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Familienbande V: Vermächtnisse

von Dawn

Kapitel 4

Alexandria
Samstag
18:20 Uhr


„Fox, hast du meine Schlüssel gesehen?“

Mulder, der am Computer saß und seine Emails las, lachte vor sich hin und sah gerade rechtzeitig auf, um ein Stück eines blauen Oxfordshirts zu sehen als sein Bruder in der Küche verschwand. Bevor er den Mund zum Antworten öffnen konnte, war Grey zurück und suchte mit den Augen das Wohnzimmer ab während er sich abwesend das Hemd zuknöpfte.

„Ich dachte, du hättest sie in deiner Jackentasche gelassen.“, bemerkte er und verzog amüsiert die Lippen als Grey zu der hölzernen Garderobe sprintete und die Taschen seiner dünnen Jacke abtastete. Mit einem leisen, zufriedenen Grunzen zog er einen Schlüsselring hervor und nach einem Moment der Überlegung klemmte er ihn zwischen die Zähne und stopfte sein Hemd in die Hose, während er sich zum Badezimmer begab.

„Was ist los mit ihm?“, fragte Scully und warf die Medizinzeitschrift, das sie gelesen hatte, auf den Kaffeetisch.

„Heißes Date.“, grinste Mulder. Als Scully die Augenbrauen zusammen zog fügte er hinzu: „Er ist spät dran. Kristen erwartet ihn in 25 Minuten und er wird das nie schaffen.“

„Du hättest ihn nicht so lange ausführen sollen, Mulder.“, sagte Scully vorwurfsvoll. „Was habt ihr zwei denn den ganzen Nachmittag getrieben?“

Mulder zuckte mit den Schultern und blickte zwischen Scully und dem PC hin und her. „Wir waren in der Sporthalle und haben Basketball gespielt.“ Seine Augen huschten schnell über den Bildschirm und er kicherte erneut.

„Mulder, *was* ist so lustig? Diese Email scheint dich wahnsinnig zu amüsieren.“

„Sie ist von den Schützen, Frohike hat mir einen Artikel geschickt in dem steht, dass Talkshows in Wirklichkeit verschlüsselte Sendungen von außerirdischen Eindringlingen sind.“

Scully schürzte nachdenklich ihre Lippen. „Nun, Jerry Springer hat auf mich schon immer den Eindruck gemacht, dass er nicht auf diesen Planeten gehört.“, sinnierte Scully.

Mulder grinste entzückt über ihre Antwort. „Du guckst Jerry Springer, Scully?“

Greys Erscheinen unterband ihre Antwort. Sein Hemd war jetzt sauber in seine khakifarbenen Hosen gesteckt, seine Füße steckten in Halbschuhen und nur seine Krawatte war noch nicht soweit, zwar durch den Kragen gezogen, aber noch nicht geknotet. „Ich bin weg.“, verkündete er und nahm seine Jacke vom Haken.

„In dem Ding wirst du dir den Arsch abfrieren, weißt du?“, beobachtete Mulder ruhig und drehte seinen Stuhl. „Es wird heute fast schon frieren.“

Grey zuckte mit den Schultern. „Kann ich nicht ändern. Ich vergesse immer, dass es hier oben kälter werden kann. Wird schon nicht so schlimm werden.“

Mulder seufzte resignierend. „Nimm meine Lederjacke. Sie hängt gleich da. Scully und ich wollen eh nicht ausgehen.“

Grey zögerte. „Bist du sicher?“

„Du nimmst doch schon mein Auto, warum also nicht auch meine Klamotten?“

„Naja, wenn du das *so* sagst...“

Grey tauschte seine Jacke gegen die seines Bruders und drehte sich zur Tür um.

“Warte!“, rief Scully.

Als er sich mit hochgezogener Augenbraue wieder umdrehte stand sie von der Couch auf und ging schnell zu ihm hin. Sie nahm seine geschmackvoll dezente Krawatte (*hat er nicht von Mulder geliehen* dachte sie mit einem Lächeln) und knotete sie zügig, wobei sie die Enden glättete. Sie begutachtete ihn einen Augenblick mit einem kritischen Auge und nickte dann zufrieden.

