder und ich richteten unsere Waffen auf die Person. Ich sagte meinen FBI-Standarttext auf und ging nach vorne, um den Mann zu verhaften. Mulder gab mir Rückendeckung. Alles schien schon erledigt, da sprang ein anderer Mann aus einem Hinterhalt hervor und drückte mir eine Waffe an den Hals. Mein Ohr nahm eine tiefe Stimme wahr, die mir befahl, mich nicht zu bewegen. Ich starrte genau in Mulders vor Schreck geweiteten Augen. Mein ganzes Leben lief an mir vorüber. Ich rechnete jeden Moment damit, sterben zu müssen. Ich wollte diese Welt noch nicht verlassen, ich hatte doch noch so viel vor. Die Verbrecher begannen leise, sich zu unterhalten. "Lass uns hier abhauen, die sind bestimmt nicht alleine hier", hörte ich die tiefe Stimme sagen. "Was machen wir mit den beiden?" "Stell sie für einen Moment kalt, und dann lass uns abhauen." Einer der Beiden machte sich schon auf den Weg zum Fluchtwagen. Der zweite folgte ihm sofort. Ich wollte nur noch zu Mulder, ich wollte, dass er mich in die Arme nimmt. Da spürte ich einen stechenden Schmerz in der Brust. Dann sah ich gar nichts mehr. Meine Beine knickten langsam ein und ich sank auf den Boden der Halle. Eine entfernte Stimme rief mir etwas zu. Ich konnte es nicht verstehen. Es war nicht mehr wichtig. Ich sah ein Licht auf mich zukommen. Es wurde immer heller, es sah wunderschön aus. Und wieder einmal lief mein ganzes Leben an mir vorüber. Mein Leben. Mulder war mein Leben. Ich konnte noch nicht gehen. Ich musste ihm doch sagen, wieviel er mir bedeutet...
Heute bin ich noch mal knapp mit dem Leben davon gekommen, was wird nächstes Mal? Wir haben keine Zeit mehr. Ich musste es Mulder sagen. Ich wollte wieder zurück. Und dann gelang es mir, meinen Blick vom Licht abzuwenden. Die Stimme, die die ganze Zeit zu mir gesprochen hatte, wurde wieder deutlicher. Ich machte meine Augen auf.
"Scully? Hören sie mich?" Mulder hatte sich über mich gebeugt und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Gleich kommt ein Krankenwagen. Es wird alles wieder gut."
Ich wollte ihm irgendwas sagen. Ich musste ihm mitteilen, dass ich ihm verstanden hatte. Ich griff mit meiner Hand nach seiner. Seine andere Hand hatte er stützend unter meinen Kopf gelegt.
"Fox, ich....", begann ich zu reden. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn mit Fox angeredet habe. Aber es war dennoch selten genug, um ihm damit einen Schrecken einzujagen. Ich sah, wie sich sein Ausdruck von Besorgnis in seinem Blick verdoppelte.
Es schienen Stunden zu vergehen, die in Wirklichkeit nur ein paar Minuten waren. Bis endlich der Krankenwagen eintraf. Das nächste an das ich mich erinnern kann, ist das ich in einem Krankenhaus in der Intensivstation aufgewacht bin. Als ich meine Augen öffnete, sah ich sofort das Gesicht, das ich auch schon in meinen Träumen die ganze Zeit vor mir gehabt hatte.
"Mulder", war das Erste, was ich hervorbrachte.
Mulder nahm meine Hand und streichelte sie.
"Wie fühlen Sie sich?"
"Den Umständen entsprechend eigentlich ganz gut."
‘Ich muss ihm sagen, was ich fühle, bevor es vielleicht irgendwann zu spät ist.’ Das war zur Zeit mein einziger Gedanke. Aber wie? Ich war noch nie gut in solchen Dingen gewesen, aber es mssßte einfach raus. Was hatte ich schon zu verlieren?
"Fox?", begann ich, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Aber da stürmten schon die Ärzte in mein Zimmer. Mulder hatte sie informiert, dass ich aufgewacht war, und nun versorgten sie mich mit irgendwelchen schmerzstillenden Medikamenten. Dann entschlossen sie sich, mich in ein normales Zimmer umzulegen.
"Sie sollten sich auch etwas ausruhen, Mr Mulder", sagte eine Schwester, die gerade damit beschäftigt war, mir die einzelnen Medikamente zu verabreichen.
"Ja, geben Sie mir nur noch ein paar Minuten."
Darauf verließ die Schwester das Zimmer.
"Fox, ich habe in der letzten Zeit sehr viel nachgedacht", begann ich ein zweites Mal. Mulder sagte kein Wort. Er wartete einfach, dass ich weiter sprach. Ich glaube sowieso, dass er wusste, was ich ihm sagen wollte. "Über uns beide. Und ich bin mir sicher, dass Sie das nicht wollen, und ich werde Ihre Entscheidung respektieren. Nur mir ist in den letzten Tagen klar geworden, dass jedes Mal, wenn wir ein Verbrecher jagen, oder sonst irgend etwas, dass das unser letzter gemeinsamer Einsatz sein könnte. Und deshalb sollten Sie folgendes wissen." Ich spürte, wie meine Stimme zu zittern begann. Nun gab es kein Zurück mehr. Wer weiß, wann ich wieder in diese Gelegenheit kommen würde, es ihm zu sagen? Aber die beruhigende Art, wie er meine Hand streichelte, ermutigte mich, weiter zu sprechen.
"Ich... Ich liebe dich."
So, nun war es raus. Jetzt lag es an ihm, was sich daraus ergeben würde.
Ich beobachtete Mulders Gesicht. Er schien überrascht zu sein, dass ich ihm das gesagt hatte, was ich ihm gesagt habe. Gebannt wartete ich auf seine Reaktion. Er brauchte nichts zu sagen, sein Blick hatte ihn bereits verraten. Ich glaubte für einen Moment ein richtiges Funkeln in seinen Augen zu sehen. Dann endlich beugte er sich zu mir. Ganz langsam näherten sich seine Lippen, bis sie schließlich auf meine trafen. Er war so unendlich zärtlich. Ich ertrank regelrecht in seinem Kuss. Wie konnte ich dieses Gefühl der Zuneigung nur so lange abstreiten? Die Zeit schien still zu stehen. Und sie ging erst weiter, als er sich wieder von mir löste.
"Du solltest dich wirklich ein bisschen ausruhen", sagte ich, obwohl es mir sehr schwerfiel, zu Mulder, der wirklich total geschafft aussah.
"Ja, ich denke, das sollten wir beide." Er beugte sich noch einmal zu mir und küsste mich auf die Stirn. Dann wandte er sich zum Gehen. Ich hörte mich noch ein "Wir sehen uns morgen" sagen, bevor ich einschlief, um von dem Mann meines Lebens zu träumen.


THE END
Eigentlich sollte das mal eine Deutschhausaufgabe (Julias Zweifel bevor sie Romeo heiratet) werden. Na ja, nun ist eine “Akte X”-Shortstory daraus geworden. Kommentare sind durchaus erwünscht. *grins*
Thanx to: KIT-X, die sich immer so viel Arbeit macht, die Texte beta zu lesen.

KIT-X-NOTE: Thanx, Tess. I would say, I call it a joyful work. ;)
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