„Sehr schön.“

Als sie ihre Augen zu seinen anhob überraschte sie die Tiefe seiner Emotionen. „Es ist schon lange her, dass eine schöne Frau das für mich gemacht hat.“, sagte er leise, lehnte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Danke, Dana.“

„War mir ein Vergnügen.“, erwiderte Scully warm. „Viel Spaß!“

„Aber nicht *zu* viel.“, warf Mulder ein und wackelte mit den Augenbrauen. „Wir erwarten, dass du dich alle Zeit wie ein perfekter Gentleman benimmst, Sohn.“

„Ich komm aus dem Süden, kleiner Bruder“, entgegnete Grey und öffnete die Tür. „Wir haben das Konzept erfunden.“

Als die Tür sich schloss ging Scully zu Mulder herüber, der wieder in seine Email vertieft war. Sie betrachtete ihn einen Moment stumm, schwang dann ihr Bein über seine und setzte sich auf seinen Schoß, wobei sie ihm zugewandt war und ihre Arme locker um seinen Nacken legte, womit sie effektiv seine Sicht auf den Bildschirm blockierte.

Mulder klimperte mit den Augen und ein breites Lachen breitete sich über sein Gesicht aus. „Hey Scully.“

„Grey geht mit Kristen zu dem netten, kleinen Italiener und dann in ein Konzert, Mulder.“, sagte Scully und kontrollierte ihren Ausdruck um ihr Lächeln zu verstecken. „Was machen wir heute Abend?“

Mulder biss sich auf die Innenseite seiner Lippe. „Pizza und ein Video?“

Sie seufzte übertrieben. „Sechs Monate, Mulder. Es sind kaum sechs Monate und die einzigen Pläne die du für uns an einem Samstagabend hast sind Pizza und ein Video?“

Sein Lächeln wurde entschieden gierig. „Natürlich nicht, Baby. Ich bin voller Pläne für uns.“

Scully verdrehte die Augen. „Da bin ich ins offene Messer gelaufen, oder?“

Mulder lehnte seine Stirn gegen ihre. „Wie wärs mit Fettucini Alfredo von Maggiano’s? Vielleicht eine Flasche Weißwein, Kerzen, leise Musik?“

Scully drehte ihren Kopf und rieb sich an seiner Wange. „Guter Plan, Mulder. Sehr guter Plan.“



Unterwegs nach Bethesda
Samstag
18:45 Uhr


Als der Motor anfing zu stottern, stöhnte Grey laut. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, würde er jetzt vor Kristens Vorstadthaus vorfahren und sehen, wie sie die Tür öffnete und ihm das Lächeln schenkte, das sein Herz vor widersprüchlichen Gefühlen schneller schlagen ließ. Es war schon komisch wie er nach all der Zeit immer noch das Gefühl hatte, er würde Kate betrügen. Besonders, da er sich sicher war, dass Kate dies hier für ihn gewollt hätte, ihn dazu ermuntert hätte mit jemand anderem glücklich zu werden.

Er würde es seinem Bruder natürlich niemals verraten, aber manchmal erzeugte die Nähe zu Fox und Dana fast schon körperlichen Schmerz. Es traf ihn zu seltsamen Zeiten, die kleinen Dinge, die deutlicher als Worte die Hingabe zwischen den beiden bezeugten. Die Art wie sein Daumen auf ihrem Gesicht verweilte, wenn er eine kupferfarbene Strähne hinter ihr Ohr steckte. Das blendende Lächeln, das sie niemand anderem als ihm schenkte. Die Verbindung ihrer Blicke, die eine schon fast peinliche Tiefe an Intimität ohne die geringste Berührung darstellte. Grey freute sich über seines Bruders Glücklichkeit obwohl ihn die Erinnerung an seinen Verlust schmerzte. In diesem, so wie in anderen Wegen war Fox ein Teil seines Lebens zu machen ein bittersüßes Unterfangen.

Das Auto, welches sich mehr und mehr wie ein Asthmatiker während eines Anfalls anhörte, ruckte noch einmal gewaltig, dann erstarb der Motor. Verhalten fluchend schaffte Grey es den Wagen an den Straßenrand zu lenken, bevor er zum Stehen kam. Er wünschte sich er hätte all die Male, die er seinem Vater am Auto hatte arbeiten sehen besser zugesehen. Grey seufzte wie ein Märtyrer und betätigte den Hebel, der die Motorhaube entriegelte.

„Das muss einfach dein Fehler sein, Fox.“, knurrte er und zitterte aufgrund des Temperaturunterschieds vom warmen Auto zum kalten Wind. „Ich weiß zwar nicht wie, aber da kann man drüber diskutieren.“

Der Verkehr floss fröhlich vorbei als Grey zur Front des Wagens stapfte und die Motorhaube öffnete. Natürlich war er zwischen zwei Straßenlampen zum Stehen gekommen, so dass der Motor eine mehr oder weniger verwirrende Masse an Schatten in der fast kompletten Dunkelheit war. Der Wind nahm etwas zu und Grey klappte den Kragen der Lederjacke hoch und hauchte kurz in seine Hände bevor er sein sinnloses Stochern im Motor fortführte.

Er entschloss sich das Handtuch zu werfen und zum nächsten Telefon zu gehen als der Strahl von Scheinwerfern um die Ränder der Motorhaube fiel und der das distinkte Geräusch von Reifen auf Kies hörte. Grey linste in die Scheinwerfer, die einen Moment später erloschen. Während seine Augen sich bemühten sich wieder an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen konnte Grey eine schattenhafte Figur erkennen, die sich langsam näherte.

„Probleme?“ Die Stimme war leise, gedämpft durch das Rauschen des Verkehrs.

„Ja.“

Grey beugte sich wieder über den Motor und beobachtete den Fremden vorsichtig aus den Augenwinkeln. Die ruhige Stimme und entspannte Haltung waren keine Bedrohung, aber es konnte nicht schaden vorsichtig zu sein. Er dachte sehnsüchtig an seine Waffe, die in seiner Tasche in Foxs Wohnung war und sagte sich dann, dass er sich von der Paranoia seines Bruders hatte anstecken lassen.

„Kann ich mal sehen?“

Der Fremde stoppte als er auf Höhe des Vorderreifens war und ließ Grey jede Menge Platz. Er war zwar nur kaum mehr als eine Silhouette in der Dunkelheit, aber ungefähr von seiner eigenen Statur, bemerkte Grey. Er trug schwarze Jeans und eine schwarze Lederjacke, die Hände waren in die Taschen gestopft, die Schultern gegen die Kälte hochgezogen. Nach einem Moment der Unentschlossenheit zuckte Grey mit den Achseln, trat einen Schritt zurück und deutete auf den Wagen.

„Versuchen Sie ihr Bestes.“

Der Mann lachte leise und beugte sich über den Motor. Greys Anspannung legte sich bei dem Vertrauensbeweis. Wer auch immer dieser gute Samariter war, er vertraute genug um einem Fremden den Rücken zuzudrehen. Greys Blick alternierte zwischen dem Rücken des Mannes und seiner Uhr und er fragte sich, ob Kristen sich schon Sorgen machte.

„Hier ist Ihr Problem.“, sagte der Mann kurz darauf und nickte ihm zu näher zu kommen. „Gucken Sie’s sich an.“

Grey kam näher und beugte sich vor wobei er die Augen zusammenkniff um zu erkennen auf was die Finger des Fremden zeigten. „Sie haben diesen Riemen verloren, sehen Sie?“

Grey schnaubte. „In diesem Licht? Nicht wirklich!“

Der Fremde stieß die Luft aus nach einem kurzen Lachen. „Fühlen Sie mal hier.“

Gehorsam streckte Grey seinen Arm aus bis seine Finger mit dem ausgefransten Ende von etwas in Kontakt kamen. Bevor sein Gehirn jedoch das Gefühl registrieren konnte, spürte er etwas Spitzes die Haut an seinem Handgelenk durchbrechen.

„Au! Was zum Teufel war das?“, schrie er, zog seinen Arm zurück als ob er sich verbrannt hätte und hielt ihn ins Licht. Ein winziger Tropfen Blut lag über der Ader.

„Alles in Or...?“ Der Fremde hatte sich auch aufgerichtet und zeigte seine grünen Augen und ein schmales Lächeln. Seine Worte brachen abrupt ab und seine Augen weiteten sich geschockt um sich dann verärgert zusammen zu ziehen.

„Was zum.... Sie sind nicht Mulder!“

Grey öffnete den Mund um zu antworten aber eine Welle des Schwindels ließ das Gesicht des Mannes zu kaum mehr als einem blassen Oval verschwimmen. Er taumelte und hielt sich mit einer Hand am Auto fest wobei er den Kopf schüttelte um ihn frei zu kriegen.

“Wovon reden Sie?“, fragte er, die Worte verwaschen durch die plötzlich schwere Zunge. „Bin nicht Fox, bin sein Bruder.“

Diese Worte hervorzupressen vergrößerte Greys Orientierungslosigkeit und seine Glieder begannen sich bleiern anzufühlen, als ob sie nicht mehr zu seinem Körper gehörten. Trotz seines Griffes am Auto knickten seine Knie ein. Der Mann packte Grey an der Jacke und zog ihn hoch wobei er in einer fremden Sprache Worte, die nur Flüche sein konnten, ausspuckte. Unglücklicherweise war es eine Herausforderung Greys schlaffen Körper zu stützen. Der Fremde stolperte und stützte sich selber mit seiner rechten Hand ab, wobei er seinen schwarzen Lederhandschuh and etwas Scharfem aufschlitzte. Er lehnte Grey gegen das Auto und betrachtete ihn scharf.

Grey hatte Probleme die Augen offen zu halten und die kleine Ecke seines Hirns die noch nicht von der unbekannten Droge, die er erhalten hatte, vernebelt war, schrei, dass er tief in der Tinte saß. Der Mann äußerte noch ein paar weitere Flüche auf Russisch, so wie es sich anhörte, dann verzogen sich seine Lippen zu einem sardonischen Grinsen und er lachte.

„Verdammt, Mulder! Du schaffst es sogar mir Probleme zu bereiten ohne es zu versuchen!“

„Wer. Sind. Sie.“ Reine Willenskraft ließ ihn bei Bewusstsein bleiben, die Worte klebten in seinem Mund wie Erdnussbutter.

Das antwortende Krümmen der Lippen des Fremden konnte man kaum mehr als Lächeln bezeichnen. „Ich war mal der Partner Ihres Bruders““, sagte er flach und die Worte erreichten Grey wie durch einen dunklen Tunnel. „Sie können mich Alex nennen.“

Greys Augen schlossen sich und er versank in Dunkelheit.


Unbekannter Ort
Samstag
20:17 Uhr


„Setz dich hin, Alex.“

Krycek schloss die Tür und ging durch den Raum um sich vor den Mann, der in dem Plüschsessel saß, zu stellen. „Ich bleibe lieber stehen.“, erwiderte er unverschämt und die Haltung seines Körpers zeugte von mangelndem Respekt“

Der Sprecher blickte ihn nur ruhig aus stahlgrauen Augen an, nahm die Zigarette aus seinen Lippen und stieß einen langen Schwall Rauch aus. „Hinsetzen.“

Obwohl die Lautstärke sich nicht verändert hatte, war die angedeutete Drohung unüberhörbar. Krycek biss die Zähne zusammen und setzte sich steif in den angebotenen Stuhl.

„Würdest du mir vielleicht erklären warum ich dich geschickt habe den einen Mulder zu holen und du mit dem anderen wiederkommst?“, fragte der Raucher beiläufig.

„Ich glaubte es *war* Mulder.“, knurrte Krycek. „Ich habe erst bemerkt, dass es sein Bruder war nachdem ich ihn betäubt hatte, und da war es zu spät.“

Ein weiterer langer Zug an der Zigarette und ein langsames Ausatmen. „Und da hast du dich entschieden Salz in die Wunden zu streuen und ihn hierher zu bringen.“

Krycek sprang vor, die gute Hand zur Faust geballt. „Was willst du von mir? Er kam aus *Mulders* Wohnung, stieg in *Mulders* Auto und zur Hölle, er trug auch noch *Mulders* Jacke. In der Dunkelheit zum Verwechseln ähnlich. Ich hatte zwei Möglichkeiten – entweder ihn im Auto zu lassen und Gefahr laufen, dass Mulder kapiert was los ist oder ihn hierher bringen. Du hast McKenzie seit fast zwei Monaten beobachten lassen. Willst du mir sagen, dass du ihn nicht früher oder später testen wolltest?“

„Alles nach *meinem* Zeitplan, Krycek, nicht als Ergebnis deines fehlgeschlagenen Versuches deine Aufgabe zu erfüllen.“, antwortete CSM kühl, seine Stimme wie Samt über Stahl. „Das Problem mit Mulder ist weiterhin ungelöst und uns läuft die Zeit weg. Sein Bruder hätte warten können.“

Kracke entblößte die Zähne in einer Parodie eines Lächelns. „Vielleicht kannst du tauschen.“

Der Raucher ignorierte seine Stichelei. „Wie sicher bist du, dass niemand dich gesehen hat?“

Krycek zuckte mit den Achseln. „Es *war* am Rande der Schnellstraße. Aber kaum Verkehr und er hat mir den Gefallen getan nicht unter einer Lampe anzuhalten. Er war zu überrascht um zu kämpfen und ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand gesehen hat wie ich ihn ins Auto brachte.“

„Du wirst mir vergeben wenn mich deine Versicherungen nicht beruhigen.“, bemerkte CSM trocken. Er lehnte sich vor und löschte seine Zigarette in einem kristallenen Aschenbecher. „Sieh zu, dass er in den blauen Raum kommt.“

Krycek spürte wie ihm der kalte Blick zur Tür folgte und hörte das Klicken des Feuerzeugs als der alte Mann eine weitere Morley anzündete. Seine Hand zuckte vor Verlangen seine Waffe zu zücken, die im Hosenbund steckte und dieses Affentheater einer Kooperation zu beenden. Mit einiger Mühe beruhigte er sein Gemüt und die Vernunft siegte. Jetzt war nicht die Zeit aber irgendwann würde der Tag kommen.
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